Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-200355/21/SR/Sta VwSen-200356/18/SR/Sta VwSen-200357/18/SR/Sta VwSen-200358/18/SR/Sta VwSen-200359/18/SR/Sta VwSen-200360/18/SR/Sta VwSen-200361/18/SR/Sta VwSen-200362/18/SR/Sta VwSen-200363/18/SR/Sta VwSen-200364/18/SR/Sta VwSen-200365/18/SR/S

Linz, 29.10.2009

 

VwSen-200366/18/SR/Sta

VwSen-200367/18/SR/Sta                                                                           

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 9. Jänner 2009, Agrar96-9 bis 21-2008-Mc, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

 

§§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 9. Jänner 2009, Agrar96-9 bis 21-2008-Mc wurde das Strafverfahren gegen X, geboren am X, eingestellt.

 

Begründend führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass die Pflanzenschutzmittel zur Entsorgung gesammelt und vom Beschuldigten im Keller in einem Raum verwahrt worden waren, in dem sich auch das Archiv befunden habe. Dem Beschuldigten könne nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass er die Pflanzenschutzmittel zum Verkauf angeboten habe. Die aufgrund der Stellungnahme des X (im Folgenden: das berufungswerbende X) ergänzenden Ermittlungen und Zeugenbefragungen hätten die Angaben des Beschuldigten bestätigt. Da dem Beschuldigten daher nach wie vor nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden hätte können, dass er die Pflanzenschutzmittel zum Verkauf angeboten habe, sei von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen gewesen.

Im Hinblick auf die Einstellung seien auch die mit Bescheid vom 14. Februar 2008, AZ Agrar96-9-19-2008 sowie mit Bescheid vom 22. Februar 2008, AZ. Agrar96-20 und 21-2008 angeordneten Beschlagnahmen aufgehoben worden.

2. Dieser Bescheid wurde u.a. dem berufungswerbenden Bundesamt am 14. Jänner 2009 zugestellt.

2.1. Das berufungswerbende X erhob mit Schreiben vom 28. Jänner 2009, der Post zur Beförderung übergeben am 28. Jänner 2009  – und somit rechtzeitig – das Rechtsmittel der Berufung.

2.2. Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen der gemäß § 28 Pflanzenschutzmittelgesetz (PMG) an den Tagen 16. und 17. Jänner 2008 und 5. Februar 2008 im Betrieb des Beschuldigten vorgenommenen Kontrolle durch ein Kontrollorgan des berufungswerbenden X der begründete Verdacht von Verwaltungsübertretungen gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 sowie gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 lit. c iVm §§ 20, 21 PMG entstanden sei. Es seien im Pflanzenschutzmittel-Verkaufslager folgende Produkte (siehe Tabelle) lagernd vorgefunden und vorläufig beschlagnahmt worden:

Geschäftszahlen

Pfl.Reg.Nr.

Handelsbezeichnung

Zulassungsende

Abverkaufsfrist

28.142/04/08 Agrar96-9-2008-Mc

2667

Duplosan KV neu

31.12.2002

31.12.2003

28.142/05/08 Agrar96-10-2008-Mc

2248

Luprosil

31.12.2003

31.12.2004

28.142/06/08 Agrar96-11-2008-Mc

2004

Basagran-Plus"

26.07.1989

-

28.142/07/08 Agrar96-122008-Mc

1903

Rasen-Moos-Ex

09.10.1992

-

28.142/08/08 Agrar96-13-2008-Mc

1078

Pyramin

   29.11.2002

       29.11.2003

28.142/09/08 Agrar96-14-2008-Mc

2205

Cortilan spezial

31.12.2006

       31.12.2007

28.142/10/08 Agrar96-15-2008-Mc

1913

Dual 720 EC

25.07.2003

31.12.2003

28.142/11/08 Agrar96-16-2008-Mc

2489

Pradone Kombi

25.07.2003

31.12.2003

28.142/12/08

Agrar96-17-2008-Mc

1361

Tribunil

30.12.2003

29.07.2004

28.142/13/08

Agrar96-18-2008-Mc

1966

Bayleton 25

31.03.2004

 

31.12.2004

28.142/14/08

Agrar96-19-2008-Mc

491

Aldrex 2 (Emulsion)

23.08.1989

-

28.142/15/08

Agrar96-20-2008-Mc

544

Basudin - Stäubemittel

31.07.1994

-

28.142/16/08

Agrar96-21-2008-Mc

489

Sotor-Raupenleim

25.07.2003

31.12.2003

 

 

 

 

 

Beim Großteil dieser dreizehn vorläufig beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel seien die Zulassungen nicht nur ausgelaufen, sondern vor Jahren bzw. sogar vor Jahrzehnten aufgehoben worden. Die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel seien daher nicht gemäß § 3 Abs. 1 PMG zur Inverkehrbringung im Inland zugelassen.

Aus Sicht des berufungswerbenden X liege ein Inverkehrbringen der gegenständlichen Pflanzenschutzmittel durch den Beschuldigten als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X Landesprodukte und Baustoffe, vor.

Der Begriff des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln sei in § 2 Abs 10 PMG geregelt und als das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufes oder der sonstigen Abgabe an andere, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere – insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder – sowie die Einfuhr aus Drittländern definiert.

 

Da keiner der Ausnahmetatbestände des § 3 Abs 2 PMG in den verfahrensgegenständlichen Fällen vorliege, gehe die Behörde erster Instanz unzutreffend davon aus, dass der Beschuldigte die Pflanzenschutzmittel nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit zum Verkauf angeboten habe.

 

Zu den Ausführungen des Beschuldigten, dass dieser bei Gelegenheit die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend entsorgen würde, gebe das beschwerdeführende X bekannt, dass diese Argumente "unerheblich" seien, "da die Pflanzenschutzmittel im Zuge der durchgeführten Kontrollen lagernd vorgefunden" worden seien. Dadurch seien "die gegenständlichen Präparate in Verkehr gebracht worden". Die Behauptung des Beschwerdeführers könne als reine Schutzbehauptung angesehen werden, denn "ein ordentlicher Pflanzenschutzmittelhändler hätte diese Pflanzenschutzmittel, deren Zulassungen bereits vor Jahren bzw. sogar vor Jahrzehnten aufgehoben wurden, schon längst entsorgen lassen". Somit laute "die logische Schlussfolgerung, das die Lagerung zum Zwecke des Verkaufs und nicht zum Zwecke der Entsorgung stattgefunden" habe.

Zu den Aussagen des Vaters des Beschuldigten, wonach die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel nicht für den Verkauf bestimmt gewesen wären, da sie sich im Keller in einem Archiv befunden hätten und sich der eigentliche Verkaufsraum samt Lager im Erdgeschoss befinden würde, brachte das beschwerdeführende X vor, dass die angesprochenen Pflanzenschutzmittel im Verlaufe der Kennzeichnungskontrolle im PSM-Verkaufslager des kontrollierten Betriebes vorgefunden worden seien. Die jeweiligen Bescheinigungen, in denen der Keller als PSM-Verkaufslager bezeichnet worden war, seien vom Vater des Beschuldigten unterzeichnet worden und damit habe er die Richtigkeit des Inhaltes der Bescheinigung bestätigt. Dasselbe treffe auf die ebenfalls vom Vater des Beschuldigten unterfertigten Inspektionsberichte zu.

 

Im angesprochenen "Verkaufsraum" seien neben nichtverkehrsfähigen Produkten auch verkehrsfähige gelagert worden, ohne dass aus einer unterschiedlichen Kennzeichnung oder einer separaten Lagerung hervorgegangen wäre, dass die Bestimmung der nicht-verkehrsfähigen Produkte eine andere als das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs gewesen wäre.  

