Linz, 03.09.2009
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichterin: Mag. Michaela Bismaier, Beisitzerin: Dr. Andrea Panny) über die Berufung des Herrn DI A B, vertreten durch Rechtsanwälte W, O, N, G, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 7.7.2009, Ge96-5/3-2009 wegen einer Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlage:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.
Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 7.7.2009, Ge96-5/3-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 3.600 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z2 und 3 GewO 1994 iVm § 7 VStG verhängt. Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw durch seine anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und diese im Wesentlichen damit begründet, das angefochtene Straferkenntnis entbehre einer sachlichen und einer rechtlichen Grundlage. So gesehen müsste nämlich jeder Aktionär der V für Verwaltungsübertretungen des Unternehmens an die Wand gestellt werden, weil die Aktionäre ja über die Hauptversammlung Einfluss auf den Aufsichtsrat und von dort wieder Einfluss auf den Vorstand (Abberufung) nehmen könnten. Eine solch halsbrecherische Konstruktion zur Verantwortlichkeit der Gesellschafter/Aktionäre für Verwaltungsübertretungen, die im ureigensten Bereich dem/der Vorstand/Geschäftsführung zuzuordnen sei, sei bislang nicht einmal in der einschlägigen Literatur versucht worden.
Juristischer Grundkonsens im österreichischen Rechtsleben sei bisher gewesen, dass eine scharfe Trennung zwischen juristischer Person und dem wirtschaftlichen Eigentümer vorzunehmen sei. Für die der Gesellschaft zuzurechnenden Übertretungen sei im vorliegenden Fall § 9 VStG einschlägig. Unzweifelhaft gehöre der Bw aber eindeutig nicht zu dem von § 9 VStG erfassten Personenkreis.
Der Bw habe zu einer Verwaltungsübertretung auch sonst nicht angestiftet oder beigetragen. Zur Führung der Gesellschaft sei ein Geschäftsführer bestellt worden, der die Gesellschaft nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (§ 25 GmbH-Gesetz) mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu führen habe. Welche Maßnahmen der Geschäftsführer im Einzelnen setze, obliege seiner Verantwortlichkeit ohne die Beschränkung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes.
Vom Bw ist eine jedenfalls an die Geschäftsführung keinerlei Weisung erteilt worden. Umgekehrt sei der Bw von der Geschäftsführung über einzelne Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Vertretungsmaßnahmen auch nicht im Einzelnen informiert worden. Er habe davon ausgehen können, dass die Geschäftsführung die behördlichen Verfahren abwickle bzw. abwickeln werde. Hätte der Bw darauf Einfluss nehmen wollen, hätte er selbst zum Geschäftsführer bestellt werden müssen. Das sei aufgrund seiner beruflichen Situation aber nicht möglich, weshalb eben Fremdgeschäftsführung bestehe, die eigenverantwortlich zu funktionieren habe. Der Bw habe daher weder vorsätzlich einen anderen zu einer Verwaltungsübertretung veranlasst (angestiftet oder bestimmt) noch einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Sinne einer vorsätzlichen Unterstützung zur Erfüllung des tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen Verhaltens erleichtert. Dafür würden jegliche Anhaltspunkt fehlen.
Zum Informationsfluss im Familienkreis ergehe sich das Straferkenntnis ohnedies in Mutmaßungen. Dafür würden jegliche Feststellungen und Beweisergebnisse im Verwaltungsstrafverfahren fehlen. Das Straferkenntnis siehe G G B und Dr. J B als hauptverantwortlich an. Es sei verabsäumt worden, diese hauptverantwortlichen Personen darüber zu befragen, ob es überhaupt zu einem Informationsfluss über diese Details des Verwaltungsverfahrens an den Bw gekommen sei. Das sei nicht der Fall gewesen. Dem Bw sei von Seiten der vertretungsbefugten Organe immer berichtet worden, dass der Geschäftsbetrieb ordentlich laufe, die verwaltungsbehördlichen Verfahren im Gang seien und alles auf Schiene wäre. Der Bw habe niemals irgendwelche rechtswidrigen Anstiftungen, Bestimmungen oder Beihilfen vorgenommen.
