Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401033/4/BP/Eg

Linz, 10.12.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree aus Anlass der Beschwerde des X, StA von Afghanistan, vertreten durch X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 14. November 2009 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

I.            Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft seit 14. November 2009 für rechtswidrig erklärt. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen.

 

II.        Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 14. November 2009, GZ.: Sich 40-3628-2009, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2 Z. 4 iVm. § 80 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass der Bf, ein Staatsbürger von Afghanistan, am 13. November 2009 gegen 22:55 Uhr, als Insasse des internationalen Reisezuges EN466, auf der Westbahnstrecke, Höhe des Gemeindegebietes von Amstetten, Fahrtrichtung Linz, von Beamten des LPK Niederösterreich, AGM Wiener Neustadt, einer Fremdenkontrolle unterzogen worden sei. Im Rahmen dieser Kontrolle sei der Bf weder im Stande gewesen sich mit einem Nationalreisepass auszuweisen noch habe er den Besitz eines für den Schengenraum gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitels nachweisen können. Ebenso sei der Bf auch nicht im Stande gewesen ein anderweitiges staatlich ausgestelltes Dokument, welches einen Rückschluss auf seine Identität zulassen würde, in Vorlage zu bringen. Er sei lediglich im Besitz einer gültigen Bahnfahrkarte, gelöst am 13. November 2009 um 18:01 Uhr in Wien Westbahnhof, gültig für die Fahrtstrecke Wien-Westbahnhof bis nach Basel gewesen. Der Bf sei daraufhin nach den Bestimmungen des FPG vorläufig festgenommen und bei der nächsten fahrplanmäßigen Haltestelle des Zuges am Hauptbahnhof Linz, Beamten des SPK Linz zu weiteren fremdenpolizeilichen Veranlassungen übergeben worden.

 

Im Zuge der polizeilichen Erstbefragung unter fernmündlicher Beiziehung eines Dolmetschers habe der Bf schließlich am 14. November 2009 vor Beamten des SPK Linz unter den von ihm ins Treffen geführten Personalien: "X, geb. X, in X, StA von Afghanistan" einen Asylantrag gestellt. Im Zuge weiterer Erhebungen sei mittels Abgleich der Fingerabdrücke in Erfahrung gebracht worden, dass der Bf – ehe er illegal nach Österreich eingereist sei – bereits im EU-Mitgliedstaat Griechenland (Samos) am 20. Dezember 2008 erkennungsdienstlich behandelt worden sei. 

 

Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung zu seinem Asylantrag habe der Bf am 14. November 2009 in Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Bashtu angeführt, dass er seinen Herkunftsstaat vor drei Monaten verlassen habe und zunächst in Pakistan, in der Folge via Iran und Türkei, in der Folge per Schlauchboot in Griechenland (und somit erstmals in das Gebiet der EU) eingereist sei, von wo er aus über Mazedonien, Serbien und Ungarn schließlich am 12. November 2009 in das Bundesgebiet der Republik Österreich gelangt sei.  Die Reisebewegung behauptet der Bf selbst organisiert und dafür Bargeld in Höhe von rund 3.200 Euro aufgewendet zu haben. Er verfüge weder über ein Reisedokument, sei mittellos und habe auch keine familiären Bindungen in Österreich oder einem anderen EU-Staat.

 

Nach Abschluss seiner niederschriftlichen Erstbefragung zu seinem Asylantrag sei der Bf – im Stand der Festnahme nach den Bestimmungen des AsylG – am 14. November 2009, gegen 13.35 Uhr, von Beamten des SPK Linz zum Bundesasylamtes EAST West nach St. Georgen verbracht worden. Nach erfolgter Vorführung sei die Festnahme nach den Bestimmungen des AsylG um 14.00 Uhr aufgehoben worden.

 

Am selben Tag sei er Bf um 14.00 Uhr von Beamten der PI St. Georgen in der EAST West im Auftrag der belangten Behörde zur Erlassung der Schubhaft nach den Bestimmungen des FPG festgenommen worden.

