Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281155/14/Wim/Bu

Linz, 27.11.2009

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung der Herrn X, vertreten durch X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 1. April 2009, Zl. Ge96-175-2007/HW, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 6. Juli 2009 zu Recht erkannt:

 

I.            Der Berufung wird keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.

 

II.        Der Berufungswerber hat zusätzlich als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren 200 Euro zu leisten, das sind 20% der verhängten Strafe.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 19 und 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

zu II.: § 64 Abs. 1 und 2 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 130 Abs. 1 Z16 iVm § 35 Abs. 1 Z2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, sowie ein 10%iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Sie haben als verantwortlicher Beauftragter und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 2 VStG der Arbeitgeberin X, X, X, X, folgende Übertretung (wie von Organen des Arbeitsinspektorates Linz anlässlich einer Unfallerhebung festgestellt wurde) des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu verantworten:

 

Am 29.08.2007 führten die Arbeitsinspektoren Mag. X in der Arbeitsstätte in X, X, der o. a. Arbeitgeberin Unfallerhebungen durch.

Anlass zu dieser Erhebung war der, dem Arbeitsinspektorat Linz durch eine Mitteilung der Sicherheitsbehörde am 17.08.2007 zur Kenntnis gelangte Unfall des Arbeitnehmers X, geb. X, der sich am 17.08.2007 um etwa 15:15 Uhr ereignete.

Der Unfall ereignete sich an der so genannten Rahmenpresse (Verglasungspresse). An diesem Arbeitsplatz waren zwei Arbeitnehmer beschäftigt. Herr X, geb. X, ist für die Funktionskontrolle der zu kontrollierenden Elemente (Rahmen) zuständig. Er hatte bei dem in der Presse eingespannten Rahmen vergessen, die entsprechende Kontrolle durchzuführen und betätigte nochmals das Pedal der Fußauslösung, um die Presse erneut zu schließen.

Der Verunfallte X war der Meinung, dass der Prüfvorgang bereits abgeschlossen sei und wollte den Rahmen bereits Weiterschieben. In dem Moment schloss sich die Presse und dabei wurden ihm die Finger der rechten Hand eingequetscht.

Der Arbeitsplatz an der Verglasungspresse ist gem. "Technischer Dokumentation" vom 21.01.2004 Kapitel 3 (Seite 8) als Alleinarbeitsplatz ausgewiesen.

"Die Anlage darf nur von einer Person bedient werden! Achten Sie darauf, dass sich während der Arbeiten keine weiteren Personen im Gefahrenbereich des Tisches aufhalten".

 

Bei der Besichtigung wurde festgestellt, dass diese Anlage nicht Gesetz entsprechend verwendet wurde.

 

Aus dem vorstehenden Sachverhalt ergibt sich nachfolgender Tatvorwurf:

 

Am 17. August 2007 stand die Verglasungspresse "Eder & Müller" Typ: VKP-SN-4, Baujahr 2007, Maschinennummer 3903, am Standort X, X, in Verwendung. An diesem Arbeitsplatz waren entgegen der Hinweise zur Gefahrenabwehr in der technischen Dokumentation vom 21. 01. 2004 zwei Arbeitnehmer – Herr X, geb. X und Herr X, geb. X – beschäftigt.

 

Die Arbeitgeberin X hat daher nicht dafür gesorgt, dass bei der Benutzung der Verglasungspresse die für sie geltende Bedienungsanleitung eingehalten wurde.

 

Dies stellt eine Übertretung des 35 Abs. 1 Z2 ASchG dar, wonach Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln folgende Grundsätze eingehalten werden: "Bei der Benutzung von Arbeitsmitteln sind die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten."

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass sich die Erstbehörde über das Vorbringen des Berufungswerbers im erstinstanzlichen Verfahren, dass die Bestimmung des § 35 Abs. 1 Z2 ASchG nicht anzuwenden sei, sondern richtigerweise § 35 Abs.2 ASchG, da eine Funktionsänderung der von der Behörde als "Verglasungspresse" bezeichneten Anlage vorliegen würde und durch eine beigezogene externe Sicherheitsfachkraft eine Analyse des allfälligen Gefahrenpotenzial vorliegen würde, wobei kein bedeutendes Gefahrenpotenzial festgestellt worden sei und dass ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet sei, begründungslos hinweggesetzt habe und seien auch die angebotenen Beweise nicht aufgenommen bzw. gewürdigt worden.

