Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231057/2/SR/Eg/Ba

Linz, 08.09.2009

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des S S, geb., R, N, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 30. Juli 2009, GZ. Sich96-583-2008, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes und des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

 

I.                  Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs. 1 Z. 3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"1) Sie haben 9.11.2009 um 19:00 in der "M B" in P, H die öffentliche Ordnung durch besonders rücksichtsloses Verhalten ungerechtfertigt gestört, indem Sie eine tätliche Auseinandersetzung mit Herrn K B hatten, in deren Verlauf Sie durch das Lokal taumelten und dabei gegen Glasvitrinen stießen und Tische umwarfen. Ihr Verhalten wurde auch von zahlreichen anderen Personen, die sich dadurch belästigt fühlten, wahrgenommen.

 

2) Sie haben am 9.11.2009 um ca. 19:10 in der "M B" in P, H, den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte verstoßen, indem Sie Herrn K B, nachdem dieser der Aufforderung nach draußen zu gehen, nicht Folge leistete, anspuckten.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1)    § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz 1991

2)    § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz"

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Bw zu Spruchpunkt 1 gemäß  § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden, und zu Spruchpunkt 2 gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Zusätzlich wurden für Verfahrenskosten erster Instanz 20 Euro vorgeschrieben. 

 

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Normen und des relevanten Sachverhaltes aus, dass der dem Bw vorgeworfenen Sachverhalt aufgrund der schlüssigen Anzeigedarstellung als nachvollziehbar anzusehen und dieser vom Bw auch nicht widerlegt worden sei.

 

Der Aufforderung zur Rechtfertigung und zur Bekanntgabe der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (jeweils mit Schreiben vom 16. Juni 2009) sei der Bw nicht nachgekommen. Deshalb sei die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Bw die im Spruch genannten Tatbestände verwirklicht habe und auch keine Rechtfertigungsgründe vorliegen würden.

2. Gegen das Straferkenntnis, das dem Bw am 5. August 2009 durch Hinterlegung zugestellt worden ist, richtet sich die rechtzeitig am 7. August 2009 persönlich bei der belangten Behörde erhobene Berufung.

 

In seiner Berufung, die von der belangten Behörde niederschriftlich festgehalten wurde, führte der Bw wie folgt aus:

 

"Ich erhebe innerhalb offener Frist Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 30.7.2009, Zl. Sich96-583-2008 und begründe dies wie folgt:

 

Ich bin nicht zu dem am Tisch sitzenden Mann gegangen sondern zu meiner Freundin, welche am Tisch daneben saß. Meine Freundin hatte mich zuvor angerufen, und teilte mir dann mit, dass sie von diesem Mann belästigt worden war. Daraufhin schaute ich in seine Richtung. Er beflegelte uns auch gleich und meinte, ob wir schwul seien.

Stand anschließend auf und kam auf uns zu. Er nahm mich bei der Jacke und zerriss diese. In weiterer Folge gab es dann tatsächlich einen Tumult. Jedoch wollte nicht ich mit ihm nach draußen gehen, vielmehr forderte er mich immer auf, nach draußen zu gehen.

Ich verließ dann auch mit meiner Freundin das Lokal. Einige Minuten später gingen wir wieder in das Lokal zurück, da noch Freundinnen drinnen waren. Er stänkerte uns gleich wieder an und meinte, ob wir noch was brauchen. Daraufhin schüttete ihm H F das Kerzenwachs hin. Anschließend verließen wir alle das Lokal.

Ich habe die mir vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen demnach nicht begangen und werde auch nichts bezahlen.

Mehr kann ich dazu nicht angeben."

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat die Berufung samt Verfahrensakt (Zl. Sich96-583-2008) mit Schreiben vom 24. August 2009, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 2. September 2009, zur Entscheidung vorgelegt. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in der vorgelegten Verfahrensakt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 31 Abs. 2 VStG - abgesehen von im Zusammenhang nicht in Betracht  kommenden Ausnahmefällen - sechs Monate.

 

Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

 

Nach § 32 Abs. 2 VStG  ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigte gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis  erlangt hat.

 

Bei der Umschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien in der zuletzt zitierten Gesetzesstelle wird auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird, sodass sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z. 2 VStG 1950  beziehen muss (siehe dazu die Erkenntnisse verstärkter Senate des VwGH vom 16. Jänner 1987, Zl. 86/18/0073, und vom selben Tag, Zl. 86/18/0077).

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidrigerweise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a  VStG  im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990,  Zl. 85/18/0186)

 

4.2. Die dem Bw vorgeworfenen strafbaren Handlungen waren am 9. November 2008 abgeschlossen.

 

Die Anzeige der PI P samt Beilagen (Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen wegen des Verdachtes der Sachbeschädigung) wurde der belangten Behörde am 9. Dezember 2008 übermittelt.

 

Über Ersuchen der belangten Behörde (Bekanntgabe des Ausganges des gerichtlichen Strafverfahrens; Schreiben ohne Datum, abgefertigt am 5. Februar 2009) teilte die StA Linz (Bezirksanwalt beim BG P) mit Schriftsatz vom 17. März 2009, AZ. 57 BAZ 21/09y-2, mit, dass das Ermittlungsverfahren u.a. gegen den Bw gemäß § 190 Z. 1 StPO eingestellt worden sei.

 

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16. Juni 2009 (abgefertigt an diesem Tag) wurde der Bw zur Rechtfertigung aufgefordert und ihm in diesem Zusammenhang die aktenkundigen Verwaltungsübertretungen angelastet. Entgegen der Aktenlage wurde dem Bw vorgehalten, dass er die Taten am "9.11.2009" begangen habe.

 

4.3. Da die belangte Behörde innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 31 Abs. 2 VStG (Abschluss der Tathandlung am 9. November 2008, Aufforderung zur Rechtfertigung am 16. Juni 2009) keine Verfolgungshandlung vorgenommen hat und die erste taugliche, wenn auch fehlerhafte, erst nach Ablauf dieser Frist gesetzt worden ist, musste der Oö. Verwaltungssenat die eingetretene Verfolgungsverjährung wahrnehmen und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß  § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einstellen.

 

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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