Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164440/7/Br/La

Linz, 29.09.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der  unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch  sein Mitglied Dr.  Bleier über die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung  des Herrn X, X, X, X, betreffend das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 24.8.2009,  Zl. S 34.171/09-1, zu Recht:                         

                       

I.       Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 20 VStG die Geldstrafe auf 700 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 9 (neun) Tage ermäßigt wird.

II.     Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf   70 Euro.         Für das Berufungsverfahren entfallen sämtliche Verfahrenskosten­beiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

I. § 66   Abs.4   Allgemeines  Verwaltungsverfahrensgesetz  BGBl.Nr.  51/1991,  zuletzt   geändert   durch   BGBl. I. Nr. 20/2009 -  AVG  iVm  § 19 Abs.1 u.2, § 20, § 24, § 51 Abs.1,  § 51e  Abs.3 Z2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr.  52/1991,  zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 20/2009  - VStG;

II. § 65 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Die  Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verweigerung der Atemluftuntersuchung eine Geldstrafe in Höhe von 1.400 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von neunzehn (19) Tagen verhängt.

Dieser Schuld- u. Strafausspruch wurde im Rahmen einer mit bloßem Hinweis auf die Aktenlage mit sogenanntem  Kurzerkenntnis gefällt.

Straferschwerend wurde eine einschlägige Vormerkung gewertet.

2.  Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit einer per E-Mail am 1.9.2009 bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung. Dabei bringt der Berufungswerber vor als Beifahrer zum Alkotest aufgefordert worden zu sein. Er habe den Beamten gleich mitgeteilt nicht gelenkt zu haben und daher keinen Atemlufttest machen zu müssen. Hätte man ihm die Folgen der Verweigerung erklärt hätte er sehr wohl beatmet. Er sei mit der damaligen Situation überfordert und geschockt gewesen.

 

 

2.1. Im Rahmen einer Aufforderung gemäß § 13 Abs.3 AVG wurde der Berufungswerber unter Hinweis auf die Akten- u. Rechtslage zur Klarstellung seiner Berufungsausführungen  aufgefordert. Ebenfalls um Bekanntgabe einer aktuellen Zustelladresse. Dem kam er mit seinem Schreiben vom 27.9.2009 nach. Darin sieht der Berufungswerber diesen Fehler ein und schränkt seine Berufung auf das bloße Strafausmaß mit dem Ersuchen um Reduzierung desselben ein. Er verweist auf seine ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse als Halbtagsbeschäftigter in Verbindung mit seinem Privatkonkursverfahren.

 

 

 

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsakt vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt  wurden, durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied zur Entscheidung berufen. Da die Berufung auf das Strafausmaß eingeschränkt wurde, konnte eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z2 VStG).

 

 

4.    Der    unabhängige    Verwaltungssenat   des   Landes Oberösterreich  hat  Beweis aufgenommen durch  Abfrage im Führerscheinregister und Einholung der im Führerscheinverfahren, GZ: FE-01184/2009, im Zusammenhang mit diesem Verfahren ergangenen behördlichen Verfügung.

Eine Einschau in die Ediktdatei bestätigte das ergänzende Vorbringen des Berufungswerbers, wonach beim BG Linz (452), AZ: 37 S 14/07y seit 10.4.2007 ein Schuldnerregulierungsverfahren anhängig ist. Der Zahlungsplan wurde gemäß Gerichtsbeschluss vom 10. Juli 2007 mit Euro 150,-- x 1,5 Jahre, Euro 250,-- 3,5 Jahre, ca. Quote: 13,40 % festgelegt. Das Ende der Zahlungsfrist ist mit 15.06.2014 bestimmt.

 

 

 

5.  Der Berufungswerber lässt in seiner Präzisierung und Einschränkung der Berufung ein reumütig anmutendes Unrechtsbewusstsein erkennen. Diese Gründe konnten offenbar im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vermittelt werden, obwohl auf Grund von Zeugenangaben im Führerscheinverfahren von der Lenkereigenschaft des Berufungswerbers nicht ausgegangen werden konnte (Aktenvermerk v. 13.8.2009 zur Verantwortung des Berufungswerbers). Ergänzende Ermittlungen der Einkommensverhältnisse ergaben glaubhaft eine noch ungünstigere Einkommens- u. Vermögenssituation als von der Behörde erster Instanz ihrer Entscheidung offenbar grundgelegt wurden.

 

 

 

6.  Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

§ 5 Abs.2 StVO idF BGBl. I Nr. 80/2002  lautet:

"Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigten Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand

  1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

  2. als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

 Nach § 99 Abs.1 lit.b StVO ist - in der hier noch anzuwendenden Rechtslage – jemand mit einer Geldstrafe von 1.162 Euro bis 5.813 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,...... "

 


 

 

7. Zur Strafzumessung:

Für den Fall des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kann nach  
§ 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100).

Der Berufungswerber war wohl begründet verdächtig ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung hatte er vor diesem Hintergrund nachzukommen. Das er letztlich, wie sich im Führerscheinverfahren heraus stellte, dann tatsächlich nicht lenkte, sondern, wie durch Zeugen bestätigt wurde, er in seinem Fahrzeug nur als Beifahrer unterwegs war, reduziert sich das zur Last gelegte Verhalten  auf den Tatbestand des bloßen Ungehorsams der Verweigerung an sich. Dem mit dieser Vorschrift verbundenem Schutzziel, eine Beeinträchtigung durch Alkohol in einem bestimmtem Umfang nachzuweisen, wurde damit nicht zuwider gehandelt. Daher sind dieser Tat auch keine nachteiligen Folgen zuzurechnen und ebenfalls ist das Verschulden als bloß gering zu erachten.

Diese Umstände sind daher insbesondere mit Blick auf § 34 Abs.1 Z12 StGB, dessen Beurteilungskriterien durch § 19 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren gelten, als besonders überwiegende Milderungsgründe zu qualifizieren. Dem steht auch nicht die Vormerkung nach
§ 5 Abs.1 StVO aus dem Jahr 2008 entgegen.

Daher ist die Verweigerung in glaubhafter Unkenntnis der Rechtslage auf geringerem Verschulden basierend, was unter Bedachtnahme auf das Sachlichkeitsgebot nicht unberücksichtig bleiben darf (vgl. dazu die h. Erk. v. 08.02.2005, VwSen-160237/5/Br/Wü, sowie v. 9.2.1998, VwSen-105157/5/BR). Die h. Judikatur ist seit jeher bestrebt unsachliche Ergebnisse in entsprechender Wertung ungleicher Ausgangslagen zu vermeiden (vgl. h. Erk. 19.06.1995, VwSen-102913/2/Gu/Atz).

Wenn der Gesetzgeber keine Möglichkeit einer diesbezüglichen Differenzierung einräumt hat eine entsprechende Berücksichtigung durch eine am Sachlichkeitsgebot zu orientierenden Gesetzesvollziehung zu erfolgen.

Die Bestimmung des § 20 VStG gelangt nach Aufhebung des § 100 Abs.5 StVO 1960  durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 9.10.1997, G 216/96) auch für sogenannte Alkoverfahren wieder zur Anwendung. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht  darauf ein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH vom 31. 1.1990, 89/03/0027, VwGH 21.5.1992, 92/09/0015 und VwGH 2.9.1992, 92/02/0150).

Bereits mehrfach wurde durch den unabhängigen Verwaltungssenat ausgesprochen, dass der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) bei rechtsrichtiger Auslegung auf die Umstände des konkreten Falls und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen muss. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung dadurch, mit einer schablonenhaften Anwendung einer Bestimmung, Ungleiches in den Sanktionsfolgen nämlich gleich zu behandeln (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374).

Angesichts der hier vorliegenden Tatumstände schien daher auch in diesem Fall – weil dem zur Last gelegten Verhalten ein Lenken tatsächlich nicht zu Grunde lag - das Vorgehen mit dem außerordentlichen Strafmilderungsrecht rechtlich geboten. Dem Berufungswerber kann daher in seinen ergänzenden Ausführungen durchaus gefolgt werden.

 

Eine volle Ausschöpfung des auf die Hälfte reduzierbaren Strafsatzes schien angesichts bestehender Vormerkungen letztlich doch nicht vertretbar.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

                         

Gegen  diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof     erhoben werden; diese  muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von  220 Euro zu entrichten. 

 


      Anlagen

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Außerordentliches Milderungsrecht bei Verweigerung der Atemluftuntersuchung mangels lenken

 

 

 

 

 

 

 

 

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