Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530914/5/Bm/Ba

Linz, 14.09.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung der v S GmbH, vertreten durch H/N & P Rechtsanwälte GmbH, A H, W, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 26.3.2009, GZ 501/G015006t, betreffend Vorschreibung von Anpassungsmaßnahmen an den Stand der Technik im Bereich der Kokerei-Koksofenbatterien gemäß § 81c GewO 1994 zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid wegen Unzuständigkeit der Behörde ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 39 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 – UVP-G 2000

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der v S GmbH vorgeschrieben, im Bereich der Kokerei-Koksofenbatterien zur Erfüllung der Anpassungsverpflichtung an den Stand der Technik bestimmte Maßnahmen unter Festsetzung von Erfüllungsfristen vorzunehmen.               

 

1.1. Begründet wurde dies im Wesentlichen unter Zitierung der Gesetzesbestimmun­gen der §§ 77a, 81b, 81c dass es sich bei der Kokerei der v unbestritten um einen Betrieb handle, der der Anlage 3 der Gewerbeordnung unterliege. Die Kokerei sei vor dem 31.10.1999 genehmigt worden und sei am 31.10.2007 in Betrieb gewesen. Die seitens der v bisher getätigten Maßnahmen in Bezug auf die Kokerei-Koksofenbatterien seien nicht ausreichend im Sinne des § 77a GewO, weshalb die Vorschreibung weiterer Sanierungsschritte erforderlich sei, wobei sowohl konkrete Sanierungsmaßnahmen als auch die Vorlage von Sanierungskonzepten vorzuschreiben seien.

Hinsichtlich der Zuständigkeit für diese Entscheidung wurde angeführt, dass die Kokerei (Altbestand) nicht vom Vorhaben des UVP-G-Verfahrens "L6" umfasst sei. In der Kokerei (Koksofenbatterie) seien keinerlei Änderungen projektiert gewesen. Es gebe keinerlei Vorschreibungen für den Kokerei-Altbestand (z.B. Umweltauflagen, Stilllegungsdatum). Lediglich der eventuelle Neubau einer Kokerei sei im UVP-G-Verfahren beurteilt und genehmigt worden. Es gebe darin keinen Bezug zur Altanlage und kein Stilllegungsdatum für die alte Kokerei, d.h. wenn die neue Kokerei nicht errichtet werde, bleibe der Altbestand wie bisher bestehen.

Die Prüfung der Einhaltung des Standes der Technik bei der bestehenden Kokerei durch die UVP-G-Behörde sei für die Gewerbebehörde nicht relevant, da dafür die Zuständigkeit nach wie vor bei der Gewerbebehörde liege, überdies sei die dort durchgeführte Prüfung nicht vollständig.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin innerhalb offener Frist durch ihre anwaltliche Vertretung Berufung erhoben und darin im Wesentlichen vorgebracht, dass eine Unzuständigkeit der Gewerbebehörde insofern vorliege, als der Kokerei-Altbestand sehr wohl vom UVP-Vorhaben L6 umfasst sei. Es gebe konkrete Vorschreibungen sowohl zum Kokerei-Altbestand als auch zu den Zusammenhängen zwischen Altbestand und Neubau. Die Zuständigkeits­konzentration des UVP-G 2000 räume der mitwirkenden Gewerbebehörde kein Recht ein, selbst Vorschreibungen zu treffen, wenn sie die von der UVP-Behörde durchgeführte Prüfung für nicht vollständig halte.

Die Zuständigkeit der UVP-Behörde als alleinige konzentrative Zuständigkeit für das gesamte Genehmigungsregime werde durch den UVP-Feststellungsbescheid begründet.

Der Feststellungsbescheid stecke den Antragsgegenstand ab; der Beurteilungs- und Genehmigungstatbestand könne allerdings weiter reichen. So bestimme
§ 3a Abs.7 UVP-G, dass die Genehmigung der Änderung auch das bereits genehmigte Vorhaben soweit zu umfassen habe, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 17 Abs.1 bis 5 angeführten Interessen erforderlich sei.

Konsequenterweise beziehe sich daher die Zuständigkeit nicht nur auf das beantragte, sondern auch auf das darüber hinaus umfasste Vorhaben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt zu Gz. 501/G015006t sowie Einholung einer Stellungnahme der UVP-Behörde zur Frage der Zuständigkeit.

 

Mit Schreiben vom 18.8.2009 wurde dazu vom Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Umwelt und Wasserwirtschaft, Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht unter Gz. UR-2006-5242/1358-Re/Rs Stellung genommen.

