Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164276/3/Fra/Se

Linz, 04.09.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn K B, M, L, vertreten durch Herrn Mag. H L, R, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 8. Juni 2009, Zl. VerkR96-2818-2008, betreffend Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der Berufungswerber wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ermahnt wird; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 21 Abs.1 und 24 VStG; § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden) verhängt, weil er am 11.9.2008 um 05.10 Uhr in der Gemeinde L, Landesstraße Freiland, L, Fahrtrichtung K, bei Km. 8.400, als Lenker des Pkws VW Golf, grün, Kennzeichen, zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten hat, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungs­strafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil im angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

Der Bw hat im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat sein Rechtsmittel auf das Strafausmaß eingeschränkt und beantragt, gemäß § 21 VStG von einer Bestrafung abzusehen. Da sohin der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist, hat der Oö. Verwaltungssenat ausschließlich die Frage zu prüfen, ob die Strafe nach den Kriterien des § 19 VStG herabgesetzt werden kann und/oder § 21 Abs.1 VStG anzuwenden ist. Nach § 21 Abs.1 leg.cit. kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ermächtigt diese Vorschrift trotz der Verwendung des Wortes „kann“ die Behörde nicht zur Ermessensübung. Sie ist viel mehr als eine Anordnung zu verstehen, die die Behörde im Rahmen gesetzlicher Gebundenheit ermächtigt, bei Zutreffen der im ersten Satz angeführten Kriterien von einer Strafe abzusehen und bei Zutreffen des im zweiten Satz angeführten weiteren Kriteriums mit einer Ermahnung vorzugehen. Für die Annahme, dass der Behörde in Fällen, in denen die tatbestandsbezogenen Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG erfüllt sind, eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Strafausspruch und dem Absehen von einer Strafe offen steht, bleibt bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung kein Raum. Liegen beide in § 21 Abs.1 VStG genannten Kriterien, nämlich ein geringfügiges Verschulden und lediglich unbedeutende Folgen vor, so hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Bestimmung.

 

Die belangte Behörde hat den gesetzlichen Strafrahmen (nur) zu rund 5 % ausgeschöpft und in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zur Strafbemessung ausgeführt, dass die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw als Milderungsgrund berücksichtigt wurde und keine Erschwerungsgründe vorlagen. Die Behörde sei insbesondere aufgrund des im Rahmen des Lokalaugenscheines gewonnenen Eindrucks der Persönlichkeit des Bw zur Auffassung gelangt, dass trotz der massiven Beeinträchtigung der durch § 18 Abs.1 StVO 1960 geschützten Interessen mit dieser niedrigen Strafe das Auslangen gefunden werden könne. Bei der Bemessung der Strafe wurde ein Einkommen von 276 Euro monatlich aus Präsenzdienst zugrunde gelegt und zudem wurde von keinen ins Gewicht fallenden Sorgepflichten ausgegangen.

 

Der Bw stellt dazu fest, dass er wegen eines Ungehorsamsdeliktes, welches keine Folgen nach sich gezogen habe und trotz Vorliegens von Milderungsgründen mit 13 % des Einkommens die Strafe überhöht sei. Die Behörde habe nicht festgestellt, dass ihm ein über Fahrlässigkeit hinausgehendes Verschulden vorzuwerfen wäre. Sie habe auch keine Folgen der zur Last gelegten Tat festgestellt. Er habe deshalb einen Rechtsanspruch auf Anwendung der Bestimmung des § 21 VStG.

 

Der Bw ist nach Auffassung des hier zuständigen Einzelmitgliedes des Oö. Verwaltungssenates aus folgenden Gründen im Recht:

 

