Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401029/2/SR/Ba

Linz, 21.09.2009

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des S Ö, geboren am, türkischer Staatsangehöriger, derzeit Polizeianhaltezentrum Wels (PAZ), wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck seit dem 1. September 2009 im PAZ Wels zu Recht erkannt:

 

 

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; unter einem wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

II.     Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) Kosten in der Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage und der Gegenschrift in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde von folgendem Sachverhalt aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), geboren am in B, türkischer Staatsangehöriger, ledig, hielt sich seit seiner Geburt bis zur Erlassung des auf 10 Jahre befristeten, vollstreckbaren Aufenthaltsverbotes (zugestellt am 1. August 2008) legal im Bundesgebiet auf. Die Mutter und zehn Geschwister leben ebenfalls in Österreich. Sieben der Schwestern haben (nach Angaben des Bf) bereits die österreichische Staatsbürgerschaft erworben. Der Vater lebt in der Türkei. Mit der "Lebensgefährtin", einer türkischen Asylwerberin, hat der Bf zwei Kinder.

Seit dem 5. September 2000 steht der Bf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Für den Zeitraum (5.9.2000 bis dato) weist der Bf weniger als einen Monat an ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen auf.

Unmittelbar nach dem Erreichen des 14. Lebensjahres erfolgte seine erstmalige gerichtliche Verurteilung. Bis zur Abschiebung in die Türkei am 6. Februar 2009 wurde der Bf insgesamt 15 Mal gerichtlich verurteilt. Wegen diverser Verbrechen verhängten die zuständigen Gerichte zuletzt hohe Freiheitsstrafen (30 Monate, zweimal 1 Jahr; umfassende Aufstellung siehe im Bescheid der belangten Behörde). Im gleichen Zeitraum wurden gegen den Bf zahlreiche Verwaltungsstrafen verhängt.

Wiederholt brachte die zuständige Fremdenbehörde dem Bf in den Jahren 1998, 1999 und 2002 zur Kenntnis, dass im Falle der Begehung weiteren strafbarer Handlungen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes beabsichtigt sei.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von D vom 30. Juli 2008, BHDo-III-1454-1993/0902, wurde gegen den Bf ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß § 64 Abs. 2 AVG einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen eingebrachte Berufung wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg mit Erkenntnis vom 3. Februar 2009, Zl. UVS-410a-027/E2-2008, ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

 

1.3. Unmittelbar vor dem Ende der Strafhaft wurde der Bf am 6. Februar 2009 via Zürich in die Türkei abgeschoben.

 

1.4. Im März 2009 reiste der Bf von der Türkei kommend illegal mit dem Flugzeug in Wien-Schwechat ein. Bei der Einreise bediente sich der Bf eines türkischen Reisepasses, der nicht auf seinen Namen ausgestellt war und den ihm ein Mann namens M A für 2.000 Euro überlassen hatte. In Österreich angekommen fuhr er mit dem Zug nach D.

 

Ab März 2009 hielt sich der Bf bis zur Asylantragsstellung am 28. August 2009 durchgehend in Österreich an unterschiedlichen Adressen auf. Unterkunft nahm der Bf dabei bei seinem Bruder in D und tageweise bei Kollegen. Eine behördliche Meldung erfolgte weder durch die Unterkunftgeber noch durch den Bf.

 

Unmittelbar vor der Asylantragsstellung beabsichtigte der Bf bei seiner Mutter und seiner Schwester einzuziehen bzw. dort zu wohnen.

 

1.5. Wie aus dem Abschlussbericht der Polizeiinspektion D vom 28. Juli 2009 hervorgeht, wurde der Bf verdächtigt, am 4. Juli 2009 in D einen Diebstahl und eine gefährliche Drohung begangen zu haben. Nachdem das Opfer den Bf als Täter eindeutig identifiziert hatte, wurde der Bf zur Fahndung ausgeschrieben.

 

1.6. Im Zuge einer polizeilichen Überprüfung stellte der Bf einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag). Aufgrund dessen wurde er am 28. August 2009 von Beamten der Polizeiinspektion Höchst einer Erstbefragung nach dem Asylgesetz 2005 unterzogen. Über Befragen gab der Bf an, dass er Anfang März 2009 mit einem Flugzeug der Austrian Airlines von Istanbul nach Wien-Schwechat gereist sei. Einen nicht auf seinen Namen ausgestellten türkischen Reisepass habe er von M A, einem Österreicher, um 2.000 Euro bekommen. Das Geld hätten ihm seine Eltern zur Verfügung gestellt. Nach der Einreise in Österreich habe er den Reisepass wieder in die Türkei geschickt.

