Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100281/9/Fra/Ka

Linz, 22.06.1992

VwSen - 100281/9/Fra/Ka Linz, am 22. Juni 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des J H, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. M L und DDr. Karl R H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 30. Oktober 1991, VerkR96/1585/1991/Gz, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967, zu Recht erkannt:

I.1. Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten 2a und 2b Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z.1 VStG.

I.2. Der Berufung wird hinsichtlich des Faktums 1 insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis - ohne Einstellung - behoben wird.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. § 24 und § 51 VStG.

I.3. Aus Anlaß der erhobenen Berufung wird das Faktum 3 des angefochtenen Straferkenntnisses behoben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 49 und 51 VStG.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Strafkostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zum Spruchteil I.1. und I.2.

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 30. Oktober 1991, VerkR96/1585/1991/Gz, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 13 Abs.1 StVO 1960, 2a) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 2b) § 4 Abs.5 StVO 1960, zu 1. eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden), zu 2a) eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) und zu 2b) eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil er am 6. April 1991 um ca. 19.50 Uhr, den PKW auf der B 147 von M in Richtung M gelenkt hat und 1.) bei Strkm 13,640 vorschriftswidrig nach rechts in die H in weitem Bogen eingebogen ist, 2.) nach dem bei Strkm 13,640 verursachten Verkehrsunfall, an dem er ursächlich beteiligt war, es unterlassen hat, a) sofort anzuhalten, b) ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Ferner wurde der Beschuldigte zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der Strafe verpflichtet.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Rechtsinstitut der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden (§ 51c VStG).

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Berufungswerber bringt vor, daß es technisch höchst unwahrscheinlich sei, daß er durch die möglicherweise gegebene leichte Berührung erkennen hätte können, daß sich ein Verkehrsunfall ereignet hat. Er habe deshalb auch im erstbehördlichen Verfahren ein KFZ-technisches Gutachten beantragt. Damit überhaupt für den Lenker etwas "spürbar" sei, müsse die Berührungsenergie eine gewisse Intensität aufweisen. Aufgrund der angegebenen Beschädigungen der Zeugin H sei jedoch davon auszugehen, daß, wenn überhaupt, eine geringfügige Streifung der linken vorderen Stoßstange mit der linken Hintertüre vorgekommen sein könne. Es sei auch nicht erhoben worden, wie tief die Eindellung beim Fahrzeug von Frau H gewesen sei. Nur dann, wenn überhaupt ein Verkehrsunfall als solcher erkennbar sei, bestünden die Verpflichtungen im Sinne des § 4 Abs.1 lit.a sowie im Sinne des § 4 Abs.5 StVO 1960. Er bestreite ausdrücklich, daß er den Anprall bemerken hätte müssen, weshalb im Zweifel davon auszugehen sei, daß er die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen hat.

Aufgrund dieses Vorbringens hat der unabhängige Verwaltungssenat ein KFZ-technisches Gutachten zu der Frage eingeholt, ob es technisch möglich ist, daß der Schaden am PKW der Unfallbeteiligten vom PKW des Beschuldigten stammt und bejahendenfalls, ob der Beschuldigte den Anstoß am PKW der Unfallbeteiligten optisch und / oder akustisch wahrnehmen hätte müssen.

Das diesbezüglich vom Amtssachverständigen Ing. R erstattete Gutachten lautet wie folgt:

"Zur Frage, ob die Anstoßstellen miteinander korrespondieren, wird festgestellt: Da die Beschädigungen am PKW, VW Jetta, amtliches Kennzeichen (Eindellung der linken Türe) in einer Höhe von ca. 58 cm, gemessen über der Fahrbahnoberfläche, und am PKW, Fiat Ritmo, amtliches Kennzeichen , (Abrieb am linken Stoßstangeneck) in einer Höhe von 60 cm über der Fahrbahnoberfläche gemessen, nicht übereinstimmen, so kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die Beschädigung am Fahrzeug, PKW, VW Jetta, amtliches Kennzeichen vom Beschuldigten verursacht wurde.

