Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720215/2/Gf/Mu/Se

Linz, 15.07.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des A A, vertreten durch RA Dr. M Z gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 4. Juni 2008, Zl. 1056256FRB, wegen der Erlassung eines auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der am xx in xx geborene niederländische Beschwerdeführer hält sich – wie sich dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt entnehmen lässt – seit dem 11. September 2005 im Bundesgebiet auf.

1.2. Mit Urteil des LG Linz vom 11. April 2007, Zl. 26Hv27/07a, wurde der Rechtsmittelwerber wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten (bedingt auf 3 Jahre) und mit Urteil des LG Linz vom 16. Mai 2008, Zl. 23Hv45/08b, wegen eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten (davon 16 Monate bedingt auf 3 Jahre) verurteilt.

Er wurde dadurch zum einen für schuldig erkannt, dass er am 1. Jänner 2007 seinem Opfer mit einem sog. "Schweizermesser" mehrere Schnittverletzungen zugefügt habe, die durch sofortige operative Maßnahmen behandelt werden mussten; und zum anderen wurde er für schuldig erkannt, zumindest seit März 2005 bis zum 26. Februar 2008 in Linz und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge ins Bundesgebiet eingeführt und (teils bloß im Wege des Versuchs) anderen überlassen zu haben; ferner hat er selbst Suchtgift vorschriftswidrig besessen sowie anderen angeboten und überlassen.

1.3. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 4. Juni 2008, Zl. 1056256FRB, wurde daher gegen den Rechtsmittelwerber ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass zwei inländische gerichtliche Verurteilung vorliegen. Im Rahmen des Parteiengehörs habe er lediglich angegeben, dass er seit dem 11. September 2005 in Österreich auf­hältig sei und seine Tante und deren Kinder als einzige Verwandte im Bundesgebiet leben. Nach Ansicht der belangten Behörde falle dieser Umstand jedoch im Verhältnis zur Suchtgiftkriminalität nicht ins Gewicht, weil der Beschwerdeführer erst seit drei Jahren in Österreich aufhältig und zudem seit beinahe einem Jahr keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sei.

1.4. Gegen diesen ihm am 4. Juni 2008 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 10. Juni 2008 – und damit rechtzeitig – mittel Telefax eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass das Aufenthaltsverbot nur auf Grund seiner gerichtlichen Verurteilungen erlassen, dem gegenüber jedoch keine Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen im Bundesgebiet gemacht worden seien. Er sei nämlich ein Unionsbürger und habe von 1993 bis 2005 in den Niederlanden gelebt. Zudem verfüge er über einen Arbeitsplatz und einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich. Er habe bereits seit zwei Jahren eine Lebensgefährtin und nachdem er zu seiner leiblichen Mutter keinen Kontakt mehr habe, sei seine 60-jährige Tante für ihn eine Art Mutterersatz. Zu ihr habe er nach wie vor starke familiäre Bindungen und regelmäßige Kontakte. Darüber hinaus sei er wegen guter Führung schon drei Wochen vor der geplanten Enthaftung entlassen und ihm ein Bewährungshelfer beigegeben worden, was bedeute, dass das Gericht von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen sei.

Es wird daher beantragt, das Aufenthaltsverbot aufzuheben.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. 1056256FRB; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 4/2008 (im Folgenden: FPG), entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen, die auf Grund des FPG ergangen sind, die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern; derartige Entscheidungen sind gemäß § 67a Abs. 1 AVG durch ein Einzelmitglied zu treffen.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

Als in diesem Sinne "bestimmte Tatsache" gilt nach § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG u.a., wenn der Fremde von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe bzw. zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist.

Ein Aufenthaltsverbot kann im Fall des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG unbefristet, sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden (§ 63 Abs. 1 FPG).

Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei dieses persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Nach § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

3.2.1. Im gegenständlichen Fall liegt – auch vom Beschwerdeführer unbestritten – jedenfalls eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten und damit eine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG vor (s.o., 1.2.), die die Fremdenpolizeibehörde nach § 63 Abs. 1 FPG dazu ermächtigt, sogar ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu verhängen.

Angesichts des gerichtlich festgestellten gravierenden Fehlverhaltens bedeutet ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet daher auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit i.S.d. § 86 Abs. 1 FPG, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und von Kriminaldelikten gegen die Eigentumssphäre berührt. Zudem ist der seit dem Ende des Fehlverhaltens (26. Februar 2008 !) verstrichene Zeitraum jedenfalls noch viel zu kurz, um die vom Rechtsmittelbewerber ausgehende Gefahr der Begehung gleichartiger Delikte bereits aus weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert ansehen zu können.

Selbst wenn durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes tatsächlich iSd § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG insofern in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird, als dadurch seine – ohnehin bloß behaupteten, nicht jedoch auch näher belegten – sozialen Beziehungen zu seiner in Österreich lebenden Tante bzw. Lebensgefährtin konterkariert werden, ist dessen Erlassung aus den genannten spezialpräventiven Gründen, aber auch aus generalpräventiven Gründen, nämlich zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Wege der Hintanhaltung von Suchtgift- und Gewaltkriminalität, unverzichtbar.

Der belangten Behörde kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund ihrer langjährigen einschlägigen Erfahrung ohnehin zu Gunsten des Beschwerdeführers angenommen hat, dass im Zeitverlauf ein positiver Gesinnungswandel zu erwarten sein wird und deshalb anstelle eines unbefristeten bloß ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen hat.

Davon abgesehen bleibt es dem Rechtsmittelwerber ohnehin unbenommen, nach § 65 Abs. 1 FPG einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zu stellen, wenn (er der Meinung ist, dass) die Gründe, die zu dessen Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

3.3. Die gegenständliche Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro entstanden.

Dr. Grof


Rechtssatz:

VwSen-720215/2/Gf/Mu/Se vom 15. Juli 2008

§ 60 FPG

Gerichtliche Verurteilungen wegen Suchtgiftdelikten und Körperverletzung überwiegen das Interesse des Beschwerdeführers, der lediglich behauptet, in Österreich soziale Beziehungen zu seiner Tante sowie zu einer Lebensgefährtin zu haben

 

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