Bei dieser Gefahrenanalyse sei die vom Einschreiter extern beigezogene Sicherheitsfachkraft zu dem Ergebnis gekommen, dass sich aus der Arbeit mit diesem Arbeitsmittel kein besonderes Gefahrenpotenzial ergebe. Nach dieser Gefahrenanalyse könnte zwar wie bei vielen ähnlichen Vorrichtungen, die dazu geeignet seien ein Werkstück festzuhalten ein Finger eingeklemmt werden, dieses Restrisiko sei aber von der Sicherheitsfachkraft zu Recht als akzeptabel qualifiziert worden, da die bei der maschinellen Einrichtung auftretenden Kräfte nicht ausreichen könnten eine nennenswerte Verletzung zuzufügen. Bei der gegenständlichen Vorrichtung würden die Kräfte vielmehr nur ausreichen, um eine Quetschung zuzufügen, die an einer Verfärbung des Fingernagels sichtbar werde. Solche  Verletzungen würden sich Handwerker oft mehrmals in ihrem Berufsleben üblicherweise mit dem Hammer zufügen.

Bei der Strafbemessung habe der Berufungswerber angesichts der vorhandenen Tatumstände einen Rechtsanspruch auf die Anwendung der Bestimmung des § 21 VStG bzw. der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG.

Im Unternehmen existiere ein geeignetes Kontrollsystem sodass dem Berufungswerber kein Organisationsverschulden zur Last gelegt werden  könne.

Es wurde daher beantragt den bekämpften Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in  eventu gemäß § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen, in  eventu die Höhe der Strafe gemäß § 20 VStG herabzusetzen.

 

3. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bei der neben dem Berufungswerber als Zeugen der anzeigenden Arbeitsinspektor, die externe Sicherheitsfachkraft, der Leiter der Instandhaltung und der verletzte Arbeitsnehmer sowie sein Arbeitskollege einvernommen worden sind.

 

3. 2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht vom folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Am 17.8. 2007 etwa gegen 15.15 Uhr waren an der so genannten Rahmenpresse (Verglasungspresse) Herr X und Herr X beschäftigt. Bei dem Arbeitsgerät handelt es sich um eine Fixiereinheit bei der Mittels Fußtaster eine Fixierung der Fensterrahmen zum Verglasen und zur Kontrolle der Fensterelemente erfolgt. Dabei wird der Rahmen durch Druck so fixiert, dass sich die entsprechenden Fensterflügel zu Kontrollzwecken öffnen lassen. Grundsätzlich ist von der Bedienungsanleitung und der Arbeitsplatzbeschreibung her vorgesehen, dass es sich bei dem Arbeitsplatz um einen  Alleinarbeitsplatz handelt. Herr x war für die Funktionskontrolle der zukontrollierenden Elemente (Rahmen) zuständig. Nach dem er bereits den Fixiervorgang wieder gelöst hat, hat er diesen nochmals  ausgelöst und  dabei wurden  Herrn X, der die Rahmenelemente bereits am Förderband weiter schieben wollte zwei Finger der rechten Hand eingequetscht sodass sich Blauverfärbungen der Fingernägel ergaben. Herr X war ca. 2 Wochen im Krankenstand.

 

Im Betrieb existiert ein Arbeitssicherheitsausschuss in dem bekannte Gefahren gemeldet und auch projektartig abgearbeitet werden. Es werden Kontrollgänge durch eine externe Sicherheitsfachkraft in ca. 2-wöchigen Intervallen durchgeführt. Die Mitarbeiter werden eingeschult und bestätigen  diese Einschulung auch schriftlich. Bestehende Mitarbeiter werden jährlich im Frühjahr neu wieder geschult und wobei hier auf sicherheitstechnische Aspekte Bezug genommen wird.

 

Der Berufungswerber war als verantwortlicher Beauftragter des Unternehmens für den Bereich Arbeitssicherheit bestellt.

 

3.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich den erstinstanzlichen Unterlagen und den praktisch übereinstimmenden Aussagen des Berufungswerbers und der einvernommenen Zeugen. Er wurde im Rahmen der gemachten Feststellungen auch von keinem Beteiligten bestritten.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 130 Abs. 1 Z16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, in Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 35 Abs. 1 Z1 ASchG haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Arbeitsmittel nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benützt werden, für die sie geeignet sind und für die sie nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen sind.

Nach § 35 Abs. 1 Z2 ASchG sind bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Benutzung von Arbeitsmitteln, die oder deren Einsatzbedingungen in einem größeren Umfang verändert wurden, als dies vom den Herstellern oder den Verkehrbringern vorgesehen ist, nur zulässig, wenn eine Gefahrenanalyse durchgeführt wurde und die erforderlichen Maßnahmen getroffen sind.

