Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281099/11/Py/Hu

Linz, 19.11.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen Spruchpunkte 1. - 7. und 10. - 13. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 26. Mai 2008, Ge96-145-2007-Do, wegen Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. September 2009 zu Recht erkannt:

 

I.       Das angefochtene Straferkenntnis wird in diesen Spruchpunkten        behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher    Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Abs.7 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr.142/2008.

Zu II.:  § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 26. Mai 2008, Ge96-145-2007-Do, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) als gemäß § 9 Abs.2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der Firma x mit Sitz in x, zwölf Geldstrafen wegen Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG), BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl. I Nr. 138/2006 verhängt und Verfahrenskostenbeiträge in Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben. 

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass die spruchbezeichneten Verwaltungsübertretungen der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land durch das Arbeitsinspektorat Wels anlässlich einer am 25.10.2007 in der Arbeitsstätte x, durchgeführten Kontrolle angezeigt wurden. Die vorgeworfenen Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz wurden anhand der vom Arbeitgeber vorgelegten digitalen Daten aus der Fahrerkarte des beim angeführten Unternehmen als Lenker des Kraftfahrzeuges (Lkw) mit dem Kennzeichen x beschäftigten Arbeitnehmers x festgestellt.

 

Die belangte Behörde führt in ihrer Begründung weiter aus, dass der Bw in seiner Vernehmung durch die belangte Behörde am 6.12.2007 keine geeignete Rechtfertigung für die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen vorbringen konnte, weshalb ihm die angelasteten Verwaltungsübertretungen sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht zurechenbar seien.

 

Zur Strafbemessung wird angeführt, dass Milderungsgründe nicht festgestellt werden konnten, wogegen bereits mehrere Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz vorliegen würden, was als straferschwerend berücksichtigt werde.

 

2. Mit Schreiben vom 10. Juni 2008, bei der belangten Behörde eingelangt am 11. Juni 2008, hat dagegen der Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung Berufung erhoben und vorgebracht, dass sämtliche ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit als verwirklicht anzusehen seien. Insbesondere sei zu bemerken, dass der elektronische Fahrtenschreiber aufgrund seiner Konstruktionsweise so ungenau arbeite, dass die sich daraus ergebenden Messergebnisse Toleranzen-Bandbreiten aufweisen und daher nicht als Grundlage für eine Bestrafung herangezogen werden dürften. Da die elektronischen Fahrtenschreiber eine "Taktung" von einer Minute aufweisen, zeige der Fahrtenschreiber dann, wenn der Lkw angehalten und abgestellt wird, automatisch noch die begonnene Minute zB voll als "Fahrzeit" an, auch wenn der Lkw bereits abgestellt ist oder der Fahrer sich bereits auf Pause befindet. Weiters sei es bei dem im gegenständlichen Lkw befindlichen elektronischen Fahrtenschreiber der ersten Generation so, dass dann, wenn der Lkw stehen bleibt, unabhängig davon, ob der Motor abgestellt wird oder nicht, der Tachograf automatisch auf die Einstellung "Arbeit" wechselt, dies selbst dann, wenn der Kraftfahrer eine Pause macht. Verschiedene Fahrversuche, die der Bw am Betriebsgelände der Firma x unternommen habe, würden dieses Vorbringen bestätigen.

 

Weiters wird vorgebracht, dass dem Bw eine Auswertung des Protokolls des Fahrtenschreibers aufgrund des Umfangs und der Datenmenge praktisch nicht möglich sei.

 

Des weiteren führt der Bw aus, dass der Kraftfahrer bei den neuen elektronischen Tachografen, wenn es zu Fehlaufzeichnungen oder Fehlbedingungen kommt, lediglich die Möglichkeit habe, im Lkw ein Tagesprotokoll auszudrucken und auf diesem auf der Rückseite entsprechende handschriftliche Vermerke anzubringen. Eine gesetzliche Vorschrift, welche den Kraftfahrer verpflichten würde, nach der Dauer von zwei Wochen die von ihm ausgedruckten Tagesauszugsprotokolle samt handschriftlichen Vermerken beim Arbeitgeber abzugeben, bestehe nicht. Beim Überspielen der Daten aus dem Hauptspeicher des elektronischen Tachografen auf den Server des Arbeitgebers könnten die handschriftlichen Aufzeichnungen nicht mitarchiviert werden, wodurch es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verschlechterung der Rechtfertigungs- und Verteidigungsmöglichkeiten des Bw komme.

 

Zu den einzelnen ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen führt der Bw aus, dass ihm etwa am 23. Jänner 2007 eine Überschreitung einer Einsatzzeit im Ausmaß von 47 Stunden vorgeworfen werde, der Kraftfahrer an diesem Tag tatsächlich jedoch eine Ruhezeit im Ausmaß von 6 Stunden 41 Minuten eingehalten habe. Gleiches gelte für auch andere Tage, an denen eine Überschreitung der Einsatzzeit von mehreren Stunden vorgeworfen werde. Letztlich behalte sich der Bw weitere Stellungnahmen zu den einzelnen Vorwürfen anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vor.

 

3. Die belangte Behörde legte die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 24. Juni 2008 vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 29. September 2009, die aufgrund des dem Verfahren zugrunde liegenden sachlichen Zusammenhangs gemäß § 51e Abs.7 VStG gemeinsam mit der zu VwSen-281100 anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung durchgeführt wurde. An dieser nahmen der Bw mit seinem Rechtsvertreter, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie eine Vertreterin des Arbeitsinspektorates Wels als Parteien teil. Weiters wurde ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger der Verhandlung beigezogen.

 

In der mündlichen Berufungsverhandlung ging der Bw neben den bereits in der Berufung erhobenen allgemeinen Vorbringen detailliert auf die einzelnen, ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen ein. Dabei zeigte sich, dass zur ausreichenden Ermittlung der entscheidungsrelevanten Sachverhaltes - insbesondere hinsichtlich der mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 vom Bw vorgelegten ergänzenden Urkunden - die Erhebung weiterer Beweise erforderlich ist, um die dem Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen mit der einem fairen Verwaltungsstrafverfahren angemessenen Sicherheit feststellen zu können.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. November 2008, G 86,87/08-15 die Wortfolge "in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht," in § 51 Abs.7 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl.Nr. 52/1991 idF BGBl.I/Nr. 158/1998 als verfassungswidrig aufgehoben. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof festgelegt, dass die Aufhebung mit 31. Oktober 2009 in Kraft tritt.

 

Aufgrund dieses Ausspruches gilt daher seit 1. November 2009 auch im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren, in dem neben dem Bw gemäß § 12 Abs.4 Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG), BGBl. Nr. 1993/27 idF BGBl. I 2001/159 auch dem Arbeitsinspektorat das Recht der Berufung zusteht, die in § 51 Abs.7 VStG festgelegte Frist, wonach das Straferkenntnis von Gesetzes wegen außer Kraft tritt, wenn in einem Verfahren seit dem Einlangen der Berufung gegen ein Straferkenntnis 15 Monate vergangen sind.

 

Die gegen das gegenständliche Straferkenntnis erhobene Berufung langte am 11. Juni 2008 bei der belangten Behörde ein. Die im § 51 Abs.7 VStG nunmehr auch für Mehrparteienverfahren geltende Frist endete somit am 11. September 2009, weshalb der Unabhängige Verwaltungssenat gehalten war, das gegenständliche Straferkenntnis wegen Ablauf der Entscheidungsfrist zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.7 VStG einzustellen.

 

6. Da das gegenständliche Strafverfahren einzustellen war, entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

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