 

Gemeinsam mit diesen nicht verkehrsfähigen seien auch verkehrsfähige Pflanzenschutzmittel gelagert worden. Jene Pflanzenschutzmittel, deren Zulassungen zum Kontrollzeitpunkt noch aufrecht gewesen sei und die daher verkehrsfähig seien, seien dort eindeutig zum Verkauf vorrätig gehalten worden. Da sich die nicht verkehrsfähigen durch keinerlei Kennzeichnung von den verkehrsfähigen Produkten unterschieden hätten, sei es allein dadurch erwiesen, dass alle aufgefundenen Produkte zum Verkauf vorrätig gehalten worden seien. Die gemischte Lagerung von verkehrsfähigen mit nicht verkehrsfähigen Produkten gehe auch eindeutig aus den Inspektionsberichten LC00932 vom 16. Jänner 2008, LC00934 vom 17. Jänner 2008 sowie LC00939 vom 5. Februar 2008 hervor. Das PSM-Lager (Keller) sei ein Verkaufslager des kontrollierten Betriebes. In diesem seien auch andere Verkaufsprodukte gelagert (Arbeitskleidung, Düngemittel, Futtermittel, Büroutensilien, Buchhaltungsunterlagen).

Die Aussagen der Zeuginnen X und X müssten in begründete Zweifel gezogen werden. Diese hätten vor der Behörde erster Instanz ausgesagt, dass die "dort gelagerten Pflanzenschutzmittel weder für eine weitere Verwendung noch für den Verkauf bestimmt waren und entsprechend entsorgt" werden sollten. Da jedoch in diesem Raum auch verkehrsfähige Produkte gelagert worden seien, gehe aus den Aussagen eindeutig hervor, dass es sich bei dem Lagerraum, in dem die nicht mehr zum Verkehr zugelassenen Produkte aufgefunden worden seien, um einen Verkaufsraum handle, was den Schluss nahelege, dass sämtliche dort vermischt gelagerten Pflanzenschutzmittel zum Verkauf vorrätig gehalten worden seien.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die vom Kontrollorgan des berufungswerbenden X im Zuge der am 16. und 17. Jänner 2008 und 5. Februar 2008 vorgenommenen Kontrolle aufgefundenen und nicht den Bestimmungen der §§ 3, 20 bzw. 21 PMG entsprechenden Pflanzenschutzmittel vom Beschuldigten "durch Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufes in Verkehr gebracht" worden seien. Die Behörde erster Instanz wäre damit aufgrund des Vorliegens der angezeigten Tatbestandsvoraussetzungen verpflichtet gewesen, den Beschuldigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a PMG sowie gemäß §§ 20, 21 iVm § 34 Abs. 1 Z 1 lit. c PMG der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen schuldig zu erkennen, zu bestrafen und diesem die vom berufungswerbenden X gemäß § 6 Abs. 6 GESG iVm § 32 PMG verzeichneten Gebühren vorzuschreiben.

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat die Berufung samt dem von ihm geführten Verwaltungsakt erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

Das Rechtsmittel ist – wie bereits im Punkt 1.2 dargestellt – rechtzeitig.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat am 15. Oktober 2009 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschuldigten und des beschwerdeführenden X, vertreten durch X, durchgeführt. Die belangte Behörde ist entschuldigt der Verhandlung ferngeblieben. Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten, Darstellung des bisherigen Verfahrensganges, Einvernahme des Beschuldigten und der Zeugen X. X, geboren X, blieb entschuldigt der Verhandlung fern. Auf die neuerliche Ladung wurde von beiden Parteien verzichtet.

3.2. Daraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

3.2.1. Der Zeuge X führte als Organ des X im Geschäftslokal und im Keller des Betriebes X, Landesprodukte und Baustoffe, X, an den Tagen 16. und 17. Jänner 2008 und 5. Februar 2008 durch. Am 5. Februar 2008 wurde X vom Zeugen X, einem weiteren Organ des berufungswerbenden X, bei der Kontrolltätigkeit unterstützt.

3.2.2.1. Zu Beginn der Amtshandlung am 16. Jänner 2008, um ca. 13.00 Uhr, nahm das Kontrollorgan X mit X, geboren X (im Folgenden: Vater des Beschuldigten), Kontakt auf und teilte den Umfang der Kontrolle mit. Der Beschuldigte war urlaubsbedingt abwesend.

Das Kontrollorgan X betrachtete den Vater des Beschuldigten als den Vertreter des Beschuldigten (Funktion: ehemaliger Geschäftsführer [siehe Bescheinigungen gemäß § 29 Abs. 6 PMG vom 17. Februar 2008]) und ersuchte diesen um die erforderlichen Auskünfte.

Die PSM-Kennzeichnungskontrolle wurde am 16. Jänner 2008 um 13.32 Uhr begonnen und um 16.15 Uhr beendet (siehe Inspektionsbericht vom 16. Jänner 2008, Nr. LC00933). Der Vater des Beschuldigten zeigte dem Kontrollorgan X die im Geschäftslokal im Verkaufsregal bzw. in Schütten befindlichen, zum Verkauf bestimmten Pflanzenschutzmittel.

Erst über Nachfragen teilte der Vater des Beschuldigten mit, dass im Keller des Wohnhauses noch weitere Pflanzenschutzmittel gelagert würden.

 

Bei der nunmehr vorgenommenen Kontrolle wurden 18 Produkte im PSM-Lager im Geschäftslokal (Erdgeschoss) und im Keller des Wohnhauses einer Kontrolle unterzogen. Davon war bei elf Pflanzenschutzmitteln (Duplosan KV neu, Luprosil, Basagran-Plus, Rasen-Moos-Ex, Pyramin, Cortilan spezial, Dual 720 EC, Pradone Kombi, Tribunil, Bayleton 25 und Aldrex 2 [Emulsion]) die Zulassung aufgehoben worden bzw. hatte die Zulassung durch Zeitablauf geendet und darüber hinaus war das Ende der Abverkaufsfrist seit Jahren bzw. Jahrzehnten abgelaufen. An keinem der kontrollierten PSM-Produkte war eine Kennzeichnung angebracht, die auf eine besondere Verwendung gewiesen hat.

 

Das Kontrollorgan X teilte dem Vater des Beschuldigten mit, dass die bezeichneten Produkte vorläufig beschlagnahmt seien und nicht entfernt werden dürften, da eine Entfernung die Verletzung der Versiegelung, und somit den Tatbestand des Siegelbruches, darstelle.

 

Im Inspektionsbericht vom 16. Jänner 2008, Nr. LC00932, ist keine Rechtfertigung des Vaters des Beschuldigten wiedergegeben. Laut diesem Inspektionsbericht wurde die Amtshandlung um 13.00 Uhr begonnen und um 17.40 Uhr beendet.

 

Die Inspektionsberichte vom 16. Jänner 2008, Nr. LC00932 und LC00933, wurden vom Vater des Beschuldigten unterfertigt.

 

3.2.2.2. Am 17. Jänner 2008 wurde die amtliche Pflanzenschutzmittelkontrolle um 08.40 Uhr begonnen, um 15.10 Uhr beendet und wiederum in den angeführten Räumlichkeiten durchgeführt.

Dabei beschlagnahmte das Kontrollorgan X die am 16. Jänner 2008 vorläufig beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel nunmehr "formell". In einem "kurzen Rundgang" kontrollierte das Kontrollorgan "alle Lager an der kontrollierten Adresse auf etwaige weitere lagernde PSM-Produkte".

