Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401013/4/Fi/FS

Linz, 17.06.2009

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Be­schwerde des A A, vertreten durch Dr. K K und Mag. W B, G, betreffend die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme des Beschwerdeführers und seiner bisherigen Anhaltung in Schubhaft sowie betreffend die Fortsetzung seiner Anhaltung in Schubhaft, mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird soweit sie die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme des Beschwerdeführers am 2. Juni 2009 und seine Anhaltung in Schubhaft vom 2. Juni 2009 bis zum 17. Juni 2009 betrifft als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass der Schubhaftbescheid, die Festnahme sowie die bisherige Anhaltung nicht rechtswidrig waren.

 

Die Beschwerde wird, soweit sie die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft betrifft, als unbegründet abgewiesen und es wird gemäß § 83 Abs. 4 FPG festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirkes Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§ 82 Abs. 1 und § 83 Abs. 1, 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr.  29/2009 iVm den §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Vöcklabruck vom 2. Juni 2009, Sich40-2009, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1, § 77 Abs. 4, § 80 Abs. 5 iVm § 57 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel vollzogen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus:  

Erstmals sei der Bf nach erfolgter illegaler Einreise von Polen kommend am 7. Dezember 2006 im Zuge seiner Asylantragstellung in der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen in Erscheinung getreten. Eine Überprüfung seiner Fingerabdrücke sowie der Fingerabdrücke seiner mitgereisten Familienangehörigen habe dabei zum Ergebnis geführt, dass er als auch seine Familienmitglieder bereits unmittelbar vor ihrer illegalen Einreise nach Österreich ein Asylbegehren in Polen, und zwar in Lublin am 2. November 2006 einbracht hätten. Die Mutter des Bf habe ihn sowie ihre drei Töchter (darunter ihre Tochter A) als geschlossene Kernfamilie deklariert. Der Familienvater sei im Heimatland seit dem Jahr 2002 verschollen. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Baden vom 7. Dezember 2006 sei dem Bf sowie seinen Familienangehörigen im Rahmen eines gelinderen Mittels aufgetragen worden, im E-heim in A Unterkunft zu nehmen, sich dort zur Verfügung der Behörde zu halten und sich jeweils Montag, Mittwoch und Freitags bei der Polizeiinspektion W zu melden. Diesbezüglich sei der Bf seitens der Bezirkshauptmannschaft Baden unter Beiziehung eines Dolmetschers der Sprache Russisch über diese Anordnung sowie die Folgen der Missachtung des gelinderen Mittels niederschriftlich belehrt worden. Am 11. Dezember 2006 habe das Bundesasylamt den Mitgliedstaat Polen konsultiert und um Wiederaufnahme ihrer Asylverfahren in Polen ersucht. Zeitgleich sei das Ausweisungsverfahren über den Bf und seine Familienangehörigen nach Polen eingeleitet worden. Bereits am darauffolgenden Tag, am 12. Dezember 2006, habe Polen einer Übernahme sowie Weiterführung ihrer Asylverfahren zugestimmt. Im Auftrag des Bundesasylamtes seien der Bf und seine Familienangehörigen aufgrund ihrer Eingabe einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen worden. Gemäß gutachterlichen Untersuchungsbericht vom 2. Jänner 2007 stehe aus psychiatrischer Sicht einer Überstellung des Bf und seiner Familienangehörigen nach Polen nichts entgegen. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. Jänner 2007 seien die Asylanträge des Bf und seiner Kernfamilienangehörigen mangels Zuständigkeit Österreichs nach dem Dublinabkommen gemäß § 5 AsylG 2005 durchsetzbar zurückgewiesen worden, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Polen durchsetzbar festgestellt und der Bf sowie seine Familienangehörigen durchsetzbar gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich nach Polen ausgewiesen worden. Dagegen haben der Bf und seine Familienangehörigen am 24. Jänner 2007 Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat erhoben, die mit Bescheid vom 5. Februar 2007 abgewiesen und die Zulässigkeit der Überstellung nach Polen rechtskräftig festgestellt worden sei. In Folge habe sich der Bf gemeinsam mit seinen Familienmitgliedern aus dem gelinderen Mittel entzogen und sei als illegal aufhältiger Fremder in die Anonymität abgetaucht. In der Anonymität hätten sie Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, denen mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes zunächst aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Daraufhin seien der Bf und seine Familienmitglieder am 17. April 2007 erneut in der Erstaufnahmestelle Ost vorstellig geworden und habe staatliche Versorgung begehrt. In Folge sei ihnen gemeinsam eine betreute Unterkunft in Reichenau sowie in weiterer Folge in Katsch zugewiesen worden. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 2009 sei die Behandlung der Beschwerden des Bf sowie seiner Familienmitglieder abgelehnt worden. In bereits gewohnter Weise habe er erneut die ihm zugewiesene betreute Unterkunft verlassen und sei abermals in die Anonymität abgetaucht. Somit habe der Bf seine Überstellung nach Polen abermals durch Abtauchen in die Anonymität vereitelt, worauf er durch die Bezirkshauptmannschaft M zur Festnahme ausgeschrieben habe werden müssen. Am 14. Mai 2009 habe der Bf gemeinsam mit seinen Familienangehörigen einen Asylfolgeantrag in der Erstaufnahmestelle West eingebracht. Die Mutter des Bf habe dabei ihn und zwei ihrer Töchter (jedoch nicht ihre Tochter A) als geschlossene Kernfamilie deklariert. Im Auftrag des Bundesasylamtes seien der Bf und seine Familienangehörigen durch die Polizeiinspektion St. G unter Beizug eines Dolmetschers der Sprache Russisch niederschriftlich erstbefragt worden. Dabei habe er im Besonderen angeführt, dass seine Schwester A A, geboren am 19. April 1987, Staatsangehörige der Russischen Föderation, mittlerweile mit einem anerkannten Flüchtling verheiratet und in Leonding wohnhaft sei sowie mit ihrem Mann ein gemeinsames Kind habe. Das Kind sei bereits zum Asylverfahren zugelassen worden und habe eine sogenannte „weiße Karte“. Eine Trennung von dieser Schwester könne er sich nicht vorstellen und daher begehre er ebenso eine Zulassung. Er sei zudem völlig mittellos und könne seinen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht aus eigenen Mitteln fortlaufend bestreiten, weswegen er neuerlich staatliche Unterstützung begehre. In Folge sei dem Bf erneut eine vorübergehende, bundesbetreute Unterkunft zugewiesen worden. Über einen anderen ordentlichen Wohnsitz verfügen weder der Bf, noch seine weiteren drei Familienangehörigen. Im Rahmen seines Folgeantrages habe der Bf weiters vor dem Bundesasylamt im Besonderen vorgebracht, nicht nach Polen zurückkehren zu wollen. In Polen fühle er sich nicht sicher und er sei in Österreich bereits integriert. Zudem habe er und seine Familienangehörigen psychische Probleme und sie seien ausnahmslos traumatisiert. In der Folge habe das Bundesasylamt eine weitere psychiatrische Untersuchung mit gutachterlicher Befunderstellung beauftragt. Mit medizinischem Gutachten vom 16. Mai 2009 sei in psychotherapeutischer Sicht im Wesentlichen festgestellt worden, dass einer Überstellung nach Polen nichts entgegen stehe. In der darauffolgenden niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt habe der Bf daraufhin im Wesentlichen erklärt, er werde keineswegs nach Polen ausreisen. Das Bundesasylamt sei zum Ergebnis gelangt, dass die Schwester des Bf, A A, mittlerweile eine eigene Kernfamilie gegründet habe, einen eigenen Wohnsitz habe und nicht im Familienverband des Bf lebe. Daher sei über ihr Asylbegehren im Zusammenhang mit ihrem Ehemann gesondert zu entscheiden. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Juni 2009 seien daher die Asylfolgeanträge des Bf sowie seiner Mutter und zweier seiner Schwestern gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache durchsetzbar zurückgewiesen worden. Diese Entscheidung sei mit einer durchsetzbaren Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich nach Polen verbunden worden. Dieser Bescheid sei dem Bf unmittelbar vor der Anordnung fremdenpolizeilicher Maßnahmen am 2. Juni 2009 ausgefolgt worden. Die belangte Behörde halte vorliegenden Sachverhalt wie folgt fest: Der Bf  habe erstmals in Polen – einem Mitgliedstaat der europäischen Union – einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Ohne den Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten, sogar ohne jemals niederschriftlich zu seinen Gründen befragt worden zu sein, habe sich der Bf in Polen dem Verfahren entzogen, indem er in die Anonymität abgetaucht und illegal von Polen in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei. In der Folge habe der Bf weitere Anträge auf internationalen Schutz zunächst in der Erstaufnahmestelle Ost sowie darauffolgend in der Erstaufnahmestelle West eingebracht. Auch in Österreich habe der Bf sein bereits in Polen dargelegtes Verhalten eindrucksvoll umgesetzt. Dem behördlichen Zugriff habe sich der Bf in Österreich bereits zweimal entzogen und er sei unmittelbar vor einer drohenden Beendigung seines illegalen Aufenthaltes als illegal aufhältiger Fremder in die Anonymität abgetaucht. Der Bf habe sich zudem der behördlichen Anordnung aus dem gelinderen Mittel bewusst entzogen und er sei in die