Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-100277/27/Fra/Ka

Linz, 24.04.1992

VwSen - 100277/27/Fra/Ka Linz, am 24. April 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Kurt Wegschaider sowie den Berichter Dr. Johann Fragner und den Beisitzer Dr. Alfred Grof über die Berufung des N G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K R, gegen das Ausmaß der mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 13. November 1991, Zl. III-VU-1345/91/G, wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960 verhängten Strafe zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die verhängte Geldstrafe wird auf 10.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 1 Woche herabgesetzt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 19, 24, 51 und 51e Abs.2 VStG.

II. Der Kostenbeitrag für das Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 1.000 S. Die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit Straferkenntnis vom 13. November 1991, Zl. III-VU-1345/91/G, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 18.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt, weil er am 17. Juni 1991 um 16.40 Uhr in W auf dem nördlichen Radweg der B in Höhe der Parkplatzausfahrt beim Haus E in westlicher Richtung ein Fahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt hat.

Ferner wurde er zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 1.800 S (10 % der Strafe) sowie zum Ersatz der Barauslagen für die Blutuntersuchung in Höhe von 1.454,40 S und für die Blutabnahme in Höhe von 660 S verpflichtet.

I.2. Die Berufung richtet sich gegen das Ausmaß der mit o.a. Straferkenntnis verhängten Strafe. Vom Rechtsinstitut der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben, der infolge einer 10.000 S übersteigenden Geldstrafe durch eine Kammer zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Laut dem im Akt befindlichen Zustellnachweis wurde das angefochtene Straferkenntnis am 20. November 1991 übernommen. Der Rückschein trägt den Namenszug "N G". Ermittlungen des unabhängigen Verwaltungssenates beim Postamt W haben ergeben, daß die gegenständliche Berufung am 5. Dezember 1991 zwischen 16.00 Uhr und 18.00 Uhr beim genannten Postamt aufgegeben wurde. Da somit Anhaltspunkte für die verspätete Einbringung des gegenständlichen Rechtsmittels vorlagen, wurde dieser Umstand dem Berufungswerber zu Handen seines Vertreters zur Kenntnis gebracht. Mit Schriftsatz vom 5. März 1992 teilte der Rechtsvertreter des Beschuldigten dem unabhängigen Verwaltungssenat mit, daß der Rückschein vom 20. November 1991 nicht von ihm, sondern von seiner Frau R G unterschrieben wurde. Seine Frau hat allerdings den Rückschein nicht mit ihrem, sondern mit seinem Namen, also mit "N G", unterfertigt. Ihm sei das angefochtene Straferkenntnis erst am Freitag, dem 22. November 1991, zugekommen. Zum Beweis der Richtigkeit dieses Vorbringens berufe er sich auf die zeugenschaftliche Vernehmung seiner Ehefrau R G. Auch der ihm namentlich nicht bekannte Postzusteller könne die Richtigkeit dieser Ausführungen bestätigen. Um zu klären, ob das gegenständliche Rechtsmittel rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Diese wurde am 24. April 1992 durchgeführt. Im Rahmen der abgeführten Verhandlung führte der Beschuldigte im wesentlichen aus, daß es schon seit Jahren üblich sei, daß der Briefträger auch RSa-Sendungen, die an ihn adressiert sind, seiner Frau übergebe und diese mit seinem Namenszug unterschreibe. Seine Frau habe keine Postvollmacht. Diese Vorgangsweise sei lediglich ein Entgegenkommen des Briefträgers. Der nunmehrige Zusteller, welcher noch nicht lange im Zustelldienst tätig sei, habe diesen Usus übernommen. Am 20. November 1991 sei er am Arbeitsplatz gewesen. Er wisse nicht, wann er in die Arbeit gegangen und wann er nach Hause gekommen sei. Jedenfalls habe er am 20. November 1991 das gegenständliche Straferkenntnis nicht mehr erhalten. Die Gattin des Beschuldigten, Frau R G, bestätigte die Version des Beschuldigten. Sie führte zudem aus, daß ein von der Post selbst veranlaßter Unterschriftenvergleich erbrachte, daß sie auch am 20. November 1991 mit dem Schriftzug "N G" die gegenständliche RSa-Sendung übernommen habe. Das Schriftstück habe sie wahrscheinlich erst am nächsten oder übernächsten Tag ihrem Gatten ausgehändigt. Der ebenfalls als Zeuge vernommene Zusteller, Herr I M, führte aus, daß eine postintern veranlaßte Überprüfung der Unterschrift stattgefunden habe. Es wurde der Schriftzug der Frau G mit dem Schriftzug auf dem gegenständlichen Rückschein verglichen. Bei dieser Überprüfung habe sich herausgestellt, daß diese Schriftzüge identisch sind. Er sei seit zwei Jahren im Zustelldienst tätig, eine Schulung über Zustellvorschriften sei jedoch noch nicht erfolgt. Er habe sich auch das Zustellgesetz noch nicht durchgelesen, sondern habe einiges über diese Zustellvorschriften von seinen Kollegen so nebenbei gehört. Der unabhängige Verwaltungssenat konnte sich auch anläßlich der bei der mündlichen Verhandlung durchgeführten Unterschriftsprobe sowohl des Beschuldigten als auch der Gattin des Beschuldigten davon überzeugen, daß der Schriftzug auf dem Rückschein vom 20. November 1991 mit dem Schriftzug der Gattin des Beschuldigten, Frau R G, identisch ist.