Im Inspektionsbericht vom 17. Jänner 2008, Nr. LC00934, hielt das Kontrollorgan fest, dass sich im kontrollierten Kellerraum auch andere Verkaufsprodukte (z.B.: Arbeitsbekleidung, Düngemittel, Futtermittel, Büroutensilien, Buchhaltungsunterlagen) befunden haben und beurteilte den Kellerraum als "das PMS-Lager" und als "ein Verkaufslager des kontrollierten Betriebes".

Der bei der Kontrolle zeitweilig anwesende Vater des Beschuldigten gab zu Protokoll, dass "die im Zuge der PSMK am 16.01.2008 vorgefundenen PSM-Produkte zum Teil zur Entsorgung vorgesehen waren". Aus verschiedenen Gründen sei "eine Entsorgung bisher nicht durchgeführt" worden. Über Befragen habe der Vater des Beschuldigten ausgeführt, dass "wir allerdings aktuell sehr wenige PSM einkaufen, da sich der Markt verändert" habe.

 

Der Inspektionsbericht vom 17. Jänner 2008, LC00934, und die Bescheinigungen vom 17. Jänner 2008, Nr. VC00148 bis VC00158, wurden vom Vater des Beschuldigten unterfertigt.

 

3.2.2.3. Am 5. Februar 2008 wurde die amtliche Pflanzenschutzmittelkontrolle von den Kontrollorganen X und X um 09.15 Uhr begonnen und um 15.30 Uhr beendet (siehe Inspektionsbericht vom 5. Februar 2008, Nr. LC00939).

 

Zu Beginn der Amtshandlung wurde dem Vater des Beschuldigten der Umfang der durchzuführenden Pflanzenschutzmittelkontrolle dargelegt. Danach war eine "Lagerkontrolle", eine "Buchprüfung im Bereich PSM – Überprüfung von Eingangs-/Ausgangsrechnungen u. diversen Liefernachweisen, Nachweiszeitraum: 10 Monate rückwirkend" beabsichtigt.

 

Bei der "stichprobenartigen Lagerkontrolle" wurde im (bereits am 16. und 17. Jänner kontrollierten) Kellerraum des Wohnhauses eine Kennzeichnungskontrolle an vier Pflanzenschutzmittelpräparaten vorgenommen. Dabei wurden eine Probe vom Pflanzenschutzmittel "Rasen-Banvel bzw. Banvel-M-Linz" entnommen, die beiden Pflanzenschutzmittel "Basudin-Staub" und "Sotor-Raupenleim" vorläufig beschlagnahmt und dem Vater des Beschuldigten die Bescheinigungen vom
5. Februar 2008 mit den Nummern VC00159 und VC00160 nach dessen Unterfertigung ausgefolgt.

 

Im Inspektionsbericht vom 5. Februar 2008 haben die beiden Kontrollorgane ausgeführt, dass "im weiteren Kontrollverlauf die Buchprüfung bezugnehmend auf Pflanzenschutzmittel stichprobenartig durchgeführt wurde". Weiters wurde festgehalten, dass der Vater des Beschuldigten zu Protokoll gegeben habe, dass er die für den geforderten Kontrollzeitraum (10 Monate rückwirkend) vorgelegten Buchhaltungsnachweise den Kontrollorganen buchhalterisch vollständig vorgelegt habe. Das Ergebnis der "Buchprüfung" haben die Kontrollorgane nicht festgehalten. Es wurde ausschließlich vermerkt, dass die Unterlagen wieder vollständig retourniert wurden.

 

3.2.3. Auf Grund der Anzeigen vom 21. Jänner und 7. Februar 2008 hat die Behörde erster Instanz mit Bescheiden vom 14. Februar 2008, GZ Agrar96-9 bis 19-2008-Mc, und vom 22. Februar 2008, GZ Agrar96-20 und 21-2008-Mc die (unter Punkt 2.2. angeführten) vorläufig beschlagnahmen Pflanzenschutzmittel zur Sicherung der Strafe des Verfalls beschlagnahmt.

Diese Bescheide wurden dem Beschuldigten am 19. bzw. 26. Februar 2008 zugestellt und sind in Rechtskraft erwachsen.

 

3.2.4. Am 6. März 2008 wurde der Beschuldigte niederschriftlich befragt. Nach Vorhalt der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen führte dieser aus, dass es sich beim Keller um kein Verkaufslager sondern um ein Archiv zur Aufbewahrung der Ordner für die Buchhaltung handle. Die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel seien in diesen Keller verbracht worden, weil die Zulassung aufgehoben worden sei und diese nicht mehr verkauft, sondern bei Gelegenheit den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend entsorgt werden sollten.

 

Der ebenfalls am 6. März 2008 niederschriftlich befragte Vater des Beschuldigten brachte vor, dass es sich beim Keller um ein Archiv zur Aufbewahrung der Ordner der Buchhaltung der abgelaufenen 10 Jahre handle. Dies würden die vorliegenden Fotos belegen. Neben den Ordnern seien die abgelaufenen Mittel zu sehen. Die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel seien in den Raum verbracht worden, weil die Zulassungen mittlerweile aufgehoben worden seien und nicht mehr verkauft, sondern bei Gelegenheit entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen entsorgt werden sollten. Der eigentliche Verkaufsraum samt Lager befinde sich im Erdgeschoss. Die für den Verkauf bestimmten Mittel würden dort zugleich gelagert. Dies sei auch dem anwesenden Kontrollorgan mitgeteilt worden, aus ihm unerklärlichen Gründen sei aber von diesem nicht näher darauf eingegangen worden.

Abschließend erklärte der Vater des Beschuldigten ausdrücklich, dass die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel nicht für den Verkauf bestimmt waren, da sich diese im Keller im Archiv befunden hätten und sich der eigentliche Verkaufsraum samt Lager im Erdgeschoss befinde.

 

3.2.5. In der Stellungnahme vom 13. August 2008 wies das berufungswerbende X darauf hin, dass die Argumente des Beschuldigten unerheblich seien, da "erstens die Pflanzenschutzmittel lagernd vorgefunden wurden, wodurch gegenständliche Präparate in Verkehr gebracht" worden seien.

Nach rechtlichen Ausführungen kommt das berufungswerbende X zum Ergebnis, dass "somit der Tatbestand des Lagerns und Vorrätighaltens zum Zwecke des Verkaufs" vorliege.

Zweitens seien die Zulassungen der dreizehn beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel nicht nur ausgelaufen, sondern die Zulassungen seien sogar vor Jahren bzw. vor Jahrzehnten aufgehoben (!) worden. Die Behauptung des Beschuldigten könne nur als Schutzbehauptung angesehen werden, denn ein ordentlicher Pflanzenschutzmittelhändler hätte diese Pflanzenschutzmittel schon längst entsorgen lassen. "Es könne davon ausgegangen werden, dass die Lagerung zum Zwecke des Verkaufs, und nicht zum Zwecke der Entsorgung stattgefunden" habe.

Eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Vaters des Beschuldigten wird nicht vorgenommen, sondern nur darauf hingewiesen, dass dieser sowohl die Bescheinigungen als auch die Inspektionsberichte unterzeichnet habe und aus diesen hervorgehe, dass die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel "im Verlaufe der Kennzeichnungskontrolle im PSM-Verkaufslager des kontrollierten Betriebes vorgefunden" worden seien.

 

3.2.6. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung am 29. Oktober 2008 gab die seit 10 Jahren im Betrieb tätige Zeugin X nach Zeugenbelehrung an, dass die Kontrollen jeweils im eigentlichen Verkaufsraum erfolgt seien. Dem Kontrollorgan seien auch jene Mittel im Keller gezeigt worden, die dort für eine Entsorgung gelagert worden seien. Diese Mittel hätten sich dort befunden, weil ein Rücknahme durch die Lieferfirma nicht möglich gewesen sei; der Vater des Beschuldigten habe eine telefonische Abklärung mit der Lieferfirma vorgenommen. Der vorliegende Kellerraum sei kein Verkaufslager sondern diene in erster Linie der Aufbewahrung von Ordnern aus dem Büro, diversem Büromaterial, Werbematerial und unter anderem der Aufbewahrung von abgelaufenen bzw. nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zu deren Entsorgung. Die im Kellerraum gelagerten Pflanzenschutzmittel seien weder für den Verkauf noch für eine weitere Verwendung bestimmt gewesen. Sie hätten entsprechend entsorgt werden sollen. Die zum Verkauf bestimmten Waren würden sich im Verkaufsraum befinden. Es würden von den Pflanzenschutzmitteln nur jene Mengen eingekauft, die über die Sommersaison auch verkauft würden. Eine separate Lagerung von Waren, die zum Verkauf bestimmt seien, finde nicht statt. Warum das Kontrollorgan den Kellerraum (Archiv) als Verkaufslagerraum bezeichnet habe, sei ihr unerklärlich.

 

Weiters wurde am 29. Oktober 2008 die Zeugin X niederschriftlich befragt. Nach der Zeugenbelehrung brachte die seit Jänner 1980 im Betrieb des Beschuldigten (vormals im Betrieb des Vaters des Beschuldigten; Tätigkeitsbereich: Büro und Verkauf) tätige Zeugin vor, dass die Kontrollen jeweils im eigentlichen Verkaufsraum erfolgt seien. Dem Kontrollorgan seien auch jene Mittel im Keller gezeigt worden, die dort für eine Entsorgung gelagert worden seien. Diese Mittel hätten sich dort befunden, weil eine Rücknahme durch die Lieferfirma nicht möglich gewesen sei; der Vater des Beschuldigten habe eine telefonische Abklärung mit der Lieferfirma vorgenommen. Der vorliegende Kellerraum sei kein Verkaufslager sondern diene in erster Linie der Aufbewahrung von Ordnern aus dem Büro, diversem Büromaterial, Werbematerial und unter anderem der Aufbewahrung von abgelaufenen bzw. nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmitteln bis zu deren Entsorgung. Die im Kellerraum gelagerten Pflanzenschutzmittel seien weder für den Verkauf noch für eine weitere Verwendung bestimmt gewesen. Sie hätten entsprechend entsorgt werden sollen. Die zum Verkauf bestimmten Waren würden sich im Verkaufsraum befinden. Es würden von den Pflanzenschutzmitteln nur jene Mengen eingekauft, die über die Sommersaison auch verkauft würden. Eine separate Lagerung von Waren, die zum Verkauf bestimmt seien, finde nicht statt. Warum das Kontrollorgan den Kellerraum (Archiv) als Verkaufslagerraum bezeichnet habe, sei ihr unerklärlich.

 

3.2.7. Mit Schreiben vom 28. November 2008 wurde das berufungswerbende X vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Laut Aktenvermerk vom 12. Dezember 2008 habe Frau X telefonisch mitgeteilt, dass keine weitere Stellungnahme abgegeben werde, sämtliche Verfahren zusammengefasst, nur eine Strafe verhängt und die Gebühren nur einmal verrechnet werden sollten. Eine solche Vorgehensweise sei auch bei anderen BH´s üblich.

 

3.2.8. Wie unter Punkt 1 dargelegt, hat die Behörde erster Instanz das Strafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt und die bescheidmäßig angeordnete Beschlagnahme aufgehoben.

 

3.2.9. Mit Fax vom 22. Jänner 2009 übermittelte der Beschuldigte der Behörde erster Instanz den Nachweis für die ordnungsgemäße Entsorgung der ursprünglich beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel. Das berufungswerbende X wurde von der Behörde erster Instanz hievon unverzüglich in Kenntnis gesetzt.

 

3.2.10.1. Präzisierend brachte der Beschuldigte in der mündlichen Berufungsverhandlung vor, dass der kontrollierte Keller eine Privaträumlichkeit - und keine Betriebsräumlichkeit - darstelle, in dem diverse Büro- und Werbematerialen gelagert würden. Die Pflanzenschutzmittel, die sich bei der Kontrolle in diesem Keller befunden haben, hätte sein Vater während seiner Geschäftsführertätigkeit gekauft und auch gelagert. Die Rechnungen dafür müsse es noch geben. Zum Zeitpunkt der Firmenübernahme (1.1.2006) wären diese bereits im Keller gelagert worden. Ob sich unter den gelagerten Pflanzenschutzmitteln auch noch zugelassene befinden würden, könne er nicht angeben. Er habe jedenfalls während seiner Geschäftsführertätigkeit keine gekauft und im Keller gelagert. Die von ihm gekauften, geringen Mengen (Jahresbedarf von ca. 4 bis 5 Kartons) würden im Geschäftslokal in einem Regal (Schütte) angeboten und dieser Bereich diene auch gleichzeitig als Pflanzenschutzmittellager.

Der Grund für die Verschaffung in den Keller liege einerseits darin, dass der Verkauf stetig rückgängig gewesen sei, die Produkte nicht mehr benötigt wurden  und andererseits diese irgendwann entsorgt werden sollten. Eine Entsorgung habe nicht stattgefunden (Seite 2 des Tonbandprotokolls: "Aus den Augen aus dem Sinn"). Eigentlich sei diese durch den Transport aus dem Geschäftslokal in den Keller vorgenommen worden. Ein Einblick in die Buchhaltungsunterlagen belege, wann die im Keller gelagerten Pflanzenschutzmittel angekauft worden sind.
Ebenfalls könne damit belegt werden, dass in den letzten Jahren keine dieser gelagerten Produkte verkauft worden sind. Die Kontrolle der Buchhaltungsunterlagen habe keinen derartigen Hinweis erbracht. Unverständlicherweise hätten die Kontrollorgane nicht festgehalten, dass im Überprüfungszeitraum (10 Monate zurück) keines der angesprochenen Pflanzenschutzmittel verkauft worden ist und die Buchhaltung in Ordnung war.

 

3.2.10.2. In der mündlichen Verhandlung schilderte das Kontrollorgan X die Amtshandlung an den einzelnen Kontrolltagen. Die Ausführungen stimmten im Wesentlichen mit den vorgelegten schriftlichen Unterlagen überein.

 

Das Pflanzenschutzmittellager im Geschäftslokal wurde von ihm nur einer stichprobenartigen Kontrolle unterzogen. Das Lager im Keller konnte erst nach Passieren von Privaträumlichkeiten (Stiegenhaus) erreicht werden und befindet sich im Bereich des Wohnhauses. Das Geschäftslokal nimmt nur einen Teil im Erdgeschoss des Wohnhauses ein.

 

Bei der Kontrolle der Pflanzenschutzmittel wurde ausschließlich auf deren aufrechte Zulassung geachtet und nicht darauf, wann die einzelnen Produkte zugelassen bzw. wann diese hergestellt oder angekauft worden sind. Der bei der Kontrolle zeitweilig anwesende Vater des Beschuldigten habe teilweise überrascht und teilweise verständnislos reagiert. Jedenfalls brachte der Vater des Beschuldigten deutlich zum Ausdruck, dass die Entsorgung der Pflanzenschutzmittel beabsichtigt sei und warum diese noch nicht vorgenommen worden wäre. Das Kontrollorgan schloss aus diesen Aussagen, dass die Entsorgung nicht zustande gekommen sei, weil es der zeitintensive Geschäftsbetrieb nicht zugelassen und der Vater des Beschuldigten nicht gewusst habe, welche Produkte nicht mehr zugelassen waren. Da keine besondere Kennzeichnung an den nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmitteln angebracht war und diese nach wie vor gelagert wurden, vermutete das Kontrollorgan, dass diese weiterhin gelagert werden sollten um im Bedarfsfalle zukünftig einen Verkauf vorzunehmen.