Anonymität abgetaucht. Die ihm zugewiesene Unterkunft habe er im Bezirk Baden ohne Abmeldung verlassen und er sei auch seiner periodischen Meldeverpflichtung nicht weiter nachgekommen. Über die Auferlegung der fremdenpolizeilichen Maßnahme als auch über die Folgen sei der Bf niederschriftlich mittels Dolmetscher der Sprache Russisch nachweislich belehrt worden. Die gleiche Praxis habe er in weiterer Folge im Bezirk M an den Tag gelegt. Auch hier sei er unmittelbar vor einer drohenden Abschiebung nach Polen in die Anonymität abgetaucht und habe einen illegalen Aufenthalt in der Anonymität zumindest vorübergehend bevorzugt. Dem behördlichen Zugriff habe er sich auch hier entzogen. Um sich wenn auch illegal im Bundesgebiet aufhalten zu können, scheine dem Bf jedes Mittel recht zu sein, auch wenn er damit eine rechtskräftige, rechtstaatliche Entscheidung ignoriere. Im Gegenzug verlange er eine fortlaufende staatlichen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln, um in Zeiten, in welchen er in rechtlicher Hinsicht nicht abschiebbar sei, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auf möglichst angenehme Art und Weise finanzieren zu können. Der Bf stelle damit auch weiters eindrucksvoll unter Beweis, dass er kein Interesse an einer rechtstaatlichen Prüfung seiner Asylgründe in Polen habe und ihm alle legalen und insbesondere alle illegalen Mittel – und zwar in Ausnützung des österreichischen Sozialstaates – recht seien, einer drohenden Überstellung nach Polen zu entgehen. Sein Gesamtverhalten sei insbesondere als klassischer Asylmissbrauch zu bezeichnen. Der Zeitpunkt seines Abtauchens sei – zumindest im Bundesgebiet der Republik Österreich – immer jener, unmittelbar vor einer drohenden Beendigung des illegalen Aufenthaltes, unmittelbar vor einer drohenden Überstellung nach Polen. Nachdem der Bf nunmehr erneut durchsetzbar aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich nach Polen ausgewiesen und sein Asylbegehren entgegen seinen Vorstellungen neuerlich durchsetzbar zurückgewiesen worden sei, liege seitens der belangte Behörde der begründete Verdacht nahe, dass er sich neuerlich in gewohnter Weise nunmehr dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen und erneut – zum dritten Mal – im Bundesgebiet in die Anonymität abtauchen werden. Denn die Beendigung seines illegalen Aufenthaltes, die Überstellung nach Polen stehe mit Erlassung einer durchsetzbaren Ausweisung sowie durchsetzbaren Zurückweisung seines Folgeantrages unmittelbar bevor. Unter Zugrundelegung und Würdigung des gesamten Sachverhaltes sei es daher unumgänglich, entsprechende fremdenpolizeiliche Maßnahmen zumindest spätestens ab dem Zeitpunkt der Ausfolgung des zurückweisenden Asylbescheides zu setzen und eine Umsetzung der erlassenen Ausweisung zu sichern. Auch wenn an sich mit seinem Verhalten eine Verhängung der Schubhaft über seine gesamte Familie dringend geboten sei, nehme die belangte Behörde trotz alledem – zumindest im gegenwärtigen Stand des Verfahrens – Abstand von einer Inschubhaftnahme seiner beiden minderjährigen Geschwister. Zum Wohle seiner beiden minderjährigen Geschwister – und nur aus diesem Grunde – werde zumindest gegenwärtig – als fremdenpolizeiliche Sicherungsmaßnahme erneut versucht, mit der Anordnung gelinderer Mittel über seine Mutter mit seinen beiden minderjährigen Geschwistern sowie mit der Schubhaftnahme des Bf die Umsetzung der Ausweisung zu sichern. Diese Maßnahme sei keineswegs als „Schutz- oder Geiselhaft“ zu bezeichnen, sondern sie stelle in Anbetracht seiner besonderen Einstellung und Verhaltensweise zum gegenwärtigen Zeitpunkt die gelindeste Form einer Sicherung der Ausweisung dar. Denn eigentlich wäre die Verhängung der Schubhaft nicht nur über den Bf, sondern auch über seine Mutter und seine beiden minderjährigen Geschwister dringend geboten. Die belangte Behörde könne – unter Zugrundelegung der Gesamtheit des ermittelten Sachverhaltes – daher zu Recht von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand nehmen und einen konkreten und akuten Sicherungsbedarf bejahen. Unter Berücksichtigung und Bewertung des vorliegenden Sachverhaltes sei unter keinen Umständen die Anwendung gelinderer Mittel möglich, sondern es müsse regelrecht zwingend die Verhängung einer Schubhaft zur Sicherung der Ausweisung sowie zur Sicherung einer bevorstehenden Abschiebung in den Mitgliedstaat Polen befürwortet werden. Nachdem dem Bf nunmehr im Konkreten schriftlich bekannt gegeben worden sei, dass sein Versuch, ein inhaltliches Verfahren und eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG zu erreichen, fehlgeschlagen sei und er abermals durchsetzbar nach Polen ausgewiesen worden sei, ihm daher eine Abschiebung in jenem Mitgliedstaat drohe, in