Zusammenfassend geht der unabhängige Verwaltungssenat davon aus, daß im gegenständlichen Fall die Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses mangelhaft durchgeführt wurde, da der Zusteller einerseits die RSa-Sendung der Gattin des Beschuldigten ausgehändigt hat, obwohl diese keine Postvollmacht besitzt und es andererseits toleriert hat, daß die Gattin des Beschuldigten mit dem Namenszug des Beschuldigten unterschrieben hat. Es wird daher im Zweifel davon ausgegangen, daß das Straferkenntnis dem Beschuldigten erst am 21. November 1991 zugekommen ist, was zur Folge hat, daß das eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig anzusehen ist. I.3.2. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

I.3.2.1. Aufgrund des eingebrachten Rechtsmittels war zu überprüfen, ob die Erstbehörde bei der Strafbemessung die Kriterien des § 19 VStG, welche Grundlage für die Strafbemessung sind, eingehalten hat. Danach hat die Behörde unter Zugrundelegung des Absatzes 1 ihre Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzulegen. Dazu gehört die rechtserhebliche Frage nach dem Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung jener Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Neben dem Unrechtsgehalt der Tat als objektivem Kriterium sind auch verschiedene Kriterien der subjektiven Tatseite zu erörtern (§ 19 Abs.2 VStG i.V.m. §§ 32 bis 35 StGB). Bei der Bemessung der Geldstrafe sind auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen.

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung. Gemäß Artikel 130 Abs.2 B-VG liegt bezüglich der Ausübung des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

I.3.2.2. Der gesetzliche Strafrahmen für die gegenständliche Übertretung beträgt 8.000 S bis 50.000 S. Der Beschuldigte hat zum Tatzeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 1,49 Promille aufgewiesen. Weiters ist zu konstatieren, daß der Beschuldigte drei einschlägige Vormerkungen aufweist, welche die Erstbehörde zu Recht als erschwerend gewertet hat. Mildernde Umstände hat sie nicht angenommen. Der Erstbehörde kann somit unter dem Aspekt des Unrechts- und Schuldgehaltes der Tat nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Geldstrafe verhängt hat, welche in etwa ein Drittel des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens beträgt. Es ist bekannt, daß die sogenannten Alkoholdelikte zu den gröbsten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zählen, da durch diese Übertretungen die durch die Strafdrohung geschützten Interessen der Verkehrssicherheit in hohem Maße gefährdet werden. Der Beschuldigte weist zudem - wie angeführt drei einschlägige Vormerkungen auf. Im übrigen ist festzustellen, daß der Alkoholgehalt des Beschuldigten beinahe das doppelte des gesetzlich erlaubten Grenzwertes betragen hat. Der Verschuldensgehalt der gegenständlichen Übertretung ist daher nicht als geringfügig zu werten.

I.3.2.3. Eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe war jedoch aus folgenden Gründen vertretbar: Der Beschuldigte hat belegtermaßen hohe Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Die gegen ihn in Exekution gezogenen Forderungen beziehen sich auf einen Betrag von über 200.000 S. Der Beschuldigte ist bis auf das Existenzminimum gepfändet. Dennoch ist er für vier minderjährige Kinder sowie für seine Ehefrau sorgepflichtig. Das letztgeborene Kind steht seit der Geburt fast ununterbrochen in stationärer Krankenhausbehandlung. Sein Einkommen beträgt rund 10.000 S monatlich. Für die Miete muß er monatlich einen Betrag von über 4.000 S aufwenden. Es liegt daher auf der Hand, daß die zu begleichende Geldstrafe letztlich nicht den Beschuldigten, sondern dessen Familie trifft.

I.3.2.4. Eine Herabsetzung der Geldstrafe auf das gesetzliche Mindestmaß war aufgrund der unter I.3.2.2. erwähnten Umstände, insbesondere aus spezialpräventiven Gründen, jedoch nicht vertretbar. Es war auch der Umstand, daß den Beschuldigten am gegenständlichen Verkehrsunfall kein Verschulden trifft, nicht derart ins Gewicht fallend, daß mit der Verhängung der Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden hätte können, zumal trotz Schuldlosigkeit an diesem Verkehrsunfall die nachteiligen Folgen, welche ebenfalls bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sind, evident sind.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

I.4. Sollte dem Beschuldigten aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Bezahlung des Strafbetrages nicht zumutbar sein, so steht es ihm frei, bei der Erstbehörde einen Antrag um Aufschub oder Teilzahlung der verhängten Geldstrafe zu stellen.

II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider Dr. Fragner Dr. Grof

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum