Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-130619/3/WEI/Eg

Linz, 22.07.2009

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Mag. F W, geb.    , F, vertreten durch die G K P L Rechtsanwälte OG, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Freistadt vom 7. Mai 2009, Zl. VerkR 96-3819-2008, wegen einer Übertretung des Oö. Parkgebührengesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.              Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Freistadt vom 7. Mai 2009 wurde der Berufungswerber (im Folgenden Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"1) Sie haben das Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne die Parkgebühr zu entrichten.

Tatort: Gemeinde Freistadt, Gemeindestraße Ortsgebiet, Freistadt, nächst dem Haus Waaggasse 17-19.

Tatzeit: 25.10.2008, 11:50 Uhr.

Fahrzeug: Kennzeichen      , PKW, VW"

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 6 Abs 1 lit a) Oö. Parkgebührengesetz 1988 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 6 Abs 1 lit a) Oö. Parkgebührengesetz eine Geldstrafe in Höhe von 21 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden gemäß § 64 VStG 5 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses dem Rechtsvertreter des Bw am 8. Mai 2009 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die am 22. Mai 2009 rechtzeitig mittels e-mail eingebrachte Berufung, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Am 25. Oktober 2008 um 11.50 Uhr stellte ein Organ der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, Stadtamt Freistadt, die Organstrafverfügung, Kennzahl 0..., gemäß § 50 Verwaltungsstrafgesetz 1991 wegen einer Übertretung nach § 6 Oö. Parkgebührengesetz über den Betrag von 14 Euro aus. Da das Organmandat nicht bezahlt wurde, erstattete die Gemeinde Freistadt die Anzeige vom 11. Dezember 2008 gegen den Bw als Zulassungsbesitzer des PKW VW 3B Passat, Kennzeichen     , wegen Übertretung des Oö. Parkgebührengesetzes, weil der Bw das bezeichnete KFZ in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt habe, ohne die Parkgebühr zu entrichten.

 

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 forderte die belangte Behörde den Bw als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges unter Hinweis auf die Anzeige gemäß § 2 Abs 2 Oö. Parkgebührengesetz auf, der Behörde binnen zwei Wochen jene Person zu benennen, die er das Fahrzeug zuletzt vor diesem Zeitpunkt am Tatort abgestellt hat oder die Person zu benennen, welche die Auskunft erteilen kann.

 

Dieser Aufforderung ist der Bw nachgekommen und teilte der Behörde mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 mit, dass er das Fahrzeug selbst abgestellt hat. 

Die belangte Behörde erließ in der Folge gegen den Bw eine Strafverfügung vom 7. Jänner 2009, Zl. VerkR96-3819-2008, wogegen der Bw mit Telefax vom 20. Jänner 2009, Einspruch erhob.

Die belangte Behörde forderte den Bw mit Schreiben 26. März 2009 auf den Einspruch zu begründen und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt zu geben, widrigenfalls das Verfahren ohne seine Anhörung durchgeführt würde und ein monatliches Einkommen von 1.100 Euro, keine ins Gewicht fallende Sorgepflichten, angenommen werde.

 

Die G K P L Rechtsanwälte OG gab in der Folge Vollmacht bekannt und ersuchte um Akteneinsicht. Einer Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme binnen der gesetzten Frist sind die Rechtsvertreter allerdings nicht nachgekommen.

 

Die belangte Behörde hat keine weiteren Schritte unternommen und schließlich das angefochtene Straferkenntnis vom 7. Mai 2009, zugestellt am 8. Mai 2009, mit einem Tatvorwurf wie in der Strafverfügung erlassen. Begründend ging die belangte Behörde auf Grund der Anzeige und der Bekanntgabe, dass der Bw das Fahrzeug im Tatzeitpunkt selbst abgestellt habe und der fehlenden Reaktion auf die behördliche Aufforderung zur Stellungnahme von einer erwiesenen Tat aus.

 

2.2. In der rechtsfreundlich vertretenen Berufung machte der Bw ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren und unrichtige Strafbemessung geltend. Über den Bw hätte lediglich eine Ermahnung ausgesprochen werden dürfen, da sein Verschulden nach § 21 Abs. 1 VStG nur gering sei. Der gegenständliche Fall weiche von klassischen Fällen derartiger Delikte insoweit ab, als der Einschreiter an diesem Tag Durchfall gehabt habe und er äußerst dringend auf die Toilette musste und somit ein Fall von Notstand vorgelegen sei.