 

3.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Die v S GmbH betreibt im Standort L eine Eisen- und Stahlproduktion, die auch den Betrieb einer Kokereianlage mit umfasst.

Im Zuge einer geplanten Kapazitätserweiterung des Eisen- und Stahlwerks wurde mit UVP-Feststellungsbescheid vom 5.10.2006, GZ UR-2006-1432/23 festgestellt, dass für das Vorhaben mit der Bezeichnung "L6" eine Umweltver­träglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

Bestandteil des diesem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Ansuchens war die Errichtung einer Kokerei neu und die Stilllegung der Kokerei Bestand. Unter Zugrundelegung dieses UVP-Feststellungsbescheides wurde von der v S GmbH um Grundsatzgenehmigung nach dem UVP-G 2000 angesucht, wobei das Ansuchen identisch ist mit dem Gegenstand des UVP-Feststellungs­bescheides.

 

Für den Bereich der Kokerei lautete der Antrag (Punkt 4.3.2.):

 

"Im Bereich der Kokerei sind folgende Projekte, die in Anlage 2 übersichtlich dargestellt sind, Antragsgegenstand:

L6 KO01 –  Kokerei neu 2,5 Mio. Jato

L6 KO02 – Adaptierung Kohlenwertstoffanlage

L6 KO03 – Stilllegung Kokerei Bestand

 

Folgende Anträge werden hiefür gestellt:

 

Antrag auf Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Änderung einer IPPC-Anlage gemäß § 81a GewO im Umfang und Ausmaß der gemäß Anlage 2 dargestellten Maßnahmen und Kapazitäten.

 

Antrag auf Erteilung der Baubewilligung gemäß § 24, 28 Oö. Bauordnung im Umfang und Ausmaß der in Anlage 2 für die Projekte L6 KO01 und L6 KO02 dargestellten baulichen Maßnahmen; weiters um Erteilung der Abbruchbewilligung gemäß § 24, 28 Oö. Bauordnung für die im Umfang und Ausmaß der in Anlage 2 zu L6 KO03 dargestellten Abbruchmaßnahmen.

 

Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung § 32 und 32b WRG für die Ableitung von Kühlwässern und Abwässern in die Donau bzw. das werksinterne Hafenbecken und zur Regionalkläranlage Asten aus den Projekten L6 KO01 und L6 KO02; weiters um Erteilung der Wiederverleihung gemäß § 32 und 32b WRG für die Ableitung von Kühlwässern und Abwässern in die Donau bzw. das werkseigene Hafenbecken und zur Regionalkläranlage Asten aus dem Projekt L6 KO01 und L6 KO02 für den genehmigten Bestand jeweils unter Verweis auf Anlage 3 und den detaillierten Konsensantrag in Teil C der Einreichunterlagen."

 

Mit UVP-Genehmigungsbescheid vom 1.10.2007, GZ UR-2006-5242/442, wurde unter anderem auch für die Kokerei der v S GmbH eine UVP-Grund­satzgenehmigung erteilt. Diese UVP-Genehmigung steht auch mit den bestehenden Anlagen der Kokerei in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang.

 

3.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie aus den Ausführungen der UVP-Behörde und den darin zitierten einschlägigen Bescheiden und Projektsunterlagen sowie auch aus den Ausführungen in der Berufung samt Beilagen, insbesondere dem Sachverständigen­gutachten.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 2 Abs.2 UVP-G 2000 ist unter Vorhaben die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in die Natur und Landschaft unter Einschluss sämtlicher damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen zu sehen. Ein Vorhaben kann eine oder mehrere Anlagen oder Eingriffe umfassen, wenn diese in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.

 

Gemäß § 3 Abs.3 UVP-G 2000 sind, wenn ein Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, die nach den bundes- oder landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften, auch soweit sie im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen materiellen Genehmigungsbestimmungen von der Behörde (§ 39) in einem konzentrierten Verfahren mit anzuwenden (konzentriertes Genehmigungsverfahren).

 

Gemäß § 3 Abs.7 UVP-G 2000 hat die Behörde auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs.1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen.