Abgesehen von der Kontrolle der Buchhaltung durch X und X, die keinen Hinweis auf einen Ankauf oder Verkauf der im Keller vorgefundenen zugelassenen und nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittel ergeben hat, haben die Kontrollorgane keinerlei Ermittlungen angestellt, um Beweise zu Tage zu fördern, die auf ein Lagern oder Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder einer Abgabe an Dritte hinweisen würden. Weitergehende Erhebungen wurden von ihnen deshalb unterlassen, da bereits das Lagern den Tatbestand verwirklicht habe.

 

3.2.10.3. Zu ihren bisherigen Aussagen, die auch in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten wurden, machte die Zeugin X über Befragen ausführlichere Angaben.

Einleitend legte sie dar, dass sie in der Firma des Beschuldigten für die Buchhaltung, den Einkauf, den Verkauf und die gesamte Lohnverrechnung zuständig sei.

Ausschließlich im Geschäftslokal würden sich die zum Verkauf bestimmten Pflanzenschutzmittel befinden. Das Regal und die Schütten im Geschäftslokal seien gleichzeitig das Pflanzenschutzmittellager. Lediglich die dort angebotenen Produkte würden verkauft werden. Sowohl das Angebotssegment als auch der Umsatz seien äußerst gering. Zuletzt habe sie in einem Jahr nur mehr eine Schachtel bestellt und daraus maximal vier Flaschen verkauft. Um die Verkaufssituation anschaulich zu schildern, wies die Zeugin darauf hin, dass sich der Umsatz mit Pflanzenschutzmittel schon aus der Ordnerdicke erkennen lasse. Früher hätten die Einlageblätter den Landwirtschaftsordner beinahe ausgefüllt (Ordnerstärke ca. 5 bis 8 cm) und nunmehr würden die gesamten Bewegungen wenige Blätter umfassen (maximal einen Zentimeter).

Der vom Kontrollorgan X als Pflanzenschutzmittelraum bezeichnete Keller werde tatsächlich nur als Archivraum benutzt, in dem sich neben Werbeartikeln, Kundengeschenke, Toilettenpapier, Büromaterial und Buchhaltungsunterlagen befinden würden. Weiters seien in diesem Keller auch Pflanzenschutzmittel, die nicht mehr für den Verkauf vorgesehen waren, bis zur Entsorgung zwischengelagert worden. Die Entsorgung sei leider verabsäumt worden. Wann letztmalig Pflanzenschutzmittel in den Keller verbracht worden sind und um welche es sich dabei gehandelt hat, konnte die Zeugin nicht mehr angeben; letztmalig sei dies vor Jahren geschehen. Ob sich auch zugelassene Produkte neben nicht mehr zugelassenen während der Kontrolle im Keller befunden haben, wusste die Zeugin nicht. Vor dem Geschäftsführerwechsel habe ausschließlich der Vater des Beschuldigten mit den Landwirtschaftsprodukten und somit auch mit den Pflanzenschutzmitteln zu tun gehabt. Nach dem Geschäftsführerwechsel wurde mit dem stark reduzierten Angebot im Geschäftslokal das Auslangen gefunden. Anfragen von Landwirten, die über die Produktpalette (Pflanzenschutzmittel im Geschäftslokal) hinausgingen, wurden beispielsweise an das Lagerhaus verwiesen. Selbst wenn jemand ein im Keller befindliches Produkt nachgefragt hätte, wäre er mit dem Hinweis, dass ein derartiges Produkt nicht mehr angekauft werde, weiterverwiesen worden. Erläutend führte die Zeugin aus, dass sie eine andere Auskunft auch nicht geben hätte können, da sie selbst nicht gewusst habe, welche Pflanzenschutzmittel im Keller gelagert worden sind.

Wäre ein Produkt aus dem Keller geholt und verkauft worden, dann wäre ein Verkaufsbeleg ausgestellt worden und ihr dies zur Kenntnis gelangt. So etwas sei nicht passiert und die Kontrolle der Buchhaltung habe so einen Vorfall auch nicht hervorgebracht. Obwohl sie die Pflanzenschutzmittel im Keller nicht namentlich kenne, sei die Zeugin aufgrund der Produktkataloge in Kenntnis, welche zugelassenen Pflanzenschutzmittel am Markt seien. Die Produkte, die sich im Geschäftslokal befunden haben, seien ihr bekannt und andere seien nicht verkauft worden.

 

3.2.10.4. Zu den Aussagen vor der Behörde erster Instanz, die auch in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten wurden, machte die Zeugin X über Befragen ausführlichere Angaben.

Nach der Umschreibung ihres Aufgabenbereiches (Verkauf; Bestellung, Übernahme und Auslieferung von Waren; Ausstellen von Lieferscheinen) brachte die Zeugin vor, dass sie ständig den gegenständlichen Keller aufsuche, da sich in diesem alle Büroartikel befinden würden. Die zum Kontrollzeitpunkt im Keller befindlichen Pflanzenschutzmittel habe sie dabei wahrgenommen, sich damit aber nicht auseinandergesetzt und könne sie daher auch nicht namentlich benennen. Diese Produkte würden sich schon jahrelang im Keller befinden, seien nicht für den Verkauf bestimmt und sie habe derartige Produkte im Keller weder gelagert noch geholt und auch nicht verkauft. Infolge der langen Lagerzeit gehe sie davon aus, dass diese Produkte auch nicht vom Beschuldigten gelagert worden sind. Vor dem Geschäftsführerwechsel habe der Vater des Beschuldigten die Pflanzenschutzmittel eingekauft. Dieser habe bereits von ein paar Jahren gesagt, dass die im Keller gelagerten Pflanzenschutzmittel entsorgt gehörten und auch entsorgt werden müssten. Warum eine Entsorgung nicht stattgefunden habe, wisse sie nicht.

 

3.3.  Die Aussagen des Beschuldigten und die Zeugenaussagen sind im Wesentlichen glaubwürdig und nachvollziehbar.

 

Unbestritten ist, dass im gegenständlichen Keller neben zugelassen und nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmitteln auch Buchhaltungsunterlagen und für den laufenden Geschäftsbetrieb erforderliche Gegenstände gelagert wurden. Wann und von wem die letztmalige Lagerung der noch zugelassenen und jene der nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmittel vorgenommen wurde, kann zeitlich nicht genau eingeordnet werden. Sowohl der Beschuldigte als auch die Zeuginnen X und X haben in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen vor der Behörde erster Instanz glaubwürdig ausgesagt, dass die letzte Abgabe der Pflanzenschutzmittel in den Keller vor Jahren – und ziemlich sicher durch den Vater des Beschuldigten – erfolgt ist. Bedingt durch den jahrelang anhaltenden deutlichen Rückgang im Verkauf hätte nach der Geschäftsübernahme durch den Beschuldigten mit dem eingeschränkten Angebot und dem Lager im Geschäftslokal (Verkaufsregal und Schütten) das Auslangen gefunden werden können. Indizien für die überlange Lagerung im Keller sind beispielsweise die Preisauszeichnung auf einem Pflanzenschutzmittel ("....Gegen Moos" 90 ATS) und die stark verstaubten Gebinde und Schachteln (siehe Farbfotos der Beilage 1 zum TBP vom 15. Oktober 2009 – Überblicksaufnahmen und Teilansichten der Regale vor Beginn der Kennzeichnungskontrolle). Bestätigung finden die Aussagen der Zeuginnen X und X ebenfalls nach Einsichtnahme in die vorgelegten Farbfotos, wonach der Keller nicht mehr als Lager für den Verkauf genutzt wurde. Das nach wie vor zum Verkauf stehende und zugelassene Pflanzenschutzmittel "Prefix C" wurde im Keller vorgefunden und vom berufungswerbenden X als Indiz für ein Pflanzenschutzmittellager gewertet. Eine genaue Betrachtung des vorgelegten Farbfotos (Beilage 1) zeigt, dass sich auf den drei sichtbaren Schachteln eine deutliche (dunkelgraue) Schmutzschicht befindet. Die Schmutzschicht lässt nur den Schluss zu, dass die für den Einkauf zuständigen Zeuginnen vom Vorhandensein dieses Produktes im Keller keine Kenntnis hatten, das Pflanzenschutzmittel "Prefix C" je nach Bedarf zugekauft und im Geschäftslokal gelagert haben.

