Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164525/2/Bi/Th

Linz, 29.10.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau X, vertreten durch Herrn RA Mag. X, vom 19. Oktober 2009 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Urfahr-Umgebung vom 2. Oktober 2009, VerkR96-4408-2009, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 150 Euro (60 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 18. Juni 2009, 7.40 Uhr, in der Gemeinde Ottensheim, B127 Rohrbacher Straße bei km 11.136, in Fahrtrichtung Linz , Pkw X, zum einem vor ihr fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, dass jederzeit ein recht­zeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre. Sie sei dadurch einem vor ihr anhaltenden Fahrzeug aufgefahren.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 15 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäfts­ver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich trotz des Verhandlungsantrages (§ 51e Abs.2 Z1 iVm Abs.4 VStG). 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe keinen Sach­verhalt festgestellt. Sie habe die ihr im Spruch vorgehaltene Übertretung nicht begangen. Inwiefern sie einen zu geringen Tiefenabstand eingehalten habe, werde auch nicht dargetan, sondern nur ihre 1. Verantwortung, dass sie aus welchen Gründen immer, eventuell wegen Sonnenblendung, übersehen habe, dass die Fahrzeuge vor ihr zum Stehen gekommen seien. 

Selbst nach den Ausführungen der Erstinstanz sei die Kollision offenbar dadurch zustande gekommen, dass sie nicht richtig reagiert habe, weil sie wegen Sonnen­blendung oder aus einem sonstigen Grund die vor ihr stehenden Fahrzeuge nicht bemerkt habe. Ursache dafür sei aber nicht ein zu geringer Tiefenabstand. Die Erstinstanz habe verkannt, dass es dafür mehrere Gründe geben könne; viel­mehr sei eine Reaktionsverspätung "mangels" (gemeint wohl: "wegen") Sicht­behinderung, wie sie das immer angegeben habe, Ursache gewesen – aber nicht Gegenstand des Straferkenntnisses, weshalb dessen Aufhebung und Verfahrens­ein­stellung, nach Anberaumung einer Berufungs­verhandlung, beantragt werde.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus ergibt sich, dass die Bw als Lenkerin eines Pkw zur Vorfallszeit insofern einen Auffahrunfall verursachte, als sie auf den vor ihr im Verlauf einer anhal­ten­den Kolonne zum Stillstand gekommenen Pkw auffuhr. Der Pkw, auf den sie auf­fuhr, wurde gegen den vor diesem stehenden Pkw geschoben; die Lenkerin des 2. vor ihr stehenden Pkw erlitt ein Schleudertrauma, dh eine leichte Verletzung. Infolge Einstellung des Verfahrens wegen § 88 Abs.1 StGB wegen Geringfügigkeit kam der Bw § 99 Abs.6 lit.a StVO nicht mehr zugute. Die Benachrichtigung der StA Linz gemäß Art.IV Verkehrsrecht-Anpassungsgesetz 1971 (Abs.2: "Die Zeit von der Erstattung der Strafanzeige wegen eines Verkehrsunfalls bis zum Einlangen der im Abs. 1 genannten Mitteilung bei der zuständigen Verwaltungs­behörde ist in die Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 VStG) nicht einzurechnen.") langte am 5. August 2009 bei der Erstinstanz ein, dh mit diesem Datum begann die Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.2 VStG zu laufen. 

 

Nach der Aussage der verletzen Lenkerin X am 19. Juni 2009 fuhr diese mit dem Pkw X am 18. Juni 2009 gegen 7.40 Uhr auf der B127 in Richtung Linz, wobei sie in der Kolonne mit schätzungsweise ca 40 bis 50 km/h unterwegs war. Nach Umschalten der Ampel bei der Kreuzung B127-  Linzer­straße in Ottensheim Richtung Tunnel Dürnberg auf Grünlicht habe sie kurz nach der Ampel erkannt, dass die Kolonne vom Tunnel rückwärts zum Stehen kam und habe hinter dem Pkw X mit ca 2 m Abstand angehalten. Als sie bereits gestanden sei, sei von hinten ein Fahrzeug auf ihren Pkw aufgefahren und habe sie mit ihrem Pkw auf den vor ihr stehenden Pkw geschleudert. Hinter ihr seien zwei weitere Fahrzeuge aufgefahren. Die Lenkerin des letzten Pkw, die Bw, habe sofort angegeben, sie habe den Stillstand der Kolonne übersehen und sei deshalb aufgefahren.

Die Lenkerin des vor dem der Bw angehalten habenden Pkw X X gab am 19. Juni 2009 an, bereits nach der Kreuzung B127 – Linzerstraße beim Einordnen auf eine Spur sei dort eine zähflüssige Kolonne gewesen, die 100 m nach dem Autohaus Ottensheim zum Stehen gekommen sei. Sie habe schon angehalten gehabt, sei aber nicht auf der Bremse gestanden, als hinten ein Fahrzeug auf ihren Pkw aufgefahren sei. Sie sei dadurch auf den Pkw vor ihr geschleudert worden.

Die Lenkerin des Pkw X X bestätigte am 19. Juni 2009, die sei ca 100 m nach dem Autohaus Ottensheim in der Kolonne zum Stehen gekommen, wobei sie im Rückspiegel gesehen habe, dass auch der Pkw hinter ihr schon gestanden sei. Plötzlich sei dieser auf ihren Pkw geschleudert worden, wobei aber den Anprall nicht mehr so heftig gewesen sei, weil sie soeben mit der Kolonne weiterfahren wollte.

 

Die Bw gab am 19. Juni 2009 an, sie sei auf Höhe des Autohauses Ottensheim vermutlich mit 30 bis 40 km/h gefahren, da sie bereits die vom Tunnel weg stehende Kolonne gesehen habe. Ca 100 m nach dem Autohaus habe sie, aus welchen Gründen immer, total übersehen, dass die Fahrzeuge vor ihr zum Stehen gekommen waren. Ein möglicher Grund dafür könne die Sonnenein­blendung gewesen sein, sie habe keine Sonnenbrille getragen. Sie habe auch beim Pkw vor ihr kein Bremslicht gesehen, die Lenkerin dürfte nicht auf der Bremse gestanden sein. Sie habe die Situation nicht rechtzeitig wahrgenommen, sei aber völlig fahrtüchtig gewesen, weil sie weder am Tag davor noch in der Nacht Alkohol konsumiert gehabt habe; auch sonst sei ihre Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt gewesen.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist in rechtlicher Hinsicht nicht von einer Übertretung gemäß § 18 Abs.1 StVO auszugehen, weil keine objektiven Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Bw beim Fahren hinter dem Pkw X keinen gemäß § 18 Abs.1 StVO ausreichenden Sicherheits­abstand eingehalten hätte. Wenn, wie auch die Lenkerin X bestätigt hat, am bereits stehenden Pkw keine Bremslichter zu sehen waren, ist davon auszugehen, das dieser bereits eine Zeitlang angehalten hatte. Daher stellt sich nicht mehr die Frage nach einem Nachfahrabstand, sondern vielmehr die nach der rechtzeitigen Anpassung einer eingehaltenen Geschwindigkeit an eine geänderte Verkehrssituation im Sinne des § 20 Abs.1 StVO. Wenn, wie die Bw sagt und sich auch aus der Anzeige nichts Gegenteiliges ergibt, keine Hinweise auf eine gesundheitlich bedingte Fahruntauglichkeit bestehen, hätte die Bw, die offenbar selbst die ungünstige Sonneneinstrahlung im Sinne einer Sichtbe­hin­derung erkannt hat, ihre Geschwindigkeit dieser ungünstigen Sicht anpassen, dh reduzieren müssen.

Aus all diesen Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrens­kosten­beiträge fallen dabei natur­gemäß nicht an.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschafts­prüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

auf bereits stehendes Fahrzeug aufgefahren – beim objektiven Anhaltspunkt für einen unzureichenden Nachfahrabstand, sondern eher auf nicht der geänderten Situation angepassten Geschwindigkeit iSd § 20 Abs. 1 StVO –> Einstellung

 

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