Aus diesen Gründen wird der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt zu Ge96-5/3-2009.
Weil der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.
5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z2 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.
Gemäß § 7 VStG unterliegt, wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.
Unter Beihilfe im Sinne des § 7 VStG ist die vorsätzliche Unterstützung des tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens eines anderen zu verstehen, ohne dass dabei Ausführungshandlungen gesetzt werden; die Tätigkeit des Gehilfen besteht somit in einem ursächlichen Beitrag zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines anderen, der auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft erbracht wer kann. Danach kann aber „Beihilfe“ im Sinne des Tatbestandes des § 7 VStG erst dann gegeben sein, wenn der unmittelbare Täter das Tatbild hergestellt hat, das der übertretenen Vorschrift entspricht (vgl. VwGH vom 19.6.1990, 89/04/0246).
Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass
1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,
2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.
Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, dh., in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehenden wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragrafenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den Punkt 2 anlangt, muss im Spruch das Straferkenntnises dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubitten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens zur Verantwortung gezogen zu werden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7 VStG ist es erforderlich, dass sowohl die Beihilfehandlung als auch die unmittelbare Tat (eben die Verwaltungsübertretung nach der GewO) nach Tatort, Tatzeit und Tathandlung konkretisiert wird.
Vorliegend entspricht der Tatvorwurf weder hinsichtlich der Beihilfehandlung noch hinsichtlich der unmittelbaren Tat diesem Konkretisierungsgebot im Sinne des § 44a Z1 VStG.
Ein Schuldspruch nach § 366 Abs.1 Z2 GewO 1994 muss, um das Erfordernis des § 44a Z1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahingehend zulassen, ob die vorliegende Betriebsanlage die in § 74 Abs.2 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet und daher genehmigungspflichtig ist (VwGH 22.12.1992, 91/04/0199).
Eine solche konkretisierte Umschreibung der Interessen, die durch die vorliegende Betriebsanlage beeinträchtigt werden können, ist dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht zu entnehmen.
Der Tatvorwurf geht zwar dahin, dass durch die Errichtung und den Betrieb eines Bäckerei-Produktionsbetriebes nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs.2 GewO nicht ausgeschlossen werden können, allerdings handelt es sich dabei um die Gesetzeszitierung und wird nicht konkret ausgeführt, welche der im § 74 Abs.2 genannten Schutzinteressen durch welche Vorgänge in der Betriebsanlage berührt werden.
Des Weiteren hat der Spruch auch die Tatzeit hinsichtlich der Begehung der Beihilfe (und nicht in Ansehung der Begehung der Tat durch den unmittelbaren Täter) anzuführen. (VwGH 20.12.1995, 93/03/0166). Die im Spruch angeführte Tatzeit bezieht sich auf die unmittelbare Tat; nicht angeführt wurde der Tatzeitpunkt hinsichtlich der Begehung der Beihilfe. Letzteres wäre aber im Lichte der oben zitierten VwGH-Judikatur erforderlich gewesen, um den Anforderungen des § 44a Z1 VStG gerecht zu werden.
Der Bw ist in seinen Berufungsausführungen hinsichtlich der Verschuldensform im Recht. Gemäß § 7 VStG ist für die Beihilfehandlung Vorsatz erforderlich und ist dieser Vorsatz Tatbestandsmerkmal; diesbezüglich fehlt es dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnis an der erforderlichen Konkretisierung.
Entsprechende Ergänzungen konnten auf Grund bereits abgelaufener Verfolgungsverjährungsfrist auch nicht vom Oö. Verwaltungssenat vorgenommen werden.
Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezüglich Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
5.2. Weil die Berufung Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag nicht zu leisten.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Anlage: Akt
Dr. Ilse Klempt