Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550493/3/Kü/Pe/Ba

Linz, 19.10.2009

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über den Antrag der X, vertreten durch X, vom 14.10.2009 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Marktgemeinde X betreffend das Vorhaben „Erweiterung der Straßenbeleuchtung X“, zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Marktgemeinde X die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 14. Dezember 2009, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 14.10.2009 hat die X (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlags­entscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungs­verfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 900  Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass es sich gegenständlich um einen Beschaffungsvorgang im nicht offenen Verfahren ohne vorige Bekanntmachung betreffend Bauaufträge im Unterschwellenbereich handle. Der Ausschreibungsgegenstand umfasse die Auswechslung und Erweiterung der Straßen- und Ortsbeleuchtung in der Gemeinde X, konkret umfasse dies die Demontage lt. LV und ggf. deren Entsorgung, das Liefern und Montieren der Steuerschränke, der Leuchten lt. LV, die Überprüfung der durchgeführten Installation, Erdung, das Erstellen der Dokumentation lt. ÖVE EN 8001 P 61 (in den Einheitspreisen eingerechnet) und Grabungs- und Wiederherstellungsarbeiten lt. LV. Der Zuschlag erfolge nach dem Billigstbieterprinzip. Im Lang-LV wurde die Angebotsfrist mit 27.8.2009, 9.00 Uhr, festgelegt und legte die Antragstellerin innerhalb der Frist jeweils ausschreibungs- und vergaberechtskonform ein Hauptangebot und zwei Alternativangebote. Konkret wurden folgende Nettoangebotssummen unterbreitet: Hauptangebot: Normalausführung: 302.602,47 Euro, Variante 1: 259.629,41 Euro, Alternativangebot 1: Normalausführung: 356.993,89 Euro, Variante 1: 275.132,41 Euro, Alternativangebot 2: Normalausführung: 417.448,02 Euro, Variante 1: 323.753 Euro. Dazu wurde ausgeführt, dass sich die Auftraggeberin zwei Angebotspreise anbieten hat lassen (Lang-LV S. 64). Sowohl in der „Normalausführung“ als auch in der „Variante 1“ habe die Antragstellerin das preislich günstigste Angebot unterbreitet. Von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wurde das Hauptangebot: Normal­ausführung: mit 368.214 Euro, Variante 1: mit 325.462 Euro, angeboten.

Am 27.8.2009 erfolgte die Angebotsöffnung und wurden nicht nur die oben angeführten Preise verlesen, sondern auch weitere verlesene Angebots­bestandteile in der Mitschrift dokumentiert. Aus dem Angebotseröffnungs­protokoll ergebe sich nunmehr, dass die Antragstellerin sowohl in Bezug auf das Hauptangebot als auch in Bezug auf die Variante 1, das preislich günstige Angebot gelegt habe.

Am 9.9.2009 habe die Auftraggeberin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, der Firma X, X, den Zuschlag zu erteilen. Die bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung habe nicht den Bestimmungen des § 131 BVergG 2006 entsprochen, da weder die Gründe für die Ablehnung des Angebotes noch die Vergabesumme und die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots angeführt worden seien. Diese Zuschlagsentscheidung wurde mit E-Mail vom 1.10.2009 zurückgenommen und war die Antragstellerin in dem von ihr angestrebten Nachprüfungsverfahren somit klaglos gestellt worden. Die Auftraggeberin habe mit Schreiben vom 1.10.2009 mitgeteilt, dass sich das Projekt wieder „in der Phase der Angebotsprüfung“ befinde, jedoch sei die Antragstellerin in keiner Weise in diese Angebotsprüfung miteinbezogen worden. Mit Schreiben vom 10.10.2009 sei eine neuerliche Zuschlagsentscheidung ergangen, mit welcher mitgeteilt worden sei, dass beabsichtigt werde, den Zuschlag der Firma X zu erteilen. Diese Zuschlagsentscheidung entspräche ebenfalls nicht den Vorschriften des § 131 BVerG, da darin weder die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots noch die Begründung für die Ablehnung ihrer Angebote enthalten sei.

 

Die Antragstellerin bekundet ihr Interesse am Vertragsabschluss dadurch, dass von ihr ein Nachprüfungsantrag und ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt wurde. Zum drohenden Schaden wurde vorgebracht, dass ihr bislang Kosten für die Ausarbeitung der Angebote in Höhe von 2.500 Euro sowie für die Rechtsvertretung in Höhe von 3.000 Euro erwachsen seien. Ebenso drohe der Verlust des entgangenen Gewinns in Höhe von 3% des Auftragswertes und der Verlust eines Referenzprojekts.

 

Im Übrigen erachte sich die Antragstellerin in ihren Rechten auf Gleichbehandlung aller Bieter, auf Beachtung der vergaberechtlichen Selbstbindung der Auftraggeberin an ihre eigenen Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen, auf Beachtung der vergaberechtlichen Selbstbindung der Auftraggeberin an ihre bei der öffentlichen Angebotsöffnung verlesenen Preise, auf Mitteilung einer Zuschlagsentscheidung samt Begründung, welche die inhaltlichen Vorgaben des § 131 BVergG 2006 erfüllt, darauf, in einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erlangen und auf Durchführung eines Vergabeverfahrens, das insbesondere den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbs sowie des Transparenzgebotes entspricht, verletzt.

 

Die mit E-Mail vom 10.10.2009 mitgeteilte Zuschlagsentscheidung sei vergaberechtswidrig, da darin weder die Gründe für die Ablehnung des Hauptangebotes sowie der beiden Alternativangebote noch die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots  genannt wurden. Ferner fehlt insbesondere eine Mitteilung jeder Vergabesumme, zu welcher der Auftrag vergeben werden soll. Im Übrigen ist überhaupt unklar, welchem Angebot des präsumtiven Zuschlagsempfängers der Zuschlag erteilt werden soll. Daran ändert auch der mit E-Mail vom 10.10.2009 versandte Prüfbericht nichts. Mit der Offenlegung dieses Prüfberichtes habe die Auftraggeberin vielmehr den Vorgaben des § 128 Abs.3 BVergG widersprochen und sei es zu einer Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gekommen, weshalb die Zuschlagsentscheidung schon aus diesem Grund rechtswidrig sei.

 

Unabhängig von diesen Rechtswidrigkeiten kann jedoch selbst aus dem Prüfbericht nicht entnommen werden, warum die Zuschlagsentscheidung vom 10.10.2009 zugunsten des präsumtiven Zuschlagsempfängers mitgeteilt wurde. Aus dem Prüfbericht lässt sich objektiv nicht nachvollziehen, warum ihr Hauptangebot oder ihre Alternativangebote 1 und 2 jeweils in der Normal­ausführung und in der Variante 1 nicht berücksichtigt wurden. Zum ersten ist die Zuschlagsentscheidung nicht nachzuvollziehen, weil sie zumindest mit ihrem Hautangebot sowohl in der Variante als auch in der Normalausführung das preislich günstige Angebot unterbreitet habe. Da dieses Hauptangebot nicht gemäß § 129 Abs.3 BVergG ausgeschieden wurde, hätte die Zuschlagsentscheidung zu ihren Gunsten mitgeteilt werden müssen. Insgesamt ist der Prüfbericht widersprüchlich, unschlüssig, unvollständig sowie in rechtlicher und technischer Hinsicht unrichtig. Diese Mangelhaftigkeit des Prüfberichtes belastet die gesamte Angebotsprüfung und damit die darauf bezugnehmende Zuschlagsentscheidung vom 10.10.2009 mit Vergaberechtswidrigkeit.

 

Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere auch deshalb, weil die Auftraggeberin die Antragstellerin während der gesamten Angebotsprüfung nicht um Aufklärung gemäß § 127 BVergG ersucht hat. Gerade die schon dargestellten Mängel im Prüfbericht hätten durch ein entsprechendes Aufklärungsersuchen leicht vermieden werden können.

 

Selbst wenn man annehmen würde, dass die Antragstellerin verpflichtet wäre, die maßgeblichen Gründe für die eigentliche Zuschlagsentscheidung aus dem Prüfbericht zu erforschen, sei festzuhalten, dass es keine klare Mitteilung über die Vergabesumme gibt. Im Prüfbericht sind mehrere Angebotspreise enthalten. Im Prüfbericht sind im Punkt 2 auch zwei verschiedene Bieterreihungen mit unterschiedlichen Angebotspreisen enthalten. X ist einmal auf Seite 3 mit einem Auftragswert von € 368.214 und ein anderes Mal auf Seite 4 mit einem Auftragswert von € 325.462 als erstgereihter Bieter genannt. Zunächst ist dabei unklar, ob es sich um Brutto- oder Nettobeträge handelt. Darüber hinaus ist unklar, welcher dieser beiden Beträge die Vergabesumme gemäß § 131 BVergG sein soll, zu dem der Auftrag vergeben werden soll.

 

Wie bereits im ersten Nachprüfungsverfahren ausgeführt, hat das BVA klargestellt, dass die vollständige Begründung im Sinne des § 131 BVergG 2006 bereits unmittelbar in der Zuschlagsentscheidung enthalten sein muss und nicht später nachgeholt werden kann. Würde man einem Auftraggeber zugestehen, die Zuschlagsentscheidung sanktionslos erst nachträglich – etwa im Nachprüfungsverfahren – zu begründen, wäre insbesondere der nach Art.I Abs.1 89/665/EWG gebotene effektive Rechtsschutz verletzt. Die Bieter wären nämlich aufgrund mangelnder Informationen und damit aufgrund der mangelnden Überprüfungsmöglichkeit genötigt, Nachprüfungsanträge "ins Blaue" zu stellen, um einen potentiell bestehenden Anspruch auf Zuschlagserteilung zu sichern. Wenn dann erst nachträglich im Vergabekontrollverfahren eine ausreichende Begründung der Zuschlagsentscheidung durch den Auftraggeber erfolgt und dies von der Vergabekontrollbehörde akzeptiert würde, wären alle vom Bieter getätigten Aufwendungen frustriert, obwohl diese vom Auftraggeber zu verantworten sind. Insbesondere wären etwa die entrichteten Pauschalgebühren verloren. Es würden dann jene Auftraggeber belohnt, welche die Zuschlagsentscheidung rechtswidrig erst nach Übersendung derselben begründen. Ein Bieter, der die Entscheidung des Auftraggebers nicht überprüfen und damit auch die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens nicht einschätzen kann, wird in der Regel davor zurückschrecken, einen Nachprüfungsantrag einzubringen.

 

In diesem Sinn hat auch der VwGH klargestellt, dass die unterlassene Begründung der Zuschlagsentscheidung rechtswidrig und für den Verfahrensausgang wesentlich ist. Vorliegend ist festzuhalten, dass die Auftraggeberin nicht die gesetzlichen Mitteilungspflichten des § 131 BVergG 2006 erfüllt habe, weshalb die mitgeteilte Zuschlagsentscheidung vergaberechtswidrig und die Entscheidung für nichtig zu erklären sei.

 

Bei der Angebotsöffnung wurde ein Hauptangebot (Normalausführung und Variante 1) der präsumtiven Zuschlagsempfängerin verlesen. Aus dem Prüfbericht vom 10.10.2009 ergibt sich jedoch, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin auch ein Alternativangebot abgegeben hat. Bei der öffentlichen Angebotsöffnung ist aber kein Alternativangebot verlesen worden. Folglich durfte die Auftraggeberin bei der Angebotsprüfung ein allfälliges Alternativangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auch keinesfalls berücksichtigen. Dies wiegt im vorliegenden Fall deshalb umso schwerer, als auf Seite 4 des Prüfberichtes die präsumtive Zuschlagsempfängerin mit einem Angebotspreis von € 325.462 offensichtlich für das Alternativangebot A021 als erstgereihter Bieter protokolliert ist. Es besteht daher die Gefahr, dass die Zuschlagsentscheidung unter Umständen sich auf eine Vergabesumme auf Seite 4 des Prüfberichtes bezieht, wobei gegebenenfalls die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung zugunsten des Alternativangebotes A021 bekanntge­geben hätte, das zum Ende der Angebotsfrist nicht vorgelegen ist und zumindest bei der öffentlichen Angebotsöffnung jedenfalls nicht verlesen wurde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach festgestellt, dass Fehler bei der Angebotsöffnung und –verlesung nicht sanierbar sind. Die vergaberechtliche Relevanz von Verlesungsfehlern ist bereits dann gegeben, wenn eine Manipulation in einem für den Ausgang des Vergabeverfahrens wesentlichen Bereich ermöglicht oder erleichtert würde. Für den vorliegenden Fall ist nochmals festzuhalten, dass für die präsumtive Zuschlagsempfängerin kein Alternativ­angebot verlesen wurde. Ein allfälliges Alternativangebot ist nach der zitierten Spruchpraxis der Vergabekontrollbehörden vergaberechtlich überhaupt nicht existent.

 

Die Auftraggeberin hat bis dato in Bezug auf das Hauptangebot und die Alternativangebote 1 und 2 der Antragstellerin keine formelle Ausscheidens­entscheidung gemäß § 129 Abs. 3 BVergG mitgeteilt. Auf Seite 3 des Prüfberichtes unter der Überschrift Bewertung Alternativangebot Firma X A052 € 302.602,47 könnte jedoch allenfalls abgeleitet werden, die Auftraggeberin wollte das Angebot ausscheiden, obwohl dies formell nicht erfolgt ist. Da aber keine formelle Ausscheidensentscheidung mitgeteilt wurde, erübrigt sich inhaltlich ein abschließendes Vorbringen zu diesen Unterstellungen.

 

Zu den Unterstellungen in Punkt 2 des Prüfberichtes sei dennoch hinzuweisen, dass ein Vergleich der Positionen 117113D, 117113F und 117115D (Seite 49 des Lang-LV) zeigt, dass lediglich ein bewegliches Anbaudrehgelenk gefordert ist. Diese Aufforderung würde mit den Angeboten erfüllt. Die im Prüfbericht festgelegte Anforderung (das Gelenk der Aufsatzleuchte muss beweglich sein) geht über die Anforderungen in den zitierten Positionen des Lang-LV hinaus. Mit anderen Worten: Die Auftraggeberin hat nachträglich Anforderungen im Prüfbericht festgelegt, um ein allfälliges Ausscheiden der Angebote der Antragstellerin rechtfertigen zu können. Darüber hinaus ist die Unterstellung, die Antragstellerin würde nur Anforderung IP55 und nicht IP66 erfüllen, schlicht unzutreffend. Diese Missverständnisse hätten im Rahmen einer Aufklärung ohne weiteres beseitigt werden können. All dies zeigt, dass die Auftraggeberin auch mit den Unterstellungen auf Seite 3 des Prüfberichtes keine ordnungsgemäße Angebotsprüfung durchgeführt hat.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf die Ausführungen im Hauptantrag und führt weiters aus, dass diese zwingend erforderlich sei, weil die Auftraggeberin ohne einstweilige Verfügung unter anderem durch Zuschlagserteilung unumkehrbare Tatsachen schaffen könne.

Der Erlassung der einstweiligen Verfügung würden weder Interessen der Auftraggeberin noch besondere öffentliche Interessen entgegenstehen. Hingegen überwiege das Interesse der Antragstellerin bei weitem.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Marktgemeinde X als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß  Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde. Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein „besonderes“ öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

Der Rechtsrichtigkeit der Beschaffungsvorgänge ist der Vorrang gegenüber der Raschheit des Verfahrens einzuräumen.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen.

 

Die Auftraggeberin hat im Verfahren darüber hinausgehende konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungs­verfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechts­widrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger 

 

 

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