Die Behörde hat nicht festgestellt, welchen Abstand der Bw zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten hat. Dies ist zwar kein Tatbestandsmerkmal und muss daher nicht in den Schuldspruch aufgenommen werden, ist jedoch im Hinblick auf die Strafbemessung von Bedeutung. Der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ist zwar zu entnehmen, dass die belangte Behörde davon ausgeht, dass der Bw bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 59,5 km/h einen Mindestabstand von 17,85 Metern einzuhalten gehabt hätte und, berechnet man unter Zugrundelegung der gefahrenen Geschwindigkeit den Abstand von einer Sekunde, sich ein einzuhaltender Sicherheitsabstand von 15,69 Meter ergebe. Der Meldungsleger habe die Scheinwerfer des nachfahrenden – vom Bw gelenkten – Fahrzeuges im Innspiegel nicht mehr erkannt. Zu diesem Ergebnis sei auch der Amtssachverständige gelangt. Laut Aktenvermerk des Amtssachverständigen Dipl-HTL-Ing. R H vom 5.5.2009 kommt dieser zum Ergebnis, dass, wenn man davon ausgeht, dass der Anzeigeleger laut Tacho in der 70 km/h-Beschränkung 70 km/h fuhr und unter Berücksichtigung des nicht geeichten Tachos beim Fahrzeug des Anzeigelegers sich im Sinne des Beschuldigten bei 70 km/h eine tatsächliche Fahrgeschwindigkeit von zumindest 54 km/h ergibt, wobei ein Ablesefehler von 3 km/h zusätzlich berücksichtigt wurde und aufgrund der Tatsache, dass über den Innenspiegel die Scheinwerfer nicht mehr erkennbar waren, sich ein Tiefenabstand von 5 Meter oder weniger ergebe. Lege man nun einen Abstand von 5 Meter zugrunde so ergebe sich bei einer Fahrgeschwindigkeit von 54 km/h ein Sekundenabstand von 0,33 Sekunden.

 

Würde man nun diesen Sicherheitsabstand als gesichert zugrunde legen, hätte die belangte Behörde den Strafrahmen gemäß § 99 Abs.2c StVO 1960 anzuwenden gehabt. Gemäß § 99 Abs.2c Z4 leg.cit. begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis zu 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges den erforderlichen Sicherheitsabstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug gemäß § 18 Abs.1 nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 Sekunden oder mehr, aber weniger als 0,4 Sekunden beträgt. Da die belangte Behörde jedoch lediglich den Strafrahmen gemäß § 99 Abs.3 StVO 1960 angewendet hat, ist daraus der zwingende Schluss zu ziehen, dass sie von einem größeren Sicherheitsabstand – ohne diesen zu bezeichnen –, sohin von geringfügigem Verschulden ausgegangen ist. Diese Schlussfolgerung indiziert auch die Verhängung der geringen Geldstrafe. Bedeutende Folgen durch die vom Bw begangene Verwaltungsübertretung sind nicht evident, wenngleich die belangte Behörde zu Recht darauf hinweist, dass die durch § 18 Abs.1 StVO 1960 geschützten Interessen beeinträchtigt wurden.

 

Was das durchgeführte Verfahren anbelangt, ist seitens des
Oö. Verwaltungssenates positiv die Durchführung des Lokalaugenscheines hervorzuheben, weil dem Oö. Verwaltungssenat bekannt ist, dass es aufgrund der Belastung der Strafbehörden nicht oder nur ausnahmsweise Usus ist, Lokalaugenscheine durchzuführen. Als bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass der Meldungsleger wegen Erkrankung zu diesem Lokalaugenschein nicht erschienen ist und laut AV der belangten Behörde vom 14.5.2009 der Meldungsleger der belangten Behörde mitgeteilt habe, dass er trotz Erkrankung zum Lokalaugenschein erscheinen hätte wollen, jedoch den Termin im Kalender falsch eingetragen gehabt hätte.

 

Der Ausspruch der Ermahnung war erforderlich, um den Bw auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hinzuweisen und ihn im eigenen Interesse von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Der Unabhängige Verwaltungssenat verritt die Auffassung, dass sich der Ausspruch einer Ermahnung vom Aspekt der Spezialprävention mit der Verhängung einer geringen Geldstrafe nicht oder kaum in der Wirkung unterscheide. Anders gesagt: Reicht eine Ermahnung nicht aus, den Bw von weiteren gleichartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten, würde auch eine Geldstrafe von 36 Euro die spezialpräventive Wirkung nicht erzielen. Wiederum anders gewendet: Ist auch eine Ermahnung aus spezialpräventiven Gründen ausreichend, ist, sofern die tatbestandsbezogenen weiteren Voraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG vorliegen, vor dem Hintergrund der oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von dieser Bestimmung Gebrauch zu machen.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  Johann  F r a g n e r

 

 

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