Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251903/2/WEI/Se

Linz, 17.09.2009

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Strafberufung des F L, H, L, vom 4. August 2008 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 8. Juli 2008, Zl. 0008830/2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz - ASVG (mitbeteiligte Partei: Ing. L K, M, S) zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben und es wird die Geldstrafe mit 365 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 56 Stunden neu festgesetzt.

 

II.              Der vom Bestraften zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz erhöht sich auf 36,50 Euro. Im Berufungsverfahren über die Amtsberufung entfällt ein weiterer Kostenbeitrag.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG; § 20 VStG; § 64 Abs 1 und 2 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem im Strafausspruch angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 8. Juli 2008, Zl. 0008830/2008, wurde die mitbeteiligte Partei Ing. L K wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"I.       Tatbeschreibung:

 

Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen vertretungsbefugtes Organ der Firma K B GmbH, S, S zu verantworten, dass von dieser Firma von 18.02.20078 bis 20.02.2008 der bosnische Staatsbürger, Herr J B, geboren als Arbeiter beschäftigt wurde, obwohl dieser nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zu Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden war.

 

..."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 33 Abs 1 und Abs 1a iVm § 111 ASVG als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "Gemäß § 111 ASVG iVm. § 20 VStG" eine Geldstrafe in Höhe von 190 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 29 Stunden) und setzte den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens mit 19 Euro fest.

 

2. Gegen den Strafausspruch des am 28. Juli 2008 zugestellten Straferkenntnisses wendet sich die rechtzeitige Berufung des F L vom 4. August 2008, deren Inhalt wie folgt lautet:

 

"Bezug: GZ 0008830/2008

 

Die F beruft innerhalb offener Frist gegen oben angeführte Straferkenntnis, eingelangt beim F L am 28.07.2008.

 

 

Antrag:

 

Der UVS Oberösterreich möge den Bescheid des Magistrates Linz vom 08.07.2008 in der Schuldfrage bestätigen und die Strafhöhe gemäß § 20 VStG auf die Hälfte der Mindeststrafe in Höhe von € 365,-- festsetzen.

 

 

Begründung der Berufung:

 

Im Strafausspruch wurde von der Behörde eine Geldstrafe in Höhe von € 190,-- verhängt. Die zitierte Strafnorm(§ 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG) sieht bei Ordnungswidrigkeiten eine Geldstrafe von € 730,-- bis zu € 2.180,-- vor.

Gemäß § 20 VStG kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf € 365,-- herabsetzen.

Das Finanzamt vertritt die Rechtsauffassung, dass die verhängte Geldstrafe nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

Das F L stimmt der Anwendung des § 20 außerordentliche Milderung der Strafe zu, da die Milderungsgründe überwiegen. es ist allerdings der Meinung, dass bei einer Herabsetzung bis auf die Hälfte der Mindeststrafe auf € 365,-- diese nicht weiter unterschritten werden kann."

 

3.1. In der Begründung des Straferkenntnisses wird angeführt, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt von einem Organ der KIAB des Finanzamtes Linz bei der Kontrolle am 20. Februar 2008 festgestellt worden sei. Aus der Anzeige vom 21. Februar 2008 und dem ausgefüllten Personenblatt ergibt sich, dass der im Spruch genannte bosnische Staatsangehörige am 20. Februar 2008 um 13:40 Uhr auf der Baustelle der Firma K B GmbH in W, N, als Arbeiter beim Montieren von Rigipswänden angetroffen wurde. Er gab an, dass er seit 18. Februar 2008 im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche beschäftigt sei und dafür 1.100 Euro im Monat erhalte. Eine Anmeldung zur Sozialversicherung war bis zur Kontrolle nicht erfolgt.

 

Aus dem ELDA-Protokoll vom 20. Februar 2008 (Datenauszug aus dem elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger) für die Oö. Gebietskrankenkasse ergibt sich, dass Herr J B ab 18. Februar 2008 als Facharbeiter (Maurer) für den Dienstgeber K B GmbH von Herrn Mag. M E (vermutlich Steuerberater) gemeldet worden ist. Die Übermittlung der Meldung zur Sozialversicherung erfolgte zu Protokoll-Nr.: 93747245 am 20. Februar 2008 um 14:08:22 Uhr.