welchem er sich dem Verfahren entzogen und als Einreiseland in den Schengenraum regelrecht benutzt habe, sei davon auszugehen, dass er sich umgehend dem weiteren Verfahren erneut entziehen und neuerlich in die Anonymität abtauchen bzw. seine Reise mit dem Begehen weiterer illegaler Grenzübertritte fortsetzen werde. Dem Bf sei unmittelbar vor seiner Festnahme eine durchsetzbare Ausweisung zugestellt worden, in der die aufschiebende Wirkung nach dem AsylG 2005 aberkannt worden sei. Die Dokumente für eine Überstellung in einen Mitgliedstaat der europäischen Union würden vom Bundesasylamt ausgestellt werden und es stehe daher faktisch nichts einer Überstellung entgegen. Die Ausweisung des Bf sei demnach durchsetzbar und sei dem Bf im Bescheid des Bundesasylamtes auf den Seiten 1 und 2 übersetzt in seiner Heimatsprache schriftlich zur Kenntnis gebracht worden. Den zitierten Bescheid habe er unmittelbar vor Verhängung der Schubhaft nachweislich und rechtswirksam übernommen. Aus der Erlassung einer durchsetzbaren Ausweisung sei zu schließen, dass der Bf offensichtlich nicht im Geringsten Gründe vorgebracht habe, welche zu einer positiven Prüfung im Bundesgebiet führen würde bzw. sei die Republik Österreich für die Prüfung seines Begehrens nicht einmal zuständig. Demnach sei der Bf völlig grundlos illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist und habe dabei gegen die Rechts- und Werteordnung des „Gastlandes“ verstoßen. Demzufolge diene offensichtlich seine Asylantragstellung im Bundesgebiet auch nur dazu, um sich ein Aufenthaltsrecht zu erschleichen. Nachdem dem Bf nunmehr mitgeteilt worden sei, dass sein Versuch, sich auf derartiger Weise einen gültigen Aufenthaltstitel nach erfolgter illegaler Einreise zu verschaffen, misslungen sei, habe er "trotz Deklaration der Zulassung Ihrer Schwester" eine Außerlandesbringung in Kürze zu befürchten. Zudem sei ihm nunmehr bekannt, dass eine allfällige Berufung keine aufschiebende Wirkung gegen diese Ausweisung bringe. Daher müsse besonders ab diesem Zeitpunkt ein konkreter Sicherungsbedarf gesehen werden. Eine Durchführung der durchsetzbaren Ausweisung könne nur mit der Verhängung der Schubhaft gesichert werden, weswegen im Zuge einer Einzelfallprüfung gegenständlich zwingend von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand genommen habe werden müsse. Nachdem aufgrund des geschilderten Sachverhaltes und aufgrund seines bisherigen Verhaltens im Bundesgebiet zu befürchten sei, dass er sich – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen und in die Illegalität abtauchen werden, sei zur Sicherung der Abschiebung des Bf in den Mitgliedstaat Polen seine Anhaltung in der Schubhaft unbedingt erforderlich. Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach einem erneuten Abtauchen in die Illegalität – dem österreichischen Staat weiters finanziell zur Last fallen könnte. Da er seinen Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müsse, sei die Gefahr sehr groß, dass er dies auf illegale Art und Weise bewerkstelligen werde. Nachdem er bereits mehrfach unter Beweis gestellt habe, dass er keinen Wert auf die Einhaltung der Rechts- und Werteordnung seiner Gastländer lege, sei auch davon auszugehen, dass er seinen erforderlichen Unterhalt auch im Bundesgebiet oder in der europäischen Union notfalls durch illegale Beschäftigung oder strafrechtliche Vergehen erwirtschaften werde. Denn für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verfüge er nicht über ausreichende Barmittel. Eine rechtmäßige Beschäftigung könne er nicht ausüben, da er weder im Besitz einer arbeitsmarkt- noch einer aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sei. Es müssten daher für den weiteren Aufenthalt öffentliche Mittel aufgewendet werden bzw. es sei der Schluss zulässig, dass er versuchen werde, durch Begehung strafbarer Handlungen seinen Unterhalt zu verdienen. Die belangte Behörde komme letztlich nach umfassender Einzelfallprüfung des Sachverhaltes zum Schluss, dass eine Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft im konkreten Fall vorliege. Denn dem Recht des Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit stehe das überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um dieses Ziel zu gewährleisten, sei der Eingriff in sein Recht auf den Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich. Die Behörde sei daher im Zuge einer umfassenden Einzelfallprüfung in allen Belangen zum Ergebnis gelangt, dass die Verhängung der Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis stehe und im Interesse des öffentlichen Wohles dringend erforderlich und geboten sei. Diese Tatsachen veranlassen vielmehr die belangte Behörde eine Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen.

