Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164210/2/Zo/Ps

Linz, 27.07.2009

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau S E, geb. , vertreten durch Herrn C E, U, K, vom 12. Mai 2009 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 27. April 2009, Zl. VerkR96-2353-2007, wegen Zurückweisung eines Einspruches als verspätet zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 49 Abs.1 VStG und § 13 Abs.1 AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem angefochtenen Bescheid den Einspruch der Berufungswerberin vom 11. Oktober 2007 gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 3. September 2007, Zl. VerkR96-2353-2007, als verspätet zurückgewiesen.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte die Berufungswerberin geltend, dass sowohl sie selbst als auch ihr Vertreter damals in ständigem telefonischen Kontakt mit der Bezirkshauptmannschaft Freistadt gestanden seien. Während dieser Telefonate sei ihnen auch mitgeteilt worden, dass die Einspruchsfrist ablaufe und sie vorweg mündlich Einspruch erheben könne, um die Frist zu wahren und den schriftlichen Einspruch nachzureichen. Diese von der Behörde gesetzte Frist habe sie eingehalten.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Gegen die Berufungswerberin wurde wegen einer Geschwindigkeits­überschreitung am 3. September 2007 zu Zl. VerkR96-2353-2007 von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt eine Strafverfügung erlassen. Diese Strafverfügung wurde durch Hinterlegung am 17. September 2007 bei der Zustellbasis F zugestellt. Am 1. Oktober 2007 hat Frau E telefonisch einen Einspruch gegen die Strafverfügung bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt eingebracht. Es wurde ihr aufgetragen, innerhalb von zwei Wochen den Einspruch schriftlich und persönlich unterschrieben zu übermitteln, wobei sie darauf hingewiesen wurde, dass für den Fall der Nichtbeachtung dieses Verbesserungsauftrages ihr Anruf vom 1. Oktober 2007 nicht als Einspruch gewertet würde.

 

Daraufhin hat die Berufungswerberin am 11. Oktober 2007 – nunmehr vertreten durch Herrn E – einen schriftlichen Einspruch nachgereicht. Erst 18 Monate später, am 5. März 2009 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt wegen der behaupteten Verspätung des Einspruches Parteiengehör gewahrt und in weiterer Folge der angefochtene Bescheid erlassen.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Im Hinblick auf die telefonische Erhebung des Einspruches bereits am
1. Oktober 2007 ist hier die Bestimmung des § 13 Abs.1 AVG in ihrem zeitlichen Ablauf darzustellen:

 

§ 13 Abs.1 AVG lautete bis Ende Februar 2004 über lange Zeit wie folgt:
Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen können, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auch telegrafisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.

 

Diese Bestimmung wurde mit BGBl. I Nr. 10/2004, in Kraft getreten am 1. März 2004, in den hier relevanten Punkten geändert und lautete seither wie folgt:
Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden oder sonstige Mitteilungen können, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich eingebracht werden. Dies kann in jeder technischen Form geschehen, die die Behörde zu empfangen in der Lage ist. Einem mündlichen Anbringen ist unabhängig von der technischen Einbringungsform jedes Anbringen gleichzu­halten, dessen Inhalt nicht zumindest in Kopie zum Akt genommen werden kann. Als Kopie gilt jede inhaltlich unverfälschte Wiedergabe des Original.

 

§ 13 Abs.1 AVG wurde durch BGBl. I Nr. 5/2008 neuerlich geändert und lautet seit 1. Jänner 2008 wie folgt:

Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

 

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

 

5.2. Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann ein Einspruch also auch mündlich eingebracht werden. Zu klären ist jedoch, ob das telefonische Einbringen des gegenständlichen Einspruches am 1. Oktober 2007 als "mündlich" anzusehen war oder nicht. Diese Frage ist nicht in § 49 Abs.1 VStG, sondern in § 13 AVG geregelt. Entsprechend dieser Bestimmung wurde im Verwaltungsverfahren jahrzehntelang zwischen der mündlichen und der telefonischen Einbringung unterschieden. Diese Rechtslage wurde jedoch durch BGBl. I Nr. 10/2004 mit
1. März 2004 geändert. Ab diesem Zeitpunkt scheint die Einbringungsart "telefonisch" in § 13 Abs.1 AVG nicht mehr auf. Seit dieser Fassung des § 13 Abs.1 AVG ist jedes Anbringen, das nicht kopiert werden kann, einem mündlichen Anbringen gleichzuhalten. Das bedeutet im Ergebnis, dass telefonische Anbringen ebenfalls als mündliche Anbringen galten. Mit BGBl. I Nr. 65/2002 wurde diese Rechtslage wiederum geändert, in der nunmehr geltenden Fassung unterscheidet § 13 Abs.1 AVG wieder zwischen der mündlichen und der telefonischen Einbringung.

 

Die nunmehrige Berufungswerberin hat am 1. Oktober 2007 telefonisch einen Einspruch eingebracht. Diese Verfahrenshandlung ist nach den damals geltenden Verfahrensregeln zu beurteilen. Sie entsprach damals der in § 13 Abs.1 AVG vorgesehenen Vorgangsweise, weshalb der Berufungswerberin auch zutreffend von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt ein Auftrag zur schriftlichen Einbringung des Einspruches binnen zwei Wochen erteilt wurde. Diesem Auftrag ist die Berufungswerberin nachgekommen. Sie hat damit ihren Einspruch entsprechend der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechtslage rechtzeitig eingebracht. Die in der Zwischenzeit erfolgte Änderung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen kann nicht zu einem nachträglichen Ungültigwerden einer damals verfahrensmäßig richtig gesetzten Handlung führen. Der am 1. Oktober 2007 telefonisch eingebrachte Einspruch war daher rechtzeitig, weshalb der nunmehr erlassene Zurückweisungsbescheid aufzuheben war. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat nunmehr über diesen Einspruch in der Sache zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 


 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

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