 

Die belangte Behörde führt weiter aus, dass die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Asylantrag des Bf nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens gemäß den Bestimmungen des Dubliner Abkommens mit Griechenland mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werde. Eine am 14. November 2009 seitens der belangten Behörde zu seiner Person veranlasste Überprüfung im bundesweiten zentralen Melderegister habe ergeben, dass der Bf über keinen polizeilich gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet verfüge.

 

Die Gesamtheit seiner Verhaltensweise (illegale Einreise ins Bundesgebiet bzw. mehrfache illegale Grenzübertritte innerhalb der Mitgliedstaaten der EU nach erfolgter erkennungsdienstlicher Behandlung in Griechenland) zeige auf, dass der Bf in keiner Weise gewillt sei, die Rechtsordnung seines Gastlandes Österreich bzw. die Rechtsordnung der EU-Mitgliedstaaten - im Bereich der bestehenden gesetzlichen Einreise– und Aufenthaltsbestimmungen – zu respektieren. Erst nachdem der Bf von österreichischen Polizeibeamten in Folge seiner illegalen Einreise und seines unrechtmäßigen Aufenthaltes festgenommen und durch die behördlichen Maßnahmen bei seiner Reisebewegung zwangsweise gestoppt worden sei, habe er ein Asylbegehren in Österreich gestellt. Die Verhaltensweise in Bezug auf den Fluchtweg gehe in klarer Linie dahin, dass der Bf jenen Mitgliedstaat der EU, in welchem er einen Antrag auf Schutz vor Verfolgung einbringe, offenbar selbst – und unabhängig von seinem tatsächlichen sicheren Aufenthalt – bestimmen wolle. Er sei offensichtlich nicht gewillt in den zur Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen EU-Mitgliedstaat Griechenland zurückzukehren und betreibe gezielten Asyltourismus. Aufgrund des Fehlens einer örtlichen Bindung im Bundesgebiet, aufgrund seines an den Tag gelegten flexiblen Reiseverhaltens sowie aufgrund der Tatsache, dass der Bf beabsichtigt habe weiter illegale Reisebewegungen durchzuführen, sei die Annahme gerechtfertigt, dass er sich auf freiem Fuß belassen dem behördlichen Zugriff entziehen werde, weshalb ein hoher Sicherungsbedarf zu bejahen sei.

 

 

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter per Telefax nunmehr am 6. Dezember 2009, Beschwerde an den Oö. Verwaltungssenat, in der er in seinem Recht der persönlichen Freiheit, auf Schutz des Privat- und Familienlebens sowie auf Schutz vor Willkür verletzt zu sein behauptet.

 

Begründend wird aufgeführt, dass der Bf keine strafbaren Handlungen begangen habe, keine Handlungen gesetzt habe, die die Annahme rechtfertigen würden, dass bei ihm akute Fluchtgefahr bestehe. Der Bf habe sich in Griechenland aufgehalten. Es sei amtsbekannt, dass es in Griechenland fast schon unmöglich sei einen Asylantrag zu stellen, aber auch die Lebensbedingungen für Asylwerber unmenschlich seien. Es sei zwar richtig, dass der Bf ursprünglich beabsichtigt habe seinen Asylantrag in der Schweiz zu stellen, werde aber nun in Österreich den Ausgang des Verfahrens abwarten.

 

Nach einer allgemeinen Darstellung der Situation für Asylwerber in Griechenland führt der Bf – aus der Aktenlage nicht nachvollziehbar - weiter aus suizidgefährdet und deshalb in stationärer psychiatrischer Behandlung zu sein, weshalb eine Abschiebung unzulässig sei. Er sei weder haft- noch transportfähig und leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Folge daraus sei ein Selbstmordversuch am 24. November 2009 gewesen.

 

Abschließend stellt der Bf den Antrag:

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat möge aussprechen, dass die Anhaltung des Bf in Schubhaft seit dem 15.11.2009 rechtswidrig sei. Der Bf stellt einen entsprechenden Kostenantrag.

 

2. Die belangte Behörde übermittelte dem Oö. Verwaltungssenat den bezughabenden Verwaltungsakt am 7. Dezember 2009 und beantragte, die gegenständliche Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

2.1. In einer Gegenschrift führt die belangte Behörde ua. aus, dass der Bf auch laut eigenen Angabe beabsichtigt habe in die Schweiz weiter zu reisen. Weiters werde angeführt, dass der Bf, nachdem er den Asylantrag gestellt hatte und er durch die Rechtsberatung informiert worden sei, dass er – so die Ausführungen in der Beschwerdeschrift – im Falle einer Asylantragstellung in der Schweiz wiederum nach Österreich überstellt werden würde, so lange in Österreich bleiben werde, bis sein Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei. Diese Ausführungen seien der belangten Behörde aus mehreren Gründen nicht erklärbar. Zum einen sei es in der Beschwerdeschrift vollkommen offen geblieben, welche Rechtsberatung zu welchem Zeitpunkt den Bf dahingehend informiert haben solle. Zum anderen gelte es festzustellen, dass die Inhalte dieser behaupteten Information – zumindest in Anbetracht des gegenwärtigen Verfahrensstandes in Österreich – sachlich nicht richtig seien. Sollte nämlich der Bf, für den Fall, dass ihn, auf freiem Fuß belassen, die Einreise in die Schweiz gelingen würde, in der Schweiz seinen Asylantrag stellen, so würde Österreich – in Anbetracht des gegenwärtigen Verfahrensstandes – einen allfällig von der Schweiz gemäß Dubliner Abkommen an Österreich herangetragenen Ersuchen um Wiederaufnahme mit dem Verweis auf die offensichtliche Zuständigkeit Griechenlands nicht zustimmen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache könne es so gut wie ausgeschlossen werden, dass diese (falschen) Informationen an den Bf durch einen Rechtsberater, welcher von Seiten des Bundesasylamtes im Asylzulassungsverfahren beizuziehen sei, ergangen seien. Die Beiziehung eines Rechtsberaters in einem sogenannten Dublin-Verfahren erfolge darüber hinaus während des Asylverfahrens erst unmittelbar vor dem Parteiengehör; dieses wiederum erfolge erst zu einem Zeitpunkt, in welchem die Zuständigkeit des "Dublin-Staates" im Verfahren bereits vorliege. In Bezug auf die in der Beschwerdeschrift behaupteten psychischen Probleme des Beschwerdeführers (Suizidversuche und Depression) und der behaupteten vorliegenden Haft- und Transportunfähigkeit gelte es festzuhalten, dass diese weder im fremdenpolizeilichen noch (gemäß einer am 7.12.2009 fernmündlich eingeholten Auskunft beim Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West) im asylrechtlichen Verfahren den Behörden bekannt seien. Einem aktuellen Auszug aus der Anhaltedatei vom 7.12.2009 könne lediglich entnommen werden, dass Herr X an einer Hautkrankheit leide.

 

Seitens der belangten Behörde werde an dieser Stelle vermerkt, dass bereits kurze Zeit nach der Anordnung der Schubhaft über den Bf, und zwar am 16.11.2009, von Seiten des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, ein Konsultationsverfahren mit dem EU-Land Griechenland eingeleitet worden sei. Dem beigeschlossenen aktuellen Auszug aus der Asylwerberinformation könne weiters entnommen werden, dass Griechenland auf das von Österreich herangetragene Aufnahmeersuchen bislang nicht geantwortet habe. Weiters sei ersichtlich, dass, für den Fall dass Griechenland nicht antworte, die Zuständigkeit zur Übernahme des Herrn X sowie die Zuständigkeit zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens mit Wirkung vom 18.12.2009 gemäß den Bestimmungen des Dubliner Abkommens auf Griechenland übergehe. Nachdem seitens der österreichischen Asylbehörde bereits im Rahmen des Asylzulassungsverfahrens das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung des Bf in den EU-Mitgliedstaat Griechenland eingeleitet worden sei und demzufolge mit einem entsprechend verkürzten Asyl- und Ausweisungsverfahren zu rechnen sei, so könne bei realistischer Betrachtung im Hinblick auf den in diesem Einzelfall vorliegenden Sachverhalt mit Recht angenommen werden, dass sich der Fremde dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren werde, um die Gefahr der Vollstreckung einer Ausweisung – in diesem Fall eine Abschiebung nach Griechenland – hintanhalten zu können.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1., 1.2. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus. Zusätzlich ist anzuführen, dass dem Bf mit Telefax vom 17. November 2009 eine Mitteilung über die beabsichtigte Zurückweisung seines Asylbegehrens gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG übermittelt wurde.  