2.1. In der u.a. gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 10. Juni 2009, eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat am selben Tag, stellt der Bf die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, seiner Festnahme am 2. Juni 2009 sowie seiner gesamten bisherigen Anhaltung in Schubhaft. Weiters begehrt er die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Fortdauer der Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen. Zugleich beantragt er die Erstattung der Verfahrenskosten.

Begründend führt der Bf aus, dass er und seine Angehörigen am 14. Mai 2009 neuerlich Anträge auf internationalen Schutz eingebracht hätten. Diese Anträge hätten der Bf und seine Angehörigen mit ihrer zwischenzeitigen Integration in Österreich begründet sowie damit, dass die älteste Schwester des Bf, A A, in Österreich ein Kind zur Welt gebracht habe. Da der Vater dieses Kindes und künftige Ehegatte von A A als anerkannter Flüchtling in Österreich lebe und das Verfahren des Kindes bereits zugelassen worden sei, werde auch der neue Asylantrag von A A – aufgrund dieses familiären Zusammenhanges – mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zugelassen werden und könne sie die Flüchtlingseigenschaft im Rahmen des Familienverfahrens von ihrem Kind ableiten. Der Bf habe als Asylwerber schon im Stadium des Zulassungsverfahrens wie während des gesamten Asylverfahrens grundsätzlich einen Anspruch auf Unterkunft und Versorgung in einer der Erstaufnahmestellen. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 und der entsprechenden Landesgesetze. Es handle sich dabei um einen Anspruch öffentlich-rechtlicher Natur. In diesem Sinne sei also durchaus von einer sozialen Absicherung auszugehen, zumal dem Bf doch aufgrund der genannten Bestimmungen Unterkunft und Versorgung gewährt worden sei und dadurch seine elementarsten Grundbedürfnisse gedeckt gewesen seien. Dieser Umstand verbunden mit der Pflicht, sich während des Zulassungsverfahrens in einer der Erstaufnahmestellen aufzuhalten, lasse das Bestehen eines für die Schubhaftverhängung notwendigen Sicherungsbedarfes noch weniger nachvollziehbar erscheinen. Gegenteiliges müsste im jeweiligen Einzelfall durch die Fremdenpolizeibehörde begründet werden. Eine solche Begründung liege im vorliegenden Fall jedenfalls nicht vor, weshalb sich eine Schubhaftverhängung im konkreten Fall weder als notwendig noch als verhältnismäßig erwiesen habe. In diesem Zusammenhang liege somit insofern eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wonach in Fällen wie dem vorliegenden eine Schubhaftverhängung nur in Frage komme, sofern sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles die Gefahr ableiten lasse, die betroffene Person würde sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen. Diese Gefahr sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der Bf vom Zeitpunkt der Einbringung seines Antrages auf internationalen Schutz an – somit vom 14. Mai 2009 bis zum 2. Juni 2009 – in der Erstaufnahmestelle West aufhältig gewesen sei und sein dortiger Aufenthalt keinen Anlass gegeben habe, von einem Sicherungsbedarf auszugehen. Der der Festnahme zugrundeliegende Sachverhalt habe am 2. Juni 2009 lediglich insofern eine Änderung erfahren, als vom Bundesasylamt ein erstinstanzlich negativer, einem weiteren Rechtszug unterliegender und in der Zwischenzeit nicht durchsetzbarer, zurückweisender Bescheid ergangen sei. Dieser Umstand allein vermöge die Festnahme aber nicht zu rechtfertigen. Der Bf habe ein nachvollziehbares Interesse daran, dass sein Asylverfahren in Österreich durchgeführt werde. Er habe mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es sein Ziel gewesen sei, Österreich zu erreichen. Die Annahme, der Bf würde sich in Österreich dem Verfahren entziehen, erweise sich daher nicht als nachvollziehbar, zumal er auch initiativ in Österreich einen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Der Bf habe seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gut begründet. Angesichts dieses Umstandes wäre auch an eine auf die Selbsteintrittspflicht gemäß Art. 3 Dublin II-VO gestützte Zuständigkeit Österreichs im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem Asylgerichtshof zu denken. Auch aufgrund dieses Umstandes erweise sich insgesamt gesehen die Annahme, Österreich wäre für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz unzuständig, nicht als ausreichend gesichert, um eine darauf gestützte Verhängung der Schubhaft bzw. eine Festnahme ausreichend zu begründen. Der Bf werde von den gefertigten Rechtsanwälten ständig vertreten und sei daher auch in der Lage, nicht nur Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, sondern sich gegen für ihn negative Entscheidungen mittels Rechtsbehelf zur Wehr zu setzen. Auch dieser Umstand spreche gegen das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes. Sofern die belangte Behörde dem Bf vorhalte, sein Verhalten sei als „klassischer Asylmissbrauch zu bezeichnen“, sei festzuhalten, dass es bis dato lediglich um die Frage der Zuständigkeit zur Prüfung des Antrages des Bf auf internationalen Schutz gegangen sei und er ein nachvollziehbares Interesse daran habe, dass sein Antrag in Österreich geprüft werde, zumal er schon in Polen bedroht worden sei und er sich dort nicht sicher fühle. Hinzu komme, dass seine Schwester mittlerweile in Österreich geheiratet und ein Kind zur Welt gebracht habe und angesichts der Flüchtlingseigenschaft ihres Gatten voraussichtlich langfristig zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sein werde. Die belangte Behörde habe sich im vorliegenden Fall gar nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welche Auswirkungen die Inhaftierung des gerade erst 19-jährigen Bf auf die psychische Situation des Bf bzw. seiner Mutter und seiner Geschwister habe. Der Bf und seine Angehörigen hätten schließlich durch das gewaltsame „Verschwindenlassen“ des Vaters Schlimmes erlebt und sich in Österreich während ihres zweieinhalbjährigen Aufenthalts nichts zu schulden kommen lassen. Die belangte Behörde führe zur Begründung des Sicherungsbedarfes aus, dass sich der Bf und seine Angehörigen zweimal kurzzeitig vor den Fremdenpolizeibehörden versteckt gehalten hätten. Dabei lasse sie aber unerwähnt, dass sie beide Male aus eigenem Antrieb wieder mit den Behörden in Kontakt getreten seien, um sich den asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren zu stellen. Die weiteren – emotional gefärbten – Ausführungen im Schubhaftbescheid, wonach die Asylantragstellung des Bf lediglich dem Zweck diene, sich einen Aufenthaltstitel zu „erschleichen“, sei nicht nur entbehrlich, sondern völlig unbegründet. Tatsächlich sei über die Berechtigung zur Asylantragstellung bis dato nicht entschieden worden. Das bisherige Verfahren in Österreich habe lediglich der Klärung der Zuständigkeitsfrage gedient, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen sei noch gar nicht erfolgt. Genauso wenig berechtigt sei die im Schubhaftbescheid artikulierte Befürchtung, der Bf würde versuchen, seinen Unterhalt durch Begehung strafbarer Handlungen zu erwirtschaften, zumal der Bf bis dato strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Letztlich sei darauf zu verweisen, dass der Bf – wie auch seine Angehörigen – gegen die abweisenden Bescheide des Bundesasylamtes fristgerecht Beschwerden an den Asylgerichtshof erheben werden. Die Frist zur Einbringung dieses Rechtsbehelfes ende am Dienstag, den 16. Juni 2009. Eine Außerlandesschaffung nach Polen sei sodann bis zum Ablauf des siebenten Tages nach Vorlage der Beschwerden an den Asylgerichtshof, somit – unter Berücksichtigung des Postlaufs nach Traiskirchen und Wien – jedenfalls bis zum 25. Juni 2009 nicht möglich. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung habe die belangte Behörde daher davon ausgehen müssen, dass die Ausweisungsentscheidung des Bundesasylamtes über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen nicht durchgesetzt werden könne. In Anbetracht des hohen Stellenwertes des Grundrechtes auf persönliche Freiheit ergebe sich keine ausreichende Begründung für die Anordnung der Schubhaft zu diesem Zeitpunkt, als die im Asylverfahren ergangene Entscheidung noch nicht durchsetzbar gewesen sei, was sie nach wie vor nicht sei.