Wird jedoch angenommen, daß die Berührung zum Zeitpunkt der Abbremsung des Beschuldigtenfahrzeuges stattfand, so könnte durch das sogenannte Bremsknicken die unterschiedliche Höhe der Beschädigungen am Fahrzeug erklärt werden.

Wird angenommen, daß eine Berührung der beiden Fahrzeuge stattgefunden hatte, so wird gutachtlich festgestellt, daß eine Wahrnehmung des Verkehrsunfalles durch den Beschuldigten grundsätzlich auf 3 Arten möglich gewesen wäre, nämlich akustisch, visuell oder als Stoßreaktion.

Daß der Beschuldigte den Anstoß akustisch wahrgenommen hat, kann ausgeschlossen werden, weil bei solch einer Beschädigung das Anstoßgeräusch im Verhältnis zum Umgebungslärm zu gering ist, außerdem wird bei einer Eindellung keine resonanzartige Geräuschübertragung, wie sie bei einer Streifung erfolgt, erzeugt. Bezüglich der zweiten Möglichkeit der Wahrnehmung, nämlich als Reaktion des Stoßes, muß festgestellt werden, daß einerseits der Anstoß nicht sehr heftig war, was aus der Schadensbeschreibung hervorgeht, und andererseits der Anstoß beim Abbremsen oder beim Kuppeln bzw. Schalten eingetreten sein konnte, und daher für den Beschuldigten nicht unbedingt spürbar ist.

Die Berührung war auch nicht im direkten Sichtbereich des Lenkers zu sehen.

Auch mit der vom Lenker eines Kraftfahrzeuges geforderten Aufmerksamkeit konnte der Beschuldigte den Anstoß nicht wahrnehmen." Es besteht keine Veranlassung, diese schlüssige und ausreichend begründete Gutachten in Zweifel zu ziehen, weshalb es der Entscheidung zugrundegelegt wurde. Auch die belangte Behörde hat - obwohl ihr dazu Gelegenheit geboten wurde - zu dem genannten Gutachten keine Stellungnahme abgegeben. Was den dem Beschuldigten zur Last gelegten Verstoß gegen § 13 Abs.1 StVO 1960 anlangt, so ist dem Berufungswerber insofern zuzustimmen, daß nur unter der Prämisse, daß sein rechter Fahrzeugrand vom Fahrbahnrand entsprechend entfernt war, ein diesbezüglicher Verstoß angenommen werden dürfte. Es ist ihm auch insoweit zuzustimmen, daß in diesem Zusammenhang wesentlich auch die Frage ist, wie weit rechts Frau Haas zur Kreuzung zugefahren ist. Alle diese Fragen hätten nur in Form eines Lokalaugenscheines geklärt werden können, zumal auch in der Gendarmerieanzeige keine Skizze gezeichnet wurde. Die Erstbehörde hat sich diesbezüglich lediglich auf die nicht beweismachend getätigten Aussagen der Zeugin H gestützt. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich sieht sich nicht veranlaßt, das diesbezüglich praktisch fehlende Ermittlungsverfahren der Erstbehörde zu substituieren, zumal dies im Ergebnis den Rechtsschutz des Beschuldigten verkürzt. Ob dieses Faktum allenfalls nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens weiter verfolgt und allenfalls neuerlich mit Strafe belegt wird, hat die Erstbehörde zu beurteilen.

Zum Spruchteil I.3.

Hinsichtlich der Übertretung nach § 102 Abs.1 KFG 1967 hat der Beschuldigte dem Grunde nach keinen Einspruch gegen die vorausgegangene Strafverfügung erhoben. Der Schuldspruch in diesem Punkt ist somit in der beeinspruchten Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen. Es hätte daher in dieser Sache kein Straferkenntnis ergehen dürfen. Der diesbezügliche Spruchteil war daher zu beheben. Über den Einspruch gegen das Strafausmaß bezüglich dieses Faktums wird daher die Erstbehörde noch zu entscheiden haben.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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