Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590232/2/Ste/Ga

Linz, 09.12.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Präsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung der X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Grieskirchen vom 29. Oktober 2009, GZ BauR01-11-2009, wegen eines Antrages auf Erteilung einer Entschädigung nach der Oö. Bauordnung 1994 zu Recht erkannt:

         Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der Behörde erster Instanz wird bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Grieskirchen vom 29. Oktober 2009, GZ BauR01-11-2009, wurde der Antrag der X und des X (in der Folge kurz: Bw) vom 20. August 2009 auf Leistung einer Entschädigung gemäß § 17 Abs. 5 Oö. Bauordnung 1994 als unbegründet abgewiesen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass - entsprechend dem Ansuchen der nunmehrigen Bw vom 3. März 1987 - mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 18. August 1987, Zl. BA-102/1987, einerseits die im Bescheid genau bezeichneten Grundstücke als Bauplätze bewilligt wurden und andererseits ein genau bezeichnetes (Teil)Grundstück lastenfrei und unentgeltlich in das Eigentum der Gemeinde gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung zur Teilung zu übertragen war.

Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung sei kein Bebauungsplan vorgelegen, jedoch seien rechtskonforme Grundabtretungen nur bei solchen möglich. Es habe daher an der Grundlage der Abtretungspflicht, einem Bebauungsplan, gemangelt. Der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 18. August 1987, Zl. BA-102/1987, sei jedoch in Rechtskraft erwachsen.

Aufgrund der Ermittlungen würde zudem feststehen, dass zum Zeitpunkt der Bauplatzbewilligung die betroffenen Grundstücke noch nicht bebaut gewesen seien und daher die Voraussetzungen für eine entschädigungslose Grundabtretung gegeben gewesen seien.

Eine nachträgliche Entschädigung aufgrund des § 17 Abs. 5 erster Satz Oö. BauO 1994 sei aufgrund fehlender Tatbestandsvoraussetzungen nicht möglich, da auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder ein Bebauungsplan noch eine straßenrechtliche Verordnung vorliege.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der den Bw am 3. November 2009 zugestellt wurde, richtet sich die am 10. November 2009 – und somit rechtzeitig – bei der Behörde erster Instanz eingelangte Berufung.

Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sehr wohl ein Bebauungsplan vorliege, die Abtretung nicht freiwillig war, sondern mit Bescheid vorgeschrieben wurde und dass bis dato keine Siedlungsstraße gebaut worden sei.

In der Anlage sei ein entsprechender „Bebauungsplan″ beigefügt.

2.1. Mit Schreiben des Amtes der Oö. Landesregierung, Direktion Inneres und Kommunales, vom 20. November 2009, IKD(BauR)-020481/1-2009, wurde der Verwaltungsakt der Behörde erster Instanz zur Berufungsentscheidung gemäß § 6 AVG weitergeleitet.

Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 67a Z. 1 AVG).

Die sachliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats ergibt sich aus § 54 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm. § 55 Abs. 4 Z 4 Oö. BauO 1994.

2.3. Die Berufung ist – wie bereits unter Punkt 1.2 dargestellt – rechtzeitig.

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt.

Da ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde und der Unabhängige Verwaltungssenat die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält, war eine solche nach Maßgabe des § 67d AVG nicht durchzuführen. Dies insbesondere deshalb, weil der Sachverhalt an sich völlig klar und unbestritten ist und die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt.

2.5. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Bw im Verfahren) ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 18. August 1987, Zl. BA-102/1987, Spruchpunkt 3, hatten die nunmehrigen Berufungswerber gemäß § 18 Abs. 1, 2 und 3 Oö. Bauordnung die Parzelle X, KG X, entsprechend dem Lageplan vom 3. März 1987, GZ 2087 lastenfrei und unentgeltlich in das Eigentum der Gemeinde gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung der Teilung zu übertragen.

Bei dem von den Bw als „Bebauungsplan″ bezeichneten Plan handelt es sich lediglich um Auszug aus einem Planentwurf, der niemals rechtswirksam wurde. Dies ergibt sich auch aus dem seinerzeitigen Bescheid über die Bauplatzbewilligung vom 18. August 1987, Punkt 4 „Weitere Bedingungen und Auflagen“.

Es liegt damit zum Entscheidungszeitpunkt weder ein Bebauungsplan noch eine straßenrechtliche Verordnung für diesen Bereich vor.

2.6. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchfrei aus dem vorgelegten Akt.