Als Asylgrund führte der Bf an, dass er in der Türkei umgebracht worden wäre, da er mit seiner Lebensgefährtin unehelichen Sex gehabt habe. In Österreich möchte er mit seiner Familie zusammen sein. Das sei der einzige Grund. Es gebe keinen anderen Fluchtgrund. Für den Fall der Rückkehr in die Heimat fürchte er, dass ihn die Familie seiner Lebenspartnerin umbringen werde. Vom türkischen Staat aus würde nichts passieren. Dieser Staat würde ihn aber auch nicht beschützen. Seinen Personalausweis habe er nach seiner Rückkehr nach Österreich zerrissen. Mit dem türkischen Personalausweis (Nüfus) sei er abgeschoben worden. Aus Angst vor einer neuerlichen Abschiebung habe er diesen zerrissen. Sein Pass befinde sich in der Türkei. Diesen habe er vor fünf Jahren in die Türkei zurückgeschickt.

Im Anschluss an die Erstbefragung wurde der Bf in T, H, S. G A untergebracht.

 

1.7. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 1. September 2009, GZ. Sich40-2930-2009, wurde über den Bf zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 iVm § 76 Abs. 2 Z 3 iVm § 80 Abs. 5 FBG 2005 iVm § 57 AVG 1991 verhängt.

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, einer Auflistung der bisherigen gerichtlichen Verurteilungen und Verwaltungsübertretungen nahm die belangte Behörde Bezug auf die Begründung des Aufenthaltsverbots-bescheides und hielt überblicksmäßig den Geschehensablauf (Abschiebung, illegale Rückkehr, neuerliche Verstöße gegen das Strafgesetzbuch) bis zur erfolgten Asylantragstellung fest.

 

Anschaulich zeigt die belangte Behörde auf, dass sich der Bf trotz intensiver Fahndung weiterhin unentdeckt im Bundesgebiet aufhalten konnte und entgegen seiner bei Bedarf gemachten Aussage (Wunsch nach einem Zusammensein mit der Lebensgefährtin und den beiden Kindern) keinen engeren Kontakt zu seinen Familienangehörigen, insbesondere zu seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern, hatte. Bezeichnenderweise konnten daher auch keine Utensilien in der Unterkunft der Lebensgefährtin aufgefunden werden. Bedingt durch die mehrmonatigen intensiven Fahndungsmaßnahmen habe der Bf erst nach Anraten seiner Rechtsvertretung am 28. August 2009 einen Asylantrag gestellt.

 

Im Asylverfahren habe der Bf angegeben, dass er ledig sei und eine Lebensgefährtin und zwei Kinder habe. Abgesehen von 10 Euro sei er völlig mittellos. Nach seiner Abschiebung im Februar 2009 sei er ca. einen Monat später mit einem käuflich erworbenen Reisepass unter einer anderen Identität trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes illegal in Österreich eingereist.

Zum Asylverfahren wäre auszuführen, dass mangels vorliegender asylrelevanter Fluchtgründe ein Ausweisungsverfahren mit Zielland Türkei eingeleitet worden und eine Mitteilung gemäß § 29 AsylG ergangen sei. Das Bundesasylamt beabsichtige die Abweisung des Asylantrages gemäß § 3, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 8 AsylG sowie die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

Wegen der dringenden Fluchtgefahr sei sofort nach Mitteilung des Bundesasylamtes (§ 29 AsylG) die Verhängung der Schubhaft angeordnet und verhängt worden. Aus dem Verhalten des Bf sei abzuleiten, dass es ihm scheinbar leicht möglich ist, sich eine neue Identität zu beschaffen, und mit einem gekauften Reisepass (versehen mit einem Visum) unter Umgehung der Einreisevorschriften und trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes wieder in Österreich einzureisen.

 

Trotz der zahlreichen und intensiven Polizeifahndungsmaßnahmen habe sich der Bf insgesamt mehr als sechs Monate im Untergrund verborgen aufhalten können. Auf Anraten der Rechtsvertretung habe der Bf seinen Rettungsanker in der Asylantragstellung gesehen. Obgleich er objektiv betrachtet keine asylrelevanten Fluchtgründe vorbringen habe können, seine Angaben widersprüchlich seien und sogar die Lebensgefährtin seinen Aufenthalt in Österreich bestritten habe, habe der Bf behauptet, einen engen Bezug zur Lebensgefährtin und den beiden Kindern zu haben bzw. zu suchen.

 

Auch wenn der Bf bei Bedarf auf seine familiären Banden hinweise, zeige das dargelegte Verhalten eindrucksvoll auf, dass er an keine Örtlichkeiten gebunden und absolut flexibel in der Lebensgestaltung ist. Beispielsweise habe er die schier unlösbare Aufgabe bewältigen können, trotz massiver Fahndung sich über Monate vor Polizeibehörden in der Anonymität versteckt zu halten. Durch strafbare Handlungen habe er sich den Lebensunterhalt erwirtschaftet und sei dabei eine massive Gefahr der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gewesen.

 

Im Hinblick darauf, dass dem Bf die erneute Abschiebung in die Türkei drohe und das Asylverfahren nicht den gewünschten Erfolg einer Aufenthaltsberechtigung bringe, sei zu befürchten gewesen, dass der Bf wiederum untertauchen und sich wie in den letzten Monaten weiterhin illegal in Österreich aufzuhalten werde, um einer drohenden Abschiebung zu entgehen.

 

In Berücksichtigung der rechtlichen Lage und Fristen im Asylverfahren, sowie seines an den Tag gelegte Verhaltens, der strafrechtlichen und fremdenrechtlichen Verstöße, habe eine negative Zukunftsprognose erstellt und die Schubhaft angeordnet werden müssen. Gelindere Mittel hätten aufgrund des geschilderten Sachverhaltes und der in der Vergangenheit in besonderer Weise gezeigten Fluchtgefahr keine Anwendung finden können.

 

Nach weiteren ausführlichen und schlüssigen Überlegungen gelangte die belangte Behörde zu dem Schluss, dass ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf gegeben und daher die Schubhaft anzuordnen gewesen sei.

 

Der Schubhaftbescheid wurde dem Bf am 1. September 2009 ausgefolgt. Ohne Angabe von Gründen hat der Bf die Bestätigung der Übernahme verweigert.

 

1.8. Im Aktenvermerk vom 1.9.2009 hält die belangte Behörde fest, dass der Bf vor zahlreichen Zeugen (Behördenvertreter und Polizeibeamten) unmittelbar vor der Verhängung der Schubhaft ausgeführt habe, dass Schubhaft ohnehin nichts bringe. Wenn er in die Türkei abgeschoben werde, dann komme er eben wieder, wenn es sein müsse, dann eben wieder illegal und wenn er keinen Aufent­haltstitel bekomme, dann werde er eben in der Anonymität in Österreich verbleiben.

Nach diesen Anmerkungen habe der Bf den Behördenvertreter gebeten, nicht mit der türkischen Botschaft in Bregenz wegen dem dort aufliegenden Reisepass in Verbindung zu treten. Der Reisepass sei nicht erforderlich, weil er in Wahrheit seinen Nüfus nicht vernichtet sondern an einer sicheren Stelle aufbewahrt habe. Den Nüfus habe er versteckt, weil er nicht abgeschoben werden wolle.

Der Behördenvertreter merkt dazu an, dass der Bf offensichtlich überrascht war, dass sein Reisepass dem türkischen Konsulat in Bregenz vorgelegt worden ist. Vermutlich wolle der Bf nicht, dass seine Vertretungsbehörde von der illegalen Wiedereinreise erfährt.

In der Folge bot der Bf an, Österreich im Falle seiner Freilassung freiwillig zu verlassen.

Nachdem dem Bf dargelegt worden war, dass diesem Wunsch nicht nachgekommen werde, äußerte er sich dahingehend, dass die BH Vöcklabruck noch blaue Wunder mit ihm erleben und sich noch sehr viel ärgern werde. Er komme wieder und immer wieder, und zwar so lange, bis keiner mehr Lust habe ihn festzunehmen und abzuschieben. Irgendwann werde er mit seinen Anträgen und Beschwerden zu Richtern der zweiten Instanz kommen, die ihm wieder ein Aufenthaltsrecht geben und aus der Haft entlassen würden. Wörtlich habe er ausgeführt, dass man in "Österreich immer einen Dummen findet, der einem Recht gibt". Sollte dem nicht so sein, werde er eben illegal einreisen, sich illegal aufhalten und aus der Anonymität mit den Behörden und seinen Gegnern abrechnen. Auch mit Herrn A habe er noch eine Rechnung zu begleichen. Er habe viele Jahre in Haft verbracht und dies habe ihn auch nicht von seinem Vorhaben abhalten können. Er werde auch Mittel und Wege finden, um aus der Schubhaft freizukommen und um seine Ziele verfolgen zu können. Auch könnte sich der Behördenvertreter vormerken, dass er in Hungerstreik trete und sich aus der Schubhaft freipressen werden. Er werde auf alle Fälle aus der Haft freikommen. Ob früher oder später. Er werde auch seine Lebensgefährtin dazu bringen, mit ihm zusammen zu leben. Ob hier oder ob woanders, ob legal oder illegal, aber auf alle Fälle mit ihr.

Abschließend hielt der Behördenvertreter fest, dass der Bf einen zielorientierten Eindruck hinterlassen habe und zum Ausdruck brachte, dass ihm jedes Mittel recht sei, um sich in Österreich, ob legal oder illegal aufhalten zu können. Sein Vorbringen zum Familienleben erscheine gleichzeitig unschlüssig, da der Bf seine Lebensgefährtin und Kinder lediglich als Spielball benutze. Diese dürften momentan nur Mittel zum Zweck sein.

 

1.9. Bei der niederschriftlich Befragung am 1. September 2009 im Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle W, führte der Bf über Befragen aus, dass er sich am Freitag voriger Woche in Vorarlberg angemeldet habe. An der genannten Adresse wohne seine Mutter und seine Schwester. Gewohnt habe er dort noch nicht, er werde aber in den nächsten Tagen dort einziehen. Seit seiner illegalen Einreise im März 2009 habe er sich bei seinem Bruder in D aufgehalten. Zwischenzeitig habe er vorübergehend tageweise bei Kollegen gewohnt. Auf den Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung am 28. August 2009 ausgeführt habe, dass er in Österreich mit seiner Familie zusammen sein möchte und dies der einzige Grund für die Flucht gewesen wäre, gab der Bf an, dass er dies so bald wie möglich möchte. Wenn er zu arbeiten beginne, werde er mit seiner Familie zusammenziehen. Auf den Vorhalt, dass er nach seiner illegalen Einreise nicht mit seiner Lebensgefährtin zusammengewohnt habe, bestätigte dies der Bf und führte aus, dass er nur einige Tage vor der Inhaftierung mit ihr zusammengekommen sei. Einen offiziellen Wohnsitz hätten sie nicht, aber er liebe sie und seine beiden Kinder.

 

Einen Asylantrag habe er gestellt, weil sein Verfahren beim Verwaltungs­gerichtshof (Beschwerde gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid) noch nicht beendet sei. Auf den Vorhalt, dass ihn dieses Verfahren nicht an einer früheren Asylantragsstellung gehindert hätte, gab der Bf an, dass er vor der Asylantragstellung ein Visum erlangen wollte.

 

Nach der Aufnahme des Vorbringens des Bf und den behördlichen Vorhaltungen wurde dem Bf mitgeteilt, dass das Bundesasylamt beabsichtige, den Asylantrag gemäß § 3 Asylgesetz abzuweisen, festzustellen, dass die Abschiebung Zurückschiebung bzw. Zurückweisung in die Türkei zulässig sei und die Ausweisung veranlasst werde. Dazu brachte der Bf vor, dass er in der Türkei umgebracht werde und seine Familie in Österreich sei. Zum Vorhalt, dass der Bf den Asylantrag erst gestellt habe, als er am 28. August 2009 einer polizeilichen Personenkontrolle unterzogen worden war, äußerte sich der Bf nicht. Zur beabsichtigten Abschiebung führte der Bf aus, dass ihn im Falle der Abschiebung der Staat nicht beschützten könne und er dann getötet werde.

 

1.10. Am 12. September 2009 um 12.10 Uhr informierte der Bf einen Beamten des PAZ Wels davon, dass er einen Teil eines Suppenlöffels verschluckt habe. Er habe dies deshalb getan, weil er die Anhaltung in Schubhaft nicht einsehe.

 

Die oberflächliche Untersuchung mit einem Metalldetektor zeigte einen metallischen Gegenstand im Bauchbereich des Bf an. Ein Teil des abgebrochenen Löffels konnte in der Zelle vorgefunden und sichergestellt werden. In der Ambulanz des Klinikum Wels wurde anschließend der Metallgegenstand mittels Endoskopie entfernt.

 

2. Mit Schriftsatz vom 10. September 2009, gerichtet an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, per Telefax an die belangte Behörde übermittelt (Faxeingang bei dieser außerhalb der Amtsstunden am 11. September 2009 um 13.12 Uhr) erhob der Bf "Haftbeschwerde". Die Beschwerde gilt daher als mit 14. September 2009 eingebracht.

