Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252133/2/Sr/Mu

Linz, 27.11.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, X, X, vertreten durch X, X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landes­hauptstadt Linz vom 23. Februar 2009, GZ 0048404/2008, wegen zwei Übertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkennt­nis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.     Die Berufungswerberin hat weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009, i.V.m. §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl.Nr.52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

 

 

 




Entscheidungsgründe:

 

1.1 Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landes­hauptstadt Linz vom 23. Februar 2009, GZ 0048404/2008, wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"I. Tatbeschreibung:

 

Sie haben als Gewerbeinhaberin und Betreiberin der Firma X, X, X verwaltungsstrafrechtlich zu verant­worten, dass von dieser Firma zumindest am 03.09.2008, die unten angeführten Personen, als Dienstnehmer, auf der Welser Herbstmesse X in der Halle X, Stand X, Betreibern: X, – in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt – als Verkäuferinnen beschäftigt wurden, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialver­sicherungsträger angemeldet worden waren.

1.   X, geb. X, Verkauf von Produkten

2.   X, geb. X, Verkauf von Produkten

Bei der dritten angetroffenen Person X, geb. X, Verkauf von Produkten wird hiermit das Strafverfahren eingestellt.

 

II. Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:

jeweils §§ 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG

..."

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte
Behörde über die Bwin jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 146 Euro (10% der Geld­strafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass die der Bwin angelastete Tat von einem Organ des Finanzamtes Grieskirchen Wels bei einer Kontrolle am 3. September 2008 festgestellt worden sei.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Oktober 2008 sei gegen die Bwin das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. In ihrem Schriftsatz habe die Bwin die ihr angelastete Tat bestritten und detailliert begründend ausgeführt, dass es sich bei den Personen X und X um Cousinen des Ehegatten X handelt, welche unentgeltlich auf der Welser Herbstmesse X in der Halle X, Stand X mitgeholfen haben. Hingegen sei Frau X mittels Avisomeldung für fallweise beschäftigte Dienstnehmer vor Dienstantritt unter dem falschen Namen X angemeldet worden; die restlichen Daten seien aber ident gewesen.

 

Zu diesen von der Bwin ausgeführten Rechtfertigungsgründen habe sich der Anzeigenleger dahingehend geäußert, dass unbestritten sei, dass Frau X mit dem Namen X vor Dienstantritt mittels Avisomeldung angemeldet worden sei, weil eine ELDA-Anfrage ergeben habe, dass am 2. September 2008 um 17:26:32 eine X, geb. X, SV-Nr. X vom X zur Sozialversicherung angemeldet wurde, weshalb sie diesbezüglich mit der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahren einverstanden gewesen seien. Hinsichtlich den beiden anderen beschäftigten Personen, bei denen es sich um die Cousinen des Ehegatten von der Bwin gehandelt habe, habe der Anzeigenleger allerdings festgestellt, dass die Bwin ledig sei. Zu Letzterem sei weiters ausgeführt worden, dass eine familiäre Mitarbeit im Betrieb nur unter gewissen Voraussetzungen und nur in gerader Linie zulässig sei. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise habe daher ergeben, das die von der Bwin ausgeübte Geschäftstätigkeit ohne den beiden nichtangemeldeten Personen nicht im ausgeübten Ausmaß durchgeführt hätte werden können, weshalb in diesen beiden Fällen die Fortführung des Verwaltungsstrafverfahren beantragt worden sei.

 

Im Zuge der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Bwin keine weitere Stellungnahme mehr abgegeben.

 

Für die erkennende Behörde sei daher der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Beweis­verfahrens erwiesen.

 

Nach Darstellung der verletzten Verwaltungsvorschriften stellte die belangte Behörde einerseits fest, dass der gegenständliche Tatbestand der angelasteten Verwal­tungsübertretung betreffend der zwei Dienstnehmer somit in objektiver Hinsicht erfüllt sei und anderseits hinsichtlich der dritten Person das Verwaltungsverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen sei.

