Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530984/2/Bm/La

Linz, 22.10.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung der Frau X und des Herrn X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 19.8.2009, Ge20-18-09-03-2009, betreffend die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden gastgewerblichen Betriebsanlage durch Errichtung und Betrieb eines Gastgartens im Standort X, zu Recht erkannt:

 

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben; die Angelegenheit wird zur neuerlichen Augenscheinsverhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Gewerbebehörde erster Instanz zurückverwiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.2 AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde Herrn X die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der gastgewerblichen Betriebsanlage durch Errichtung und Betrieb eines Gastgartens mit 8-10 Sitzplätzen im Standort X,  unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

 

2. Gegen diesen Bescheid haben die Berufungswerber (in der Folge: Bw) fristgerecht Berufung erhoben und darin im Wesentlichen vorgebracht, dass durch die exponierte Lage des beantragten Gastgartens es zu einer Schallreflexion in einem unerträglichen Ausmaß komme; dies sei auch in der Niederschrift unter Punkt A vom Bürgermeister als möglich/wahrscheinlich bestätigt worden. Diese Schallreflexion übersteige die vom Gesetzgeber als „zu tolerieren“ beabsichtigte Schwelle, sodass in diesem Fall eine Verletzung des
§ 77 Abs.2 GewO gegeben sei. Durch die Schallreflexion werde auch bei leisem Sprechen ein unerträgliches und unzumutbares Lärmausmaß erreicht. Es werde nochmals auf das angeführte VwGH-Erkenntnis 2007/04/0111, verwiesen das auch in diesem Fall anzuwenden sei und sich direkt auf den § 112 Abs.3 GewO beziehe. Des Weiteren werde darauf hingewiesen, dass der Bescheid auch einen formalen Mangel enthalte: In der Niederschrift habe Herr X unter Punkt E angegeben, den Gastgarten von 08:00 bis 23:00 Uhr betreiben zu wollen. Diese zeitliche Beschränkung sei jedoch im Spruch des Bescheides vom 19.8.2009 nicht festgelegt worden. Es werde daher der Antrag gestellt, die gewerbebehördliche Genehmigung zu versagen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat diese Berufung samt dem bezughabenden Verfahrensakt den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Ein Widerspruch im Grunde des § 67h Abs.1 AVG wurde nicht erhoben.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz zu Ge20-18-09-03-2009, aus dem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt.

 

5. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 77 Abs.1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs.2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs.2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

Gemäß § 77 Abs.2 GewO 1994 ist die Frage, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs.2 Z2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

 

 

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 112 Abs.3 GewO 1994 idgF dürfen Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, jedenfalls von 8.00 Uhr bis 23.00 Uhr betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind. Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden, noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, dürfen jedenfalls von 9.00 Uhr bis 22.00 Uhr betrieben werden, wenn sie die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllen.

 

Nach § 353 GewO 1994 sind einem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage unter anderem die für die Beurteilung des Projektes und der zu erwartenden Immissionen der Anlage im Ermittlungsverfahren erforderlichen technischen Unterlagen anzuschließen.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt zu mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

5.2. Dem gegenständlichen Verfahren liegt das Ansuchen des Herrn X vom 13.7.2009 zu Grunde, mit dem die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden gastgewerblichen Betriebsanlage durch Errichtung eines Gastgartens beantragt wird. Diesem Ansuchen ist als Projektsunterlage ein Lageplan angeschlossen.

Im Grunde dieses Ansuchens wurde von der Erstbehörde eine mündliche Verhandlung für den 18.8.2009 anberaumt und an diesem Tage unter Zuziehung eines gewerbetechnischen Amtssachverständigen durchgeführt. Von den nunmehrigen Bw wurden bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen wegen befürchteter Lärmbeeinträchtigungen durch den beantragten Gastgarten erhoben.

Im Zuge der mündlichen Augenscheinsverhandlung wurde vom beigezogenen Amtssachverständigen ein gewerbetechnisches Gutachten abgegeben und hierüber eine Verhandlungsschrift aufgenommen. Eine lärmtechnische Beurteilung wurde nicht vorgenommen.

 

Im angefochtenen Genehmigungsbescheid stützt sich die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck diesbezüglich auf die Bestimmung des
§ 112 Abs.3 GewO 1994 und vertritt hiezu die Rechtsauffassung, dass hinsichtlich des beantragten Gastgartens dem Konsenswerber eine Betriebsgarantie zustehe.

 

Diese Rechtsansicht kann jedoch nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

 

Der oben genannte § 112 Abs.3 GewO 1994 regelt die Gewerbeausübung in Gastgärten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur – unter Bezugnahme  auf die Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes – dargelegt hat, ist auch ein dem § 148 Abs.1 GewO 1994 (jetzt: § 112 Abs.3) zu unterstellender Gastgartenbetrieb unter den Voraussetzungen des § 74 GewO 1994 genehmigungspflichtig und daher gemäß § 77 Abs.1 leg. cit. „erforderlichenfalls“ – wenn auch nicht hinsichtlich der durch § 148 Abs.1 GewO 1994 festgelegten Betriebszeiten - unter Auflagen zu genehmigen. Das bedeutet, dass der Betrieb eines solchen Gastgartens nur genehmigt werden kann, wenn durch die gleichzeitige Vorschreibung allenfalls erforderlicher Auflagen sichergestellt ist, dass, ausgehend von den im Gesetz festgelegten Betriebszeiten, die in § 74 Abs.2 Z 1-5 GewO 1994 genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstige nachteilige Einwirkungen vermieden werden können.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind somit die von einem dem § 112 Abs.3 GewO 1994 unterliegenden Gastgarten ausgehenden auf die Nachbarn einwirkenden Lärmimmissionen zu berücksichtigen, und erforderlichenfalls Auflagen zu Erreichung der sich aus § 74 Abs.2 ergebenden Schutzzwecke vorzuschreiben (vgl. VwGH 17.03.1998, 96/04/0078, 27.5.1997, 96/04/0214 ua.).

 

Dieser Judikatur hat sich offensichtlich auch der Gesetzgeber in der Gewerberechtsnovelle 2002 insofern angeschlossen, als der mit der Gewerberechtsnovelle 1998 dem § 148 Abs.1 angefügte letzte Satz: Im Rahmen eines Verfahrens zur Genehmigung einer Betriebsanlage oder ihrer Änderung, das sich auch nur auf einen Gastgarten erstreckt, der die Voraussetzungen des ersten oder zweiten Satzes erfüllt, dürfen in Ansehung des Gastgartens keine Auflagen für den Lärmschutz vorgeschrieben werden und ist auch die Versagung der Genehmigung diese Gastgartens aus Gründen des mit seinem Betrieb ursächlich im Zusammenhang stehenden Lärms unzulässig“ in die Nachfolgeregelung des § 112 Abs.3 nicht übernommen wurde.

Der Ausschussbericht zur Gewerberechtsnovelle 1998 führte zu dem mit der Gewerberechtsnovelle 1998 angefügten Satz aus, dass dieser als „eine dem Sinn oder Zielsetzung des § 148 entsprechende Klarstellung in das Gesetz aufgenommen wird, um allfällige Vollzugsschwierigkeiten hintanzuhalten.

Dass der Entfall dieses Satzes noch zur Interpretation des verbleibenden Textes des § 112 Abs.3 erster und zweiter Satz berechtigt, dass im Betriebanlagengenehmigungsverfahren hinsichtlich Lärmschutz (auch) für den der Betriebszeitengarantie unterliegenden Zeitraum keinerlei Auflagen vorgeschrieben werden dürfen, muss bezweifelt werden (Grabler – Stolzlechner - Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung, 2. Auflage, § 112 Abs.3, RZ 25).

 

Dieser Rechtsauffassung entsprechen auch die zuletzt ergangenen Kenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.6.2007, 2007/04/0111,  und 12.9.2007, 2007/04/0100, wo der Verwaltungsgerichtshof eindeutig feststellt, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes davon ausgegangen werden müsse, dass § 112 Abs.3 GewO 1994 an der Genehmigungspflicht von Gastgärten gemäß § 74 GewO 1994 nichts ändert und für diese daher auch weiterhin die Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 GewO 1994 gelten, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G211/94 die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gegen die Betriebszeitenregelung gerade (bzw. nur) deshalb nicht geteilt, weil diese Regelung eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn keineswegs zulasse.

Im Erkenntnis vom 12.9.2007 stellt der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus fest, dass die Frage, ob Nachbarn durch den Betrieb des Gastgartens bis 22:00 Uhr belästigt werden und gegebenenfalls welches Ausmaß diese Belästigungen erreichen bzw. welche Art die belästigenden Geräusche sind, auf Gutachtensebene zu unrecht unbeantwortet geblieben ist. Ausdrücklich wurde der Rechtsstandpunkt der belangten Behörde, dass die von einem gemäß § 112 Abs.3 betriebenen Gastgarten ausgehenden Belästigungen von Nachbarn hinzunehmen seien, als unzutreffend festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof führte weiter aus, dass die belangte Behörde die Frage, ob die Genehmigung für einen unter § 112 Abs.3 GewO fallenden Gastgarten zu versagen ist, weil er zu unzumutbaren Belästigungen bzw. zu Gesundheitsgefährdungen von Nachbarn führen würde, im fortgesetzten Verfahren zu prüfen habe.

 

Das gleiche gilt für den gegenständlichen Berufungsfall:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat im durchgeführten Genehmigungsverfahren zwar hinsichtlich der Gewerbetechnik ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, jedoch fehlen Ermittlungen über die von dem den Verfahrensgegenstand bildenden Gastgarten ausgehenden auf die Nachbarn einwirkenden Lärmimmissionen nach Art und Ausmaß sowie medizinische Feststellungen darüber, wie sich die durch den Gastgarten möglicherweise verursachten Änderungen des Ist-Maßes auf die Nachbarn auswirken.

 

Die vorliegenden Ergebnisse sind nicht geeignet, eine ausreichende Grundlage für die Beantwortung der Rechtsfrage zu bilden, ob durch den Betrieb des Gastgartens unzumutbare Belästigungen zu besorgen sind oder ob gegebenenfalls bestehende Belästigungen durch Vorschreibung geeigneter Auflagen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden können.

 

5.3. Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates erscheint zur Vervollständigung der notwendigen Ermittlungsergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die Erlassung des Bescheides im Hinblick auf die gemäß § 74 Abs.2 Z2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen die Durchführung einer mündlichen Augenscheinsverhandlung (bzw. die Ergänzung der bereits durchgeführten Verhandlung mit Sachverständigenbeweis) betreffend die Stichhaltigkeit der geltend gemachten Belästigungen durch Lärmimmissionen im Sinne des § 66 Abs.2 AVG als erforderlich und auch – im Hinblick auf die örtliche Nähe der belangten Behörde als Genehmigungsbehörde zu dem in Aussicht genommenen Betriebsstandort – als im Interesse der Zeit- und Kostenersparnis gelegen.

 

Aus den oben genannten Sach- und Rechtsgründen war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

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