Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210539/9/Ste

Linz, 03.08.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Präsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des C R, vertreten durch L & L, Rechtsanwälte, R, gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau des Bezirks Rohrbach vom 1. April 2009, GZ BauR96-35-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Oö. Bauordnung 1994 – nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird hinsichtlich der Strafe insofern stattgegeben, als das Strafausmaß auf 900 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 14 Stunden und der Verfahrenskostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren vor der Be­hörde erster Instanz auf 90 Euro herabgesetzt werden. Im Übrigen wird der Bescheid der Behörde erster Instanz mit der Maßgabe bestätigt, dass in der Tatbeschreibung im Spruch die Wortfolge „die südöstliche Ecke des Zubaues um 1,90 m weiter nach Südosten verschoben und somit“ entfällt und im letzten Halbsatz nach dem Wort „Zubaues“ der Ausdruck „um 4,19 “ eingefügt wird.

II.              Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 19, 20, 24, 51 und 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bescheid der Bezirkshauptfrau des Bezirks Rohrbach vom 1. April 2009, GZ BauR96-35-2008, wurde über den Berufungswerber (in der Folge kurz: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 1.450 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt, weil er als Bauherr in einem bestimmten Zeitraum von einem genau bezeichneten bewilligten Bauvorhaben dadurch abgewichen sei, dass die südöstliche Ecke des Zubaus um 1,90 m weiter nach Südosten verschoben und somit die Gesamtfläche des Zubaus vergrößert wurde. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 57 Abs. 1 Z 2 iVm. § 39 Abs. 2 Oö. Bauordnung 1994 begangen.

Begründend führt die Behörde erster Instanz – nach detaillierter Schilderung des bis dahin durchgeführten Verfahrens und der gesetzlichen Grundlagen – im Wesentlichen aus, dass der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens eindeutig erwiesen sei. Dem nunmehrigen Bw sei jedenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Begründung schließt mit Erwägungen zur Strafbemessung, wobei mildernd der Umstand berücksichtigt wurde, dass es sich bei der durchgeführten Änderung um eine grundsätzlich bewilligungsfähige Änderung handelte und diese in der ausgeführten Form letztlich auch bewilligt worden sei.

1.2. Dieses Straferkenntnis wurde dem Bw am 2. Juni 2009 zugestellt. Daraufhin erhob der Bw – durch seine Rechtsvertretung – das Rechtsmittel der Berufung, das am 4. Juni 2009 – und somit rechtzeitig – bei der Behörde erster Instanz einlangte.

Darin wird das Straferkenntnis zur Gänze angefochten und im Wesentlichen gerügt, dass die Behörde erster Instanz die Angelegenheit rechtlich falsch gewürdigt habe. Zwar sei richtig, dass die Terrasse geringfügig abgeändert errichtet wurde, die Planabweichungen würden jedoch keinen Verstoß gegen § 39 der Oö. Bauordnung 1994 darstellen, weil es sich um „geringfügige Abweichungen“ handle, für welche keine baubehördliche Bewilligung erforderlich wäre, zumal es sich um eine Flächenänderung handle, die weniger als 10 % betrage.

Beantragt wird, der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

2.1. Die Bezirkshauptfrau des Bezirks Rohrbach hat die Berufung samt dem dort geführten Verwaltungsakt erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

2.2. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

2.3. Das Rechtsmittel ist – wie bereits im Punkt 1.2. dargestellt – rechtzeitig.

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt sowie durch Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am vorgeworfenen Tatort am 30. Juli 2009.

2.5. Daraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

2.5.1. Der nunmehrige Bw ist Eigentümer der Liegenschaft Nr.     EZ     , KG K (K, P). Aufgrund seines Antrags wurde ihm mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde K vom 16. September 2009, Bau-402/Hausakt-Pf.6-2008, die Baubewilligung für den Zubau einer Terrasse auf diesem Grundstück „entsprechend dem bei der mündlichen Bauverhandlung aufgelegenen und als solchen gekennzeichneten Bauplan der Firma B R, U vom 20.07.2008 erteilt“ (Der Plan an sich trägt – offenbar irrtümlich – tatsächlich das Datum 20.07.2006).