Abgesehen von der teilweise jahrzehntelangen Lagerung der äußerst geringen Bestände der Pflanzenschutzmittel weit abseits vom Geschäftslokal, den glaubwürdigen und unwiderlegt gebliebenen Aussagen des Beschuldigten und der Zeuginnen, den damit in Einklang stehenden Buchhaltungsunterlagen, dem Fehlen von Inventarlisten, die ein Anbieten zum Verkauf erst möglich gemacht hätten, der Unkenntnis des Verkaufspersonals (Beschuldigter und Zeuginnen), welche Pflanzenschutzmittel im Keller tatsächlich gelagert werden und die damit nachvollziehbar erscheinenden Auskünfte an kaufwillige Anrufer, die an andere Händler (zB. Lagerhaus) verwiesen worden sind, kann nicht einmal ansatzweise ein Lagern oder Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs erkannt werden.

 

Die übereinstimmenden Aussagen des Beschuldigten, des Vaters des Beschuldigten (Verlesung der vor der Behörde erster Instanz aufgenommen Niederschrift) und der Zeuginnen bringen eindeutig zum Ausdruck, dass die Lagerung der nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmittel ausschließlich zum Zwecke der Entsorgung vorgenommen worden ist. Selbst das Kontrollorgan X bestätigte in der mündlichen Verhandlung, dass der Vater des Beschuldigten ihm gegenüber gesagt habe, dass die Pflanzenschutzmittel entsorgt werden sollten und dieser ihm auch zu erklären versuchte, warum die Entsorgung nicht vorgenommen worden sei. Über Befragen in der mündlichen Verhandlung vermutete dass Kontrollorgan, dass einerseits der Geschäftsbetrieb die tatsächliche Entsorgung nicht zugelassen habe und andererseits der Vater des Beschuldigten nicht genau gewusst habe, welches Produkt nicht mehr zugelassen sei.

Anschaulich zeigt auch der Beschuldigte auf, dass die Entsorgung der im Keller gelagerten Pflanzenschutzmittel weiterhin geplant war, aber dadurch, dass der Verkauf dieser Produkte derartig rückläufig war und in der Geschäftstätigkeit nur mehr einen vernachlässigbaren Anteil ausgemacht hat, er die Vornahme der Entsorgung schlichtweg vergessen habe ("aus den Augen aus dem Sinn").

 

Die Kontrollorgane und das berufungswerbende X haben neben den Schriftsätzen und Ausführungen in den erstellten Berichten auch in der mündlichen Verhandlung klar zum Ausdruck gebracht, dass weitergehende Erhebungen zum Zweck der Lagerung schon deshalb unterlassen worden sind, da für das tatbestandsmäßige Verhalten des Beschuldigten das Lagern von nicht (mehr) zugelassenen Pflanzenschutzmitteln ausgereicht habe.

 

Entgegen der in der Schlussäußerung vertretenen Ansicht des berufungswerbenden X sind die Aussagen des Beschuldigten, seines Vaters und der Zeuginnen nicht als "Schutzbehauptungen" zu werten, da, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, es jeder Lebenserfahrung widersprechen würde, dass die jahrelang in äußerst geringen Mengen, teilweise stark verstaubten, nicht in Inventarlisten erfassten und dem Verkaufspersonal nicht einmal ansatzweise bekannten Pflanzenschutzmittel zum Zwecke des Verkaufs gelagert wurden.

 

Zusammenfassend ist daher den schlüssigen Ausführungen des Beschuldigten, seines Vaters und der Zeuginnen zu folgen und von der Absicht des Beschuldigten, die Pflanzenschutzmittel entsorgen zu wollen, auszugehen. 

 

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Das berufungswerbende X wendet gegen den bekämpften Bescheid, mit dem das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt worden war, ein, dass nach wie vor der begründete Verdacht von Verwaltungsübertretungen gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 sowie gemäß    § 34 Abs. 1 Z 1 lit. c iVm §§ 20, 21 Pflanzenschutzmittelgesetz bestehe.

 

Die vom berufungswerbenden X ins Treffen geführten Bestimmungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes (im Folgenden: PMG), BGBl. I Nr. 60/1997 idF BGBl. I Nr. 55/2007, die im Tatzeitpunkt in Geltung standen – eine begünstigende Änderung der Rechtslage iSd § 1 Abs. 2 VStG ist nicht eingetreten –, lauten wie folgt:

Begriffsbestimmungen

 

         § 2. (1)

         ...

         (10) „Inverkehrbringen” ist das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere - insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder - sowie die Einfuhr aus Drittländern.

         ...

Voraussetzungen für das Inverkehrbringen

 

         § 3. (1) Es dürfen nur die Pflanzenschutzmittel, die nach diesem Bundesgesetz zugelassen sind, in Verkehr gebracht werden.

         (2) Einer Zulassung bedürfen nicht

1. die nachweisliche Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft und

2. die Lagerung und der Verkehr von Pflanzenschutzmitteln, die nachweislich zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und dort zugelassen sind.

         (3) Ein neuer Wirkstoff, der zu einem in § 2 Abs. 1 genannten Zweck bestimmt ist, darf nur in Verkehr gebracht werden, wenn der Kommission und den Mitgliedstaaten Unterlagen, von denen anzunehmen ist, dass sie den Anforderungen von Anhang II der Richtlinie 91/414/EWG genügen, sowie zu mindestens einer Zubereitung, die diesen Wirkstoff enthält, Unterlagen gemäß Anhang III der Richtlinie 91/414/EWG mit einer Erklärung übermittelt worden sind, dass der Wirkstoff zu einem in § 2 Abs. 1 genannten Zweck bestimmt ist.

         (4) Wer beabsichtigt, gewerbsmäßig in erster Vertriebsstufe gemäß § 12 Abs. 10 zugelassene Pflanzenschutzmittel in Österreich in Verkehr zu bringen, hat dies vor Aufnahme der Tätigkeit dem Bundesamt für Ernährungssicherheit unter Bekanntgabe der Kennzeichnung der Pflanzenschutzmittel und seiner Anschrift oder gegebenenfalls des Firmensitzes sowie gegebenenfalls unter Nachweis des rechtmäßigen In-Verkehr-Bringens anzumelden (Meldepflichtiger). Der Meldepflichtige unterliegt den Meldepflichten gemäß § 25. Das In-Verkehr-Bringen von Pflanzenschutzmitteln ist unzulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Konformität mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union, insbesondere des Annex I der Richtlinie 91/414/EWG, nicht gegeben ist, oder die Gebühr für die Eintragung in das Pflanzenschutzmittelregister nicht entrichtet wurde.

