Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252124/2/WEI/Mu/La

Linz, 30.10.2009

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der X, X, X, vertreten durch die Rechtsanwälte X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. März 2009, Zlen 0046228/2008 und 0046229/2008, wegen zweier Verwal­tungsübertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz – ASVG zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkennt­nis aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren werden gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.              Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungs­verfahrensgesetz 1991 – AVG; § 66 Abs 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. März 2009, Zlen 0046228/2008 und 0046229/2008, wurde die Berufungswerberin (im Folgenden nur Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"I.       Tatbeschreibung:

 

Sie haben als Gewerbeinhaberin und Betreiberin der Firma X, X, zu verantworten, dass von Ihnen als Arbeitgeberin zu den jeweils angeführten Zeiten in oa. Betriebsstätte Cafe-Restaurant Pizzeria „X″, X, die nachfolgend angegebenen ausländischen Staatsbürgerinnen in den angeführten Funktionen gegen Entgelt beschäftigt wurden, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden waren:

 

1.  Frau X, geboren X, kroatische Staatsbürgern, als Reinigungskraft von 04.05.2008 bis zumindest 09.09.2008 und

 

2.  Frau X, geboren X, türkische Staatsbürgerin, als Kellnerin von 08.09.2008 bis 10.09.2008.

 

II.      Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:

 

ad 1 und 2) jeweils § 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG

 

... "

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde über die Bwin jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 365 Euro (insgesamt 730 Euro) und für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 56 Stunden. Bei den Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren wird von der belangten Behörde offenbar irrtümlich ein Kostenbetrag von 873 Euro anstelle von 73 Euro (10% der Geldstrafen) genannt. Der Gesamtbetrag von Geldstrafen und Kosten wird nämlich danach wieder richtig mit 803 Euro angegeben.

 

1.2. In der Begründung führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass die der Bwin angelasteten Taten von einem Organ des Finanzamtes Braunau Ried Schärding, KIAB, bei einer Kontrolle am 9. September 2008 und am 10. September 2008 festgestellt worden sei. In der der Anzeige beigelegten Niederschrift der beiden Arbeitnehmerinnen seien deren Angaben glaubwürdig bestätigt worden. Mit Frau X sei ein Arbeitsausmaß von fallweise 3,5 Stunden und eine Entlohnung von etwa 450 Euro im Falle der Beschäftigung vereinbart worden und mit Frau X sei ein Arbeitsausmaß von 10 Wochenstunden und eine Entlohnung von 300 Euro vereinbart worden, was auch aus dem ELDA-Protokoll vom 11. September 2008 hervorgehe.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. Oktober 2008 sei gegen die Bwin das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. In ihrer Stellungnahme vom 24. November 2008 habe die Bwin vorgebracht, dass Frau X gar nicht beschäftigt worden sei und es offensichtlich aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten zu Missverständnissen gekommen sei. Frau X habe lediglich im Rahmen des Familienverbandes etwas mitgeholfen und sei dafür zum Essen eingeladen worden. Frau X verstehe überhaupt nicht deutsch und habe fallweise etwa ein bis drei Mal pro Woche für 1,5 Stunden Tätigkeiten verrichtet. Ein möglicher Beschäftigungszeitraum ergebe sich höchstens von Mai bis Anfang Juli und von 1. bis 10. September 2008.

 

Zu diesen von der Bwin ausgeführten Rechtfertigungsgründen habe sich der Anzeigenleger dahingehend geäußert, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle Frau X alleine als Bedienung im Lokal tätig gewesen sei, wobei ein Gast an der Bar und weitere Gäste an den Tischen anwesend gewesen seien. Sie habe bedient und
alleine kassiert. Frau X sei ebenfalls alleine bei Reinigungsarbeiten im
Lokal angetroffen worden. Sie habe die gestellten Fragen einwandfrei beantworten können. Für die belangte Behörde sei daher der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens erwiesen.

 

Nach Darstellung der verletzten Verwaltungsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, dass die beiden Arbeitnehmerinnen ohne fristgerechte Anmeldung zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beschäftigt gewesen seien, weshalb der gegenständliche Tatbestand der angelasteten Verwaltungsüber­tretung somit in objektiver Hinsicht erfüllt.

 

Zum Verschulden führte die belangte Behörde aus, dass für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge und es sich im vorliegenden Fall um ein Ungehorsam­keitsdelikt gehandelt habe. Die Rechtfertigungsgründe der Bwin hätten nicht ausgereicht, um ihre Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen. Bei den Rechtfertigungsgründen der Bwin handle es sich um reine Schutzbehauptungen. Frau X sei bereits seit 27. Oktober 1999 in Österreich gemeldet und habe auch hier die Schule besucht, sodass Sprachschwierigkeiten erfahrungsgemäß ausgeschlossen werden können. Hinsichtlich Frau X habe sie selbst angegeben, dass sie diese am 11. September 2009 rückwirkend bei der Sozialversicherung als geringfügig beschäftigte Arbeiterin angemeldet habe. Zudem gehe aus ihrer Rechtfertigung hervor, dass Letztere höchstens von Mai bis Anfang Juli und anschließend von 1. bis 10. September 2008 für sie tätig geworden sei. Die gegenständliche Verwaltungsübertretung sei daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbe­standsmäßigkeit erwiesen.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen, während die bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd zu werten gewesen sei. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien dementsprechend berücksichtigt worden.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, welches der Bwin am 20. April 2009 zu Händen ihrer Rechtsvertreter zugestellt wurde, richtet sich die am 30. April 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung, mit der im Ergebnis die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

Die Berufung bestreitet den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt und wirft der Erstbehörde vor, dass sie sich mit den Schriftsätzen vom 24. November 2008 und 19. Februar 2009 nicht auseinandergesetzt habe und die Dinge durcheinanderbringe. Bei Frau X handle es sich um ihre Schwester, die lediglich im Rahmen des Familienverbandes mitgeholfen habe, dafür zum Essen eingeladen worden sei und seit 31. Jänner 2008 bei ihr und ihren Gatten polizeilich gemeldet sei. Darüber hinaus habe ihre Schwester bereits bei der niederschriftlichen Einvernahme am Kontrolltag angegeben, dass ein Lohn noch nicht vereinbart worden sei, was sich auch nur auf ein allfälliges Beschäftigungsverhältnis bezieht. Zudem sei zu hinterfragen, ob Frau X überhaupt dezidiert angegeben hat, dass sie vom 8. bis 10. September 2008 beschäftigt gewesen sein soll, wenn sie drei Zeilen danach relativiert, dass aber noch nichts ausgemacht worden sei. Ferner könne nicht nachvollzogen werden, warum die Angabe, im Lokal nur zu "schnuppern", unrichtig gewesen sein soll, wenn es sich bei der Firmeninhaberin um die Schwester handelt. Der Anzeigenleger habe diese Frage nicht beantworten können, sondern nur den völlig lebensfremden Schluss gezogen, dass die Angaben unrichtig wären, wobei er quasi unterstellte, dass Angaben von einer mit der Gewerbeinhaberin verwandten Person von vornherein unrichtig seien.

 

Aus der Momentaufnahme einer Amtshandlung in der Dauer einer knappen halben Stunde und dem Umstand, dass Frau X allein im Lokal war, könne kein Argument für ein Beschäftigungsverhältnis abgeleitet werden. Es sei unzulässig, wenn das Kontrollorgan aus einer einmaligen Beobachtung schließe, dass sie "schon öfter im Lokal gearbeitet" habe, weil sie "mit der Geschäftshandhabung gut vertraut" gewesen sei. Dies gelte umso mehr, wenn in der Niederschrift vermerkt ist, dass Frau X schon im Stadtcafé X drei Tage geschnuppert hatte. Die belangte Behörde habe diese fragwürdigen und in sich widersprüchliche Darstellung des Kontrollorgans ungeprüft dem angefochtenen Straferkenntnis zugrunde gelegt.

 

Weiters wird ausgeführt, dass Frau X zum Zeitpunkt ihrer Einvernahme erst knapp über 15 Jahre alt gewesen sei, weshalb sie somit als Jugendlicher einzustufen gewesen wäre. Hinsichtlich des jugendlichen Alters hätte daher überlegt werden müssen, ob ihre Einvernahme nur im Beisein des gesetzlichen Vertreters durchgeführt werden hätte dürfen.

 

Zur Beschäftigung der Frau X wird vorgebracht, das die belangte Behörde diese Arbeitnehmerin noch einmal einvernehmen hätte müssen, um abzuklären, ob Frau X tatsächlich der deutschen Sprache mächtig sei. Der schon längere Aufenthalt in Österreich sei kein Beweis dafür, dass diese Beschäftigte die gestellten Fragen tatsächlich auch verstanden habe. Darüber hinaus bestreitet die Bwin den im Spruch angeführten Beschäftigungszeitraum, weil Frau X zumindest drei Wochen auf Heimaturlaub in Kroatien gewesen sei. Der im angefochtenen Straferkenntnis angeführte Spruch sei daher unrichtig, weil er die tatsächlichen Gegebenheiten einer allfälligen Beschäftigung nicht richtig wiedergebe.

 

3. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Bezirksverwaltungsamt, hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 11. Mai 2009 die Berufung unter Anschluss eines vollständigen Ausdruckes des elektronisch geführten Aktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt. Zum Berufungsvorbringen wird nicht Stellung genommen, sondern nur auf die Begründung des Straferkenntnisses verwiesen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht­nahme in den Akt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz zu Zlen 0046228/2008 und 0046229/2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 111 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

 

1.  Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

 

2.  Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

 

3.  Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

 

4.  gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeich­nungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

 

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

 

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

 

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestim­mungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erst­maligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeber­kontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Gemäß § 33 Abs 2 ASVG gilt Abs 1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

"Zuständiger Krankenversicherungsträger" iSd § 33 Abs 1 ASVG ist für sämtliche im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangene Verwaltungsübertretun­gen die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse mit Sitz in Linz. Somit ist der Bürgermeister der Stadt Linz grundsätzlich die für die Erledigung sämtlicher aus Anlass einer im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangenen Über­tretungen des § 33 Abs 1 ASVG durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren örtlich zuständige Behörde iSd § 27 Abs 1 VStG.

 

Nach § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgeber beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer iSd ASVG gilt gemäß § 4 Abs 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäf­tigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merk­malen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungscheckgesetz entlohnt werden oder wenn sie nach § 47 Abs 1 iVm Abs 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

Nach § 35 Abs 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs 2 ASVG besonderes für jene nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die in § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs 4 ASVG vorliegt.

 

Von der Vollversicherung nach § 4 ASVG und damit von der Krankenversicherungspflicht sind nach § 5 Abs 2 leg cit u.a. geringfügig beschäftigte Personen ausgenommen.

 

Gemäß § 5 Abs 2 ASVG galt zum Tatzeitpunkt (vgl Kundmachung für 2008 durch BGBl II Nr. 359/2007) ein Beschäftigungsverhältnis als geringfügig, wenn es für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart war und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 26,80 Euro, insgesamt jedoch von höchstens 349,01 Euro gebührte oder für min­destens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart war und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 349,01 Euro gebührte.

 

4.2. Aus der Zusammenschau der mit § 111 Abs 1 ASVG beginnenden Verweisungskette ergibt sich somit, dass sich das Tatbild dieses (bloß kursorisch als "Nichtmeldung beim Sozialversicherungsträger" bezeichenbaren) Deliktes aus mehreren Einzelelementen zusammensetzt, die jeweils gemäß § 44a Z 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses – neben den nicht deliktsspezifischen und in diesem Sinne allgemeinen Erfordernissen (wie zB Zeit und Ort der Begehung) – kumulativ oder alternativ einer entsprechenden Konkretisierung bedürfen würden, nämlich, dass

 

          1. ein Dienstgeber, der für die Erfüllung der Meldepflicht keinen Bevoll-

              mächtigten bestellt hat (vgl. § 35 Abs 1 und 3 ASVG),

          2. einen Dienstnehmer

          3. in einem Verhältnis persönlicher und

              wirtschaftlicher Abhängigkeit               vgl § 4 Abs 2 (und 4) ASVG

          4. gegen Entgelt (vgl § 49 ASVG)

          5. beschäftigt hat,

          6. der in der Krankenversicherung pflichtversichert, nämlich entwe-

              der

              a) vollversichert (vgl § 4 Abs 1 ASVG) oder

              b) (insbesondere infolge des Nichterreichens der Geringfügigkeits-

                   grenze des § 5 Abs 2 ASVG) zumindest teilversichert (vgl § 7

                  Z 1 und § 8 Abs 1 Z 1 ASVG) und

          7. nicht gemäß § 5 ASVG von der Versicherungspflicht ausgenommen ist

         und

          8. hierüber entweder eine Meldung oder eine Anzeigeentweder

              in einem oder in zwei Schritten (vgl § 33 Abs 1a ASVG) – entweder

              a) nicht erstattet oder

              b) falsch erstattet oder

              c) nicht rechtzeitig erstattet hat (vgl § 33 Abs 1 ASVG).

 

4.3. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die der Bwin angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl zB VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

Wenn nun § 44a Z 1 und Z 2 VStG als einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsstrafverfahrens festlegen, dass der Spruch eines Straferkenntnisses den genauen Tatvorwurf sowie die Verwaltungsvorschrift(en) zu bezeichnen hat, die durch die Tat verletzt wurde(n), so wird der Spruch des hier angefochtenen Bescheides diesem Erfordernis – und zwar auch nicht in Verbindung mit der zu dessen Auslegung allenfalls heranziehbaren Begründung - schon deshalb nicht gerecht, weil insgesamt insbesondere keinerlei Bezugnahme auf die oder eine nähere Konkretisierung der in § 4 Abs 1 und 2 ASVG, § 33 Abs 1 ASVG, § 33a Abs 1 ASVG sowie in § 35 Abs 1 und 3 ASVG positivierten essentiellen Tatbestandselemente enthalten ist.

Allerdings ist festzuhalten, dass zwar wesentliche Tatbestandselemente vom Wortlaut des im vorliegenden Fall gewählten Spruchtextes, der sich lediglich an §  33 Abs 1 und § 111 ASVG orientiert, implizit umfasst sind; die obgenannten weiterführenden Gesetzesbestimmungen stellen teils eine Vertiefung der in § 33 Abs 1 und § 111 ASVG angeführten Tatbestandselemente dar. Im Sinne einer konkreten Tatbeschreibung nach § 44a Z 1 VStG kann die Anführung dieser – je nach dem zu beurteilenden Sachverhalt - deskriptiven Tatbestandselemente dann – und nur dann – in der im gegenständlichen Fall gewählten impliziteren Form erfolgen, wenn die oa. Tatbestandselemente hinreichend in der Begründung korrespondierend zum Spruch erschöpfend erläutert und gerechtfertigt werden.

Dies gilt aber wohl nicht für die u.a. in § 5 normierten Ausnahmebestimmungen von der Versicherungspflicht. Dieses Tatbestandselement (vgl Punkt 7 in der o.a. getroffenen Darstellung) ist aus dem Wortlaut des § 33 Abs 1 ASVG nur im Umkehrschluss abzuleiten und somit per se als fraglos konstitutives Tatbestandselement jedenfalls stets im Spruch anzuführen. Das Fehlen eines Tatbestandselements im Spruch kann nicht durch bloße Feststellungen in der Begründung "geheilt" werden.

 

4.4. Im gegenständlichen Fall wurde der Bwin allgemein angelastet, dass sie als Gewerbeinhaberin und Betreiberin ihrer Firma zu verantworten habe, dass sie als Arbeitgeberin in ihrer Betriebsstätte zum einem die kroatische Staatsangehörige X von 4. Mai 2008 bis zumindest 9. September 2008 als Reinigungskraft und zum anderen die türkische Staatsangehörige X von 8. September 2008 bis 10. September 2008 als Kellnerin gegen Entgelt beschäftigt habe, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung angemeldet worden wären.

 

4.4.1. Zum Spruchpunkt 1.:

 

Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses und aus dem im vorgelegten erstbehördlichen Akt aufliegenden ELDA-Protokoll vom 11. September 2008 geht in diesem Fall hervor, dass nach der Kontrolle eine geringfügige Beschäftigung der X für die Bwin mit 10 Wochenstunden und einem Entgelt in Höhe von 300 Euro ab 9. September 2008 beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Nach der vom Kontrollorgan aufgenommenen Niederschrift vom 9. September 2008 hat Frau Blazevic eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft mit 300 Euro im Monat auch für die Zeit davor seit Mai 2008 zugegeben.

 

Unabhängig von dem gerügten Verfahrensmangel, wonach X möglicherweise der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig war und die Niederschrift nicht ganz verstanden habe, steht schon nach der Aktenlage für den Oö. Verwaltungssenat im Ergebnis fest, dass im gegenständlichen Fall jedenfalls keine Beschäftigung oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen sein konnte, zumal ein die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 ASVG übersteigendes Entgelt auch nach Darstellung des Kontrollorgans tatsächlich nicht vereinbart wurde.

 

Da nach § 7 Z 3 lit a ASVG geringfügig beschäftigte Personen (nur) in der Unfallversicherung hinsichtlich dieser Tätigkeiten – nicht jedoch in der Krankenversicherung (teil-)pflichtversichert sind, geht der der Bwin im bekämpften Straferkenntnis gemachte Vorwurf, Frau X nicht vor Arbeitsantritt "zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung" angemeldet zu haben, ins Leere.

 

Eine Beweisaufnahme betreffend die Überprüfung des Sachverhalts zur Frage der Versicherungspflicht im Rahmen der Unfallversicherung war nicht notwendig, zumal die Berufungsbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gemäß § 66 Abs 4 AVG nicht befugt ist, den Tatvorwurf auszutauschen. Sache des Berufungsverfahrens ist nur der Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde (vgl etwa VwGH 24.3.1994, Zl. 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, Zl. 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, Zl. 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, Zl. 93/11/0107). Auf der Grundlage des erhobenen Tatvorwurfes war vielmehr entscheidend, dass die Geringfügigkeitsgrenze jedenfalls nicht überschritten wurde, weshalb für die Bwin keine gesetzliche Verpflichtung bestand, diese Beschäftigte zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung anzumelden.

 

4.4.2. Zum Spruchpunkt 2.:

 

In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht die belangte Behörde bei Frau X offenbar in Anlehnung an die erstattete Anzeige von einem Beschäftigungszeitraum vom 8. bis 10. September 2008 aus, ohne dazu im einzelnen Feststellungen zu treffen und sich mit dem Vorbringen der Bwin in hinreichend schlüssiger Weise auseinanderzusetzen. Nach der Aktenlage kommt als Beweismittel für die angelastete Übertretung neben der Anzeige des Kontrollorgans nur die von diesem mit der jugendlichen X aufgenommene Niederschrift vom 10. September 2009 in Betracht. Die belangte Behörde selbst hat keine Beweise aufgenommen.

 

Nach der mittels Vordruck rudimentär erstellten Niederschrift hat X angegeben, seit 8. bis 10. September 2008 im Ausmaß von 3,5 Stunden am Tag (10:30 Uhr – 14:00 Uhr) zu arbeiten. Zur Entlohnung wurde die Antwort protokolliert: "wenn ich hier arbeite, dann 450,- € im Monat, wir haben aber noch nichts ausgemacht". Dann wird noch Essen und Trinken angegeben. Ferner wird zur Frage, ob sie schon bei anderen Firmen arbeitete, vermerkt, dass sie 3 Tage von 07:00 bis 17:00 Uhr im Februar 2008 im Stadt-Cafe X in Form von "Schnuppern" gearbeitet hätte.

 

In der Anzeige des Kontrollorgans vom 22. September 2008 wird angeführt, dass X, geb. X, "bei Servicearbeiten, Kellnerin" im genannten Lokal angetroffen worden sei. Danach wird gleichsam in Ergänzung zur aufgenommenen Niederschrift festgehalten:

 

"Frau X gab ebenso an, hier im Lokal nur zu 'schnuppern', also zur Probe hier zu sein. Diese Angaben stellten sich jedoch als unrichtig heraus, da es sich bei der Firmeninhaberin X um die Schwester der Frau X handelt.

Auch wurde bei der Kontrolle festgestellt, das X alleine im Lokal war.

Es war niemand hier um sie einzuschulen.

Frau X ist mit der Geschäftshandhabung gut vertraut, was darauf schließen lässt, dass sie schon des öfteren im Lokal gearbeitet hat, also nicht zur Einschulung hier war,"

 

Bei der gegebenen Beweislage teilt der erkennende Verwaltungssenat im Ergebnis die Ansicht der Berufung, dass die im Spruchpunkt 2. angelastete Verwaltungsübertretung nach Ausweis der Aktenlage nicht erwiesen ist. Die belangte Behörde hat sich nämlich einfach der persönlichen Meinung des Anzeigenlegers angeschlossen, ohne dessen Ausführungen kritisch zu hinterfragen und allenfalls selbständig Ermittlungen durchzuführen, ob in diesem Fall tatsächlich schon eine Beschäftigung in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängig gegen Entgelt vorlag.

 

Die oben wiedergegebenen Ausführungen der Anzeige sind teilweise unschlüssig. Die Darstellung der X, wonach sie im Lokal nur "schnuppern" würde, durfte entgegen der Anzeige nicht deshalb als unrichtig abgetan werden, weil es sich bei der Bwin um ihre Schwester handelt. Wie die Berufung mit Recht kritisiert, scheint diese Begründung auf eine Voreingenommenheit des Kontrollorgans hinzudeuten, wonach Angaben der Schwester von vornherein nicht wahrheitsgemäß wären. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass X im Haushalt bei der Bwin und ihrem Gatten X in der X in X seit 20. Juni 2008 gemeldet war (vgl. aktenkundige ZMR-Anfrage vom 15.09.2008) erscheint die Darstellung der Bwin, dass ihre Schwester X quasi ein Familienmitglied sei und lediglich im Rahmen des Familienverbandes im Lokal mitgeholfen hatte, weder unplausibel noch lebensfremd. Der Anzeigeleger hat nach h. Ansicht im Rahmen der durchgeführten Kontrolle keine bestimmten Tatsachen festgestellt, die diese Einlassung der Bwin widerlegen könnten.

 

Der Umstand, dass X bei einer "Momentaufnahme" zur Zeit der Kontrolle am 10. September 2008 von 10:45 Uhr bis 11:15 Uhr allein im Lokal und niemand zur Einschulung anwesend war, ist noch nicht in der Weise aussagekräftig, dass daraus schon auf ein Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden könnte. Auch die Vertrautheit mit der Geschäftshandhabung, die noch dazu durch eine frühere Tätigkeit im Stadt-Cafè X erklärbar wäre, spricht nicht gegen die Darstellung, dass X nur zur Probe "geschnuppert" und im Rahmen des Familienverbandes mitgeholfen hat und eine Vereinbarung über eine laufende Beschäftigung noch nicht getroffen worden war (vgl. auch die Niederschrift vom 10.09.2008 mit X). Für ein Schnuppern spricht auch noch die geringe Arbeitszeit von 3,5 Stunden pro Tag. Dass X als Schwester der Bwin von dieser auch Essen und Trinken erhält, lässt sich schon allein aus ihrer Integration als Familienmitglied erklären und muss daher nicht mit der Tätigkeit im Lokal zusammenhängen.

 

Der belangten Behörde kann daher schon in tatsächlicher Hinsicht nicht gefolgt werden, wenn sie bei X ohne ausreichende Beweise von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Bwin ausgegangen ist.

 

4.5. Übertretungen des § 111 Abs 1 ASVG können der Bwin im Übrigen nur dann rechtmäßig angelastet werden, wenn die unter 4.2. angeführten wesentlichen Tatbestandsmerkmale im Spruch des Straferkenntnisses enthalten und dort in einer der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Form hinreichend konkretisiert sind (wobei hiezu gegebenenfalls insbesondere auch eine dezidierte Anführung, dass Ausnahmen, die ex lege zu einer Nichterfüllung des Tatbildes führen würden, in concreto nicht vorliegen, erforderlich ist). Auch insofern lässt der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses, der außer der zeitlichen und örtlichen Orientierung im Grunde lediglich den Gesetzestext wiedergibt und daher nur pauschal Übertretungen des § 111 iVm § 33 ASVG zur Last legt, zu wünschen übrig.

 

5. Im Ergebnis war aus den angeführten Gründen der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis in Bezug auf beide Anlastungen aufzuheben. Die Strafverfahren waren mangels einer tauglichen Tatanlastung und erwiesenen Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Gemäß § 66 Abs 1 VStG entfiel damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigen Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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