 

2.2. Mit E-Mail vom 12. Juni 2009 übermittelte die belangte Behörde dem Unabhängigen Verwaltungssenat den dort geführten Verwaltungsakt, erstattete eine Stellungnahme und beantragte darin die kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde.

 

3. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

3. 1. Rechtslage:

 

Die hier maßgebenden Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005 (§ 80 Abs. 5 idF BGBl. I Nr. 4/2008) lauten wie folgt:

"Anwendungsbereich

 

         § 1. (1) ...

         (2) Auf Asylwerber (§ 2 Z 14 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100) sind die §§ 41 bis 43, 53, 58, 68, 69, 72 und 76 Abs. 1 nicht anzuwenden. Ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren ist nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, sind darüber hinaus die §§ 39, 60 und 76 nicht anzuwenden. Die Durchsetzung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 durchgesetzt werden kann. Ein Rückkehrverbot kann gegen einen Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, erlassen werden.

        

 

Schubhaft

 

         § 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen. 

         (2) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

         1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

         ...

         (3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

         ...

         (7) Die Anordnung der Schubhaft kann mit Beschwerde gemäß § 82 angefochten werden.

                  

Gelinderes Mittel

 

         § 77. (1) Die Behörde kann von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

         ...

         (3) Als gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

 

         (4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

         ...

 

Dauer der Schubhaft

 

         § 80. (1) Die Behörde ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

         (2) Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

         ...

         (5) In Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, kann diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

         ...

Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat

 

§ 82. (1) Der Fremde hat das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

         1. wenn er  nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

         2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz

             2005 angehalten wird oder wurde oder

         3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

         ...

Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat

 

         § 83. (1) Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde.

         (2) Über die Beschwerde entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

         1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus

             der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und

         2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortset-

             zung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die   

             Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

         ...

         (4) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

3.2. Zuständigkeit 

Der Bf ist Fremder iSd FPG, wurde in Oberösterreich festgenommen und wird seit 2. Juni 2009 in Schubhaft angehalten.

Daher ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates nach    § 83 Abs. 1 FPG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist darüber hinaus gemäß § 83 Abs. 2 erster Satz FPG zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde durch eines seiner Mitglieder berufen.

3.3. Rechtzeitigkeit der Beschwerde

 

Nach § 83 Abs. 2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd     § 67a Abs. 1 Z 2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c bis 67g sowie des § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren.

 

Gemäß dem § 67c Abs. 1 AVG sind Beschwerden innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem Unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

 

Die am 10. Juni 2009 erhobene Beschwerde erweist sich daher jedenfalls im vollen Umfang als rechtzeitig, zumal der Schubhaftbescheid mit 2. Juni 2009 datiert ist und auch die Festnahme des Bf an diesem Tag erfolgt ist.

 

3.4. Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt I) – Vorliegen des Schubhafttatbestandes des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG

 

3.4.1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass nach § 77 Abs. 4 FPG die Schubhaft anzuordnen ist, wenn der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nachkommt oder er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge leistet.

 

Unstrittig handelte der Bf der bescheidmäßigen Anordnung eines "gelinderen Mittels" bereits zweimal gröblich zuwider, in dem er unentschuldigt seine Unterkunft verließ und sich dadurch dem Zugriff durch die Fremdenpolizeibehörde entzog. Folglich hätte die belangte Behörde an sich die Schubhaft nach § 77 Abs. 4 FPG anzuordnen gehabt, was sie aber offensichtlich aus Rücksicht auf die Familie des Bf (vorerst) unterließ.

 

3.4.2. Bei der Verhängung der Schubhaft zog die belangte Behörde die Gesetzesbestimmung des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG heran, wonach die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen kann, wenn gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Juni 2009 wurde der Antrag des Bf auf internationalen Schutz vom 14. Mai 2009 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Bf gemäß § 10 AsylG 2005 ausgewiesen, nachdem zuvor sein Antrag auf internationalen Schutz wegen der Zuständigkeit Polens zurückgewiesen worden war.

Dieser Bescheid wurde gegenüber dem Bf unstrittig am 2. Juni 2009 erlassen, sodass die damit mitverfügte Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) durchsetzbar – wenn auch (noch) nicht rechtskräftig – wurde. Daher konnte die Anhaltung des Bf in Schubhaft ab 2. Juni 2009 rechtsrichtig auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt werden.

 

Soweit der Beschwerdeführer allerdings mit seinem Vorbringen die hinreichenden Erfolgsaussichten seiner Beschwerde an den Asylgerichtshof darzulegen versucht, die er angeblich zu erheben beabsichtigt, ist ihm entgegen zu halten, dass es darauf nicht ankommt. Entscheidend ist ausschließlich das Vorliegen eines Schubhaftgrundes und das Bestehen eines entsprechenden Sicherungsbedarfes. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Unabhängigen Verwaltungssenates, eine Prognose über den möglichen Erfolg eines Beschwerdeverfahrens vor dem Asylgerichtshof zu treffen. 

Zudem wendet der Bf ein, dass eine Außerlandesschaffung nach Polen bis zum Ablauf des siebenten Tages nach Vorlage der Beschwerden an den Asylgerichtshof, somit – unter Berücksichtigung des Postlaufs nach Traiskirchen und Wien – jedenfalls bis zum 25. Juni 2009 nicht möglich sei. Mit diesem Vorbringen übersieht der Bf jedoch, dass die Bestimmung des § 36 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 – wonach mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage, zuzuwarten ist – die Durchsetzbarkeit der erstinstanzlichen Ausweisungsentscheidung in rechtlicher Hinsicht im Sinn des § 76 Abs.2 Z1 FPG in keiner Weise berührt (§ 36 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach § 36 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag zurückgewiesen wird, (auch) eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt.

3.4.3. Die Ausreiseunwilligkeit des Bf ist evident und bedarf aufgrund der Aktenlage keiner näheren Erläuterung.

Es bleibt daher der erforderliche Sicherungsbedarf im Zusammenhang mit der genannten rechtskräftigen Ausweisung zu prüfen.

Nach rechtskräftiger Zurückweisung seines Asylantrages vom 7. Dezember 2006 brachte der Bf am 14. Mai 2009 einen weiteren Asylantrag ein. Dieser Folgeantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Juni 2009 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Bf gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Gegen den Bf wurde somit eine – ab 2. Juni 2009 durchsetzbare – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen. Aufgrund des Umstandes, dass der Bf seinen bisherigen Aufenthalt in Österreich – nach seiner schlepperunterstützten Einreise – bislang lediglich unter Ausnützung eines letztlich unzulässigen Asylantrages begründen bzw. aufrechterhalten konnte und er sich nach der erfolgten Zurückweisung seines zweiten Asylantrages in erster Instanz seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein musste, hat der Bf jederzeit mit seiner faktischen und allenfalls auch zwangsweisen Außerlandesschaffung zu rechnen.

