Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420606/4/WEI/Ps

Linz, 04.09.2009

B E S C H L U S S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Eingabe ("Maßnahmenbeschwerde") der Frau Q M C, geb., somalische Staatsangehörige, pA. Gasthof E, A, T, vom
10. August 2009 wegen Aufhebung eines gelinderen Mittels den Beschluss gefasst:

 

 

Die als Maßnahmenbeschwerde bezeichnete Eingabe wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 67 Abs 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; §§ 67c und 79a AVG

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

1. Mit dem beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 14. August 2009 eingelangten Schriftsatz "Maßnahmenbeschwerde" vom
10. August 2009 wendet sich die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bfin) gegen ein gelinderes Mittel, das mit dem am Deckblatt angeführten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 2. Oktober 2007, Zlen. Sich 40-1611, 1612 u 16164 (richtig wohl 1613)-2007, angeordnet worden sei und führt dazu (auszugsweise) wie folgt aus:

 

"Gegen den og. Bescheid erhebe ich fristgerecht

 

B e s c h w e r d e

 

an die Berufungsbehörde und stelle den

 

A n t r a g

 

den hier angefochtenen, oben bezeichneten Bescheid zur Gänze beheben und die Anordnung des gelinderen Mittel aufzuheben

 

Da ich in der Grundversorgung bin und monatlich € 40,00 Taschengeld bekomme, ersuche ich, von den Kosten des Verwaltungsverfahrens abzusehen."

 

Meine Beschwerde begründe ich wie folgt:

 

1.    Sachverhalt

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 02.10.2007 wurde über mich das gelindere Mittel angeordnet, dass ich in der E, T, S, Unterkunft zu nehmen bzw. mich an dieser Adresse zur Verfügung der Behörde zu halten und mich in Begleitung meiner minderjährigen Kinder jeden Tag bei der Polizeiinspektion S, T, S zu melden habe.

 

Ich befinde mich seit Oktober 2007 aufgrund meines Aufenthaltstatus 'im gelinderen Mittel' in einer GVS Unterkunft in T. Diese soziale Situation stellt eine sehr große Belastung für meine Familie und mich dar und auch schon zu massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen meiner Person geführt hat (sh. Beilage).

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats wurde mein Asylverfahren rechtskräftig negativ beendet.

 

Im Rahmen der Beschwerdeerhebung gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vor dem Verwaltungsgerichtshof, fasste dieser am 25.10.2007 den Beschluss, eingelangt am 25.10.2007 bei meinem bevollmächtigten Vertreter, dass dem Antrag auf aufschiebende Wirkung stattgegeben werde und mir die Rechtsstellung als Asylwerber zukommt, wobei damit im Besonderen jede Zurück- oder Abscheibung aus Österreich für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig ist.

...."

 

Die weiteren Ausführungen befassen sich mit der Rechtslage. Dabei wird zunächst unter Hinweis auf Judikatur (VwGH 24.10.2007, Zl. 2007/21/0370) darauf hingewiesen, dass im Falle der Anordnung des gelinderen Mittels grundsätzlich auch die Voraussetzungen der Schubhaft erfüllt sein müssen. Durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs betreffend aufschiebende Wirkung sei der ursprüngliche Zweck der Anordnung des gelinderen Mittels nicht mehr gegeben. Die Voraussetzung des § 76 Abs 2 Z 1 FPG wäre nicht mehr gegeben und die Behörde hätte schon ab 25. Oktober 2007 gemäß § 68 Abs 2 AVG (also von Amts wegen) den Bescheid über das gelindere Mittel aufheben müssen. Da die Bfin die Maßnahme als unverhältnismäßig erachtet, strebt sie die Aufhebung des gelinderen Mittels an.

 

Der Beschwerde sind folgende 6 Beilagen angeschlossen:

 

1.     Beschluss des VwGH, Zlen. AW 2007/01/0903 bis 0905-2, betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung;

2.     Vorläufiger Bericht LKH Vöcklabruck vom 6.2.2009 betr. Diagnose: Depressive Anpassungsstörung mit Suizidabsichten;

3.     Ambulanzbericht des LKH Vöcklabruck vom 25.03.2009 über ambulante Behandlung der Bfin vom 6. Juni 2008 betr. Diagnose: Somatoforme Schmerzen – Kopf- und Bauchschmerzen, posttraumatische Belastungsstörung;

4.     Psychotherapeutische Stellungnahme der Mag. B A vom 9.03.2009 über negative Belastungen in der Unterkunft;

5.     Röntgenbefund des Instituts Dris. F S;

6.     2 Fotos auf DIN A4 eines toten Jugendlichen (angeblich ein Sohn der Bfin).

 

2. In einem aus Anlass der vorliegenden Eingabe geführten Telefonat mit der belangten Behörde vom 14. August 2009 (vgl h. Aktenvermerk vom 17.08.2009) hat der Oö. Verwaltungssenat in Erfahrung gebracht, dass die Bfin mit ihrer Unterkunft nicht zufrieden sei und anderswo untergebracht werden möchte. Von einem getöteten Sohn der Bfin sei der belangten Behörde nichts bekannt.

 

Zur Information über das fremdenpolizeilich angeordnete gelindere Mittel nach dem § 77 Abs 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG übermittelte die belangte Behörde dem Oö. Verwaltungssenat auf elektronischem Weg den an die Bfin und ihre beiden mj. Kinder ergangenen Abänderungsbescheid vom 28. Mai 2008, Zlen. Sich40-1611-2007, Sich40-1612-2007 und Sich40-1613-2007. Der Spruch lautet wie folgt:

 

"Spruch:

 

Der Bescheid der BH Vöcklabruck vom 02.10.2007 sowie der Abänderungsbescheid vom 05.11.2007, mit welchem über Sie als Gelinderes Mittel angeordnet wurde, dass Sie im G E, A, T, Unterkunft zu nehmen bzw. sich an dieser Adresse zur Verfügung der Behörde zu halten haben und Sie sich jeden zweiten Tag bei der Polizeiinspektion T zu melden haben, wird

d a h i n g e h e n d    a b g e ä n d e r t,

 

dass Sie der Meldepflicht bei der örtlich zuständigen Polizei, PI T, P jeweils am Dienstag und Donnerstag zwischen 14:00 und 16:00 Uhr nachzukommen haben. Die nächste Meldeverpflichtung besteht für den 29.05.2008."

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und der ergänzenden telefonischen Erhebung festgestellt, dass die Beschwerde schon nach der Aktenlage zurückzuweisen ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983; zahlreiche weitere Judikatur bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] E 55 ff zu § 67a AVG). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte (vgl mwN Walter/Mayer/Kuscko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 610). Maßnahmen im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung können daher grundsätzlich nicht mit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden.

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

Die gemäß § 88 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) vorgesehene Beschwerde für Menschen, die behaupten auf andere Weise durch Besorgung der Sicherheitsverwaltung (darunter fällt gemäß § 2 Abs 2 SPG auch die Fremdenpolizei) in ihren Rechten verletzt worden zu sein, ist ebenfalls nur subsidiär zulässig, sofern diese Besorgung der Sicherheitsverwaltung nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

 

4.2. Die Bfin bekämpft mit der Eingabe den aufrechten Bestand der Anordnung des gelinderen Mittels der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und der Meldepflicht bei der örtlich zuständigen Polizeidienststelle. Dieses gelindere Mittel iSd § 77 Abs 3 FPG wurde mit den Bescheiden der belangten Behörde vom 2. Oktober 2007 und 5. November 2007 angeordnet und mit dem oben wiedergegebenen Abänderungsbescheid vom 28. Mai 2008 hinsichtlich der regelmäßigen Meldepflicht geändert.

 

Das im vorliegenden Fall geltend gemachte rechtliche Interesse der Bfin kann nach h. Ansicht nicht mit Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat verfolgt werden. Die Anordnung eines gelinderen Mittels ist im Verwaltungsweg ergangen und dort auch zu bekämpfen. Das gelindere Mittel wurde mit den erwähnten Bescheiden der belangten Behörde bereits in den Jahren 2007 bzw 2008 angeordnet bzw abgeändert. Gegen diese Bescheide stand der Bfin das Recht der Berufung zu, die im vorliegende Fall gemäß § 9 Abs 1 FPG an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich zu richten gewesen wäre. Auch nachträgliche Abänderungsanträge wegen geänderten Sachverhaltes können bei der zuständigen Fremdenpolizeibehörde eingebracht werden, die darüber mit Bescheid zu entscheiden hat.

 

Auf Grund des - zur Vermeidung von Zweigleisigkeiten des Rechtsschutzes - subsidiären Charakters einer Maßnahmenbeschwerde ebenso wie einer Beschwerde gemäß § 88 Abs 2 SPG ist kein zulässiger Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens nach §§ 67a ff AVG, was auch sonst im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann. Dies gilt auch dann, wenn das Verwaltungsverfahren länger dauern sollte.

 

5. Im Ergebnis war daher die vorliegende Beschwerde aus den dargelegten Gründen als unzulässig zurückzuweisen Eine Kostenentscheidung zugunsten des Rechtsträgers der belangten Behörde, die gemäß § 79a Abs 3 AVG im Fall der Zurückweisung einer Beschwerde als obsiegende Partei anzusehen ist, war nicht zu treffen, weil die belangte Behörde noch nicht ins Verfahren eingebunden war und daher keine Kosten entstanden sind.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die Beschwerde in Höhe von 13,20 Euro und für 6 Beilagen kurz (à 3,60 Euro) von 21,60 Euro, insgesamt daher in Höhe von 34,80 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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