Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164034/6/Zo/Ps

Linz, 27.07.2009

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau M G, geb. , O B, L, vom 26. März 2009 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 13. März 2008, Zl. VerkR96-40869-2008/Bru/Pos, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes (KFG) 1967, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 23. Juni 2009 zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z2 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat der Berufungswerberin im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass sie am 9. September 2008 um 07.50 Uhr als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen  nicht dafür gesorgt habe, dass die Vorschriften des KFG eingehalten wurden, da festgestellt wurde, dass sie ein Kind im Alter von sechs Jahren, welches kleiner als 150 cm war, befördert habe und dieses dabei nicht mit einer geeigneten, der Größe und dem Gewicht des Kindes jeweils entsprechenden Rückhalteeinrichtung, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringert, gesichert habe. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 106 Abs.5 Z2 KFG 1967 begangen, weshalb über sie gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 7 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Berufungswerberin aus, dass sie ihre Tochter bei der Wegfahrt angegurtet habe. Diese habe den Gurt kurz vor dem Anhalten selbständig geöffnet. Sie könne nicht ständig anhalten und nachsehen, ob das Kind noch angeschnallt ist. Ihre Tochter sei auf der Rücksitzbank auf dem Mittelsitz gesessen und habe den Bauchgurt verwendet, es sei durchaus möglich, dass sie sich mit einem Arm auf der links neben ihr befindlichen Mikrowelle abgestützt habe.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Linz-Land hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 23. Juni 2009. An dieser hat die Berufungswerberin teilgenommen, die Erstinstanz war entschuldigt. Als Zeugen wurden die damalige Beifahrerin, Frau Y, sowie die Polizeibeamtin RI M K einvernommen.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentlicher Sachverhalt:

 

Die Berufungswerberin lenkte zur Vorfallszeit ihren Pkw mit dem Kennzeichen
 in L. Sie bog von der H kommend in die H ein und fuhr dort in Richtung Volksschule. Im unmittelbaren Bereich der Volksschule wurde sie von einer Polizeibeamtin zu einer Verkehrs­kontrolle angehalten.

 

Im Fahrzeug der Berufungswerberin befanden sich auf dem Beifahrersitz die Zeugin Y sowie auf der Rücksitzbank rechts der neunjährige Sohn und auf dem mittleren Sitz die sechsjährige Tochter der Berufungswerberin. Im linken Bereich der Rücksitzbank befand sich ein Mikrowellengerät. Bei der Anhaltung waren die Berufungswerberin, die Beifahrerin und der neunjährige Sohn angegurtet, die sechsjährige Tochter der Berufungswerberin war zum Zeitpunkt der Anhaltung nicht angegurtet. Dazu führte die Berufungswerberin in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig aus, dass sie ihre Tochter vor dem Wegfahren bereits in der Garage mit dem Bauchgurt angegurtet habe. Ihre Tochter habe auch eine Sitzerhöhung verwendet. Es sei durchaus möglich, dass sich ihre Tochter während der Fahrt bewegt habe, vermutlich habe sie sich mit einem Arm auf der Mikrowelle abgestützt. Ihre Tochter müsse sich unmittelbar vor der Anhaltung selbst abgeschnallt haben, weil sie ja vor der Volksschule ohnedies stehen geblieben wäre und ihre Tochter dort ausgestiegen wäre.

 

Diese Angaben wurden von der Beifahrerin Y bestätigt, die Polizeibeamtin führte dazu an, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Anhaltung das sechsjährige Kind nicht angegurtet war. Sie habe beim Abbiegen von der H in die H gesehen, dass sich das Kind bewegt habe und daraus geschlossen, dass das Kind möglicherweise nicht angegurtet sei.