Im Rahmen der Bauverhandlung hat der Bw erklärt und zugesagt, das Projekt insbesondere hinsichtlich der Abschrägung im östlichen Einfahrtsbereich zur Nachbargrundgrenze hin geändert auszuführen.

2.5.2. Folgende Abweichungen von dem baubehördlich genehmigten zu dem in weiterer Folge ausgeführten Projekt sind unbestritten:

·         Die schräge Ostseite der Terrasse/Garage wurde in einer Länge von 5,07 m ausgeführt; der südöstliche Eckpunkt liegt 3,21 m vom Gebäudeeck entfernt. Im ursprünglichen Bauplan sind die entsprechenden Maße mit 4,75 und 2,58 m vorgesehen.

·         Die Terrasse/Garage wurde – gemessen ab dem nachbarseitigem Winkel – statt 11,07 m mit 11,50 m ausgeführt.

·         Die Gesamtlänge der Terrasse/Garage beträgt an der längsten Stelle (nachbarseitig) 14,71 m gegenüber den genehmigten 13,65 m.

·         Die Terrasse/Garagen wurde – gemessen an der breitesten Stelle (westlich) – statt 5,66 m mit 5,68 m ausgeführt.

·         Die Terrasse/Garage hat nunmehr eine bebaute Fläche von 71,01 (gegenüber den bewilligten 66,82 ).

Diese Änderungen ergeben sich insbesondere auch aus dem Plan vom 14. November 2008.

Weder der Baubehörde und dem bautechnischen Sachverständigen noch dem Bw war beim seinerzeitigen Projekt aufgefallen, dass der Plan nicht exakt den tatsächlichen Verhältnissen entsprach und bei plangemäßer Ausführung ein Tor des bestehenden Gebäudes deswegen nicht mehr ordnungsgemäß benutzbar geworden wäre, weil eine notwendige Stütze (westlich am Wohngebäude liegend) im Torbereich dies verhindert hätte. Offenbar deswegen wurde – ohne dass es dazu einen ausdrücklichen Auftrag des Bw gegeben hätte – das Projekt geändert ausgeführt.

Der Bw verfügt – entsprechend seinen eigenen Angaben (vgl. Niederschrift über seine Vernehmung vom 30. März 2009 und die Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 30. Juli 2009) – über ein monatliches Netto-Ein­kom­men von rund 1.000 Euro, ist Alleineigentümer des Grundstücks und Einfamilienhauses P  (das mit einem Wohnrecht zugunsten der Mutter belastet ist), kein sonstiges wesentliches Vermögen und ist für eine Kind unterhaltspflichtig (250 Euro/Monat).

2.6. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde K vom 24. März 2009 wurden die vorgenommenen Änderungen nachträglich genehmigt (auf der Basis des Plans vom 14. November 2008).

2.7. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aufgrund der am 30. Juli 2009 durch­geführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, der im Akt enthaltenen Urkunden sowie der Einsicht in das Grundbuch K des Bezirksgerichts R zu EZ      .

Wenn sich der Bw damit verantwortet, dass ihm die Baubehörde und der bautechnische Sachverständige die Auskunft erteilt hätten, dass das Projekt an sich nicht bewilligungsbedürftig wäre, so ist insoweit den glaubwürdigen und widerspruchsfreien Aussagen des Bürgermeisters und der Sachbearbeiterin des Gemeindeamts bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung zu folgen, die angeben, dass sich diese Aussage – wenn überhaupt – nur auf ein Projekt mit höchstens 35 Fläche bezogen haben können.

3.  In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 Oö. Bauordnung 1994 – Oö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66/1994, in der zum Tatzeitraum (17. September bis 16. Oktober 2008) geltenden Fassung, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 36/2008, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ua. als Bauherr vom bewilligten Bauvorhaben entgegen den Vorschriften des § 39 Abs. 2 bis 4 abweicht; solche Verwaltungsübertretungen sind nach § 57 Abs. 2 Oö. BauO 1994 mit Geldstrafen von 1.450 bis 36.000 Euro zu bestrafen.