 

 

 

Kennzeichnung

 

         § 20. (1) Pflanzenschutzmittel dürfen im Inland nur in Verkehr gebracht werden, wenn auf den Verpackungen (Fertigpackungen und Überverpackungen) folgende Angaben als Kennzeichnung deutlich sichtbar, lesbar und unverwischbar in deutscher Sprache enthalten sind:

         1. die Bezeichnung „Pflanzenschutzmittel” und die Handelsbezeichnung,

         2. Name und Anschrift des Zulassungsinhabers und des für die Endkennzeichnung des Pflanzenschutzmittels Verantwortlichen mit festem Sitz oder Wohnsitz in einem Mitgliedstaat sowie die Pflanzenschutzmittelregister-Nummer („Pfl.Reg. Nr. ...”) und gegebenenfalls die Zusatzbezeichnung nach § 11 Abs. 8,

         3. Name und Anschrift des Herstellers des Pflanzenschutzmittels,

         4. jeden Wirkstoff mit dem für ihn in der Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (ABl. Nr. 196 vom 16. August 1967, S. 1) angeführten Namen, sofern der Wirkstoff dort nicht angeführt ist, mit seinem ISO common name, liegt diese Bezeichnung ebenfalls nicht vor, mit seiner chemischen Bezeichnung gemäß den IUPAC-Regeln und den jeweiligen Gehalt jedes Wirkstoffs,

         5. die in der Fertigpackung enthaltene Nennfüllmenge des Pflanzenschutzmittels,

         6. die Chargen-Nummer oder eine sonstige Angabe, die eine Identitätsfeststellung ermöglicht,

         7. Angaben über die Erste-Hilfe-Maßnahmen,

         8. die Kennzeichnungsanforderungen nach der Richtlinie 1999/45/EG vom 31. Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen (ABl. Nr. L 200 vom 30. Juli 1999, S. 1),

         9. die Standardsätze für besondere Gefahren und Sicherheitshinweise für Pflanzenschutzmittel in den Anhängen IV und V der Richtlinie 91/414/EWG in der Fassung der Richtlinie 2003/82/EG vom 11. September 2003 (ABl. Nr. L 228 vom 12. September 2003, S. 11),

         ...

         12. Wirkungstyp des Pflanzenschutzmittels (zB Insektizid, Wachstumsregler, Herbizid usw.),

         13. die Art der Zubereitung (zB Spritzpulver, Emulsionskonzentrat usw.),

         14. die Indikationen, für die das Pflanzenschutzmittel zugelassen worden ist, sowie die besonderen Bedingungen in Bezug auf Land- und Forstwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt, unter denen das Erzeugnis verwendet oder nicht verwendet werden darf,

         15. eine Gebrauchsanweisung und die Aufwandmenge, ausgedrückt in metrischen Einheiten, für jede Anwendung gemäß den Bedingungen und Auflagen für die Zulassung,

         16. gegebenenfalls die Sicherheitswartezeit für jede Indikation zwischen Anwendung und

- Ansaat oder Pflanzung der zu schützenden Kultur,

- Ansaat oder Pflanzung nachfolgender Kulturen,

- Zugang von Menschen oder Tieren,

- Ernte,

- Verbrauch oder Verwendung,

         17. Hinweise auf gegebenenfalls auftretende Phytotoxizität, Empfindlichkeit bestimmter Sorten und andere unerwünschte mittelbare oder unmittelbare Nebenwirkungen auf Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse sowie die zu beachtenden Fristen zwischen Anwendung und Ansaat oder Pflanzung

- der betreffenden Kultur oder

- nachfolgender Kulturen,

         18. falls ein Merkblatt gemäß Abs. 2 beigefügt ist, der Satz: „Vor Gebrauch beiliegendes Merkblatt lesen!”,

         19. Hinweise zur schadlosen Beseitigung des Pflanzenschutzmittels und der Fertigpackung,

         20. das Verfallsdatum bei normaler Lagerung, wenn das gelagerte Pflanzenschutzmittel weniger als zwei Jahre haltbar ist,

         21. Anweisungen für die sachgerechte Lagerung und Handhabung,

          22. die auf Grund der giftrechtlichen Bestimmungen des Chemikaliengesetzes zusätzlich erforderlichen Kennzeichnungen und

          23. sonstige in der Zulassung vorgeschriebene oder in einer Verordnung gemäß Abs. 5 festgelegte Angaben.

          (2) Die Angaben gemäß Abs. 1 Z 15, 16 (ausgenommen die Aufwandmenge) und 17 sind der Fertigpackung in Form eines Merkblatts beizugeben, wenn ihre Anbringung auf der Fertigpackung nicht möglich ist. Das Merkblatt gilt als Bestandteil der Kennzeichnung.

         (3) Auf Überverpackungen ist zusätzlich die Anzahl der enthaltenen Fertigpackungen anzugeben.

         (4) Auf der Verpackung dürfen keine Angaben wie „ungiftig” oder „nicht gesundheitsschädlich” oder ähnliche Angaben aufscheinen. Es darf jedoch angegeben werden, dass das Pflanzenschutzmittel angewendet werden darf, wenn Bienen oder andere nicht zu den Zielgruppen gehörende Arten aktiv sind oder wenn Kulturen oder Unkräuter blühen. Es dürfen darauf ähnliche Angaben zum Schutz von Bienen oder anderen nicht zu den Zielgruppen gehörenden Arten gemacht werden, wenn sich die Zulassung ausdrücklich auf eine Anwendung in Zeiträumen erstreckt, in denen Bienen oder andere angegebene Organismen anzutreffen sind und diese nur geringfügig gefährdet werden.

         (5) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, soweit dies nach dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zum Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren, zum Schutz der Umwelt, zum Schutz vor Täuschung oder im Interesse einer ausreichenden Information der beteiligten Wirtschaftskreise oder zur Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorschriften über die Kennzeichnung, insbesondere deren Ausführung, und weitere Kennzeichnungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln festzusetzen.

Fertigpackungen

        

§ 21. (1) Pflanzenschutzmittel dürfen nur in unbeschädigten und sicheren Fertigpackungen in Verkehr gebracht werden. Sie müssen so beschaffen sein, dass die in ihnen enthaltenen Pflanzenschutzmittel bei sachgerechter Lagerung und Handhabung bis zu ihrem Verbrauch keine Gefahr für die Gesundheit von Menschen und Tieren oder für die Umwelt herbeiführen können. Die Fertigpackungen müssen insbesondere nachstehenden Anforderungen entsprechen:

         1. sie müssen so hergestellt und beschaffen sein, dass vom Inhalt nichts unbeabsichtigt nach außen gelangen kann,

         2. die Werkstoffe der Fertigpackungen und der Verschlüsse müssen so beschaffen sein, dass sie vom Inhalt nicht angegriffen werden und keine gefährlichen Verbindungen mit ihm eingehen können; erforderlichenfalls sind die Fertigpackungen auch mit kindersicheren Verschlüssen zu versehen,

         3. die Fertigpackungen und die Verschlüsse müssen in allen Teilen so fest und so stark sein, dass sie den zu erwartenden Beanspruchungen zuverlässig standhalten und

         4. die Behältnisse mit Verschlüssen, die nach Öffnung erneut verwendbar sind, müssen so beschaffen sein, dass die Fertigpackung mehrfach so verschlossen werden kann, dass vom Inhalt nichts unbeabsichtigt nach außen gelangen kann.

         (2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung nähere Vorschriften über die Fertigpackungen zu erlassen, soweit dies zur Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder zur Vermeidung von Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt erforderlich ist.