Abschließend wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung beantragt. In eventu wurde beantragt den angefochtenen Bescheid zur neuerlichen Entscheidung an die Unterinstanz zurück zu verweisen bzw. in eventu die verhängte Strafe angemessen herabzusetzen. Darüber hinaus wurde die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde zur Zahl VerkR 96-3819-2008 und nach einer ergänzenden Erhebung im DORIS (Digitales Oberösterreichisches Raum-Informations-System) festgestellt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt schon nach der Aktenlage hinlänglich geklärt erscheint und im Wesentlichen nur Rechtsfragen zu beantworten sind. Da der erstbehördliche Strafbescheid schon nach der Aktenlage aufzuheben ist, konnte auf die Durchführung der in der Berufung beantragten mündlichen Verhandlung verzichtet werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 6 Abs 1 lit a) Oö. Parkgebührengesetz (LGBl Nr. 28/1988 zuletzt geändert mit LGBl Nr. 126/2005) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen,

 

wer durch Handlungen oder Unterlassungen die Parkgebühr hinterzieht oder verkürzt bzw. zu hinterziehen oder zu verkürzen versucht.

 

4.2. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist; ........

 

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw.

 

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1521).

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z. 1 der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z. 2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falls zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwenigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (vgl dazu näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1522 mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601).

 

Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl. etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. Die Tatortkonkretisierung im Spruch des angefochtenen Bescheides wird  dem § 44a Z 1 VStG nicht gerecht.

 

Den vom erkennenden Verwaltungssenat beschafften Ausdrucken von Online-Landkarten (Karten mit Luftaufnahme und mit Adressen) aus dem DORIS (http://doris.ooe.gv.at/) ist zu entnehmen, dass das im Spruch angeführte "Haus W -" - sofern es sich dabei überhaupt um ein einheitliches Haus mit Front zur W handelt - als Teil eines zusammenhängenden weitläufigen Häuserkomplexes, der die Nummern  bis  umfasst, erscheint . Ein Abstellen des Fahrzeuges in der Waaggasse "nächst" dem Haus Nr. - ist zwar irgendwo in der Nähe dort möglich, lässt aber in dieser besonderen Konstellation zahlreiche Deutungsmöglichkeiten offen. Jedenfalls drückt die belangte Behörde mit der Tatortumschreibung nicht aus, dass das Fahrzeug vor dem Haus W - abgestellt war. Ob sie mit "nächst dem Haus W -" ein Abstellen des Fahrzeuges vor dem Haus zum Ausdruck bringen wollte, kann nicht erschlossen werden. Das Fahrzeug könnte nach der gewählten Formulierung auch auf der dem bezeichneten Haus gegenüberliegenden Seite der W oder weiter vorne oder weiter hinten abgestellt worden sein.

 

Im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist hinsichtlich der im ruhenden Verkehr begangenen Delikte an die Exaktheit der Tatortumschreibung ein verhältnismäßig strenger Maßstab anzulegen. Die Umschreibung des Tatortes ist – wie dargestellt – nicht eindeutig, da das Fahrzeug an mehreren Stellen "nächst dem Haus W -" abgestellt werden kann.  Es liegt somit offenkundig keine eindeutige Bezeichnung des Tatortes vor. So hat beispielsweise auch der Verwaltungsgerichthof die Angabe "Wien I, Dr.-Karl-Renner-Ring (Parkplatz vor dem Parlament)" als zur hinreichenden Konkretisierung des Tatortes ungenügend angesehen, weil amtsbekannt war, dass es zwei derartige Parkplätze gab (vgl VwGH 9.7.1982, Zl. 81/02/0337). Der Tatvorwurf und damit der Spruch eines Straferkenntnisses hat objektiven Anforderungen zu genügen. Es genügt für seine Konkretisierung gerade nicht, wenn nur ganz bestimmte Personen kein Verwechslungsproblem hätten (vgl bereits VwSen-130587/2/WEI/Ga vom 26.2.2009 und VwSen-130617/3/SR/Eg/Sta vom 4.6.2009).

Mit der gewählten mehrdeutige Umschreibung des Tatorts wurde der Bw weder in die Lage versetzt hat, einen bestimmten Tatvorwurf zielführend zu widerlegen, noch eine Formulierung gewählt, die den Bw vor einer allfällig rechtswidrigen Doppelverfolgung hätte schützen können. Das wesentliche Element des Tatorts muss aber aus sich heraus verständlich sein. Der Tatvorwurf ist nicht schon dann iSd § 44a Z1 VStG hinreichend bestimmt, wenn er erst durch weitere Nachforschungen verständlich wird.

Den Bw traf gegenüber der Strafbehörde keine Mitwirkungspflicht, auf die Richtigstellung des unzureichenden Tatvorwurfes hinzuwirken, weil dies auf eine verfassungsrechtlich unzulässige Pflicht zur Selbstbelastung hinausliefe. Er war daher auch nicht verpflichtet, die belangte Behörde auf die Mehrdeutigkeit des Tatvorwurfes hinzuweisen.

5. Der Berufung war daher Folge zu geben und das Strafverfahren mangels einer ausreichend angelasteten Verwaltungsübertretung und wegen Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

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