Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720255/4/BMa/La

Linz, 26.11.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des türkischen Staatsangehörigen X, vertreten durch X, X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 26. Februar 2009, Zl. 1062407/FRB, wegen der Erlassung einer Ausweisung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 26. Februar 2009, GZ 1062407/FRB, wurde der Rechtsmittelwerber (im Folgenden: Bw) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen. 

1.2. Begründend wurde hiezu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ausweisung zwar einen erheblichen Eingriff in das Privatleben des Bw bedeute, so halte er sich seit fünfeinhalb Jahren in Österreich auf und sei Vater eines österreichischen Kindes, sein Aufenthalt beruhe aber auf einem offensichtlich unbegründeten Asylantrag. Der Bw sei auch nicht aus eigenem selbsterhaltungsfähig.  

1.3. Gegen diesen seinem Rechtsvertreter am 3. März 2009 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 17. März 2009 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung, die am 19. März 2009 bei der BPD Linz eingelangt ist. 


1.4. Darin bringt der Rechtsmittelwerber im Wesentlichen vor, er halte sich in Österreich seit ca. 6 Jahren auf, sei unbescholten und sei bis zur Einleitung eines Ausweisungsverfahrens im Februar 2009 einer Beschäftigung nachgegangen, die ihm und seiner Familie die Selbsterhaltungsfähigkeit gesichert habe. Durch die Ausweisung sei nicht nur sein Privatleben beeinflusst, sondern auch das seiner in Österreich lebenden Familie, die mittlerweile neben seiner Frau aus zwei Kindern bestehe. Seine Gattin habe nur im europäischen Kulturkreis gelebt, es sei ihr nicht zumutbar, ihn in die Türkei zu begleiten. Seine gesamte Familie bestehe aus österreichischen Staatsbürgern. Unter Hinweis auf Art. 8 Abs. 1 EMRK dürfe eine Ausweisung nicht erlassen werden. 

Daher wurde beantragt, der Sicherheitsdirektor für das Bundesland Oberösterreich möge den angefochtenen Bescheid beheben und die Ausweisung für unzulässig erklären.

1.5. Mit Schriftsatz vom 8. September 2009, E1/4681/2009, eingelangt beim Verwaltungssenat am 15. September 2009, - also erst  4 Tage vor dem Ablauf der in § 73 Abs. 1 AVG festgelegten Maximalfrist von sechs Monaten - hat die belangte Behörde diese Berufung dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt.

1.6. Im Vorlageschreiben wurde ausgeführt, die nunmehrige Ehefrau des Bw, X (vormals X) habe zum Zeitpunkt ihrer Erstanmeldung in Österreich die rumänische Staatsbürgerschaft besessen, sie habe sich fortwährend in Österreich aufgehalten und am 9. März 2003 sei ihr die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Sie habe die Entlassung aus dem rumänischen Staatsverband nicht nachgewiesen, es seien aber seit der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sechs Jahre vergangen und X verfüge nunmehr über eine Doppel-Staatsbürgerschaft (Österreich, Rumänien). Unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 25. Juli 2008, RS C-127/08, X, finde die Freizügigkeitsregelung Anwendung. Daher werde der Verwaltungsakt gem. § 6 AVG dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt.

1.7. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 12. Oktober 2009 hat der Beschwerdeführer ebenfalls auf das Vorliegen eines Freizügigkeitssachverhalts hingewiesen.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz 1-1062407/FRB/09; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, die Verfahrensparteien einen


entsprechenden Antrag nicht gestellt haben und fremdenpolizeiliche Angelegenheiten nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK fallen (vgl. z.B. die Nachweise bei J. Meyer-Ladewig, Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Baden-Baden 2003, RN 9 zu Art. 6), konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 4 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: FPG), können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, u.a. dann mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Nach § 86 Abs. 2 FPG ist ein begünstigter Drittstaatsangehöriger - d.i. gemäß § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG u.a. auch der Ehegatte eines EWR-Bürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit bereits in Anspruch genommen hat - u.a. dann nach § 54 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: NAG), auszuweisen, wenn ihm ein Niederlassungsrecht deshalb nicht zukommt, weil er entweder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit darstellt oder keinen urkundlichen Nachweis über das Bestehen der Ehe vorlegen kann.

3.2. Im gegenständlichen Fall hat sich herausgestellt, dass die Ehegattin des Bw nicht nur österreichische Staatsbürgerin ist, sondern auch die rumänische Staatsangehörigkeit besitzt. Der vorliegende Fall unterscheidet sich zwar vom durch den Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall X, war doch die Gattin des Bw zunächst rumänische Staatsangehörige, die sich vor Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union in Österreich niedergelassen hat. Nach Meinung des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenats ist die Gattin des Bw dennoch als europäische Unionsbürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, anzusehen, auch wenn die Inanspruchnahme der Freizügigkeit vor dem Zeitpunkt des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union liegt.

So geht weder aus der Richtlinie 2004/38/EG noch aus der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 2. Juli 2009 über die Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der


Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hervor, dass der vorliegende Fall, anders als der bereits entschiedene, oben genannte, zu behandeln wäre.

 

Somit kommt dem Rechtsmittelwerber einerseits die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen i.S.d. § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG zu. Da er andererseits - allseits unbestritten - keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit bildet und zudem kein Zweifel am Bestehen der Ehe vorliegt, kann er gemäß    

§ 86 Abs. 2 FPG nicht mehr ausgewiesen werden.

 

3.3. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 20,40 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Beilagen

Mag. Bergmayr-Mann

 


Rechtssatz:

 

VwSen-720255/4/BMa/La vom 26. November 2009:

Erkenntnis

§ 86 Abs. 2 FPG;

§ 2 Abs. 4 Z. 11 FPG:

 

Die Ehegattin des Bw ist nicht nur österreichische Staatsbürgerin ist, sondern besitzt auch die rumänische Staatsangehörigkeit. Der vorliegende Fall unterscheidet sich zwar vom durch den Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall X, war doch die Gattin des Bw zunächst rumänische Staatsangehörige, die sich vor Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union in Österreich niedergelassen hat. Nach Meinung des erkennenden Mitglieds des unabhängigen Verwaltungssenats ist die Gattin des Bw dennoch als europäische Unionsbürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, anzusehen, auch wenn die Inanspruchnahme der Freizügigkeit vor dem Zeitpunkt des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union liegt.

So geht weder aus der Richtlinie 2004/38/EG noch aus der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 2. Juli 2009 über die Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hervor, dass der vorliegende Fall, anders als der bereits entschiedene, oben genannte, zu behandeln wäre.


 

 

 

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