Nach § 39 Abs. 2 Oö. BauO 1994 darf vom bewilligten Bauvorhaben nur mit Bewilligung der Baubehörde abgewichen werden, sofern nicht Abs. 3 oder 4 zur Anwendung kommt. Gemäß § 39 Abs. 3 Oö. BauO 1994 darf ohne Bewilligung der Baubehörde vom bewilligten Bauvorhaben abgewichen werden, wenn 1. die Abweichung solche Änderungen betrifft, zu deren Vornahme auch bei bestehenden baulichen Anlagen eine Bewilligung nicht erforderlich ist, sowie 2. Auflagen und Bedingungen des Baubewilligungsbescheids hievon nicht berührt werden.

Sind Abweichungen der im § 39 Abs. 3 Z 1 Oö. BauO 1994 genannten Art anzeigepflichtig gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 Oö. BauO 1994, so darf nach § 39 Abs. 4 Oö. BauO 1994 vom bewilligten Bauvorhaben nur nach Maßgabe des § 25a Abs. 2 Oö. BauO 1994 abgewichen werden.

Das objektive Tatbild der genannten Verwaltungsübertretung begeht daher ua. eine Person, die von einem bewilligten Bauvorhaben in der Weise abweicht, die auch bei bestehenden Anlagen einer Bewilligung bedarf.

3.1.1. Es ist daher zu nächst zu prüfen, ob die Änderung (Abweichung) vom bewilligten (wenn dieses bereits errichtet gewesen wäre) zum tatsächlich ausgeführten Projekt einer Baubewilligung bedürft hätte. Dies ist im Ergebnis aus folgenden Gründen zu bejahen:

Die (jedenfalls über 66 m² große) Terrasse ist als begehbarer überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Meter zweifelsfrei als Gebäude iSd. § 2 Z 20 des Oö. Bautechnikgesetzes anzusehen. Nach der zitierten Bestimmung gelten als Gebäude ausdrücklich auch überdachte, jedoch nicht allseits umschlossene Bauten, wie Flug- und Schutzdächer, Pavillons udgl., mit einer bebauten Fläche von mehr als 35 . Diese Terrasse, die ursprünglich rund 66 m² groß geplant war, wurde auf knapp über 71 vergrößert, was (als Vergrößerung des Gebäudes in waagrechter Richtung) einen Zubau iSd. § 2 Z 46 des Oö. Bautechnikgesetzes bedeutet.

Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. Bauordnung 1994 bedarf der Zubau von Gebäuden einer Baubewilligung. Der genannte Zubau zur Terrasse wäre daher auch in dem Fall, in dem die Terrasse ursprünglich bewilligungsgemäß errichtet worden wäre, baubewilligungspflichtig gewesen.

Die hier zu prüfende Abweichung hätte daher auch bei einer bestehenden Anlage als Zubau einer Baubewilligung bedurft. Daraus folgt, dass § 39 Abs. 3 und 4 Oö. BauO 1994 nicht zur Anwendung kommt und die Abweichung daher gemäß § 39 Abs. 2 Oö. BauO 1994 einer Bewilligung der Baubehörde bedurfte, die zweifelsfrei im Tatzeitpunkt nicht vorgelegen ist.

Der Bw ist damit als Bauherr vom bewilligten Bauvorhaben entgegen den Vorschriften des § 39 Abs. 2 bis 4 abgewichen, sodass er das Tatbild zweifellos verwirklichte.

3.1.2. Insoweit der Bw damit argumentiert, dass die Abweichung bloß „geringfügig“ gewesen wäre, genügt es darauf zu verweisen, dass die „Geringfügigkeit“ kein Tatbestandselement der genannten Bestimmungen ist. Gleiches gilt auch für die von ihm ins Treffen geführte „Flächenänderung von weniger als 10 %“ oder den „Toleranzbereich“.