 

Gemäß § 3a Abs.7 UVP-G 2000 hat die Genehmigung einer Änderung auch das bereits genehmigte Vorhaben soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der in § 17 Abs.1 bis 5 angeführten Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 39 Abs.1 UVP-G 2000 ist für Verfahren nach dem ersten und zweiten Abschnitt die Landesregierung zuständig. Die Zuständigkeit erstreckt sich auf alle Ermittlungen, Entscheidungen und Überwachungen nach den gemäß § 5 Abs.1 betroffenen Verwaltungsvorschriften und auf Änderungen gemäß § 18b. Sie umfasst auch die Vollziehung der Strafbestimmungen. Gemäß Abs.2 beginnt in Verfahren nach dem zweiten Abschnitt (UVP-Genehmigungen und Grundsatzgenehmigungsverfahren) die Zuständigkeit der Landesregierung mit der Rechtskraft einer Entscheidung gemäß § 3 Abs.7, dass für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist oder sonst mit dem Antrag auf ein Vorverfahren gemäß § 4 oder, wurde kein solcher Antrag gestellt, mit Antragstellung gemäß § 5. Ab diesem Zeitpunkt ist in den Angelegenheiten gemäß Abs.1 die Zuständigkeit der nach den Verwaltungsvorschriften sonst zuständigen Behörden auf die Mitwirkung an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes eingeschränkt. Die Zuständigkeit der Landesregierung endet zudem im § 22 bezeichneten Zeitpunkt.

 

Gemäß § 22 Abs.1 UVP-G 2000 geht mit Rechtskraft des Abnahmebescheides die Zuständigkeit der Behörde auf die nach den Verwaltungsvorschriften zur Vollziehung der für die Genehmigungen nach den §§ 17 bis 18b relevanten Vorschriften zuständigen Behörde über, sofern nicht Abs.2 anzuwenden ist.

 

4.2. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist im Sinne des § 2 Abs.2 UVP-G 2000 auch die bestehende Kokerei vom UVP-Vorhaben L6 mitumfasst bzw. davon betroffen. Im UVP-Bescheid vom 1.10.2007 wurde ausgeführt, dass sowohl die UVP-auslösenden Anlagen der Roheisen- und Rohstahlerzeugung als auch sämtliche Maßnahmen, die im Hüttenfluss diesen Anlagen vorgelagert und nachgeschaltet sind, sowie mit der Produktions­steigerung verbundenen Aggregate der Prozessgasverteilung und –verwertung und die Verarbeitung von Nebenprodukten umfasst sind. Es wurde das gesamte integrierte Hüttenwerk in 15 Anlagenverbunde aufgeteilt, um zum einen dem umfassenden Vorhabensbegriff des UVP-Regimes Rechnung zu tragen und zum anderen die Genehmigung der 67 Detailprojekte bis zu den Abnahmeprüfungen gemäß § 20 UVP-G 2000 entsprechend zu strukturieren.

 

Auch für den gegenständlichen Anlagenverbund Kokerei als Bestandteil des integrierten Hüttenwerkes ist mit den weiteren Produktionsbereichen bzw. Anlagenverbunden nicht nur der bekannte räumliche, sondern auch ein zwingender sachlicher Zusammenhang gegeben, weil ein Teil des in den Hochofenanlagen erzeugten Gichtgases als Heizmedium in den Koksofenanlagen eingesetzt wird. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Dipl.-Ing. F im der Berufung beigelegten Gutachten verwiesen.

Teil des Ansuchens um UVP-Grundsatzgenehmigung ist auch die Stilllegung der Kokerei Bestand, weshalb auch hier von einem entsprechenden Zusammenhang auszugehen ist.

 

Die Kokerei der v S GmbH ist Teil des UVP-Vorhabens "L6 – Teil2"; eine Abnahmeprüfung wurde noch nicht durchgeführt.

 

Gemäß § 39 Abs.1 UVP-G 2000 kommt es zu einer Verdrängungswirkung, was bedeutet, dass eine ausschließliche Zuständigkeit der UVP-Behörde für das von der Genehmigung umfasste Vorhaben vorliegt. Diese "Sonderzuständigkeit" verdrängt alle materiengesetzlichen Genehmigungszuständigkeiten und erstreckt sich auch auf alle Ermittlungen, Entscheidungen und Überwachungen nach den gemäß § 5 Abs.1 betroffenen Verwaltungsvorschriften und auf Änderungen gemäß § 18b.

Die Zuständigkeit der Materienbehörde beschränkt sich ausschließlich auf die Mitwirkung iSd § 2 Abs.1 UVP-G 2000 bis zum Zuständigkeitsübergang (Zeitpunkt nach erfolgter Abnahmeprüfung).

 

Der Sinn dieser Verdrängungswirkung liegt in der Festlegung einer eindeutigen Zuständigkeit und soll ein koordiniertes Vorgehen sicherstellen.

 

Da sohin eine Zuständigkeit des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Gewerbebehörde für die Vorschreibung von Anpassungsmaßnahmen an den Stand der Technik für den Bereich der Kokerei-Koksofenbatterien nicht gegeben ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind Gebühren in der Höhe von 100,40 Euro angefallen.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

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