 

Ein aktueller objektiver Sicherungsbedarf liegt im vorliegenden Beschwerdefall – wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat – schon deshalb auf der Hand, weil der Bf bereits zweimal der bescheidmäßigen Anordnung eines "gelinderen Mittels" zuwiderhandelte, in dem er jeweils unentschuldigt seine Unterkunft verließ. Das bisherige Verhalten des Bf lässt daher eine evidente Neigung, sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörden durch Flucht zu entziehen, erkennen, wodurch auch die Gleichgültigkeit des Bf gegenüber der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften deutlich zu Tage tritt.

 

Die belangte Behörde hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und den aktuellen Sicherungsbedarf ordnungsgemäß geprüft und konkret begründet, warum keine gelinderen Mittel in gleicher Weise zur Zielerreichung zum Tragen kommen können. Darüber hinaus ist aus dem behördlichen Handeln ableitbar, dass das gesamte Verhalten darauf gerichtet war, eine Anhaltung des Bf in Schubhaft so kurz wie möglich zu gestalten. So erfolgte etwa die Inschubhaftnahme des Bf zeitgleich mit der Erlassung des Bescheides des Bundesasylamtes, mit dem der Asylantrag des Bf von 14. Mai 2009 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war. Die Schubhaft wurde im Übrigen erst angeordnet, nachdem sich der Bf bereits zweimal dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörden entzogen hatte. Jedes Mal ergriff der Bf in Situationen die Flucht, in denen seine Außerlandesbringung unmittelbar zu erwarten war, um die Setzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen zu vereiteln.

Schließlich zeigt das bisherige Verhalten des Bf (mangelnde soziale Integration, Neigung sich dem Zugriff durch die Fremdenpolizeibehörde durch Flucht zu entziehen etc.) deutlich, dass ein erhöhter Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 1 FPG besteht. Dieser Sicherungsbedarf wird weiters dadurch unterstrichen, dass der Bf
über kein gültiges Reisedokument verfügt. Auch weist er keine besonders ausgeprägten familiären oder sonstigen sozialen Bindungen in Österreich auf. Zum Verhältnis zu seiner mit einem anerkannten Flüchtling verheirateten und in Linz lebenden Schwester Albina ist zu bemerken, dass der Bf in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25. Mai 2009 angab, lediglich mit ihr zu telefonieren, sie bloß einmal besucht zu haben und von ihr nicht unterstützt zu werden.

Es war für die belangte Behörde daher zu keiner Zeit zu erwarten, dass der Bf freiwillig das Land verlassen und sich den entsprechenden fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen ohne Weiteres fügen werde. Dies ergibt sich nämlich nicht nur aus der – für die Verhängung der Schubhaft für sich allein genommen unbedeutende – Ausreiseunwilligkeit des Bf, sondern insbesondere aus dem Bestehen eines erhöhten Sicherungsbedarfes (vgl. ua. VwGH 30. August 2007, 2006/21/0107). Die Anhaltung des Bf war somit nicht als bloß rein präventive Vorbereitungshandlung für die Abschiebung anzusehen, sondern diese war aufgrund des Verhaltens des Bf zu deren Sicherung dringend erforderlich.

Angesichts der Aktenlage hatte die belangte Behörde auch keinen Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung gelinderer Mittel – etwa durch Auferlegung der Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle (vgl. § 77 Abs. 3 FPG) – erreicht werden kann, zumal er bereits zweimal seinen Verpflichtungen nach § 77 Abs. 3 FPG nicht nachgekommen ist.

5. Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt II.)

Aus den oben in Punkt 5. genannten Gründen liegen auch die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vor. Die Schubhaft erweist sich zudem – auch aufgrund seiner bisher relativ kurzen Dauer – als verhältnismäßiges und zweckentsprechendes Mittel, um die bevorstehende Abschiebung des Bf zu sichern.

6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirkes Vöcklabruck) nach       § 79a Abs. 1 und 4 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 sowie § 2 Abs. 2 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008, antragsgemäß ein Auf-wandsersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (57,40 Euro für den Vorlageauf-wand und 368,80 Euro für den Schriftsatzaufwand) zuzusprechen.

8. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 34,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

Rechtssatz:

 

VwSen-401013/4/Fi/FS vom 17. Juni 2009

 

FPG § 76 Abs. 2 Z1, AsylG 2005 § 36 Abs. 4

 

Auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde des Beschwerdeführers an den Asylgerichtshof kommt es nicht an. Entscheidend ist ausschließlich das Vorliegen eines Schubhaftgrundes und das Bestehen eines entsprechenden Sicherungsbedarfes. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Unabhängigen Verwaltungssenates, eine Prognose über den möglichen Erfolg eines Beschwerdeverfahrens vor dem Asylgerichtshof zu treffen. Auch berührt die Bestimmung des § 36 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 – wonach mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage, zuzuwarten ist – die Durchsetzbarkeit der erstinstanzlichen Ausweisungsentscheidung in rechtlicher Hinsicht im Sinn des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG in keiner Weise (§ 36 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005).

 

 

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