Er konnte dazu – auch nach ausdrücklichem Vorhalt im Rahmen des Parteiengehörs (Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 10. Juli 2009) – im Übrigen auch keine Rechtsgrundlage nennen (vgl. die Stellungnahme vom 10. Juli 2009). Abgesehen davon kann bei den im Sachverhalt dargestellten Veränderungen, insbesondere der Länge und der Fläche des Baus, ganz allgemein jedenfalls nicht mehr von einer geringfügigen Änderung die Rede sein (vgl. in diesem Zusammenhang die im § 36 Oö. BauO 1994 genannten „geringfügigen Abweichen vom Bebauungsplan“, die deutlich geringere mögliche „Toleranzen“ festlegen).

3.1.3. Wenn der Bw vermeint, aus der nachträglichen Bewilligung der Änderungen für sich etwas gewinnen zu können, ist ihm entgegen zu halten, dass gerade diese nachträgliche Bewilligung zeigt, dass das Vorhaben (die Änderung) tatsächlich bewilligungspflichtig war. Auf die grundsätzliche „Bewilligungsfähigkeit“ kommt es bei der Anwendung der hier einschlägigen Strafbestimmung in objektiver Hinsicht nicht an (bei der Strafbemessung wurde diesem Umstand schon durch die Behörde erster Instanz ohnehin Rechnung getragen).

3.1.4. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist daher zweifelsfrei – letztlich auch von ihm selbst eingeräumt (vgl. auch die Niederschrift über die Vernehmung des Bw als Beschuldigten vom 30. März 2009) – davon auszugehen, dass der Bw den objektiven Tatbestand verwirklichte.

3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Ver­schulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahr­lässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat der Bw initiativ alles darzu­legen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die „Glaubhaftmachung“ nicht.

Der Bw verantwortet sich im Wesentlichen damit, dass für ihn nicht wirklich ersichtlich war, dass die vorgenommenen Änderungen dem bewilligten Konsens widersprechen würden und er sich auf die Aussage der Baubehörde und des bautechnischen Sachverständigen verlassen hätte. Darin kann allenfalls ein Rechtsirrtum erblickt werden.

Beim Rechtsirrtum (Verbotsirrtum) irrt der Täter über eine Verbotsnorm: Er erkennt zwar den Sachverhalt, irrt aber über die rechtliche Seite der Tat und erkennt deshalb nicht das Unrecht seines Verhaltens.

Gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt eine Unkenntnis der Verwaltungsvorschriften, der der Täter zuwidergehandelt hat, den Täter nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Hat der Täter das Unrecht seiner Tat zwar nicht erkannt, ist ihm aber dieser Mangel vorwerfbar, so liegt kein unverschuldeter Rechtsirrtum vor. Die Unkenntnis eines Gesetzes oder eine irrige Gesetzesauslegung ist ein Rechtsirrtum, der nur dann als unverschuldet angesehen werden kann, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (vgl. ua. Verwaltungsgerichtshof VwSlg. 7.528 A/1969). Die bloße Argumentation im Verwaltungsstrafverfahren mit einer anderen Rechtsauffassung allein vermag ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum nicht auszuschließen. Selbst guter Glaube stellt damit keinen Schuldausschließungsgrund her, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der zuständigen Behörde anzufragen. Dazu bedarf bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht vielmehr einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen. Wer dies verabsäumt, trägt das Risiko des Rechtsirrtums. In der Unterlassung von solche Erkundigungen liegt mindestens ein fahrlässiges Verhalten (VwGH vom 23. Dezember 1991, 88/17/0010).

Weil sich der Bw damit nicht hinreichend über die Folgen seiner Tat oder Unterlassung informierte, obwohl er jedenfalls aus den Unterlagen (insbesondere aus der mündlichen Verhandlung im Bauverfahren) über die Problematik informiert sein musste, irrte er in einer seine Schuld nicht ausschließenden Weise, sodass dem Bw wenigstens Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.

Die Strafbarkeit des Bw ist damit gegeben.

3.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuchs – StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Bei der Bemessung der Strafhöhe ist zu berücksichtigen, dass nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats kein wesentlicher Erschwerungsgrund vorliegt (das von der Behörde erster Instanz als solcher gewertete Abweichen von dem in der Bauverhandlung erklärten Einverständnis für die Abweichung der Abschrägung kann als solcher nicht herangezogen werden). Als Milderungsgründe sind dem Bw die einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit sowie das letztlich umfassende Tatsachengeständnis zugute zu halten. Weiters kommt dem Bw auch der Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z 12 StGB zugute, da die Tat im Ergebnis in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum (siehe oben) begangen wurde.