 

Nach Aufforderung zur Rechtfertigung brachte Ing. K in der Stellungnahme vom 27. Februar 2008 vor, dass J B Stammarbeiter seiner Firma sei und per 18. Februar 2008 wieder als Facharbeiter angemeldet werden sollte. Er hätte es leider wegen überdurchschnittlichen Arbeits- und Organisationsaufwandes auf Grund seines bevorstehenden Urlaubes versäumt, die Angelegenheit weiterzuleiten. Seine zuständige Mitarbeiterin sei im Krankenstand gewesen, weshalb er die Meldung auch nicht gleich weitergeben hätte können. Er sei sonst immer bestrebt, alle Vorschriften hinsichtlich An- und Abmeldung seiner Mitarbeiter ordnungsgemäß einzuhalten. In der weiteren Stellungnahme vom 28. Mai 2008 wiederholte Ing. K im Wesentlichen, dass der Grund für das Versäumnis in der Überschneidung seines Urlaubes mit dem Krankenstand der zuständigen Mitarbeiterin gelegen wäre. Ein vorsätzliches Nichtanmelden könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Bis auf den gegenständlichen Fall erfolgten alle Meldungen pünktlich und korrekt.

 

In der rechtlichen Beurteilung bezog sich die belangte Behörde zur Schuldfrage nach Darstellung der §§ 33 und 111 ASVG auf den § 5 Abs 1 VStG und nahm ein sog. Ungehorsamsdelikt an. Weiters wies sie auf die Möglichkeit der außerordentlichen Milderung der Strafe nach § 20 VStG hin.

 

Im Rahmen der Strafbemessung ging die belangte Behörde unwidersprochen von einem geschätzten monatlichen Nettoeinkommen von 3.000 Euro und dem Nichtvorliegen von Sorgepflichten aus. Strafmildernd wertete sie das Geständnis und die Unbescholtenheit, straferschwerend keinen Umstand.

 

Zur Strafhöhe stellte die belangte Strafbehörde fest, dass die Übertretung als geringfügig einzustufen und auch unbedeutende Folgen gewesen wären. Die verhängte Strafe sei bei Berücksichtigung sämtlicher Bemessungsgründe gemäß § 19 VStG  dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden angemessen. Das Ausmaß der gemäß § 16 VStG festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe entspreche dem Unrechts- und Schuldgehalt der Verwaltungsübertretung.

 

3.2. Die belangte Behörde hat mit Vorlageschreiben vom 21. August 2008 einen vollständigen Ausdruck ihres elektronisch geführten Aktes übermittelt. Zur verhängten Strafe verweist sie auf den § 111 Abs 2 letzter Satz ASVG, den sie als verminderte Mindeststrafe auffasst, die noch einmal im Wege des § 20 VStG vermindert werden könne.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 111 Abs 1 ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

 

1.  Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

 

2.  Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

 

3.  Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

 

4.  gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

 

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

 

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

 

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Gemäß § 33 Abs 2 ASVG gilt Abs 1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Im gegenständlichen Fall hat der beschuldigte Geschäftsführer Ing. K das ergangene Straferkenntnis der belangten Behörde nicht bekämpft. Dieses ist somit in der Schuldfrage in Teilrechtskraft erwachsen, zumal sich die Berufung des F L auch nur gegen den Strafausspruch richtet, der deshalb noch nicht rechtskräftig geworden ist. Im Verwaltungsstrafverfahren ist eine Trennung des Gegenstands der Berufungsverhandlung in Bezug auf Schuld und Straffrage möglich. Richtet sich eine Berufung nur gegen die Strafzumessung bzw das Strafmaß, so ist der Schuldspruch rechtskräftig geworden und es ist von dem in erster Instanz zur Schuldfrage festgestellten Sachverhalt auszugehen (vgl Nachw bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000] E 119 ff zu § 51 VStG).

 

4.2. Nach dem § 111 Abs 2 Satz 2 ASVG idF des SRÄG 2007 kann die Bezirksverwaltungsbehörde "Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991" bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln die Geldstrafe auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen unbedeutend sind. Die damit im § 111 Abs 2 ASVG vorgesehene weitere Möglichkeit der Strafmilderung im Erstfall ist nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats eine gesetzgeberische Fehlleistung, weil sie an dieselben Voraussetzungen geknüpft wird, wie sie in der Bestimmung des § 21 Abs 1 VStG über das Absehen von Strafe zu finden sind, und deshalb kaum einen Anwendungsbereich haben dürfte. Nach herrschender Meinung ermächtigt nämlich die Vorschrift des § 21 VStG trotz der Verwendung des Wortes "kann" nicht zur Ermessensübung. Die Behörde hat vielmehr bei Zutreffen der im § 21 Abs 1 VStG genannten Kriterien "geringfügiges Verschulden" und bloß "unbedeutende Folgen der Übertretung" von einer Strafe abzusehen und der Beschuldigte hat einen Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Bestimmung (vgl dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] Anm 4 und E 5 zu § 21 VStG; weiters VwGH 21.10.1998, Zl. 96/09/0163; VwGH 19.09.2001, Zl. 99/09/0264).

