Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164517/5/Br/Th

Linz, 17.11.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, vom 8. Oktober 2009, Zl: VerkR96-2059-2009, nach der am 17. November 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 - AVG iVm § 19, § 24, § 51e Abs.1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1, Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 - VStG.

Zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.   Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem oben bezeichnten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen einer Übertretung  nach § 84 Abs.2 StVO 1960  insgesamt 3 Geldstrafen zu je 50 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je 21 Stunden   verhängt und wider ihn folgende Tatvorwürfe erhoben:

1)       „Sie haben in der Gemeinde Schönegg, neben der Böhmerwaldstraße B38 bei StrKm 133,180, dieser Ort liegt außerhalb eines Ortsgebietes, eine Ankündigung (Werbeeinrichtung) errichtet, obwohl außerhalb von Ortsgebieten an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand die Anbringung von Ankündigungen verboten ist. Am 29.08.2009 um 10.00 Uhr war folgende Ankündigung (Werbung) angebracht: Transparent (UBV)" Auf Bauer - wehr dich" des österreichischen unabhängigen Bauernverbandes (UBV);

2)       Sie haben im Gemeindegebiet von St. Johann/Wbg., in Penning, neben der Hansbergstraße L581 bei Str. Km. 38,080, dieser Ort liegt außerhalb eines Ortsgebietes, eine Ankündigung (Werbeeinrichtung) errichtet, obwohl außerhalb von Ortsgebieten an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand die Anbringung von Ankündigungen verboten ist. Am 29.08.2009 um 10:20 Uhr war folgende Ankündigung (Werbung) angebracht: Transparent, "Auf Bauer - wehr dich" des österreichischen unabhängigen Bauernverband (UBV).

3)    Sie haben in der Gemeinde Ahorn beim Haus Obertraberg 7, neben der Schallenbergstraße L1492 bei Str. Km 6,385, dieser Ort liegt außerhalb eines Ortsgebietes, eine Ankündigung (Werbeeinrichtung) errichtet, obwohl außerhalb von Ortsgebieten an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand die Anbringung von Ankündigungen verboten ist. Am 29.08.2009 um 11:00 Uhr war folgende Ankündigung (Werbung) angebracht: Transparent "Auf Bauer - wehr dich" des österreichischen unabhängigen Bauernverbandes (UBV).“

 

2. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:

Auf Grund der Anzeige der Polizeiinspektion Helfenberg vom 31.8.2009, A1/6775/2009 erging von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach an Sie wegen der im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen eine Strafverfügung.

 

Sie erhoben dagegen Einspruch und führten aus:

a) Viele Mitglieder des unabhängigen Bauernverbandes Kandidieren bei der Gemeinde und                 Landtagswahl.

b)    Zu Punkt 2) Auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Hansbergstraße L 581 bei Str. Km 38,00 eine Ankündigung Werbeeinrichtung großer grüner Pfeil Oberösterreichischer Bauernbund. Festzustellen ob gegen die Rechtsvorschrift § 84 Abs. 2 StVO verstoßen wurde.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat erwogen:

 

Gemäß § 84 Abs.2 StVO sind außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten.

 

Das Faktum des Anbringens der verfahrensgegenständlichen Werbungen zu den in den angefochtenen Schuldsprüchen angeführten Zeiten und an den in Rede stehenden Örtlichkeiten durch Sie, ist unbestritten.

 

Die beworbene Landwirtschaftskammer-Wahl wurde am 26.5.2009 bis 28.5.2009 (also rund 3 Monate vorher) durchgeführt. Wenn Sie unter Punkt a) anführen, dass viele Mitglieder des unabhängigen Bauernverbandes bei der Landtags- und Gemeinderatswahl kandidieren, so kann diese Aussage nicht nachvollzogen werden, denn bei den angeführten Wahlen kandidiert der UBV nicht, bzw. scheint auf den amtlichen Stimmzetteln nicht auf.