 

4.2. Grundsätzlich ergeben  sich aus den vorgelegten Unterlagen insbesondere auch schon aus der in der Berufung angeschlossenen Beilage wonach es sich bei dem Fixiergerät um eine Kontroll- und Verglasungseinheit handelt, sowie auch aus den beschriebenen Funktionen und der Verwendung des Gerätes für den Unabhängige Verwaltungssenat keine Anzeichen dafür, dass es sich dabei um eine Verwendungsänderung im Sinne des § 35 Abs. 2 ASchG handeln würde. In jedem Fall erfolgte durch Anpressen eine Fixierung des Fensterrahmenelementes, wobei es hier nicht  primär maßgeblich ist, ob dies zu Bearbeitungs- oder zu Kontrollzwecken  erfolgt. Auch der Anpressdruck an und für sich ist für die Art der Verwendung nicht  relevant. Er war offensichtlich doch so groß, dass die beschriebene Verletzung hervorgerufen werden  konnte.

Die Erstbehörde ist daher richtigerweise nicht vom § 35 Abs.2 ASchG ausgegangen.

 

In der entsprechenden Bedienungsanleitung findet sich auf Seite 8 der Hinweis, dass die Anlage nur von einer Person bedient werden darf. Dadurch, dass eine zweite Person bei der Maschine anwesend war, wurde § 35 Abs.1 Z2 ASchG zuwider gehandelt. Der objektive Tatbestand der Übertretung ist daher als erfüllt anzusehen.

 

4.3. Hinsichtlich des Verschuldens ist zunächst auszuführen, dass es sich bei der angeführten Übertretung um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 VStG handelt, bei dem Fahrlässigkeit dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Um ein Verschulden auszuschließen muss der Berufungswerber ein entsprechend wirksames Kontrollsystem eingerichtet haben. Dazu hat er initiativ von sich aus darzulegen, dass er alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, sondern entscheidend ist deren wirksame Kontrolle.

 

Im Unternehmen des Berufungswerbers gibt es durchaus Kontrolleinrichtungen in Form des Arbeitssicherheitsausschusses und der externen Sicherheitsfachkraft und der Schulungen und Belehrungen. Das System hat aber nicht ausgereicht um den konkreten Arbeitsunfall zu verhindern, da offensichtlich die Einhaltung der Bedienungsanleitungen nicht entsprechend kontrolliert worden ist. Hierzu ist auf die Aussage des Verunfallten zu verweisen, wonach er schon des Öfteren hier im Arbeitsbereich mitgeholfen hat und somit der Bedienungsanleitung widersprochen hat. Auch der Umstand, wie vorgebracht wurde, dass ein Einquetschen der Finger wo es doch  zu Blauverfärbungen kommen, als nichtrelevanter Sicherheitsmangel angesehen wurde spricht eigentlich nicht  für ein vollständig ausgereiftes Kontrollsystem. Eine Verletzung des Arbeitnehmers bei der mehrere Finger blau gequetscht wurde, die immerhin zu einem zweiwöchigen Krankenstand geführt hat, in der Berufung als geringfügig bzw. sogar üblich abzutun, zeigt keine ausreichende Sensibilität in Bezug auf Arbeitsschutzmaßnahmen.

Auch dass es in einem zu VwSen-280156 gemeinsam abgehandelten Parallelverfahren nur 6 Tage später ebenfalls zu einem Arbeitsunfall in der Produktion gekommen ist, zeigt Schwachstellen des Kontrollsystems zum damaligen Zeitpunkt auf.

 

Der Berufungswerber hat daher die Übertretung auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

4.4. Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass dabei keine Mängel festgestellt werden können. Die Erstinstanz hat straferschwerend die einschlägige Vorstrafe gewertet sowie den Umstand, dass es zu einem Arbeitsunfall kam. Es wurde auch zurecht von den geschätzten persönlichen Verhältnissen mangels Mitwirkung des  Berufungswerbers ausgegangen, sodass die verhängte Strafe auch im Verhältnis zur Höchststrafe, die im Wiederholungsfall ja bei 14.530 Euro liegt, mit 3,44% keinesfalls als überhöht anzusehen ist, sondern noch im absolut untersten Bereich liegt, weshalb auch die lange Verfahrensdauer zu keiner Herabsetzung führen kann.

 

Die Voraussetzungen des § 21 VStG liegen schon deshalb nicht  vor, da es wie gesagt zu einem konkretem Arbeitsunfall kam und somit hier nicht von unbedeutenden Folgen der Übertretung gesprochen werden kann.

 

Auch die Voraussetzung  für die außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG liegen nicht vor, da eine Überwiegen der Milderungsgründe nicht gegeben ist.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Der vorgeschriebene zusätzliche Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungsverfahren ergibt sich aus den angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

 

 

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