 

Wie der Oö. Verwaltungssenat bereits ausgesprochen hat (vgl VwSen-251936/2/Gf/Mu/Ga vom 3. Oktober 2008) ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien (vgl die Ausführungen zur Strafmilderung in RV zum SRÄG 2007, 77 BlgNR 23. GP, 4) ebenso wie aus der Bedarfskompetenz nach Art 11 Abs 2 B-VG, die nur zur Regelung des Gegenstands erforderliche Abweichungen von den einheitlichen Bundesgesetzen wie AVG und VStG zulässt, dass der § 111 Abs 2 Satz 2 ASVG bei verfassungskonformer Auslegung nicht im Sinne eines Widerspruchs verstanden werden darf, der die Anwendung des § 21 VStG ausschlösse.

 

Aus der Formulierung des § 111 Abs 2 Satz 2 ASVG idF des SRÄG 2007 ist daher im Ergebnis jedenfalls abzuleiten, dass die Vorschriften des § 20 VStG über die außerordentliche Milderung der Strafe und jene des § 21 VStG über ein Absehen von Strafe in vollem Umfang anzuwenden sind.

 

4.3. Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Nach hM liegt geringes Verschulden des Täters vor, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] E 6 ff zu § 21 VStG; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3, 1992, Rz 14 zu § 42 StGB). Nach der strafrechtlichen Judikatur zum alten vergleichbaren § 42 StGB in der Fassung vor dem StRÄG 1987 (BGBl Nr. 605/1987) musste die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124, SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend sind der das Unrecht bestimmende Handlungsunwert und der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl mwN Leukauf/Steininger, StGB3, Rz 14 f zu § 42 StGB). Der Erfolgsunwert wurde im Merkmal "unbedeutende Folgen der Übertretung" verselbständigt.

 

Bei der Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs 1 iVm § 111 Abs 1 Z 1 ASVG ("wer als Dienstgeber Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet") handelt es sich um ein sog. Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 VStG, bei dem nur ein Gebot nicht befolgt wird und zum Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. In solchen Fällen ist Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Für die Begehung eines solchen Ungehorsamsdelikts genügt schlichte Fahrlässigkeit. Entgegen der in den Stellungnahmen des Ing. K angedeuteten Meinung ist ein vorsätzliches Nichtanmelden zum Zweck der Hinterziehung von Sozialabgaben für die Erfüllung des Tatbestandstypus nicht erforderlich. Solche Umstände könnten vielmehr als besonderer Erschwerungsgrund gewertet werden. Ing. K hat die nicht rechtzeitige Meldung des Facharbeiters J B zur Sozialversicherung mit dem Krankenstand seiner zuständigen Mitarbeiterin und seinem Urlaub erklärt, welche Ereignisse sich überschnitten hätten. Damit hat er aber auch zugegeben, als verantwortlicher Geschäftsführer nicht alles unternommen und vorgekehrt zu haben, um die Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschriften zu vermeiden. Er hätte die Einstellung des Facharbeiters per 18. Februar 2008 entweder selbst an den Steuerberater der Firma zwecks Meldung zur Sozialversicherung weiterleiten oder zumindest eine geeignete Urlaubsvertretung seiner sonst zuständigen Mitarbeiterin damit beauftragen müssen. Beides hat er nach den gegebenen Umständen, die seinem eigenen Vorbringen zu entnehmen sind, unterlassen, weshalb ihn eindeutig der Vorwurf eines fahrlässigen Verschuldens trifft.

 

Der erkennende Verwaltungssenat kann bei diesem Sachverhalt nicht von einem bloß geringfügigen Verschulden ausgehen, das hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, dass im Fall der Nichteinrichtung eines geeigneten Maßnahmen- und Kontrollsystems in einem Betrieb zur Vermeidung der Verletzung von Verwaltungsvorschriften nicht mehr von einem geringfügigen Verschulden gesprochen werden kann (vgl Nachw bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, E 35 zu § 21 VStG). Auch wenn nach der gegenständlichen Beanstandung die Meldung der Beschäftigung des Facharbeiters zum richtigen Zeitpunkt erfolgte und keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, liegt die Ordnungswidrigkeit der schuldhaft nicht rechtzeitig erstatteten Meldung zur Sozialversicherung vor, die vom verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Geschäftsführer zu vertreten ist. Die belangte Behörde ist demgegenüber zu pauschal von einer geringfügigen Übertretung ausgegangen. Auch wenn objektiv die verspätete Meldung am dritten Arbeitstag noch nicht als schwerwiegende Ordnungswidrigkeit angesehen werden kann, liegt aber auch gemessen am deliktstypischen Unrecht des vorliegenden Ungehorsamsdelikts kein bloßer Bagatellfall vor.

 

4.4. Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Dabei kommt es weniger auf die Zahl, als auf ein Überwiegen der Milderungsgründe dem Gewicht und ihrer Bedeutung nach an (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch6, Anm 2 sowie E 4 und E 9 zu § 20 VStG).