3.  In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

3.1. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 und 2 Oö. BauO 1994 sind anlässlich der Bewilligung von Bauplätzen und der Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken die nach Maßgabe der Straßenfluchtlinien des Bebauungsplans oder der in einem Plan bestimmten Straßengrundgrenzen einer straßenrechtlichen Verordnung gemäß § 11 Abs. 1 dritter Satz des Oö. Straßengesetzes 1991 zu den öffentlichen Verkehrsflächen der Gemeinde fallenden, an den Bauplatz oder an den von der Änderung betroffenen Teil des Bauplatzes oder des bebauten Grundstücks angrenzenden Grundflächen, und zwar bei beiderseitiger Bebaubarkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebaubarkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, in beiden Fällen im rechten Winkel auf die Straßenfluchtlinie oder die geplante Straßengrundgrenze, abzutreten. Bei Bruchpunkten in der Straßenfluchtlinie oder in der geplanten Straßengrundgrenze und bei Eckbildungen erstreckt sich die Verpflichtung auch auf die zwischen den Senkrechten gelegenen Flächen.

Gemäß § 17 Abs. 1 Oö. BauO 1994 hat für die gemäß § 16 Abs. 1 Oö. BauO 1994 abzutretenden Grundflächen die Gemeinde eine Entschädigung zu leisten, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt. Wenn eine nicht bebaute Grundfläche als Bauplatz bewilligt oder einem Bauplatz oder einem bebauten Grundstück zugeschrieben wird, hat die Grundabtretung gemäß § 16 Abs. 1 Oö. BauO 1994 bis zu acht Meter, von der Straßenfluchtlinie oder der geplanten Straßengrundgrenze aus gemessen und senkrecht auf diese, ohne Entschädigung zu erfolgen; beträgt jedoch die abzutretende Fläche mehr als ein Viertel des Bauplatzes oder des bebauten Grundstücks, ist für das darüber hinausgehende Ausmaß von der Gemeinde Entschädigung zu leisten. Als nicht bebaut im Sinn dieses Absatzes gilt abweichend von § 2 Abs. 1 Oö. BauO 1994 auch eine Grundfläche, auf der sich bauliche Anlagen befinden, für die gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 2, 3 und 5 Oö. BauO 1994 eine Bauplatzbewilligung nicht erforderlich ist.

Für die gemäß § 16 Abs. 1 Oö. BauO 1994 abzutretenden Grundflächen hat eine Gemeinde daher eine Entschädigung zu leisten, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt. Eine Verpflichtung zur entschädigungslosen Grundabtretung für Verkehrsflächen von Gemeinden ist – bis zur den im Gesetz genannten Höchstgrenzen – grundsätzlich dann gegeben, wenn eine nicht bebaute Grundfläche als Bauplatz bewilligt oder einem Bauplatz oder einem Grundstück zugeschrieben wird.

Da zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch den Bürgermeister der Gemeinde X am 18. August 1987, Zl. BA-102/1987, kein Bebauungsplan vorgelegen ist, rechtskonforme Grundabtretungen grundsätzlich jedoch nur bei Vorliegen eines Bebauungsplanes möglich sind, hat es somit an der Grundlage einer Abtretungsverpflichtung, nämlich einem rechtswirksamen Bebauungsplan, gemangelt. Der Bescheid wurde jedoch – da er unbekämpft geblieben ist – rechtskräftig; die Abtretung wurde auch durchgeführt.

Zu beachten ist, dass – auch dann, wenn die seinerzeitige Grundabtretung unter Umständen ohne gesetzlich Grundlage erfolgte – dies nicht dazu führen, dass nunmehr die Baubehörde ohne gesetzliche Grundlage berechtigt wäre, die Rückstellung dieser Grundflächen zu verfügen (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 16. März 1993, 92/05/0296).

3.2. Es bleibt in weiterer Folge noch zu prüfen, ob eine Entschädigung nach anderen Bestimmungen der Oö. BauO 1994 zu leisten ist.

Mussten gemäß § 17 Abs. 5 Oö. BauO 1994 für eine im Bebauungsplan oder in einer straßenrechtlichen Verordnung ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde bei zunächst einseitiger Bebaubarkeit Grundflächen über die Achse der Verkehrsfläche hinaus abgetreten werden und werden die an eine solche Verkehrsfläche angrenzenden Grundstücke infolge einer Änderung des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplans beidseitig bebaubar, hat die Gemeinde dem früheren Grundeigentümer oder dessen Rechtsnachfolger für jene Grundflächen, die über die Achse der Verkehrsfläche hinaus ohne Entschädigung abgetreten werden mussten, Entschädigung zu leisten. Die Entschädigung hat den Verkehrswert der Grundflächen zur Zeit des Wirksamwerdens des geänderten Flächenwidmungs- oder Bebauungsplans zu umfassen; sie wird mit Wirksamkeit der Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanänderung fällig.

Aus dem Sachverhalt ergibt sich, dass bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats kein rechtswirksamer Bebauungsplan für die ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche vorliegt. Ebenso liegt keine straßenrechtliche Verordnung für die ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche vor.

Wie die Behörde erster Instanz im Ergebnis richtig erkannt hat, steht der Er-teilung einer Entschädigung im konkreten Fall jedenfalls auch § 17 Abs. 5 erster Satz Oö. BauO 1994 entgegen. Demnach muss eine ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche, für die eine Entschädigung begehrt wird, in einem Bebauungsplan oder in einer straßenrechtlichen Verordnung ausgewiesen sein. Dies liegt nicht vor.

Bei diesem Ergebnis brauchen die nach § 17 Abs. 5 Oö. BauO 1994 kumulativ notwendigen Tatbestandselemente nicht weiter geprüft zu werden.

3.3. Eine entschädigungslose Grundabtretung anlässlich einer Baubewilligung ist grundsätzlich zulässig (VfSlg. 3475/1958 ua.), jedoch ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz eine unentgeltliche Enteignung nur zulässig wenn der Enteignete einen Aufschließungsvorteil hat (VfSlg. 6884/1972).

Wie sich aus den obenstehenden Ausführungen ergibt, lagen grundsätzlich die Voraussetzungen für eine entschädigungslose Grundabtretung vor. Im Sinn der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist jedoch zu prüfen, ob die Bw einen Aufschließungsvorteil hatten.

Wie die Bw in der Berufung vom 9. November 2009 selbst anführen, haben sie die Bauparzellen an ihre Söhne verschenkt. Wenn die Bw auch die Errichtung einer Siedlungsstraße in der Berufung bestreiten, so führen sie selbst an, dass auf der gegenüberliegenden Seite der Straße ein Grundstück (vgl. Antrag vom 1. Juli 2009) sowie ein Parkplatz an die Siedlungsstraße (vgl. Berufung vom 9. November 2009) angeschlossen werden soll/angeschlossen wurde. Dies stellt jedoch zweifellos einen Aufschließungsvorteil dar.

3.4. Mit Landesgesetz LGBl. Nr. 66/1994, wurde die Oö. Bauordnung 1994 kundgemacht und es trat die O.ö. Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 35/1976 außer Kraft. Dies ist im zu entscheidenden Fall aber insofern unproblematisch, als die hier anzuwendenden Bestimmungen (grundsätzlich) geltungsgleich sind. Eine Prüfung des Sachverhalts im Zeitpunkt der Rechtslage nach der Oö. BauO 1976 kann daher unterbleiben, da sich im Ergebnis keine Änderung ergibt.

3.5. Der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 18. August 1987, Zl. BA-102/1987 ist in Rechtskraft erwachsen.

Dieser Bescheid ist daher kein möglicher Gegenstand im Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat, ist dieser doch auf die Überprüfung des angefochtenen Bescheids beschränkt und nicht zuständig, allgemein behauptete Missstände in der Verwaltung zu beurteilen.

3.6. Ob darüber hinaus ein sonstiger Anspruch auf Rückübereignung oder Entschädigung besteht (vgl. insbesondere die bei Neuhofer, Oö. Baurecht, Band 1, Erl. § 17, abgedruckt Judikatur des Verfassungsgerichtshofs), kann und braucht vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht geprüft zu werden, da Sache im vorliegenden Verfahren ausschließlich die Berufung gegen den angefochtenen Bescheid ist.

3.7. Insgesamt ist daher die Berufung des Bw unbegründet und war daher als unbegründet abzuweisen.

4. Im Verfahren sind Bundesstempelgebühren in der Höhe von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

In der vorliegenden Rechtssache haben sich die Berufungswerberin und der Berufungswerber zu einer Rechtsgemeinschaft (gemeinschaftlicher Rechtsgrund) zusammengeschlossen. Daher ist gemäß § 7 des Gebührengesetzes 1957 die Gebühr nur im einfachen Betrag zu entrichten. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebührenschuld trifft daher nach § 13 Abs. 2 Gebührengesetz 1957 die Berufungswerberin und den Berufungswerber zur ungeteilten Hand. In diesem Fall besteht ein Auswahlermessen der Behörde zu bestimmen, welchen der Gesamtschuldner sie zur Entrichtung der Gebührenschuld heranzieht. Im vorliegenden Fall wird der Erstunterzeichner des Rechtsmittels, X, als Gebührenschuldner herangezogen. Seiner Ausfertigung liegt daher ein entsprechender Zahlschein bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner