Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164126/2/Zo/Jo

Linz, 03.09.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn H H, geb. , O, vom 10.04.2009, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 20.03.2009, Zl. VerkR96-10584-2008, wegen zwei Übertretungen des KFG zu Recht erkannt:

 

 

I.          Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 VStG;

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis zusammengefasst vorgeworfen, dass er am 02.07.2008 um 08.16 Uhr als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen  in Kallham auf der B 137 die Urlaubsbescheinigung vom 04. bis 13.06.2008 sowie die Aufzeichnungen über seine Tätigkeiten vom 14. bis 22.06.2008 und vom 28. bis 30.06.2008, 06.30 Uhr nicht vorgewiesen habe. Der Berufungswerber habe dadurch zwei Verwaltungsübertretungen nach § 134 Abs.1 KFG iVm Artikel 15 Abs.7 lit.b Abschnitt ii der Verordnung (EWG 3821/85) iVm Artikel 6 Abs.5 der Verordnung (EG) 561/2006 begangen, weshalb über ihn zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 10 Stunden) verhängt wurden. Weiters wurde er zur Zahlung eines Kostenbeitrags in Höhe von 10 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass weder ihm noch seinem Arbeitgeber eine Bestimmung bekannt sei, wonach er für jenen Zeitraum, in dem er als Lagerarbeiter gearbeitet habe, eine Bestätigung mitführen müsse. Auch aus dem EU-Formblatt L99 für lenkfreie Tage gehe nicht hervor, dass er eine Bestätigung für anderwärtige Tätigkeiten (Lagerarbeit) mitführen müsse.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Grieskirchen hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber lenkte am 02.07.2008 um 08.16 Uhr  den LKW mit dem Kennzeichen . Bei einer Verkehrskontrolle in Kallham auf der B137 wies er eine Fahrerkarte vor, aus welcher sich ergibt, dass er vom 30.06. bis 02.07.2008 den gegenständlichen LKW gelenkt hatte. In der Zeit vom 04. bis 13.06.2008 sei er in Urlaub und vom 14. bis 22.06.2008 sowie vom 28.06. bis 30.06.2008 sei er im Lager beschäftigt gewesen. Für den Zeitraum vom 23. bis 27.06. hatte der Berufungswerber die Schaublätter ebenfalls nicht vorgelegt, diese hat er im erstinstanzlichen Verfahren, gemeinsam mit einer Urlaubsbestätigung für die Zeit vom 02. bis 13.06.2008 nachgereicht. Anzuführen ist in diesem Zusammenhang, dass der Berufungswerber vom 23. bis 27.06.2008 einen anderen LKW lenkte. In der Zeit vom 05. bis 27.06.2008 wurde der gegenständliche LKW von Herrn J D gelenkt, entsprechende Tätigkeitsprotokolle aus dem digitalen Kontrollgerät wurden im Verfahren vorgelegt.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Artikel 15 Abs.7 lit.b der Verordnung (EWG) 3821/85 lautet: Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, dass mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang IB ausgerüstet ist, so muss er den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:

i)             die Fahrerkarte, falls er Inhaber einer solchen Karte ist;

ii)            alle während der laufenden Woche und der vorausgehenden 28 Tage erstellten handschriftlichen Aufzeichnungen und Ausdrucke, die gemäß der vorliegenden Verordnung und der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vorgeschrieben sind, und

iii)          die Schaublätter für den Zeitraum gemäß dem vorigen Unterabsatz, falls er in dieser Zeit ein Fahrzeug gelenkt hat, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I ausgerüstet ist.

 

Gemäß Artikel 6 Abs.5 der Verordnung (EG) 561/2006 muss der Fahrer die Zeiten iSd Artikel 4 Buchstabe e sowie alle Lenkzeiten in einem Fahrzeug, das für gewerbliche Zwecke außerhalb des Anwendungsbereiches der vorliegenden Verordnung verwendet wird, als andere Arbeiten festhalten; ferner muss er die seit seiner letzten täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit verbrachten Bereitschaftszeiten iSd Artikel 15 Abs.3 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 festhalten. Diese Zeiten sind entweder handschriftlich auf einem Schaublatt oder einem Ausdruck einzutragen oder manuell in das Kontrollgerät einzugeben.

 

Gemäß Artikel 4 lit.e der Verordnung (EG) 561/2006 sind "andere Arbeiten" alle in Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2002/15/EG als "Arbeitszeit" definierten Tätigkeiten mit Ausnahme der Fahrtätigkeit sowie jegliche Arbeit für denselben oder einen anderen Arbeitgeber, sei es inner- oder außerhalb des Verkehrssektors.

 

Die Kommission hat entsprechend der Richtlinie 2006/22/EG mit Entscheidung vom 12.04.07 ein elektronisches und druckfähiges Formblatt erstellt (L99), das verwendet werden muss, wenn sich der Fahrer innerhalb des in Artikel 15 Abs.7 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 genannten Zeitraums in Krankheits- oder Erholungsurlaub befunden hat oder wenn der Fahrer innerhalb dieses Zeitraumes ein anderes aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 561/06 ausgenommenes Fahrzeug gelenkt hat. Dieses Formblatt ist maschinschriftlich auszufüllen und vom Unternehmen als auch vom Fahrer zu unterschreiben. Manipulationen sollen durch diese Vorgaben verhindert werden.

