Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164201/3/Kei/Bb/Ps

Linz, 23.11.2009

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch den Rechtsanwalt X, vom 19. Mai 2009, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 13. Mai 2009, GZ VerKR96-11007-2008, wegen einer Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), zu Recht:

 

 

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

 

II.              Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

 

1.1. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat mit Straferkenntnis vom 13. Mai 2009, GZ VerkR96-11007-2008, Herrn X (dem Berufungswerber) eine Übertretung des § 103 Abs.2 KFG zur Last gelegt. Er sei mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 9. September 2008 als Zulassungsbesitzer aufgefordert worden, binnen zwei Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekannt zu geben, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen X am 23. April 2008 um 15.11 Uhr in der Gemeinde Helpfau-Uttendorf auf der L 147 bei km 26,451 gelenkt habe. Er habe diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt und auch keine andere Person genannt, die die Auskunft erteilen hätte können.

 

Gemäß § 134 Abs.1 KFG wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 180 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 72 Stunden, verhängt.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 19. Mai 2009, richtet sich die durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn erhobene Berufung vom 19. Mai 2009.

 

Darin bringt der Berufungswerber zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass zu klären sei, ob die Bezirksverwaltungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren – wie dies im gegenwärtigen Fall erfolgt ist - in einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme ein Lenkerauskunftsersuchen nach § 103 Abs.2 KFG "verstecken dürfe" und ob ihn/seinen Verteidiger ein Verschulden an der Nichterteilung der Auskunft treffe. Weiters sei seiner Auffassung nach klärungsbedürftig, ob ein Beschuldigter, gegen welchen ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des dem behördlichen Lenkerauskunftsersuchen zugrundeliegenden Deliktes anhängig ist, gezwungen werden dürfe, an ihn gestellte Fragen zu beantworten und ob das Lenkerauskunftsersuchen dem Gesetz entspreche (entsprechend formuliert sei).

 

Er selbst vertritt die Ansicht, dass eine solche Vorgangsweise dem Gebot der Fairness widerspreche, weil diese geradezu heraufbeschwöre, dass das Lenkerauskunftsersuchen übersehen werde. Das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 9. September 2008 trage den alleinigen Titel "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme". Dass es darin auch um eine Aufforderung zur Bekanntgabe des Lenkers sowie der persönlichen Verhältnisse gehe, lasse der Betreff des Schreibens nicht erkennen.

 

An der ihm zur Last gelegten Übertretung treffe ihn kein Verschulden, da er keine Kenntnis davon gehabt habe, dass er zur Lenkerauskunft aufgefordert worden sei. Auch seinen Vertreter treffe kein Verschulden, da dieser nicht erkannt und auch nicht damit gerechnet habe, dass sich in der Verständigung ein Lenkerauskunftsersuchen verberge.

 

Der Berufungswerber bringt weiters vor, dass das Lenkerauskunftsersuchen auch nicht der Rechtsprechung entspreche, da dieses untrennbar mit dem Tatvorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung verbunden sei, weil ihm sowohl in der vorausgegangenen Strafverfügung als auch in der Verständigung vom 9. September 2008 konkret zur Last gelegt werde, dass er damals am angeführten Ort mit dem bezeichneten Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten und eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a StVO begangen habe. Eine Ermächtigung für eine Fragestellung, ob nämlich eine bestimmte Person ein bestimmter Tatvorwurf treffe, sei im Gesetz nicht vorgesehen. Dies führe zur Gesetzeswidrigkeit der Anfrage und damit zum Wegfall der Verpflichtung, die verlangte Auskunft zu erteilen. Dazu komme, dass nach § 33 Abs.2 VStG der Beschuldigte zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden könne.

 

Zweifellos sei er zum Zeitpunkt der behördlichen Lenkeranfrage "Beschuldigter" im Sinne des VStG gewesen, weil er bereits mit Strafverfügung vom 14. Mai 2008 wegen der zugrunde liegenden Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer Geldstrafe von 160 Euro belegt gewesen sei. Da nach der Judikatur die Lenkeranfrage im Administrativverfahren ergehe, die Bestrafung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung bzw. Nichterteilung der Lenkerauskunft ein Verwaltungsstrafverfahren sei, sei § 33 Abs.2 VStG lex specialis zu § 103 Abs.2 KFG, welcher überdies keinen Verweis darauf enthalte, dass diese Bestimmung auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden sei.

 

Der Verfassungsgerichtshof habe in der Entscheidung VfSlg. 14.987 klargestellt, dass in ständiger Judikatur aus dem in Artikel 90 Abs.2 B-VG verankerten Anklageprinzip in seiner materiellen Bedeutung das sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot abgeleitet werde, den Rechtsunterworfenen auch schon im Stadium vor Einleitung eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren durch Androhung oder Anwendung rechtlicher Sanktionen dazu zu verhalten, Beweise gegen sich selbst zu liefern.

 

Der Berufungswerber verweist weiters auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 8. April 2004, Fall Weh gegen Österreich, in welchem der Gerichtshof nur deshalb zum Ergebnis gekommen sei, dass Artikel 6 Abs.1 EMRK nicht verletzt sei, weil nichts darauf hingedeutet habe, dass gegen den Beschwerdeführer ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung geführt worden wäre, weswegen nur ein hypothetischer Zusammenhang zwischen Lenkeranfrage und Verwaltungsstrafverfahren bestehe, was für die Annahme einer Verletzung des Fairnessgebotes nicht ausreiche.

 

In seiner Berufungsergänzung vom 26. Mai 2009 weist der Berufungswerber auch noch auf ein Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Steiermark vom 7. November 2006, GZ UVS 30.11-105/2006-4, hin, in welchem sich der Senat mit der Zulässigkeit einer Lenkeranfrage an den Beschuldigten beschäftigt habe.

 

2.1. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 22. Mai 2009, GZ VerkR96-11007-2008, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben, wobei dieser, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen ist (§ 51c VStG).

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist und zwar am 19. Mai 2009 per Telefax bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das mit der Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). Überdies hat der Rechtsvertreter des Berufungswerbers in der Berufung ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Mit Anzeige der Polizeiinspektion X vom 28. April 2008, GZ A1/8370/01/2008, wurde der unbekannte Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen X, dessen Zulassungsbesitzer der Berufungswerber ist, beschuldigt, er habe am 23. April 2008 um 15.11 Uhr in der Gemeinde Helpfau-Uttendorf, auf der L 147, bei km 26,451 in Fahrtrichtung Uttendorf die in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h – nach Abzug der in Betracht kommenden Messtoleranz - um 36 km/h überschritten.

 

Eine zunächst gegen den nunmehrigen Berufungswerber wegen der angezeigten Verwaltungsübertretung ergangene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. Mai 2008 zu GZ VerkR96-4799-2008 wurde von diesem beeinsprucht.

 

In weiterer Folge hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mit Schreiben vom 9. September 2008, GZ VerkR96-4799-2008, den Berufungswerber vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, indem sie ihm den Eichschein des verwendeten Lasermessgerätes übermittelte, und ihm gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Darüber hinaus wurde der Berufungswerber mit diesem Schreiben gleichzeitig als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 KFG unter Strafdrohung zur Lenkerauskunft aufgefordert. Überdies enthielt dieses Schreiben die Aufforderung zur Bekanntgabe der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse. Die Verständigung wurde dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers nachweislich am 11. September 2008 zugestellt.

 

Mit Eingabe vom 13. Oktober 2008 nahm der Berufungswerber anwaltlich vertreten zum Ergebnis der aufgenommenen Beweise Stellung und mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 teilte er mit, dass Herr X der Lenker des angezeigten Fahrzeuges zum angefragten Zeitpunkt gewesen sei.

 

Es wurde dann Letztlich das nunmehr angefochtene Straferkenntnis wegen Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs.2 KFG erlassen.

 

2.6. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn.  

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 103 Abs.2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

3.2. Zunächst wird zu den Vorbringen des Berufungswerbers betreffend die Zulässigkeit einer Lenkeranfrage nach § 103 Abs.2 KFG und den von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen festgestellt, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ein derartiges Auskunftsverlangen nach Kriterien der österreichischen Rechtsordnung zulässig ist (vgl. EGMR 10. April 2008, Beschwerden 58452/00 und 61920/00, Lückhof und Spanner gegen Österreich). Allerdings ist aus der gegenständlichen Judikatur auch die Intention abzuleiten, dass eine unzulässige Selbstbezichtigung dann nicht vorliegt, wenn das solcher Art beschaffte Beweismaterial nicht unfair verwendet bzw. das Gebot der Fairness nicht verletzt wird.

 

Im vorliegenden Falle wurde das Auskunftsbegehren an den Berufungswerber als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen BR-1GUM zugleich mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Einladung zur Rechtfertigung wegen des Grunddeliktes der Geschwindigkeitsüberschreitung (§ 52 lit.a Z10a StVO) gerichtet. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erachtet eine Verknüpfung dieser Umstände als nicht der gebotenen Fairness entsprechend. Einerseits wird dem Berufungswerber im Verwaltungsstrafverfahren die Gelegenheit gegeben, sich zu rechtfertigen, wobei es ihm als Beschuldigten anheim gestellt ist, sich in jede Richtung zu verteidigen. Andererseits wird er jedoch unter einem im Administrativverfahren nach § 103 Abs.2 KFG unter Strafdrohung aufgefordert, eine Lenker­auskunft zu erteilen.

 

Es mag zutreffen, dass eine derartige Vorgangsweise unter dem Aspekt der Verfahrensökonomie und Kostengünstigkeit gesehen wird. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates widerspricht diese Vorgangsweise aber zweifellos dem Gebot der Fairness bei der Beweisaufnahme, weshalb auf den konkreten Fall bezogen diese Vorgangsweise im Zusammenhang mit einem Auskunftsverlangen als unzulässig erachtet wird und der Berufungswerber im Gegenstandsfall zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war. Er hat daher die ihm im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verwaltungsüber­tretung nach § 103 Abs.2 KFG im Grunde des § 45 Abs.1 Z2 VStG nicht zu ver­ant­worten.

 

Es war folglich spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch (Spruchpunkt II.) angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  Michael  K e i n b e r g e r

 

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