 

Der erkennende Verwaltungssenat teilt die Ansicht, dass als wesentliche Milderungsgründe das Geständnis und die Unbescholtenheit in Betracht kommen. Außerdem hat Herr Ing. K offenbar sofort nach der Kontrolle die Meldung zur Sozialversicherung durch den Steuerberater veranlasst (vgl Kontrolle am 20.02.2008 um 13:40 Uhr und Meldung laut ELDA-Protokoll um 14:08 Uhr). Er war demnach bemüht, unverzüglich einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Auch die Amtsberufung billigt zu, dass im vorliegenden Fall die Milderungsgründe überwiegen und die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG zulässig ist. Sie tritt der belangten Behörde aber entgegen, soweit sie nicht am ersten Strafrahmen des § 111 Abs 2 ASVG in Höhe von 730 bis 2.180 Euro orientiert, sondern die Hälfte der Mindeststrafe von 365 Euro noch einmal unterschreiten zu dürfen glaubt.

 

Die Ansicht der Amtsberufung des Finanzamtes Linz trifft im Ergebnis zu. Entgegen der belangten Behörde handelt es sich bei § 111 Abs 2 Satz 2 ASVG auch nach den Materialien nicht um eine privilegierten Tatbestand bzw einen eigenständigen Strafsatz, der einen weiteren Strafrahmen mit neuer verminderter Mindeststrafe eröffnet, sondern um eine bloße Strafmilderungsvorschrift ähnlich dem § 20 VStG, die freilich wie oben unter Punkt 4.2 schon dargelegt, neben dem § 21 Abs 1 VStG keinen sinnvollen Anwendungsbereich haben dürfte. War aber kein anderer Strafsatz anwendbar, konnte auch die Vorgangsweise der belangten Behörde nur unzulässig sein. Sie hätte vom Strafrahmen zwischen 730 und 2.180 Euro ausgehend in Anwendung des § 20 VStG die Geldstrafe nur auf die Hälfte der Mindeststrafe in Höhe von 365 Euro reduzieren dürfen. Eine weitere Unterschreitung entsprach nicht der gesetzlichen Regelung.

 

Deshalb war der Berufung Folge zu geben und die Geldstrafe nach Ausschöpfung des außerordentlichen Milderungsrechts gemäß § 20 VStG in Höhe der Hälfte der Mindeststrafe und damit in Höhe von 365 Euro neu festzusetzen. Die günstigen Einkommensverhältnisse (3.000 Euro Monatseinkommen) des Beschuldigten spielten dabei keine Rolle mehr. Mit der Verhängung einer Geldstrafe untrennbar verbunden ist gemäß § 16 Abs 1 VStG auch die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe. Der nicht rechtskräftige Strafausspruch der belangten Behörde war daher auch insofern zu korrigieren, obwohl die Amtsberufung dazu keinen ausdrücklichen Antrag enthält. Im angemessenen Verhältnis zur verhängten Geldstrafe von 365 Euro war für den Fall der Uneinbringlichkeit beim anzuwendenden Strafrahmen bis zu zwei Wochen Freiheitsstrafe (vgl § 111 Abs 2 ASVG iVm § 16 Abs 2 VStG) eine Ersatzfreiheitsstrafe von 56 Stunden festzusetzen.

 

5. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, dass der unabhängige Verwaltungssenat bei Amtsberufungen im Sinne des Wesens des § 66 Abs 4 AVG die Aufgabe und Stellung einer erstinstanzlichen Strafverfolgungsbehörde zu übernehmen habe (vgl Nachw bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, E 115 zu § 51 VStG). Außerdem tritt nach herrschender Auffassung die Sachentscheidung der Berufungsbehörde an die Stelle des unterinstanzlichen Bescheides bzw verdrängt diesen in seiner Wirkung (vgl mwN Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 [2003] Rz 543; Hauer/Leukauf, Handbuch6, Anm 14 zu § 66 AVG).

 

Deshalb hat der unabhängige Verwaltungssenat, der aus Anlass einer Amtsberufung eine höhere Strafe verhängt hat, auch an Stelle der Unterbehörde eine neue Kostenentscheidung für das Strafverfahren erster Instanz gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG zu treffen. Hingegen können dem Bestraften für das Berufungsverfahren keine Kosten vorgeschrieben werden ,wenn er nicht auch Berufungswerber war (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch6, Anm 3a und E 4a u E 4b zu § 64 VStG).

 

Im Ergebnis war daher als Annex zum Strafausspruch auch der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz anzuheben und mit 10 % der verhängten Geldstrafe, sohin mit 36,50 Euro, zu bestimmen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

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