Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230955/10/Gf/Mu

Linz, 30.07.2009

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des Q H N, S k S, b , p , V, CZ  P, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 11. August 2006, Zl. Sich96-246-2006, wegen Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Freistadt vom 11. August 2006, Zl. Sich96-246-2006, wurde der Rechtsmittelwerber – ein vietnamesischer Staats­bürger, dem eine Übertretung des Fremdengesetzes angelastet wird –  dazu verpflichtet, zwecks ordnungsgemäßer Durchführung des Verwaltungsstrafverfah­rens binnen zwei Wochen einen Zustellungsbevollmächtigten in Österreich namhaft zu machen. Außerdem war zuvor am 16. Juli 2006 zwecks Sicherstellung der Strafverfolgung ein vorläufiger Betrag  in Höhe von 100 Euro eingehoben worden.

1.2. Gegen diesen ihm am 18. August 2006 zugestellten Bescheid hat der Rechtsmittelwerber eine am 31. August 2006 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingegangene Berufung erhoben.

 

Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er als Student der Technischen Hochschule in Prag vom 7. bis 16. Juli 2006 an einem von dieser Schule organisierten Sportaufenthalt in Italien teilgenommen habe. Am 16. Juli sei er bei der Rückreise mit dem Bus nur durch Österreich weiter nach Tschechien durchgefahren. Vor der Aus­landsreise habe er sich bei der italienischen Botschaft in Prag über ein Transitvisum informiert, wobei ihm mitgeteilt worden sei, dass er auf Grund seines Daueraufenthaltes in Tschechien für den Studentenaufenthalt kein Visum brauche.

Im Übrigen hat er zwecks Zusendung allfälliger weiterer Schriftstücke in der vorliegenden Angelegenheit die im Spruch angeführte neue Zustelladresse in Tschechien bekannt gegeben. 

Daher wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen.

1.3. Mit Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. VwSen-230955/2/Gf/Mu/Ga, hat der Oö. Verwaltungssenat den angefochtenen Bescheid aufgehoben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Behörde zwar nach § 10 des Zustellgesetzes, BGBl.Nr. 200/1982, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 5/2008 (im Folgenden: ZuStG), eine Verfahrenspartei, die sich ständig im Ausland aufhält, damit beauftragen kann, einen für die Zustellung der an sie ergehenden Schriftstücke bevoll­mächtigten Empfänger mit Wohnsitz in Österreich namhaft zu machen; unterlässt die Partei die Bekanntgabe eines Bevollmächtigten, so ist die Zustellung mit verbind­licher Wirkung durch Hinterlegung bei der Behörde selbst vorzunehmen. Würde es einen besonderen Anlass dafür geben, einen in Österreich ansässigen Zustellungs­bevollmächtigten namhaft zu machen – z.B. weil amtsbekannt ist, dass das Postwesen in einem anderen Staat (wie z.B. im Raum Afrika oder Südamerika, etc.) nicht funktioniert –, so spreche nichts dagegen, wenn die Behörde gemäß § 10 ZustG vorgeht.

Im gegenständlichen Fall stehe aber allseits unbestritten fest, dass der Beschwerde­führer seinen ständigen Wohnsitz in Tschechien hat. Nachdem dieser Staat der Europäischen Union angehöre und keine Hinweise für eine begründete Vermutung dafür, dass sich der Rechtsmittelwerber – zumal dieser mit anderen Studenten gemeinsam anlässlich eines Sportaufenthaltes in einem Reisebus unterwegs war – tatsächlich nicht an der von ihm angegebenen Adresse aufhält, vorgelegen seien, sei daher davon auszugehen gewesen, dass die Zustellung von Schrift­stücken im europäischen Raum funktioniere.

Im Übrigen sei auch dadurch, dass der Beschwerdeführer auf Grund des angefochtenen Bescheides eine Berufung eingebracht und in dieser eine neue Zustelladresse bekannt gegeben habe, gleichsam im Nachhinein bestätigt worden, dass sich das Postwesen in Tschechien tatsächlich als mängelfrei erweise, weshalb der angefochtene Bescheid mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Namhaftmachung eines in Österreich wohnhaften Zustellbevollmächtigten gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufzuheben gewesen sei.

