Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164407/2/Ki/Ps

Linz, 09.09.2009

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Frau M S, M, M, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. J P, M, S, vom 28. August 2009, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 24. August 2009, Zl. VerkR96-2776-2009, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrs­ordnung (StVO) 1960, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.        Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens­kosten­beiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom
24. August 2009, Zl. VerkR96-2776-2009, wurde die Berufungswerberin für schuldig befunden, sie habe am 22. März 2009, 12.30 Uhr, in der Gemeinde Pfaffstätt, Landesstraße Ortsgebiet, L505, bei Strkm. 3,390, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 43 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden.

 

Sie habe dadurch § 20 Abs.2 StVO 1960 verletzt. Gemäß § 49 Abs.2c Z9 StVO 1960 (in der zur Tatzeit geltenden Fassung) wurde eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde die Berufungswerberin gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

 

1.2. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung vom 27. August 2009. Es wird beantragt, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Im Wesentlichen wird argumentiert, dass die verhängte Bestrafung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs.2 EMRK verletzen würde.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 1. September 2009 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist
(§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Die Berufungswerberin wurde durch einen Beamten der Landesverkehrsabteilung Oö. am 25. März 2009 angezeigt, sie stehe in Verdacht, am 22. März 2009, 12.30 Uhr, in der Gemeinde Pfaffstätt, Landesstraße – Ortsgebiet, Pfaffstätt, L505, Strkm. 3,309, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. Die Geschwindigkeit wurde durch Messung mittels eines Standradargerätes (MUVR6FM511) festgestellt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat daraufhin die Berufungswerberin mit Schreiben vom 2. April 2009 als Zulassungsbesitzerin aufgefordert, bekannt zu geben, wer zum angezeigten Zeitpunkt das Fahrzeug gelenkt/verwendet bzw. zuletzt vor diesem Zeitpunkt am Tatort abgestellt hat oder die Person zu benennen, welche die Auskunft erteilen könne.

 

Die Berufungsweberin hat die verlangte Auskunft nicht erteilt und es hat daraufhin die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn gegen sie wegen der angezeigten Verwaltungsübertretung eine Strafverfügung (Zl. VerkR96-2776-2009 vom 29. Mai 2009) erlassen. Diese Strafverfügung wurde rechtzeitig beeinsprucht.

 

Die Berufungsweberin rechtfertigt sich im Wesentlichen damit, sie habe die Lenkeranfrage deshalb nicht beantwortet, weil sie kein Familienmitglied belasten wollte.

 

Mit der wesentlichen Begründung, laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne die Behörde ohne Verletzung von Verwaltungs­vorschriften an dem Untätigbleiben des Zulassungsbesitzers im Verwaltungs­straf­verfahren gegenüber dem Vorhalt eines bestimmten strafbaren Sachverhaltes den Schluss ableiten, der Zulassungsbesitzer sei selbst der Täter gewesen, hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat im gegenständlichen Fall den Schluss gezogen, dass die Berufungswerberin, zumal sie eine Anfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 nicht beantwortet hat, die im Spruch des Straferkenntnisses bezeichnete Verwaltungsübertretung selbst begangen hat.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat diese Frage schon in mehreren Entscheidungen behandelt und einen aus dem bloßen Untätigbleiben des Zulassungsbesitzers nach einer Lenkeranfrage gezogenen Schluss auf seine Täterschaft grundsätzlich für unzulässig gehalten. Eine dementsprechende gesetzliche Fiktion ist nämlich nicht vorgesehen. Der Umstand, dass die Nichterteilung der in § 103 Abs.2 KFG 1967 geforderten Auskunft unter Strafe gestellt ist, weist auf den unmissverständlichen Willen des Gesetzgebers hin, dass speziell in jenen Fällen, wo die Lenkereigenschaft durch ein entsprechendes Auskunftserteilen nicht eindeutig geklärt werden kann, ausschließlich eine Bestrafung wegen der Verletzung dieser spezifischen Obliegenheitspflicht zu erfolgen hat, dies jedenfalls dann, wenn das durchgeführte Beweisverfahren mit keiner zur Bestrafung führenden Sicherheit den Nachweis erbringt, dass der Zulassungsbesitzer bzw. die Zulassungs­besitzerin das Fahrzeug selbst gelenkt hat.

 

Im vorliegenden Fall finden sich keine Hinweise, welche eindeutig die Lenkereigenschaft der Berufungswerberin belegen würden, weshalb daher nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" der zur Last gelegte Sachverhalt nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann. Der Berufung war daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungs­strafverfahren einzustellen.

 

3.2. Darüber hinaus fällt auf, dass im Straferkenntnis der Berufungswerberin nicht vorgeworfen wurde, dass sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit als Lenkerin eines Fahrzeuges begangen hat. Das Fehlen dieses wesentlichen Tatbestandsmerkmales führt dazu, dass eine ausreichende Konkretisierung des Tatvorwurfes im Sinne des § 44a VStG nicht vorgenommen wurde.

 

3.3. Was die in der Berufung angesprochene Zustellungsproblematik hinsichtlich behördlicher Strafverfügungen anbelangt (der Unabhängige Verwaltungssenat wird ersucht, diesen Umstand zu überprüfen), wird darauf hingewiesen, dass diese Frage in Anbetracht des konkreten Verfahrensergebnisses nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist. Allfällige allgemeine Rechtsbeurteilungen obliegen jedoch nicht dem Unabhängigen Verwaltungssenat, diesbezüglich wäre eine Klärung gegebenenfalls durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde herbeizuführen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

 

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