Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420575/13/Gf/Mu/Bu VwSen-420576/13/Gf/Mu/Bu

Linz, 17.07.2009

B E S C H L U S S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerden des M D und des R M, M-H-Straße , 4... L, beide vertreten durch RA Mag. T T, H , 4... R, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehörd­licher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Polizeidirektors von Linz am 29. Jänner 2009 beschlossen:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 6 Abs. 1 AVG.

Begründung:

1.2. In ihren ausdrücklich als "Maßnahmenbeschwerde" bezeichneten, am 10. Februar 2009 per e-mail eingebrachten Schriftsätzen wendeten sich die Rechtsmittelwerber gegen ihre rechtswidrige Festnahme am 29. Jänner 2009 im Linzer Stadtzentrum durch Exekutivbeamte der Bundespolizeidirektion Linz sowie gegen ihre nachfolgende, bis ca. 1.00 Uhr des 30. Jänner 2009 dauernde Anhaltung im Polizeianhaltezentrum Linz.

Darin brachten die Beschwerdeführer vor, dass sie in verfassungsgesetzlich und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten – nämlich im Recht auf persönliche Freiheit (Art. 5 MRK); im Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art. 3 MRK); im Recht auf körperliche Unversehrtheit; sowie im Recht, nur bei Vorliegen der in § 35 VStG, § 81 Abs. 2 SPG bzw. § 170 Abs. 1 Z. 1 StPO genannten Voraussetzungen festgenommen werden zu dürfen – verletzt worden seien. Die Festnahme sei nämlich aus eigenem Antrieb des Polizeibeamten erfolgt, weil weder eine entsprechende Anordnung des Staatsanwaltes noch ein richterlicher Befehl zur Festnahme vorgelegen sei. Zudem sei auch seitens der Staatsanwaltschaft weder die Verwahrungshaft noch die Untersuchungshaft beantragt bzw. angeordnet geworden. Für die Festnahme seien keine Gründe vorgelegen, weil sie sich keineswegs der Strafverfolgung entzogen und auch in keiner strafbaren Handlung verharrt oder eine solche gerade ausgeübt hätten oder bei einer solchen gerade betreten worden seien. Außerdem hätten sie auch in keinster Weise ein Indiz dafür gesetzt, einen Diebstahl durch Einbruch und/mit Waffen begangen zu haben. Darüber hinaus seien auch die Gründe des § 35 VStG und des § 81 Abs. 2 SPG nicht vorgelegen.

Daher wurde jeweils die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Festnahme und Anhaltung beantragt.

1.2. Die BPD Linz hat als belangte Behörde mit Schriftsatz vom 2. März 2009 die Bezug habenden Akten vorgelegt und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass den Beschwerden eine nach der Strafprozessordnung gesetzte Amtshandlung zu Grunde liegt.

2.1. Mit h. Bescheid vom 4. März 2009, GZ VwSen-420575 u. 420576/5/Gf/Mu, wurde festgestellt, dass der Oö. Verwaltungssenat zur Behandlung dieser Beschwerden sachlich unzuständig ist und diese an die Staatsanwaltschaft Linz weitergeleitet werden.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass das Rechtsschutzinstrumentarium der Maßnahmenbeschwerde nach der ständigen Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als ein bloß subsidiärer Rechtsbehelf anzusehen ist, der stets erst dann zum Tragen kommt, wenn keine der sonst vorgesehenen ordentlichen Rechtsmittel zur Verfügung stehen (vgl. z.B. statt vieler VwGH v. 25.4.1991, 91/06/0052).

Da aus dem von der BPD Linz vorgelegten Akt geht hervorgehe, dass im gegenständlichen Fall der Rechtsmittelwerber explizit unter Berufung auf die Straf­prozessordnung, BGBl.Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 93/2007 (im Folgenden: StPO), wegen des Verdachtes der Begehung des Deliktes Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen (§ 129 StGB) festgenommen wurde und § 106 Abs. 1 Z. 2 StPO in der seit dem 1. Jänner 2008 maßgeblichen Fassung der umfangreichen StPO-Novelle 2007 in diesem Zusammenhang insbesondere festlege, dass im Ermittlungsverfahren jeder Person, die behauptet, dadurch in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, dass eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme seitens der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei unter Verletzung von Bestimmungen der StPO angeordnet oder durchgeführt wurde, die Möglichkeit eines Einspruches an das zuständige Gericht zusteht und ein derartiger Einspruch gemäß § 106 Abs. 3 StPO bei der Staatsanwaltschaft einzubringen ist, erweise sich sohin im gegenständlichen Fall eine Maßnahmenbeschwerde als unzulässig.

Deshalb habe der Oö. Verwaltungssenat seine funktionelle Unzuständigkeit festzustellen und die vorliegende Beschwerde gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die Staatsanwaltschaft Linz weiterzuleiten gehabt.

2.2. Dagegen haben die Rechtsmittelwerber jeweils eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

3. Mit Entscheidung vom 23. Juni 2009, Zlen. 2009/06/0085 u. 0086, hat der VwGH diese Beschwerden einerseits insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen die Weiterleitung der Eingaben an die Staatsanwaltschaft Linz richten; andererseits wurde die bescheidmäßige Feststellung der Unzuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates aufgehoben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Bestimmung des § 6 Abs. 1 AVG einer Behörde keine Handhabe dafür bietet, mit einem Feststellungsbescheid ihre Unzuständigkeit auszusprechen; eine förmliche bescheidmäßige Entscheidung über die Zuständigkeit hat vielmehr im Wege der Zurückweisung des Antrages des Einschreiters zu erfolgen.

4. Unter Bindung an diese Entscheidung (vgl. § 63 Abs. 1 VwGG) und im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft Linz hatte daher der Oö. Verwaltungssenat die Beschwerden der Rechtsmittelwerber als unzulässig zurückzuweisen, da er zu deren Behandlung im Hinblick auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG und i.V.m. §§ 106 f. StPO funktionell nicht zuständig ist.

Daran vermag auch das von den Rechtsmittelwerbern erst (trotz Neuerungsverbot) in ihren Beschwerden an den VwGH erstattete Vorbringen, dass die gerichtlichen Strafverfahren am 11. März 2009 eingestellt worden seien, nichts zu ändern: Denn diese Einstellung erfolgte zum einen erst nach dem Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerden beim Oö. Verwaltungssenat und zum anderen ist im Verfahren über eine Maßnahmenbeschwerde schon von vornherein auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, die zum Zeitpunkt der bekämpften Amtshandlung, also am 29. bzw. 30. Jänner 2009, vorlag.

Außerdem kommt es nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates für die Beurteilung der Behördenzuständigkeit i.S.d Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG einerseits bzw. der §§ 106 f. StPO andererseits nicht darauf an, dass die Beschwerdeführer (auch) eine Verletzung des Sicherheitspolizeigesetzes releviert haben, sondern ausschließlich darauf, auf welcher Rechtsgrundlage das Behördenorgan tatsächlich eingeschritten ist.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von jeweils 13,20 Euro angefallen.

 

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

VwSen-420575/13/Gf/Mu/Bu vom 17. Juli 2009

§ 6 Abs. 1 AVG

 

§ 6 Abs. 1 AVG bietet keine Handhabe für eine bescheidmäßige Feststellung der Unzuständigkeit der Behörde; die formelle Feststellung der Unzuständigkeit hat vielmehr durch Zurückweisung des Antrages zu erfolgen (vgl. VwGH v. 23.6.2009, Zl. 2009/06/0085 u.a.).

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 28.02.2011, Zl.: 2010/17/0282, 0283-10