1.4. Der dagegen seitens der Sicherheitsdirektion Oberösterreich erhobenen Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. Juni 2009, Zl. 2008/22/0618, stattgegeben und das h. Erkenntnis vom 19. September 2009, Zl. VwSen-230955/2/Gf/Mu/Ga, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründend wurde dazu unter Hinweis auf das erst im Nachhinein ergangene Erkenntnis des VwGH vom 29. Februar 2008, Zl. 2007/02/0315, im Wesentlichen ausgeführt, dass Tschechien weder das Internationale Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland unterzeichnet habe noch ein dementsprechendes bilaterales Rechtshilfeabkommen zwischen Tschechien und Österreich bestehe. Vor diesem Hintergrund könne der Erstbehörde kein Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden, wenn diese an den Rechtsmittelwerber eine Aufforderung gemäß § 10 ZustG gerichtet hat, zumal zum damaligen Zeitpunkt der Beitritt Tschechiens zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union noch nicht kundgmacht war.

2.1. An diese Rechtsansicht ist der Oö. Verwaltungssenat zwar gemäß § 63 Abs. 1 VwGG grundsätzlich gebunden.

2.2. Allerdings hat sich – worauf der VwGH in seinem Erkenntnis vom 18. Juni 2009, Zl. 2008/22/0618, selbst hinweist – die Rechtslage zwischenzeitlich insofern geändert, als (u.a.) der (bereits) am 14. März 2006 erfolgte Beitritt Tschechiens zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. C 197 vom 12. Juli 2000, im Folgenden kurz: EU-Rechtshilfeübereinkommen) mit BGBl.Nr. III 28/2008 kundgemacht wurde.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 EU-Rechtshilfeübereinkommen bezieht sich dieses explizit auch auf Verwaltungsstrafsachen, wobei insbesondere die Tschechische Republik anläßlich ihrer Ratifikation diesbezüglich keine gegenteilige Erklärung abgegeben hat (vgl. BGBl.Nr. III 28/2008).

2.3. Derartige, zwischenzeitlich erfolgte Rechtsänderungen sind im Zuge der Erlassung eines Ersatzbescheides zu berücksichtigen (vgl. z.B. zuletzt VwGH vom 26. Mai 2009, Zl. 2009/06/0023, m.w.N.).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es nicht der Intention des § 10 ZustG entspricht, einer Person, die zum einen in einem Staat, der das EU-Rechtshilfeübereinkommen ratifiziert hat, ordnungsgemäß gemeldet ist und der zum anderen dort bislang alle Schriftstücke auch tatsächlich und problemlos zugestellt werden konnten, zusätzlich noch die Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten aufzutragen, zumal eine dementsprechende Unmöglichkeit in der Regel gemäß § 37 Abs. 5 VStG zum Verfall der Sicherheitsleistung führt.

3. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 VStG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.


 

Dr.  G r o f

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 


 

Rechtssatz:

 

VwSen-230955/2/Gf/Mu vom 30. Juli 2009

 

§ 63 Abs. 1 VwGG; Art. 3 EU-Rechtshilfeabkommen in Strafsachen; § 10 ZustG

– § 63 VwGG: Grundsätzliche Bindung des UVS an die Rechtsansicht des VwGH; allerdings Berücksichtigung des Umstandes, dass Tschechien zwischenzeitlich dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beigetreten ist und dies auch im BGBl kundgemacht wurde, geboten;

– Nach Art. 3 Abs. 1 EU-Rechtshilfeübereinkommen bezieht sich dieses explizit auch auf Verwaltungsstrafsachen;

– Es entspricht nicht der Intention des § 10 ZustG, einer Person, die zum einen in einem Staat, der das EU-Rechtshilfeübereinkommen ratifiziert hat, ordnungsgemäß gemeldet ist und der zum anderen dort bislang alle Schriftstücke auch tatsächlich und problemlos zugestellt werden konnten, zusätzlich noch die Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten aufzutragen.

 

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