Die Geldstrafe wurde von der Behörde erster Instanz ohnehin mit der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe grundsätzlich bereits milde bemessen, da nach § 57 Abs. 2 Oö. BauO 1994 im vorliegenden Fall Geldstrafen von 1.450 bis 36.000 Euro verhängt werden können.

Nach § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, dann hat der Bw einen Rechtsanspruch auf die Anwendung dieses außerordentlichen Milderungsrechts. Die Strafzumessung innerhalb des sich nach § 20 VStG ergebenden Strafrahmens ist in das Ermessen der Behörde gestellt, das sie wiederum nach den Kriterien des § 19 VStG auszuüben hat (vgl. für viele VwGH vom 31. Jänner 1990, 89/03/0027).

Wie sich im Berufungsverfahren gezeigt hat (vgl. bereits oben), überwiegen im vorliegenden Fall die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, sodass es notwendig und vertretbar scheint, die im Gesetz vorgesehene Mindeststrafe zu reduzieren. Die vorliegenden Strafmilderungsgründe sind von einem solchen Gewicht, dass die Strafmilderung – zwar nicht im größtmöglichen (dagegen spricht das erhebliche öffentliche Interesse an der Hintanhaltung sogenannter „Schwarzbauten“ und die seinerzeit gegebene gewisse Sorglosigkeit des Bw gegenüber der Einhaltung sowohl öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen als auch der im Rahmen der ersten Bauverhandlung abgegebenen Erklärungen und Zusagen) – aber doch im beträchtlichen Ausmaß Anwendung finden kann. Sie liegt im unteren Viertel der sich aus der Zusammenschau der genannten Bestimmungen ergebenden Bandbreite (zwischen der gesetzlichen Mindeststrafe von 1.450 Euro und der höchstmöglichen Verringerung auf 725 Euro), was aus den aufgezeigten Gründen und unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls dem Unrechtsgehalt der Tat entspricht.

3.4. Eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG scheidet - auf Grund spezial- und generalpräventiver Erwägungen - aus, da die Tat nicht hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurückblieb, zumal – wie schon angemerkt – an der Verhinderung sogenannter „Schwarzbauten“ ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, was wiederum auch durch die eine Mindeststrafe enthaltende Strafdrohung in der Oö. Bauordnung 1994 dokumentiert ist. Auch war das seinerzeitige Verhalten und die Einstellung des Bw insgesamt – wie schon angemerkt – doch von einem gewissen Maß an Sorglosigkeit gegenüber den gesetzlichen Erfordernissen und den abgegebenen Erklärungen gekennzeichnet.

Es war daher nicht von der Strafe abzusehen und auch nicht mit Ermahnung vorzugehen.

3.5. Die vorgenommene Berichtigung des Spruchs stellt sicher, dass dieser in jeder Hinsicht den Anforderungen des § 44a VStG entspricht. Sie ist zweifellos zulässig, da bereits mit dem Tatvorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung der Behörde erster Instanz eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde und dem Bw zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens unmissverständlich klar war, welcher Sachverhalt ihm vorgeworfen wird und sie sich deshalb jeder Zeit in jede Richtung verteidigen konnte und er dies auch getan hat.

4. Bei diesem Ergebnis waren dem Bw gemäß § 65 VStG keine Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen sowie die Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde gemäß § 64 Abs 2 VStG herabzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

 

Rechtssatz:

VwSen-210539/9 vom 3. August 2009

(Oö. BauO 1994 § 57 Abs. 1 Z 2, § 39)

Bei der Änderung eines bewilligten Vorhabens (hier: Vergrößerung der Garage/Terrasse um mehrere Quadratmeter) besteht nach der Oö. BauO 1994 keine „Geringfügigkeitsgrenze“.

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 12.10.2010, Zl.: 2009/05/0289-7

 

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