 

Unter Hinweis auf § 5 Abs.1 VStG wird weiters hinsichtlich des Verschuldens ausgeführt, dass es sich bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamkeitsdelikt gehandelt habe und die Rechtfertigungsgründe der Bwin nicht ausgereicht hätten, um ihre Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Milderungs- und Erschwerungsgründe hervorgekommen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.3. Gegen dieses der Bwin am 9. März 2009 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende am 18. März 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird vorgebracht, dass hinsichtlich der Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit der beiden namentlich genannten Beschäftigten auf das E-Mail vom 15. Oktober 2008 verwiesen werde. Darin sei bereits vorgebracht worden, dass die Mithilfe von diesen zwei Personen unentgeltlich und ohne
Arbeitsverpflichtung erfolgt sei. Zu berichtigen sei nur, dass es sich bei Herrn X um den langjährigen Lebensgefährten der Bwin handle, der auch am Wohnsitz der Bwin angemeldet sei, weshalb eine Nahebeziehung auch nachgewiesen werden kann. Seine beiden Cousinen haben daher aufgrund ihrer Familienverhältnisse zu ihm am 3. September 2009 auf dieser Herbstmesse unentgeltlich und ohne jegliche Arbeitsverpflichtung mitgeholfen, weshalb von einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht die Rede sein kann. Aufgrund der eheähnlichen Gemeinschaft sei daher die familiäre Mitarbeit der beiden Cousinen nachvollziehbar und glaubhaft, sodass eine Bestrafung hinsichtlich der Nichtanmeldung zur Sozialversicherung nicht gerechtfertigt sei. In der Folge wird zur Strafhöhe vorgebracht, dass aufgrund des geringen Einkommens der Bwin das Strafausmaß erhöht sei. Aus allen diesen Gründen könne daher nicht von einem Dienstverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gesprochen werden, weil weder eine Arbeitsverpflichtung vorgelegen noch eine Entgeltleistung vereinbart worden sei.

 

Daher wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der Strafe beantragt.

 

1.4. Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Mai 2009, GZ 0048404/2008, die der Bwin am 6. Mai 2009 durch Hinterlegung zugestellt wurde, wurde ihre Berufung als unbegründet abgewiesen und der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses vom 23. Februar 2009, GZ 0048404/2008, in offener Verfolgungsfrist gemäß §  44a VStG ergänzt. Dagegen wurde vom Rechtsvertreter der Bwin mit
Schreiben vom 14. Mai 2009 ein Vorlageantrag eingebracht.

2.1. Die belangte Behörde hat mit Vorlageschreiben vom 18. Mai 2009 einen Ausdruck ihres elektronischen Aktes zur Geschäftszahl 0048404/2008 dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt. Dieser erhob Beweis durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde; da sich bereits aus diesem der entscheidungs­relevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Aufgrund des Einbringens des Vorlageantrages ist die Berufungsvorent­scheidung außer Kraft getreten, sodass der Unabhängige Verwaltungssenat, über die Berufung vom 16. März 2009 zu entscheiden hat.

 

2.3. Nach § 51c VStG hat der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis je angenommenen Delikt eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der
Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz – ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

 

1.  Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

 

2.  Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

 

3.  Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

 

4.  gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeich­nungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

 

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

 

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

 

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestim­mungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erst­maligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs. 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeber­kontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z. 3 lit a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

"Zuständiger Krankenversicherungsträger" iSd § 33 Abs. 1 ASVG ist für sämtliche im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangene Verwaltungsübertretun­gen die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse mit Sitz in Linz. Somit ist der Bürgermeister der Stadt Linz grundsätzlich die für die Erledigung sämtlicher aus Anlass einer im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangenen Über­tretungen des § 33 Abs. 1 ASVG durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren örtlich zuständige Behörde iSd § 27 Abs. 1 VStG.

 

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgeber beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer iSd ASVG gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäf­tigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merk­malen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungscheckgesetz entlohnt werden oder wenn sie nach § 47 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 des Einkommensteuer­gesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

Nach § 35 Abs. 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs. 2 ASVG Besonderes für jene nach § 4 Abs. 1 Z. 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs. 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die in § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 ASVG vorliegt.

Von der Vollversicherung nach § 4 ASVG und damit von der Krankenversicherungspflicht sind jedoch geringfügig beschäftigte Personen nach § 5 Abs. 2 ASVG in der Regel ausgenommen. Nach der letztgenannten Bestimmung galt zum Tatzeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis dann als geringfügig, wenn es für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart war und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 26,80 Euro, insgesamt jedoch von höchstens 349,01 Euro gebührte oder für min­destens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart war und pro Kalendermonat kein höheres Entgelt als 349,01 Euro vereinbart war.

 

3.2. Aus der Zusammenschau der mit § 111 Abs. 1 ASVG beginnenden Verweisungskette ergibt sich somit, dass sich das Tatbild dieses (bloß kursorisch als "Nichtmeldung beim Sozialversicherungsträger" bezeichenbaren) Deliktes aus mehreren Einzelelementen zusammensetzt, die jeweils gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses – neben den nicht deliktsspezifischen und in diesem Sinne allgemeinen Erfordernissen (wie z.B. Zeit und Ort der Begehung) – kumulativ oder alternativ einer entsprechenden Konkretisierung bedürfen würden, nämlich, dass

 

          1. ein Dienstgeber, der für die Erfüllung der Meldepflicht keinen Bevoll-

              mächtigten bestellt hat (vgl. § 35 Abs. 1 und 3 ASVG),

          2. einen Dienstnehmer

          3. in einem Verhältnis persönlicher und

              wirtschaftlicher Abhängigkeit               vgl. § 4 Abs. 2 (und 4) ASVG

          4. gegen Entgelt (vgl. § 49 ASVG)

          5. beschäftigt hat,

          6. der in der Krankenversicherung pflichtversichert, nämlich entwe-

              der

              a) vollversichert (vgl. § 4 Abs. 1 ASVG) oder

              b) (insbesondere infolge des Nichterreichens der Geringfügigkeits-

                  grenze des § 5 Abs. 2 ASVG) zumindest teilversichert (vgl. § 7

                  Z 1 und § 8 Abs. 1 Z. 1 ASVG) und

              c) nicht gemäß § 5 ASVG ausgenommen ist und

          7. hierüber entweder eine Meldung oder eine Anzeigeentweder

              in einem oder in zwei Schritten (vgl. § 33 Abs. 1a ASVG) – entweder

              a) nicht erstattet oder

              b) falsch erstattet oder

              c) nicht rechtzeitig erstattet hat (vgl. § 33 Abs. 1 ASVG).

 

3.3. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z. 1 VStG entwickelten Judikatur ist die der Bwin angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestands­merkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitum­schreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. z.B. VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

Wenn nun § 44a Z. 1 und Z. 2 VStG als einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsstrafverfahrens festlegen, dass der Spruch eines Straferkenntnisses den genauen Tatvorwurf sowie die Verwaltungsvorschrift(en) zu bezeichnen hat, die durch die Tat verletzt wurde(n), so wird der Spruch des hier angefochtenen Bescheides diesem Erfordernis – und zwar auch nicht in Verbindung mit der zu dessen Auslegung allenfalls heranziehbaren Begründung - schon deshalb nicht gerecht, weil insgesamt insbesondere keinerlei Bezugnahme auf die oder eine nähere Konkretisierung der in § 4 Abs. 1 und 2 ASVG, § 33 Abs. 1 ASVG, § 33a Abs. 1 ASVG sowie in § 35 Abs. 1 und 3 ASVG positivierten essentiellen Tatbestandselemente enthalten ist.