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 14. November 2009, GZ.: Sich40-3628-2009, seit 14. November 2009 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

3.4. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass die Schubhaft in Anbetracht der erkennungsdienstlichen Behandlung des Bf durch die griechischen Behörden im Dezember 2008 zunächst auf § 76 Abs. 2 Z. 4 gestützt werden konnte. Weiters erfolgte eine Verdichtung durch die Mitteilung über die beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrages gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG am 17. November 2009, aufgrund derer nunmehr auch § 76 Abs. 2 Z. 2 als vorliegend angesehen werden kann.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die belangte Behörde sehr wohl eine Einzelfall bezogene Prüfung des Sicherungsbedarfes des Bf durchgeführt hat. Demgemäß ist ihr auch zu folgen, dass der Bf mangels Reisedokuments und jeglicher sozialer oder familiärer Beziehungen in Österreich sowie aufgrund seines ursprünglichen Reiseziels Basel durchaus geneigt sein könnte seine ebenfalls zu konstatierende Bereitschaft zu "Asyltourismus" wieder aufleben lassen könnte. Nachweislich machte der Bf auch falsche Angaben im Verfahren bisher.

 

Andererseits ergeben sich keine expliziten Anhaltspunkte aus dem Sachverhalt, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen lassen würden, dass der Bf auf freiem Fuß belassen sich den fremdenpolizeilichen Verfahren entzogen haben würde oder zu einem absehbaren Zeitpunkt entziehen würde, zumal derzeit noch nicht einmal eine Reaktion aus Griechenland vorliegt. Es besteht zwar nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates eine latente, im Übrigen auf Erfahrungswerten durchaus zu bejahende, Fluchtgefahr; allerdings kann diese zum Entscheidungszeitpunkt nicht als dermaßen konkretisiert und akut eingestuft werden, als dass sie einen Freiheitsentzug rechtlich absichern würde. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Bf seine ursprüngliche Intention in die Schweiz zu reisen zugunsten eines Verbleibs in Österreich, das ihm voraussichtlich ähnliche Bedingungen bieten kann, aufgegeben hat, was dadurch begünstigt sein könnte, dass er weder in Österreich noch in der Schweiz über soziale oder familiäre Bezugspunkte verfügt.

 

Auch unter Bezugnahme auf das Verhältnismäßigkeitsgebot ist sohin der Sicherungsbedarf nicht in dem – von der belangten Behörde herangezogenen Maß – zu konstatieren. Es ist ihr nicht gelungen darzulegen, inwieweit die Anwendung gelinderer Mittel auszuschließen war.

 

Bei diesem Beurteilungsstand erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die – im Übrigen sehr allgemein und teilweise nicht nachvollziehbaren - Behauptungen in der Beschwerde.

 

3.6. Es war also aus den eben dargestellten Gründen die gegen den Bf gesetzte Maßnahme der Anhaltung in Schubhaft seit 14. November 2009 - aber auch hinsichtlich der Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung - für rechtswidrig zu erklären und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) zu einem Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 737,60 Euro zu verpflichten.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

 


Rechtssatz

VwSen-401033//BP/Eg vom 10. Dezember 2009

Zu § 76 Abs. 2 FPG

 

Es besteht zwar nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates eine latente, im Übrigen auf Erfahrungswerten durchaus zu bejahende, Fluchtgefahr; allerdings kann diese zum Entscheidungszeitpunkt nicht als dermaßen konkretisiert und akut eingestuft werden, als dass sie einen Freiheitsentzug rechtlich absichern würde. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Bf seine ursprüngliche Intention in die Schweiz zu reisen zugunsten eines Verbleibs in Österreich, das ihm voraussichtlich ähnliche Bedingungen bieten kann, aufgegeben hat, was dadurch begünstigt sein könnte, dass er weder in Österreich noch in der Schweiz über soziale oder familiäre Bezugspunkte verfügt.

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 29.04.2010, Zl.: 2010/21/0029-3

 

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