 

Zu Punkt b) Ihres Einspruches teile ich ihnen mit, dass dies Sache eines eigenen Strafverfahrens ist und in diesem Straferkenntnis nicht begründet wird.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Es wurde von einem monatlichen Einkommen von 900,- Euro und Sorgepflichten für 2 Kinder ausgegangen.

 

Der Zweck des § 84 Abs. 2 StVO besteht darin, eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit der Straßenbenützer, vor allem der Fahrzeuglenker, durch Werbungen und Ankündigungen am Fahrbahnrand zu verhindern (VwGH 27.1.1966, 786/65, ZVR 1967/64V). Nachdem Werbungen generell deswegen angebracht werden, um eben Aufmerksamkeit zu erregen, hat der Bw gegen diesen Schutzzweck verstoßen.

 

Durch unzulässig aufgestellte Werbungen wird in erhöhtem Maße die Aufmerksamkeit der Straßenbenützer beeinträchtigt und dadurch die Interessen der Verkehrssicherheit gefährdet. Es ist daher von einem nicht unerheblichen Unrechtsgehalt der hier zu verantwortenden Verwaltungsübertretungen auszugehen.

 

Eine Überfrachtung des Straßenraumes mit Informationen ist der Verkehrssicherheit keinesfalls dienlich. Dadurch werden die zur Regelung des Verkehrs und zur Hebung der Verkehrssicherheit angebrachten Straßenverkehrszeichen weniger beachtet und damit in ihrer Wirkung gemindert. Aus diesem Grund gibt es Bestimmungen, die die Aufstellung von Werbungen und Ankündigungen regeln.

 

Es kam Ihnen der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu gute.

 

Erschwerend war kein Umstand zu werten.

 

Für die Übertretung des § 84 Abs.2 StVO sieht § 99 Abs.3 lit.j leg. cit. je eine Höchststrafe von 726 Euro vor. Die verhängten Geldstrafen von je 50 Euro, pro Werbung (Ersatzfreiheitsstrafe je 21 Stunden) liegen im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und sind nach Maßgabe der Kriterien des § 19 VStG keinesfalls als überhöht anzusehen.

 

Ergänzend dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen auch eine Geldstrafe von (umgerechnet) 218 Euro pro Werbung als rechtmäßig bestätigt hat (VwGH 23.11.2001, 2000/02/0338).

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung. Darin wird ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsverordnung  nach § 84 in Abrede gestellt. Am 29.8.2009 seien bereits Gemeinde- und Landtagswahlen ausgeschrieben gewesen.

An allen drei Standorten hätten auch alle anderen wahlwerbenden Gruppen ihre Plakatständer hintereinander aufgestellt gehabt. Daher habe es zu keinem Verstoß nach § 84 Abs.2 StVO kommen können. Die Plakatständer seien verschieden groß gewesen.

Bei den Gemeinde- und Landtagswahlen habe die Möglichkeit bestanden Vorzugsstimmen zu vergeben. Der UBV habe seine Mitglieder, die bei der Gemeinde- und Landtagswahlen kandidiert haben, mit dieser Werbung unterstützt.

Es sei unrichtig, dass am 26.5. bis 28.5.2009 Landwirtschaftskammerwahlen stattgefunden hätten.

Abschließend wies der Berufungswerber darauf hin bei der Gemeinderatswahl selbst auf der Bürgerliste kandidiert zu haben. Der Hinweis auf X ÖVP Landtag, LWKR X, Landesliste X, BZÖ oder LWKR Ing. X, Landesliste X, FPÖ sei nicht näher nachvollziehbar.

Abschließend beantrage der Berufungswerber eine mündliche Verhandlung und die Einstellung des Verfahrens.

 

3. Die Behörde erster Instanz hat die Akte zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da in keinem Punkt eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war antragsgemäß aber auch in  in Wahrung der gemäß Art. 6 Abs.1 EMRK zu garantierenden Rechte in Form der Anhörung des Berufungswerbers erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsicht-nahme in die oben genannten Verwaltungs-strafakt der Behörde erster Instanz und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsver-handlung an der neben dem persönlich teilneh-menden Berufungswerber auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teilnahm.