Allerdings ist festzuhalten, dass zwar wesentliche Tatbestandselemente vom Wortlaut des im vorliegenden Fall gewählten Spruchtextes, der sich lediglich an §  33 Abs. 1 und § 111 ASVG orientiert, implizit umfasst sind; die obgenannten weiterführenden Gesetzesbestimmungen stellen teils eine Vertiefung der in § 33 Abs. 1 und § 111 ASVG angeführten Tatbestandselemente dar. Im Sinne einer konkreten Tatbeschreibung nach § 44a Z. 1 VStG kann die Anführung dieser – je nach dem zu beurteilenden Sachverhalt - deskriptiven Tatbestandselemente dann – und nur dann – in der im gegenständlichen Fall gewählten impliziteren Form erfolgen, wenn die oa. Tatbestandselemente hinreichend in der Begründung korrespondierend zum Spruch erschöpfend erläutert und gerechtfertigt werden.

Dies gilt aber wohl nicht für die u.a. in § 5 Abs. 2 ASVG normierten Ausnahmebestimmungen von der Versicherungspflicht. Denn dieses Tatbestandselement (vgl. Punkt 6 in der obigen Darstellung) ist aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 ASVG nur mittels eines Umkehrschlusses abzuleiten; es ist aber auf diesem Wege fraglos ein konstitutives Tatbestandselement und deshalb stets im Spruch anzuführen. Das gänzliche Fehlen eines derartigen Tatbestandselementes im Spruch kann nicht durch bloße analoge Feststellungen in der Begründung "geheilt" werden.

 

3.4. Im gegenständlichen Fall wurde der Bwin als Gewerbeinhaberin und Betreiberin ihrer Firma nur pauschal angelastet, dass sie zu verantworten habe, dass von dieser zumindest am 3. September 2008 die namentlich genannten Personen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Engelt als Verkäuferinnen beschäftigt worden seien, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden seien.

 

Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht jedoch hervor, inwieweit der Bwin eine Dienstgeber­eigenschaft zukam; ob bzw. inwieweit tatsächlich eine Beschäftigung als "Verkäuferinnen" in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorlag; ob die Meldung an den Sozialversicherungsträger überhaupt nicht oder bloß unvollständig oder bloß verspätet erfolgte; etc.

 

3.5. Insbesondere fehlt aber jedenfalls eine Konkretisierung dahin, ob bzw. dass die Höhe des Entgelts über der sog. "Geringfügigkeitsgrenze" des § 5 Abs. 2 ASVG lag. Diese Feststellung ist jedoch deshalb unverzichtbar, weil die Tätigkeit andernfalls nach dieser Bestimmung grundsätzlich von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ausgenommen wäre, es sei denn, es würde sich um eine der in den §§ 7 und 8 ASVG genannten Beschäftigungsverhältnisse handeln; doch selbst in diesem Fall wäre noch gesondert zu prüfen, ob die Tätigkeit konkret eine Teilpflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet, weil nach § 33 Abs. 1 ASVG ja nur die Nichtmeldung zu diesem Versicherungszweig als strafbar erklärt ist.

3.6. Da die Anlastung einer Übertretung des § 111 Abs. 1 ASVG nur dann als rechtmäßig angesehen werden kann, wenn sämtliche der zuvor unter 3.2. angeführten Tatbestandsmerkmale im Spruch des Straferkenntnisses enthalten und dort in einer der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Form hinreichend konkretisiert sind (wobei hiezu gegebenenfalls insbesondere auch eine dezidierte Anführung, dass Ausnahmen, die ex lege zu einer Nichterfüllung des Tatbildes führen würden, in concreto nicht vorliegen, erforderlich ist), der Spruch des hier bekämpften Straferkenntnisses jedoch im Grunde lediglich den Gesetzestext (teilweise) wiedergibt, wurde somit der Rechtsmittelwerberin im Ergebnis ein Verhalten zur Last gelegt, dass jedenfalls in dieser Form (noch) keine strafbare Handlung bildet.

3.7. Bei diesem Ergebnis war der Berufung sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer tauglichen Tatanlastung innerhalb der Verfolgungs­verjährungsfrist gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrenergebnis war der Bwin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 


Rechtssatz:

VwSen-252133/2/Sr/Mu vom 19. November 2009

wie VwSen-252281/2/Gf/Mu vom 11. November 2009

 

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