 

Einleitend führte der Bf an, dass er seine Haft nicht richtig einsehe. Er habe mehrfach bewiesen, dass er nicht flüchten werde, sei selber zur Polizei gegangen, hätte sich ergeben und die Republik Österreich um Schutz ersucht. Darum habe er schon längst gebeten. Im Aufenthaltsverbotsverfahren habe er auch erzählt, dass ihn in der Türkei der Tod erwarte. Bereits damals hätte das Bundesasylamt informiert werden müssen. Trotzdem sei er in die Türkei abgeschoben worden. Er werte dieses Verhalten als Versuch, ihn "ein- für allemal aus dem Weg zu bringen". Dies sei ein indirekter Mordversuch. Die Abschiebung sei rechtswidrig gewesen. Er habe seit "2005 keine 24-monatige Freiheitsstrafe bekommen". Dass in diesem Verfahren sein Familienleben berücksichtigt worden sei, wäre eine Lüge und dies könne er auch beweisen. Wenn dem so wäre, dann hätte nämlich auffallen müssen, dass er nicht zwei sondern sieben Schwestern mit der österreichischen Staatsbürgerschaft habe. Alles in der Entscheidung sei ein Widerspruch. In Schubhaft sei er genommen worden, weil er Beweise sammeln wollte, damit er nicht rechtmäßig abgeschoben werde. Die BH hätte alles getan, damit er nicht arbeiten könne. Er werde eine Mordversuchsanklage gegen diese Personen einreichen; ob es ihm gelingen werde sei dem Rechtsstaat überlassen. Noch immer habe er die Hoffnung, dass es in seinem Herkunftsland eine Seele gebe, die alles erkenne und auch erkennen wolle. Unter Herkunftsland verstehe er Österreich. Er sei hier geboren und Österreich sei seine Heimat.  Daher könne er nicht einsehen, wie ein Österreicher wie im Dritten Reich in ein fremdes Land abgeschoben werde. In H (V) habe er eine Wohnung und dorthin werde er gehen. Sollte das Bundesasylamt die Entscheidung aufrechterhalten, werde er eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof richten.

Abschließend ersuche er, die Schubhaft aufzuheben und ihn unverzüglich freizulassen, damit er zu seiner Familie zurückkehren könne. Er werde für die Familie sorgen und Beweise vorlegen, die zeigen würden, was die BH mit ihm gemacht habe. Im Hinblick auf den "geschworenen bürokratischen Treueeid" habe er den UVS angerufen. Er bitte um Verzeihung.

3.1. Mit Schreiben vom 14. September 2009 übermittelte die belangte Behörde den Fremdenakt samt der Schubhaftbeschwerde und erstattete eine Gegenschrift. Der Vorlageakt langte am 15. September 2009 beim Oö. Verwaltungssenat ein.

 

Einleitend wies die belangte Behörde auf den vorliegenden Schubhaftbescheid vom 1. September 2009, das vorliegende UVS-Erkenntnis des Landes Vorarlberg, den darin erhobenen und festgestellten Sachverhalt, den Aktenvermerk vom 1. September 2009 (Verhalten des Bf gegenüber den anwesenden Behördenorganen), die Ausschreibung des Bf zur Personenfahndung, die gerichtlichen und fremdenpolizeilichen Verfahren und das Verhalten des Bf nach seiner illegalen Einreise im März 2009 hin. Besonderes Augenmerk sei darauf zu richten, dass der Bf seine illegale Einreise unmittelbar nach seiner Abschiebung und auch den illegalen Aufenthalt in der Anonymität damit gerechtfertigt habe, dass er die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die eingebrachte Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot in Österreich in der Anonymität hätte abwarten wollen. Folge man den Ausführungen des Bf, dann habe der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt und die Behandlung der Beschwerde abgewiesen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht belegt, jedoch werde diesen Ausführungen Glauben geschenkt. Wäre dem Bf die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, dann hätte er den Aufenthalt in der Anonymität vorzeitig aufgeben können. Beachtenswert seien auch die Versuche des Bf, die Behörden mit Falschangaben zum Aufenthaltsort der Bezugspersonen irrezuführen.

Die Identität des Bf sei gesichert, auch wenn der Bf bewusst zur Abschiebung notwendige Identitätsdokumente versteckt halte. Ein sichergestelltes Reisedokument sei im türkischen Konsulat in Bregenz hinterlegt.

Das Bundesasylamt führe gegenwärtig ein Ausweisungsverfahren durch und beabsichtige die Erlassung einer abweisenden und gleichzeitig durchsetzbaren Entscheidung (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung). Mit der Bescheiderlassung könne jederzeit gerechnet werden, zumal die diesbezüglichen Einvernahmen nach Kenntnis der belangten Behörde abgeschlossen seien. Entsprechend der mündlichen Bekanntgabe des Bundesasylamtes seien die Flucht- und Verfolgungsgründe alleine schon dadurch widerlegt, dass im Falle einer traditionellen Hochzeit des Bf mit seiner Lebensgefährtin keine Blutrache im Heimatland mehr zu befürchten sei.

Um die neuerlich bevorstehende Abschiebung des Bf in die Türkei zu ermöglichen, ein neuerliches Abtauchen in die Anonymität sowie ein neuerliches Entziehen aus dem Verfahren und eines neuerlichen weiterfolgenden langzeitigen illegalen Aufenthaltes mit bewusstem Verstecken vor Behörden, Sicherheitsorganen und der Justiz hinan halten zu können, sei die Schubhaftverhängung unabdinglich.

Im Hinblick auf die vorliegenden umfassenden Sachverhaltselemente und da faktische Hinderungsgründe einer bevorstehenden Abschiebung nicht vorliegen würden, werde im Hinblick der besonders einschlägigen Verhaltensweise und der unter Beweis gestellten enormen Fluchtgefahr des Bf die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

4.1.2. Dem Bf wurde am 1. September 2009 der Schubhaftbescheid der belangten Behörde ausgefolgt, anschließend wurde er in das PAZ Wels verbracht und seither wird er in Schubhaft angehalten. Die Bestätigung der Übernahme des Schubhaftbescheides wurde vom Bf ohne Angabe von Gründen verweigert.

 

Seine Beschwerde wegen der Anhaltung in Schubhaft im PAZ Wels ist zulässig, aber unbegründet.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG 2005 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

4.3. Obwohl der Bf lediglich die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erachtet, ist der unabhängige Verwaltungssenat im Hinblick auf § 83 Abs. 4 FPG gehalten, eine umfassende Beurteilung vorzunehmen.

 

4.3.1. Bei Vorliegen sämtlicher formeller Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme kann die Schubhaft jedenfalls auf § 76 Abs. 2 FPG gestützt werden.

 

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist bei Eingriffen in das Recht auf persönliche Freiheit stets das unmittelbar anwendbare Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten und die zuständige Fremdenpolizeibehörde hat in jedem Fall eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof folgert daraus, dass die die Schubhaft anordnende Behörde nachvollziehbar darzulegen hat, inwiefern die Anordnung der Schubhaft erforderlich ist, um den Sicherungszweck zu erreichen. In diesem Sinn seien auch die Überlegungen anzustellen, ob dem Sicherungszweck bereits durch die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG entsprochen werden kann. (siehe VwSen-401019/5/Wei/Se mit zahlreichen Verweisen). Im Erkenntnis vom 30. August 2007 hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgeführt, dass dies im Ergebnis bedeute, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 FPG gestützt werden soll, stets nur die ultima ratio sein darf.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs. 2 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

So hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 28.6.2007, Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Rechtsprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verurteilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vg. VfSlg 13715/1994; VwGH vom 22.11.2007, Zl. 2006/21/0189; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246) und einer fehlenden Ausreisewilligkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattgegeben." 

 

Zur fehlenden Ausreisewilligkeit eines Fremden führt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung aus, dass diese für sich allein nicht die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung rechtfertigt. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt (vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Ebenso darf die Schubhaft nicht als eine präventive Vorbereitungshandlung zu einer erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (siehe VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden. 

 

Darüber hinaus ist eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig. Beispielsweise darf aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon "unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze" (siehe VwGH vom 24. 10.2007, 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird.

 

4.3.2. Hinsichtlich der hier gewählten aufenthaltsbeendenden Maßnahme (rechtskräftiges Aufenthaltsverbot) ist der Oö. Verwaltungssenat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die diesbezüglichen vollstreckbaren Entscheidungen der Fremdenpolizeibehörden gebunden. Im vorliegenden Fall hat bereits vor der Abschiebung des Bf am 6. Februar 2009 der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das auf zehn Jahre befristete Aufenthaltsverbot gegen den Bf bestätigt. Es ist daher davon auszugehen, dass dieses dem Gesetz entspricht.

 

4.3.2.1. Die belangte Behörde hat die Schubhaft u.a. gemäß "§ 73 Abs. 2 Z. 3 FPG" zur "Sicherung der Abschiebung" angeordnet und verhängt.

 

Unstrittig steht fest, dass gegen den Bf vor der Stellung des Asylantrages (28. August 2009) ein durchsetzbares (hier: rechtskräftiges) Aufenthaltsverbot erlassen wurde (Zustellung des Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg am 6. Februar 2009).

 

Zutreffend ist die belangte Behörde von einem rechtskräftigen und somit durchsetzbaren Aufenthaltsverbot ausgegangen.

 

Die Verhängung der Schubhaft ist nach dieser Bestimmung nur bei Vorliegen des Sicherungsbedarfes und der Verhältnismäßigkeit zulässig.

 

Im Erkenntnis vom 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass bei fehlenden Ausführungen zum Sicherungsbedarf und bei gänzlichem Fehlen nachvollziehbarer Begründungselemente von der Rechtswidrigkeit des angeordneten Freiheitsentzuges auszugehen sei.

 

Aus dem umfassend festgestellten Sachverhalt ist, wie nachfolgend dargestellt, das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes unabdingbar abzuleiten.

Die Ausreiseunwilligkeit des Bf ist unstrittig. Abgesehen von dem noch zu erörternden Verhalten des Bf vor seiner Abschiebung in die Türkei und nach seiner illegalen Einreise in Österreich brachte der Bf wiederholt vor, keinesfalls in die Türkei zurückkehren zu wollen. Selbst für den Fall der neuerlichen Abschiebung werde er Wege finden, um wiederum illegal in Österreich einreisen zu können. Mangels eines legalen Aufenthaltes werde er sich – wie bisher – im Untergrund bewegen und versteckt halten. Zur Erschwerung der bevorstehenden Abschiebung verheimlichte der Bf den Besitz der erforderlichen Dokumente bzw. behauptete deren Vernichtung. Allein schon die Aussagen des Bf gegenüber dem Vertreter der belangten Behörde belegen, dass der Bf nicht nur ausreiseunwillig ist, sondern darlegt, wie er allenfalls behördliche Maßnahmen zu verhindern gedenke. Zur Untermauerung der Ernsthaftigkeit, sich aus der Schubhaft möglicherweise durch Hungerstreik freizupressen, ist auch die versuchte Selbstverletzung durch Schlucken eines Löffelteiles anzusehen.

Im Hinblick auf die beabsichtigte Durchsetzung des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes ist zu prüfen, ob der erforderliche Sicherungsbedarf gegeben und die Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig ist.

Auch wenn nicht verkannt wird, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542, mwN) die Schubhaft keinesfalls dazu dienen könne, den Fremden von der Begehung weiterer Straftaten in Österreich bis zur Außerlandesbringung abzuhalten und dass die Annahme, die Schubhaft sei aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten, nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstelle, sind die strafgerichtlichen Verurteilungen des Bf und die daraus zu entnehmenden Feststellungen der Strafgerichte von besonderem Interesse (zur „Bindungswirkung“ eines rechtskräftigen Strafurteils und zur Bedeutung strafgerichtlicher Sachverhaltsfeststellungen als “maßgebender Sachverhalt" iSd § 37 AVG vgl. Eisner/Schiffkorn in Gruber/Paliege-Barfuß [Hrsg.], Die Relevanz der bedingten Strafnachsicht nach § 43 Abs. 1 StGB im Verfahren zur Entziehung der Gewerbeberechtigung, Jahrbuch Gewerberecht 2009, 205ff).

 

Die zahlreichen gerichtlichen Verurteilungen und Verwaltungsstrafen, das fortgesetzte kriminelle Verhalten trotz der mehrfachen Androhung der Einleitung eines Ausweisungsverfahrens und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, der unmittelbar nach der Abschiebung erfolgten illegalen Rückkehr nach Österreich unter Verwendung eines gekauften Reisepasses, der neuerlichen kriminellen Betätigung im Juli 2009 und der mehrmonatige Aufenthalt in der Anonymität   weisen auf das Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfes hin.

Durch die kriminelle Tätigkeit des Bf, die sich über mehrere Jahre hinzog und unmittelbar nach der Strafmündigkeit begonnen hatte, gefährdete der Bf die Gesundheit, das Leben und Eigentum von Menschen in hohem Maße. Dies alles tat der – zu keiner Zeit berufstätige Bf – um sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Bemerkenswert ist überdies, dass das Fehlverhalten des Bf nicht nur in den letzten Jahren seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gegeben war sondern sich über einen wesentlichen Zeitraum seiner Anwesenheit erstreckt hat. Eine Phase des Wohlverhaltens ist überhaupt nicht erkennbar.

Schon die strafgerichtlichen Verurteilungen offenbaren die völlige Gleichgültigkeit des Bf gegenüber der österreichischen Rechtsordnung und deuten auf eine mangelnde charakterliche Zuverlässigkeit hin. Diese Einschätzung wird weiters dadurch unterstrichen, dass er bereits die Abschiebung am 6. Februar 2009 zu verhindern suchte, gleich nach seiner Abschiebung in die Türkei die illegale Einreise nach Österreich geplant und Anfang März 2009 durchgeführt hat. Dabei schreckte der Bf nicht zurück, sich einer anderen Identität zu bedienen.

Gegen den Bf spricht auch in besonderem Maße, dass er sich gleich nach seiner illegalen Einreise im Untergrund aufgehalten und ständig die Unterkünfte gewechselt hat. Unbeeindruckt davon, dass er sich entgegen dem Aufenthaltsverbot im Bundesgebiet aufgehalten hat, war er auch darüber hinaus nicht einmal ansatzweise geneigt, sich rechtskonform zu verhalten. Einige Monate nach seiner Einreise lösten Verstöße gegen das Strafgesetzbuch polizeiliche Fahndungsmaßnahmen nach ihm aus. Im Glauben, sich damit dem Zugriff der Fremdenpolizei und den zu erwartenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen, hat er unmittelbar nach seiner Vorsprache in erkennbar missbräuchlicher Absicht einen Asylantrag gestellt. Wie die Informationen der belangten Behörde erkennen lassen, ist vom Bundesasylamt beabsichtigt, den Asylantrag mangels vorliegender Verfolgungsgründe noch im Zulassungsverfahren abzuweisen. Um von einer "verspäteten" Antragsstellung abzulenken, scheute der Bf nicht davor zurück, den verschiedenen Behördenvertretern anzulasten, dass sie aufgrund seiner Angaben nicht bereits von sich aus das Bundesasylamt von seiner Verfolgungssituation verständigt haben.

Die zahlreichen widersprüchlichen Ausführungen (Vorhandensein bzw. Vernichtung der diversen Dokumente; beabsichtigtes Zusammenziehen mit der Lebensgefährtin und den Kindern und tatsächlich versuchte Unterkunftnahme bei der Mutter und der Schwester; auf wenige Tage vor der Schubhaftverhängung beschränkter Kontakt mit der Lebensgefährtin; ...), die Drohungen gegenüber einzelnen Behördenvertretern und das glaubwürdige Vorbringen, alles zu unternehmen, um in Österreich legal oder illegal bleiben oder im Falle der neuerlichen Abschiebung zurückkehren zu können, zeigen nicht nur in anschaulicher Weise die Ausreiseunwilligkeit sondern auch die vom Bf beabsichtigten Verhaltensweisen zur Verhinderung der fremdenpolizeilichen Maßnahmen auf.

Mit dem Beschwerdevorbringen des Bf, wonach er bewiesen habe, dass er nicht flüchten werde und er selber zur Polizei gegangen und sich ergeben habe, kann der Bw nicht nachvollziehbar und überzeugend darlegen, dass ein konkretes Sicherheitsbedürfnis nicht bestehe. Da der Bf auch kaum über wesentliche soziale Bindungen verfügt (so gut wie kein Kontakt zur Lebensgefährtin und den Kindern, keine Integration am Arbeitsmarkt), haben diese auch keine Auswirkungen auf die Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfes.

Vor dem Hintergrund seines bisherigen Fehlverhaltens im Bundesgebiet und der daraus zu erschließenden Persönlichkeitsstruktur war für die belangte Behörde daher nicht zu erwarten, dass der Bf freiwillig das Land verlassen und sich den entsprechenden fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen ohne weiteres fügen werde.

Die Anhaltung des Bf war somit nicht als bloß rein präventive Vorbereitungshandlung für die Abschiebung anzusehen, sondern diente ausschließlich dazu ein neuerliches Untertauchen des Bf zu verhindern. Die Schubhaftverhängung zur Sicherung des Verfahrens war daher dringend geboten.

 

Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bf ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der mit der Sicherungsmaßnahme verfolgte Zweck nicht auch durch die Anordnung gelinderer Mittel erreicht kann.

 

Der konkrete Sicherungsbedarf ist somit gegeben und die Anwendung gelinderer Mittel ausgeschlossen.

 

4.3.2.2. Die Verhängung der Schubhaft ist im konkreten Fall auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um dieses Ziel zu gewährleisten war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich. Die belangte Behörde hat das bisherige Verfahren zielstrebig und unter Bedachtnahme darauf geführt, dass die noch nicht einmal drei Wochen andauernde Schubhaft so kurz wie möglich gehalten wird. Der gegenläufigen Einwendung des Bf war nicht zu folgen. 

 

4.4. Im Ergebnis erweist sich daher die Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig, weshalb die vorliegende Beschwerde gemäß § 83 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig festzustellen war, dass die für die Anhaltung des Bf in Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin vorliegen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Verfahrenspartei: Bezirkhauptmann von Vöcklabruck) nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. II 456/200, antragsgemäß ein Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (57,40 Euro für den Vorlageaufwand und 368,80 Euro für den Schriftsatzaufwand) zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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