Aus dem im Akt erliegenden Bildmaterial waren an den drei beschriebenen Örtlichkeiten, einmal an einem landwirtschaftlichen Nebengebäude [Scheune] und am Straßenrand zwischen Bäumen gespannte (Stoff-)transparente mit dem im h. dargestellten Bild die oben angeführten Inhalte angebracht.

Ebenfalls wurden die vom Berufungswerber vorgelegten Beweismittel als Beilagen 1 u. 2 zum Akt genommen.

 

4.1. Der Berufungswerber bekennt  sich zur Anbringung der im Spruch genannten Transparente.  Er begründet dies im Zuge seiner Befragung zusätzlich auch mit seiner Kanditatur zum Gemeinderat der „X Bürgerliste“. Im Rahmen der Landwirtschaftskammerwahlen kandidierte er offenbar auch mit Erfolg für den Unabhängiger Bauern Verband. Kandidaten dieses Verbandes habe er mit diesen Plakaten auch für deren Kanditatur zum Landtag und Gemeinderat unterstützen wollen.

Er selbst fungiert auch als gewählter Vertreter der Landwirtschafskammer (Kammerrat).

Unter dieser Liste wurde laut Berufungswerber mit dem gleichen Transparent (Plakat) bereits für die Landwirtschaftskammerwahlen zur Jahreswende 2008 geworben.

Wie vom Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung gut nachvollziehbar dargestellt wurde, war er als Kanditat der „X Bürgerliste“ und offenbar auch die Vertreter des „Unabhängigen Bauern Verbandes - UBV“ in der örtlichen Bevölkerung bekannt. Der Berufungswerber legte diesbezüglich etwa eine Einladung zu einer Gemeinderatssitzung der Gemeinde X am 5.11.2009 um 20:00 Uhr vor, woraus unter TOP 6 die Angelobung der Mitglieder des Gemeinerates hervorgeht.

Der Behörde erster Instanz ist wohl insofern zu folgen, dass dieses Plakat nicht auf den ersten Blick mit dem zur fraglichen Zeit (Ende August 2009) anlaufenden Wahlkampf für die Landtags- u. Gemeinderatswahlen in Oberösterreich in Verbindung gebracht werden konnte. Die Beurteilung, welche Wahlwerbung jemand betreibt hat aber aus dem Horizont des  Wahlwerbers zu erfolgen und so kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese Wahlwerbung der Kandidatur des Berufungswerbers und seiner Mitstreiter dienlich war.

Dem Berufungswerber wird nicht zugesonnen, diese Plakate aus anderen Gründen, als ausschließlich zur Bewerbung seiner und die Kandidatur von Gleichgesinnten zu unterstützten angebracht hätte. Wenn er dies mit den nicht verfügbaren finanziellen Möglichkeiten begründete, für die Gemeinderatswahl gesondert keine neue Plakate beschaffen gekonnt zu haben, mag ihm darin ebenfalls durchaus logisch gefolgt werden.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Nach § 84 Abs.2 StVO 1960 sind außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten.....

Dies gilt jedoch nicht für die Nutzung zu Werbezwecken gemäß § 82 Abs.3 lit.f StVO.

Ein "erhebliches Interesse" der Straßenbenützer im Sinn des § 84 Abs.3  StVO  1960 kann in dieser Art von Werbung nicht erblickt werden. Diese erachtet der VwGH nur dann gegeben, wenn die  Werbung  oder  Ankündigung  nicht lediglich die speziellen Bedürfnisse einzelner Straßenbenützer anzusprechen geeignet ist bzw. nicht lediglich in untypischen Einzelfällen dem vordringlichen Bedürfnis von Straßenbenützern dient (VwGH 12.10.1972, 955/71 und VwGH 11.7.2001, 98/03/0210), wobei es nicht erforderlich ist, dass eine  Ankündigung  oder  Werbung  für die Gesamtheit der Straßenbenützer von erheblichem Interesse ist (VwGH 14.11.2001, 2001/03/0154  mit Hinweis VwGH 9.5.1984, 83/03/0120).

Der Begriff "Ortsgebiet" ist in § 2 Abs.1 Z15 StVO legal definiert. Demnach versteht man darunter das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen "Ortstafel" (§ 53 Z17a) und "Ortsende" (§ 53 Z17b). Ein solcher Bereich liegt hier unstrittig nicht vor.

"Werbung" umfasst ferner im allgemeinen Sprachgebrauch nicht bloß wirtschaftliche Werbung in dem Sinn, dass damit Güter, Dienstleistungen, etc. angepriesen werden sollen, um einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, sondern auch Maßnahmen, die nicht darauf abzielen, einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, aber Menschen in einem anderen Sinn zu beeinflussen werden als Werbung bezeichnet (VwGH 23.11.2001, 99/02/0287).

 

5.1. Die Frage der Ausnahme von Wahlwerbungen vom Verbotsumfang des § 84 Abs.2 StVO bildete bereits wiederholt den Gegenstand von erstbehördlichen Anfragen an die Oberbehörde um deren Rechtsmeinung (Amt der Oö. Landesregierung – Verkehrsabteilung v. 12.9.1986, VerkR-2001/71-1986-III/G). Darin gelangt im Tenor klar zum Ausdruck, dass Wahlplakatwerbung nicht vom Verbot dieser Bestimmung umfasst ist. Ebenso wieder in einer Mitteilung v. 22.6.2009, Verk-110.031/320-2009-J/Eis (mit Judikaturhinweisen).

Dieser Auffassung hält der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Judikatur wohl entgegen, dass der Begriff der Werbung im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur wirtschaftliche Werbung in dem Sinn, dass damit Güter, Dienstleistungen, etc angepriesen werden sollen - um einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen - umfasst. Sondern vielmehr sind auch Maßnahmen, die nicht darauf abzielen, einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, jedoch Menschen in einem anderen Sinn zu beeinflussen, als Werbung zu bezeichnen (VwGH 31.1.2000, 99/10/0243; 23.11.2001, 99/02/0287). So wird etwa auch eine "Willkommenstafel" einer Gemeinde, die offensichtlich den Zweck verfolgt, die Straßenbenützer im Sinne eines positiven Eindruckes von der dort dargestellten, die Grüße entrichtenden Gemeinde zu beeinflussen, als Werbung im Sinne der gegenständlichen Bestimmung gesehen (VwGH 8.7.2005, 2004/02/0402). Aufbauend auf diese Rechtsprechung gelte daher auch als Werbung, wenn Transparente oä darauf abzielten, die Straßenbenützer im Sinne einer politischen Meinungsbildung zu beeinflussen (VwGH 20.4.2007, 2006/02/0275).

Diesem Erkenntnis lag jedoch eine „kryptisch, provokante Botschaft“ zu Grunde, welche nach h. Auffassung mit einer Wahlwerbung nicht vergleichbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof schließt damit Wahlwerbung jedenfalls nicht explizit in den Verbotsumfang des § 84 Abs.2 StVO ein.

 

5.1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertrat betreffend Werbungen die Auffassung, das eine analoge oder überschießende Anwendung des Gesetzes – sei dies auch in Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes - im jeweiligen Einzelfall der Vollziehung zuzurechnen sei, somit jedenfalls nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen könne. Die Vollzugsorgane haben im Sinne dieses Urteils die Gesetze [konkret bezogen auf § 84 Abs.2 StVO] verfassungskonform auszulegen (VfGH 12.12.2002, G177/02 ua).