 

5.2. Der Berufungswerber hat sich vom 04. bis 13.06.2008 im Urlaub befunden, vom 14.06. bis zum 22.06. sowie vom 28.06. bis 30.06.2008 hat er keine schaublattpflichtigen Kraftfahrzeuge gelenkt sondern war im Lager beschäftigt. Es ist daher zu prüfen, ob er verpflichtet war, bei der Verkehrskontrolle eine Urlaubsbestätigung bzw. für die sonstigen Zeiten Aufzeichnungen über seine Tätigkeit als Lagerarbeiter mitzuführen.

 

Artikel 15 Abs.7 der Verordnung (EWG) 3821/85 verpflichtet den Lenker dazu, dem Polizeibeamten bei der Kontrolle auf Verlangen alle handschriftlichen Aufzeichnungen vorzulegen, die in der Verordnung (EWG) 3821/85 bzw. in der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vorgeschrieben sind. Richtig ist, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, gestützt auf die Richtlinie 2006/22/EG ein elektronisches Formblatt erstellt hat, welches zur Dokumentation des Erholungsurlaubes bestimmt ist. Dazu ist aber darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2006/22/EG lediglich der Kommission den Auftrag gegeben hat, ein entsprechendes Formular zu erstellen. Die Richtlinie ist jedoch an die Mitgliedstaaten gerichtet, nicht aber an die einzelnen LKW-Fahrer und kann diese daher nicht unmittelbar verpflichten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die an die Mitgliedstaaten gerichtete Richtlinie von Österreich in ein nationales Gesetz umgewandelt und darin den Lenkern die Verwendung dieses Formulars vorgeschrieben würde. Aus den beiden oben angeführten Verordnungen ergibt sich ebenfalls keine unmittelbare Verpflichtung der LKW-Fahrer, Urlaubsbescheinigungen mitzuführen.

 

Bezüglich der Zeiten, in denen der Berufungswerber als Lagerarbeiter beschäftigt war, hat die Erstinstanz zutreffend darauf verwiesen, dass auch diese Tätigkeit eine "andere Arbeit" iSd Artikel 4 lit.e der Verordnung (EG) 561/2006 darstellt. Entsprechend Artikel 6 Abs.5 dieser Verordnung muss der Fahrer die Zeiten dieser "anderen Arbeiten" festhalten, wobei weiters angeordnet ist, dass diese Zeiten entweder handschriftlich auf einem Schaublatt oder einem Ausdruck einzutragen oder manuell in das Kontrollgerät einzugeben sind. Aus dieser Regelung, wonach eben die "anderen Arbeiten" entweder handschriftlich auf dem Schaublatt oder einem Ausdruck einzutragen oder manuell in das Kontrollgerät einzugeben sind, ist abzuleiten, dass diese Verpflichtung nur für jene Tage gilt, an denen der LKW-Fahrer tatsächlich ein Schaublatt oder die Fahrerkarte verwendet. Wenn also der LKW-Fahrer vorerst einige Stunden zB im Lager arbeitet und dann erst mit seiner Arbeit als LKW-Fahrer beginnt, muss er diese Tätigkeit als "andere Arbeit" entweder auf dem Schaublatt eintragen oder ins Kontrollgerät eingeben. Es würde hingegen keinen Sinn machen, wenn der Lagerarbeiter, welcher nur aushilfsweise gelegentlich mit dem LKW fährt, für jeden Arbeitstag, an dem er im Lager arbeitet,  ein Schaublatt handschriftlich mit seinen "anderen Arbeiten" ausfüllen bzw. diese Tage in seine Fahrerkarte eingeben müsste. Die entsprechende Regelung in Artikel 6 Abs.5 der Verordnung (EG) 561/2006 ist offenbar so gedacht, dass diese nur an jenen Tagen anzuwenden ist, in denen vom Betroffenen tatsächlich ein LKW gelenkt wird. Dafür spricht auch der Umstand, dass auf der "Urlaubsbescheinigung" der Kommission (Formular L99) Zeiten für "andere Arbeiten" nicht vorgesehen sind. Dieses Formular kennt nur die Fälle des Krankenstandes, des Erholungsurlaubes bzw. des Lenkens eines "nicht schaublattpflichtigen" Fahrzeuges.

 

Festzuhalten ist auch noch, dass der österreichische Gesetzgeber mit der 30. KFG-Novelle in § 102 Abs.1a (für schaublattpflichtige LKW) bzw. in § 102a Abs.4 (für LKW mit digitalen Kontrollgeräten) ausdrücklich festgehalten hat, dass für fehlende einzelne Arbeitstage oder Schaublätter entsprechende Bestätigungen des Arbeitgebers mitzuführen sind und der Lenker diese Bestätigungen über lenkfreie Tage dem Polizeibeamten auszuhändigen hat. Wenn eine derartige Verpflichtung bereits vorher unmittelbar aufgrund der einschlägigen EG-Richtlinien bestanden hätte, so wäre die Aufnahme dieser Anordnung in das KFG nicht notwendig gewesen. Auch das spricht dafür, dass eben bisher eine derartige Verpflichtung zum Mitführen von Bestätigungen über lenkfreie Tage nicht existiert hat. Zu den Bestimmungen im KFG ist noch anzuführen, dass diese am 19.08.2009 in Kraft getreten sind, weshalb sie entsprechend dem in § 1 Abs.2 VStG geltenden Günstigkeitsprinzip auf das gegenständliche Verfahren nicht angewendet werden dürfen.

 

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass das dem Berufungswerber vorgeworfene Verhalten zumindest zum Tatzeitpunkt keine Verwaltungsübertretungen bildete, weshalb seiner Berufung gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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