 

Dazu ist in freier Beweiswürdigung Folgendes festzustellen:

 

Im konkreten Fall ist es durchaus naheliegend, dass sich die sechsjährige Tochter der Berufungswerberin tatsächlich erst unmittelbar vor der Anhaltung im Bereich der Volksschule selbst abgeschnallt hat. Alle anderen Personen im Fahrzeug waren angegurtet, was ein erhebliches Indiz dafür ist, dass die Berufungswerberin die Gurtenpflicht grundsätzlich ernst nimmt. Die Polizei­beamtin selbst konnte das Nichtverwenden des Bauchgurtes ebenfalls erst nach der Anhaltung feststellen und keine Wahrnehmungen dahingehend machen, ob das Kind unmittelbar vorher angegurtet war bzw. wann es sich allenfalls selbst abgeschnallt hat. Letztlich werden die Angaben der Berufungswerberin auch von der Beifahrerin bestätigt. Unter Abwägung all dieser Umstände ist es durchaus naheliegend, dass sich die sechsjährige Tochter der Berufungswerberin tatsächlich erst unmittelbar vor der Anhaltung im Bereich der Volksschule selbst abgeschnallt hat.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 106 Abs.5 Z2 KFG 1967 hat der Lenker dafür zu sorgen, dass Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, die kleiner als 150 cm sind, in Kraftwagen, ausgenommen Fahrzeuge der Klassen M2 und M3, nur befördert werden, wenn dabei geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwendet werden, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringern.

 

5.2. Bei der Verpflichtung zur Sicherung von beförderten Kindern mit einer geeigneten Rückhalteeinrichtung handelt es sich um ein Dauerdelikt. Jeder Fahrzeuglenker hat also nicht nur vor dem Wegfahren, sondern während der gesamten Fahrt dafür zu sorgen, dass Kinder entsprechend gesichert werden. Die Berufungswerberin hat damit die ihr vorgeworfene Verwaltungs­übertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Unabhängig davon ist jedoch zu überprüfen, ob sie ein Verschulden daran trifft, dass sie das selbständige Abschnallen ihrer sechsjährigen Tochter unmittelbar vor der Anhaltung nicht bemerkt hat. Diesbezüglich kommt allenfalls Fahrlässigkeit in Betracht, wobei entsprechend § 6 StGB derjenige fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Es kommt also auf eine objektive Sorgfaltswidrigkeit an, wobei als Maßstab dafür im Straßen­verkehr der sorgfältige aufmerksame Kraftfahrzeuglenker heranzuziehen ist. Von einem derartig sorgfältigen Kraftfahrer ist zu verlangen, dass er jedenfalls vor Antritt der Fahrt die Kindersicherung kontrolliert und auch während der Fahrt diese dann immer wieder überprüft, wenn die Verkehrslage dies zulässt. So sind Kontrollblicke auch auf die hintere Rücksitzbank bei einem verkehrsbedingten Anhalten (zum Beispiel bei einer roten Ampel) durchaus zu verlangen, weil mit der Möglichkeit des selbständigen Abschnallens von Kindern jederzeit gerechnet werden muss. Auch während der Fahrt sind immer wieder Blicke in den inneren Rückblickspiegel durchzuführen, wobei in diesem bei richtiger Einstellung auch die Verwendung der Dreipunktgurte überprüft werden kann. Anders verhält es sich jedoch mit dem Bauchgurt, welcher im gegenständlichen Fall für den mittleren Sitz verwendet wird. Die Verwendung dieses Bauchgurtes ist im Rückblickspiegel nicht erkennbar und es gab für die Berufungswerberin auch sonst keine Anhaltspunkte, aus welchen sie das Abschnallen ihrer Tochter hätte erkennen können. Hätte sich ihre Tochter zum Beispiel besonders auffällig bewegt bzw. ihren Sitzplatz zur Gänze verlassen, so hätte die Berufungswerberin auch dies im Rückblickspiegel feststellen müssen und daraus schließen können, dass sich ihre Tochter abgeschnallt hat. Derartiges konnte im Beweisverfahren jedoch nicht festgestellt werden.

 

Im konkreten Fall trifft die Berufungswerberin daher kein ihr vorwerfbares Verschulden daran, dass sich ihre Tochter im unmittelbaren Nahebereich vor der Schule, bei welcher sie ohnedies ausgestiegen wäre, abgeschnallt hat. Wegen dieses fehlenden Verschuldens darf sie trotz der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG nicht bestraft werden, weshalb ihrer Berufung stattzugeben war.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

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