Der Werbende spricht Bedürfnisse einer Zielgruppe teils durch emotionale, teils informierende Werbebotschaften zum Zweck der Handlungsmotivation an. Werbung appelliert, vergleicht, macht neugierig oder betroffen etc. Ziel ist unter anderem der Kauf eines Produktes und damit die Erzielung eines Gewinnes, höheren Umsatzes udgl (vgl. h. Erk. v. 9.10.2007, 162471/6/Br/Ps VwGH v. 23.11.2001, 99/02/0287 sowie v. 24.6.2009, VwSen-163935/2/Fra/RSt VwSen-163936/2/Fra/RSt).

Wahlwerbung wirbt jedoch im Gegesatz dazu um Zustimmung zu einem politisch umzusetzenden Programm und der Anpreisung politischer Überzeugungen. Diesem wird demnach ein „höheres“ und in den Bereich der Grundrechte greifendes Motiv zugedacht. Es bedarf daher einer differenzierten Beurteilung.

 

5.2. Nachdem der  Beschuldigte auch hier die unbestreitbare Auffassung vertritt, er habe für seine Gemeinderatskandidatur bzw. für Kollegen zur Unterstützung deren Kanditatur für Landtag u. Gemeinderat geworben und es handle sich bei den gegenständlichen Plakaten um keine vom Verbotsumfang des § 84 Abs.2 StVO umfasste Werbung, ist er damit im Recht!

Der gegenständliche Mitteilungsinhalt kann im Ergebnis nur auf eine lokale politische Repräsentantanz hinweisen.

Demokratie und demokratiepolitische Willensbildungsprozesse konnten zweifelsfrei auch mit dieser „Werbung“ unterstützt oder beworben werden;

Verkehrssicherheitsrelevante Aspekte sind daher dennoch beim Aufstellen von Wahlwerbung zu berücksichtigen. Die damit verbundenen grundrechtlichen Garantien der freien Meinungsäußerung verlangen jedoch der Verhältnismäßigkeit bei einem Eingriff.

Einen solchen Eingriff stellt u.a. auch die Verhängung einer Strafsanktion dar.

Vor diesem Hintergrund kann beim Inhalt dieser Plakate im Speziellen u. insbesondere mit Blick auf das Gleichheits- u. Verhältnismäßigkeitsgebot angesichts der damals schon am Höhepunkt der Plakatwerbung im Gang gekommenen Landtags- und Gemeinderatswahlen im Besonderen, in den hier vermittelten „Botschaften“ ein negativer Einfluss auf die Verkehrssicherheit wohl kaum erblickt werden. Insbesondere wurde durch  diese Plakate der Verkehrsraum aus verkehrstechnischer Sicht in keiner wie immer gearteten Weise eingeschränkt. Daher kann auch von einer Genehmigungspflicht dieser Werbemaßnahmen aus Perspektive der Verkehrssicherheit nicht die Rede sein.

Die Rechtsprechung des VwGH gibt seit Bestehen der StVO betreffend „Wirtschaftswerbung“ eine klare Linie vor. Grundrechtliche Rahmenbedingungen zeigen aber, dass zwischen staatlichen Einschränkungen und den Freiheitsbedürfnissen der Bürger abgewogen werden muss. Verkehrssicherheitsrelevante Aspekte stehen hier zumindest im abstrakten Konflikt mit der Freiheit der (politischen) Meinungsäußerung. Dieses Spannungsverhältnis ergibt sich besonders im Falle von landesweit  angelegten Wahlwerbungen.

Die StVO versteht primär unter Werbung iSd § 84 StVO  - wie oben schon mehrfach dargestellt - nur die Anpreisung bestimmter Waren und Dienstleistungen, aber auch Anpreisungen allgemeiner Natur; damit verbunden versteht sich ein "Güteurteil";  es werde die "Erzielung eines höheren Umsatzes" angestrebt.

Der Zweck von Wahlwerbung besteht aber in einer "Anpreisung" politischer bzw. wahlwerbender Parteien oder einzelner Personen und dient der "Erzielung" eines besseren Wahlergebnisses. Kurzum, die Zielsetzung bei Wahlwerbung ist eine andere als die bei Werbung iSd StVO, die von einem Werbebegriff im wirtschaftlichen Kontext ausgeht. Wahlwerbung neben der Straße ist daher mit Blick auf Grundfreiheiten nicht durch § 84 StVO determiniert.

Vor diesem Hintergrund steht es außer Zweifel, dass auch die gegenständliche „Werbung“ als Wahlwerbung zu qualifizieren und gemäß den verfassungsrechtlichen Bestimmungen dem demokratischen Grundprinzip folgend, sie nicht vom Verbot des § 84 Abs.2 StVO umfasst gelten kann.

Jüngst hat der Verfassungsgerichtshof in einem Verbot – auch von politischer Werbung – einen Verstoß u.a. auch gegen die Meinungsäußerungsfreiheit erblickt (VfGH 11.12.2008, G43/07).

Der Behörde erster Instanz kann daher in deren Hinweis, dass die Landwirtschaftskammerwahlen bereits Monate vorher stattgefunden hätten und -wie an sich zutreffend bemerkt - der „UBV“ nicht auf dem Stimmzettel aufscheine  und daher diese Ankündigung nicht (mehr) als Wahlwerbung zu qualifizieren sei, in der Substanz jedoch nicht gefolgt werden.

Dem ist noch zu entgegnen, dass diese Werbung wohl ausschließlich nur mit dem zur fraglichen Zeit herrschenden Landtags- u. Gemeinderatswahlkampf in Verbindung gebracht werden konnte, zumal die Vertreter des Unabhängigen Bauernverbandes mit regionalem Bekanntheitsgrad auch für die damals zur Wahl stehenden Vertretungskörper kandidiert hatten. Die der Bestrafung zu Grunde liegende Auffassung würde vor dem Gleichheitsgrundsatz zu einem unsachlichen und demokratiepolitisch zu einem bedenklichen Ergebnis führen, weil damit letztlich doch wertend vorgeben würde, wie ein Bewerber um ein Mandat öffentlich auf sich aufmerksam zu machen hat und was ihm im Gegensatz zu Mitbewerbern nicht erlaubt wird. Neue Gruppierungen würde damit vorweg eine Wahlwerbung versagt und der Zugang zu einem Mandat in  unsachlicher Weise erschwert werden.

Eine politische Werbung, mag sie auch nicht auf den ersten Blick auf eine aktuelle Wahlauseinandersetzung hindeuten, darf auf diesem Weg nicht zu einer vom Verbot umfassten Wirtschafts- oder Produktwerbung umgedeutet werden. Insbesondere wenn die Zahl dieser wenigen Transparente in abgelegener ländlicher Gegend eine ungleich geringere visuelle Einwirkung auf den Straßenverkehr erzeugen als dies bei der „klassischen“ Wahlplakatwerbung der Fall sein mag.

Die Voraussetzungen für die Durchführung von Wahlen beinhalten im demokratischen Grundprinzip zwingend die Möglichkeit aller präsumtiven Kandidaten sich der wahlberechtigten Bevölkerung zu präsentieren. Es handelt sich also auch bei dieser Art der Bewerbung von Repräsentanten des Bauernbundes, die örtlich auch als Kandidaten auf ein Mandat für den Landtag u. Gemeinderat – einer Bürgerliste - bekannt waren, um ein demokratiepolitisches Gebot auch diese Transparente als Wahlwerbung zu beurteilen (s. Lachmayer, Werbung im Straßenverkehr, in ZVR 2003/105).

Abgesehen davon, dass dem Berufungswerber für diese Werbung mit gutem Grund kein Verschulden zur Last fallen würde und auch die Gründe für eine Einstellung nach § 45 Abs.1 Z2 (fehlendes Verschulden) zutreffen würden, ist hier jedoch eine Bestrafung schon auf der Tatbestandsebene unzulässig, sodass mit einer Verfahrenseinstellung nach § 45 Abs.1 Z1 VStG vorzugehen war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen  diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungs-gerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

Beschlagwortung:

politische Werbung, demokratiepolitisch Sachlichkeitsgebot

 

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