 

Strafbestimmungen

 

         § 34. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

         1. mit Geldstrafe bis zu 14 530 €, im Wiederholungsfall bis 29 070 €, wer

         a) Pflanzenschutzmittel entgegen § 3 Abs. 1, 2 oder 4 in Verkehr bringt,

         ...

         c) Pflanzenschutzmittel im Inland entgegen § 20 oder § 21 in Verkehr bringt,

         ...

         (2) Die Frist für die Verfolgungsverjährung beträgt ein Jahr.

         (3) Der Versuch ist strafbar.

         (4) Das Bundesamt für Ernährungssicherheit hat Parteistellung einschließlich Rechtsmittelbefugnis in Verfahren nach diesem Bundesgesetz, die vor den Bezirksverwaltungsbehörden oder unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern durchgeführt werden. Die Bescheide sind dem Bundesamt für Ernährungssicherheit zuzustellen. Dem Bundesamt für Ernährungssicherheit steht das Recht auf Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu.“.

4.2. Mit ihrem Vorbringen, wonach weiterhin der begründete Verdacht von Verwaltungsübertretungen nach dem PMG bestehe, übersieht das berufungswerbende X allerdings, dass § 34 Abs. 1 PMG dann Subsidiarität anordnet, wenn „die Tat“ den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

4.2.1. Es ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob diese gesetzlich angeordnete Subsidiarität allenfalls zum Tragen kommt.

 

Bei der „Tat“ handelt es sich um das Lagern von nicht (mehr) zugelassenen Pflanzenschutzmitteln nach Überschreiten des Verfalldatums. Es bietet sich daher an, eine mögliche Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 in Betracht zu ziehen. Schließlich führt auch das berufungswerbende X in seiner Berufung zu Recht aus, dass ein ordentlicher Pflanzenschutzmittelhändler diese Pflanzenschutzmittel, deren Zulassungen bereits vor Jahren bzw. sogar vor Jahrzehnten aufgehoben worden sind, schon längst hätte entsorgen lassen.

 

Die hier in Frage kommenden und im Tatzeitpunkt in Geltung gestandenen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (im Folgenden: AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 43/2007, – eine begünstigende Änderung der Rechtslage iSd § 1 Abs. 2 VStG ist nicht eingetreten – lauten wie folgt:

 

Begriffsbestimmungen

 

         § 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

         1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

         2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

         ...

         (4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

         ...

         3. "gefährliche Abfälle" jene Abfälle, die gemäß einer Verordnung nach § 4 als gefährlich festgelegt sind.

 

Abfallverzeichnis

 

         § 4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ermächtigt, mit Verordnung festzulegen:

         ...

         2. die Abfallarten, die gefährlich sind; dabei sind die gefahrenrelevanten Eigenschaften gemäß Anhang 3 heranzuziehen;

         als gefährlich zu erfassen sind jene Abfallarten, welche im Verzeichnis im Sinne des Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle, ABl. Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S 20, in der Fassung der Richtlinie 94/31/EG, ABl. Nr. L 168 vom 2. 7. 1994, S 28, enthalten sind;

         ...

 

Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

        

         § 15. (1)

         ...

         (5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

         ...

Strafhöhe

         § 79. (1) Wer

         ...

         2. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 5 nicht oder nicht rechtzeitig einem entsprechend Berechtigten übergibt,

         ...

         begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 € bis 36.340 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3.630 € bedroht.

         ...“.

 

§ 4 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über ein Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnisverordnung), BGBl. II Nr. 570/2003 idF BGBl. II Nr. 89/2005, lautete wie folgt:

 

Gefährliche Abfälle

 

         § 4. (1) ...

         (2) Bis zum 31. Dezember 2008 gelten jene Abfallarten der Anlage 5 und jene der ÖNORM S 2100 "Abfallkatalog", ausgegeben am 1. September 1997, und der ÖNORM S 2100/AC 1 "Abfallkatalog (Berichtigung)", ausgegeben am
1. Jänner 1998, erhältlich beim Österreichischen Normungsinstitut, Heinestraße 38, 1020 Wien, als gefährlich, die mit einem "g" versehen sind. Die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart in Anlage 5 hat nach den in Anlage 5 festgelegten Zuordnungskriterien zu erfolgen. Sofern für die Zuordnung Untersuchungen erforderlich sind, haben diese gemäß Anlage 4 zu erfolgen.“

 

4.2.2. Zweifellos handelt es sich bei den am 16. und 17. Jänner und 5. Februar 2008 im Betrieb des Beschuldigten vorgefundenen Pflanzenschutzmitteln (siehe Auflistung im Punkt 2.2.) um Abfall iSd § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002. Wie dem Beweisverfahren und den Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen ist, wurden die vorliegenden Pflanzenschutzmitteln im Keller zum Zwecke ihrer Entsorgung gelagert. Die Altbestände von Pflanzenschutzmitteln sind nach § 2 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 iVm § 4 Abs. 2 Abfallverzeichnisverordnung iVm der ÖNORM S 2100, Schlüsselnummer 53103, als „gefährliche Abfälle“ zu qualifizieren.

Aus der Auflistung in Punkt 2.2. ist zu ersehen, dass die darunter genannten Pflanzenschutzmittel nicht mehr zugelassen sind, die jeweiligen Zulassungen in den Jahren 1989 bis 2006 geendet haben und das Ende der jeweils zulässigen Abverkaufsfrist bereits zum ersten Kontrollzeitpunkt um mehr als ein  Jahr überschritten worden ist.

Damit verletzte der Beschuldigte seine Pflicht als Abfallbesitzer nach § 15 Abs. 5 AWG 2002, weil er zu einer entsprechenden Behandlung dieses Abfalles nicht berechtigt oder imstande war und er ihn nicht rechtzeitig – nämlich innerhalb der vorgesehen Jahresfrist ("mindestens einmal im Jahr") – einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zur Beseitigung bzw. zur Verwertung übergab.

Entscheidend für die vorliegende Verwaltungsstrafsache erweist sich der Umstand, dass sich in § 34 Abs. 1 PMG – wie oben dargelegt – die Subsidiarität anordnende Regelung findet, dass sie nur gilt, sofern die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist; darin ist weiters ein Strafrahmen für die Geldstrafe bis zu 14.530,-- Euro, im Wiederholungsfall bis 29.070,-- Euro, vorgesehen. Demgegenüber ist die in § 79 Abs. 1 AWG 2002 genannte Tat mit einer Geldstrafe von 730,-- Euro bis 36.340,-- Euro zu bestrafen; damit ist diese Strafe in Relation zu der in der erstgenannten Norm angeführten als die strengere anzusehen.

Das bedeutet, dass das dem Beschuldigten angelastete Tatverhalten – Lagerung von nicht (mehr) zugelassenen Pflanzenschutzmitteln (Ablauf der Abverkaufsfrist bzw. mangels einer solchen, Aufhebung bzw. Beendigung der Zulassung) – im vorliegenden Fall nicht nach dem PMG, sondern, bedingt durch die länger als ein Jahr aufrechterhaltene Lagerung der als gefährliche Abfälle zu qualifizierenden Pflanzenschutzmittel, vielmehr nach dem strengeren AWG 2002 zu verfolgen gewesen wäre.

4.3. Die Behörde erster Instanz verfügte daher im Ergebnis zu Recht die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, weil der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat iSd § 45 Abs. 1 Z 2 VStG nicht begangen hat.

Die Berufung war somit als  unbegründet abzuweisen.

4.4. Bei diesem Ergebnis waren auch die beantragten Gebühren nach § 6 Abs. 6 Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, BGBl. I. Nr. 63/2002 idF BGBl. I Nr. 25/2007, nicht vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Stierschneider

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde angewiesen;

VwGH vom 22.12.2011, Zl. 2009/07/0198-6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum