Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222248/19/Bm/Sta

Linz, 21.12.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung der Frau x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 2.10.2008, Ge96-36-2008, wegen einer Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994,  zu Recht erkannt:

 

I.             Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.         Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 2.10.2008, Ge96-36-2008 wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 1.300 Euro wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z3 zweiter Fall GewO iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z2 GewO verhängt.

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie sind handelsrechtliche Geschäftsführerin der x und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ dieses Unternehmens gemäß § 9 VStG für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften verantwortlich.

Die x betreibt im Standort x einen Schlachthof, welcher mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15. Juli 1994, Ge20-31-1994, gewerbebehördlich genehmigt wurde.

Im Projekt (Projektbestandteil: Darstellung der betrieblichen Emissionen von Herrn x, GZ. 94-0105TFM/ms vom 14. April 1994, Seite 13/22) das diesem Genehmigungsbescheid zugrunde liegt, wurden für die Auslieferung der Frischware u.a. folgende  Fahrbewegungen festgelegt:

Montag bis Freitag: Abfahrt von fallweise 1 bis 2 LKW ab 24.00 Uhr.

Am Montag, den 2. Juni 2008 fuhren um 2.00 Uhr ein LKW x um 3.55 Uhr ein LKW der Fa. x und um 4.05 Uhr ein weiterer LKW ab, insgesamt drei LKW.

Am Montag, den 21. Juli 2008, sind ab 0.15 Uhr bis 06.00 Uhr LKW's der Fa. x, der Fa. x, der Fa. x und der Fa. x abgefahren, insgesamt vier LKW.

Sie sind als handelsrechtliche Geschäftsführerin daher dafür verantwortlich, dass durch die zusätzlichen Fahrbewegungen bei der Auslieferung der Frischware (einschließlich Hundefutter) die genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Änderungsgenehmigung betrieben wurde, obwohl die geänderte Betriebsweise durch den zusätzlichen LKW-Verkehr geeignet ist, die Nachbarn durch unzumutbaren Lärm zu belästigen."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Bw durch ihren ausgewiesen Rechtsvertreter innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und diese im Wesentlichen damit begründet, die Strafbehörde stütze sich im angefochtenen Straferkenntnis auf eine Anzeige der Familie x vom 3.6.2008. Dazu sei auszuführen, dass in einer Anzeige der Familie x vom 3.6.2008 die angeblichen Vorfälle vom 21.7.2008 nicht enthalten sein könnten. Es stehe daher mit den Denkgesetzen in auffallendem Widerspruch, wenn es aus der Anzeige vom 3.6.2008 hervorgehe, dass am Montag, den 21.7.2008 LKW ab 00.15 Uhr bis 06.00 Uhr abgefahren seien.

Unabhängig davon könne eine Familie kein Rechtssubjekt im Sinne der Rechtsordnung sein. Die Anzeige der Familie x hätte daher zurückgewiesen werden müssen. In jedem Fall hätte die Behörde I. Instanz nähere Erkundigungen darüber anstellen müssen, welche Familienmitglieder nun eigene Wahrnehmungen gemacht hätten.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Angaben von Herrn x vom 21.8.2008 den vorgeworfenen Sachverhalt nicht widerlegen können, so verkenne die Behörde, dass die Beweispflicht für das Vorliegen des verwaltungsstrafrechtlich relevanten Verhaltens nur die Behörde und niemals die Beschuldigte treffen könne. Das vorgeworfene Verhalten werde daher entschieden bestritten und auf die Beweispflicht der Behörde verwiesen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15.7.1994 zu Ge20-31-1994, sei der x die gewerbebehördliche Genehmigung für die hier gegenständliche Betriebsanlage erteilt worden. Außer Streit gestellt werde in diesem Zusammenhang, dass die Beschuldigte am 2.6. und am 21.7.2008 die handelsrechtliche Geschäftsführerin der x gewesen und nach wie vor sei. Bezeichnend sei jedoch, dass diese für die Haftung gemäß § 9 VStG wesentliche Feststellung von der Behörde I. Instanz nicht getroffen worden sei, weswegen bereits aus diesem Grunde der erstinstanzliche Bescheid an einem massiven Verfahrensmangel leide.

Die gewerbepolizeiliche Genehmigung sei im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15.7.1994 nach Maßgabe der bei den mündlichen Verhandlungen vorgelegten Projektsunterlagen und der in den Befunden festgelegten Beschreibungen erteilt worden.

Festzuhalten sei, dass weder in der Verhandlungsschrift vom 3.5.1994 noch im Betriebsanlagenbewilligungsbescheid vom 15.7.1994 Einschränkungen dahingehend aufgenommen worden seien, in welchem Umfang maximal die Abfahrten von der Betriebsanlage erfolgen dürften. Umfangreich geregelt seien freilich die Anfahrten zur Betriebsanlage, jedoch nicht die Abfahrten. Es seien keine Auflagen bezüglich der Abfahrten erteilt worden und würden sich auch keine diesbezüglichen Feststellungen in den Amtssachverständigengutachten, insbesondere nicht im Amtssachverständigengutachten für Lärmschutz finden.

Zutreffend sei, dass dem beantragten Projekt die Darstellung der betrieblichen Emissionen durch die staatlich autorisierte Prüf- und Versuchsanstalt für technische Akustik Schreiner vom 14.4.1994 vorgelegen habe.

Entschieden zu bestreiten sei an dieser Stelle, dass die hier gegenständlichen Abfahrten genehmigungspflichtige Änderungen des Konsenses darstellen würden. Aus dem erstinstanzlichen Straferkenntnis könne auch nicht entnommen werden, dass hier ein entsprechendes Gutachten eingeholt worden sei, aus dem sich ergeben würde, dass die inkriminierten Abfahrten auch nur abstrakt dazu geeignet wären, die Rechtsgüter des § 74 GewO zu beeinträchtigen. Letzteres werde von der Berufungswerberin jedenfalls entschieden bestritten.

Betrachte man den Befund der Amtssachverständigen insbesondere bezüglich der Belange des Lärmschutzes auf den Seiten 11 ff  der Verhandlungsschrift vom 3.5.1994, dann würden zunächst Fahrbewegungen im Freien auf eigenem Betriebsareal zwar als relevante Emissionsquellen bezeichnet, in weiterer Folge würden im Befund jedoch ausschließlich die Geräusche im Inneren des Gebäudes, sowie der Antransport der Schweine (Lärm durch Schreie) beschrieben. Von den Amtssachverständigen sei daher die Ablieferung vom Gebäude nicht als betriebsanlagenrechtlich relevante Immissionsquelle angesehen worden. Demgemäß seien auch im Gutachten keine diesbezüglichen, die Abfahrten betreffenden Lärmschutzmaßnahmen aufgenommen worden.

Die Darstellung der betrieblichen Emissionen vom 14.4.1994 sollte es den Amtssachverständigen ermöglichen, die Einhaltung der Voraussetzungen der Gewerbeordnung, insbesondere die Frage, ob unzumutbare Lärmbelästigungen von der Betriebsanlage ausgehen, zu überprüfen. Ein diesbezüglicher Handlungsbedarf sei von dem Amtssachverständigen aber nicht gesehen worden, was ebenfalls zwingend dafür spreche, dass die Rechtsgüter des § 74 GewO durch die Abfahrten nicht berührt seien.

Auf Seite 12 der Darstellung der betrieblichen Emissionen vom 14.4.1994 werde ausgeführt, dass der Zufahrtsbereich zur Ladezone Versand, an der Westseite der Betriebsanlage durch den geplanten Fleischmarkt teilweise abgeschirmt werde.  Die Ladezone mit den Andockrohren sei durch das Flugdach und den Fleischmarkt völlig abgeschirmt.

Nicht zuletzt sei auch aus dem Gutachten Schreiner, auf das sich die Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz stützt, abzuleiten, dass die nunmehr inkriminierten Fahrbewegungen nicht dazu geeignet seien, in die Rechtsgüter des § 74 GewO einzugreifen.

Unabhängig davon sei die von der Strafbehörde I. Instanz herangezogene Umschreibung mit dem Wort "fallweise" nicht in dem Ausmaß bestimmt, die eine Bestrafung deswegen rechtfertigen würde. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Umschreibung des verbotenen oder gebotenen Verhaltens so deutlich erfolgen, dass den Normunterworfenen eindeutig bekannt ist, welches Verhalten er zu setzen oder zu unterlassen hat. Dies liege im hier gegenständlichen Fall eben nicht vor.

Das verfolgte Verhalten werde daher an dieser Stelle noch einmal entschieden bestritten. Selbst wenn die Berufungsbehörde jedoch davon ausgehe, dass die bestrafen Lkw-Abfahrten tatsächlich so stattgefunden haben, so würde dadurch der gewerbebehördliche Konsens in keiner Weise verletzt und liege in jedem Fall keine Änderung der Betriebsanlage vor.

Es werde sohin der Antrag gestellt, die Berufungsbehörde möge nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung und Aufnahme der beantragten Beweismittel dieser Berufung Folge geben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 VStG einstellen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 3.7.2009, zu welcher der anwaltliche Vertreter der Bw sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. erschienen sind.

 

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde vom Rechtsvertreter der Bw bestritten, dass zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten Abfahrten vom Betrieb ab 24.00 Uhr stattgefunden haben.

Auf Grund dieses Vorbringens und über Antrag des Vertreters der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. wurden die im Straferkenntnis genannten Firmen x, x und x aufgefordert, für die Tatzeitpunkte die betreffenden Tachoscheiben vorzulegen und Name und Anschrift jener Lenker bekanntzugeben, die zu den Tatzeitpunkten im Einsatz waren. Die entsprechenden Tachoscheiben bzw. Angaben über die entsprechenden Lenker wurden von den Firmen x und x vorgelegt. Von der Firma x wurde mitgeteilt, dass zu den Tatzeitpunkten der x in x nicht angefahren wurde. Von der Firma x (x) wurde mitgeteilt, dass die in der Anzeige des Herrn x enthaltene Angabe, dass ein Lkw der Firma x mit dem Kennzeichen x am 21.7.2008 abgefahren sei, unrichtig sei, da die Firma x (x) nicht Halter dieses Fahrzeuges sei.

Diese Angabe hat sich nach amtsinternen Recherchen bestätigt.

Hinsichtlich der weiteren im Straferkenntnis genannten Firma x war die Anforderung von Tachoscheiben bzw. Angaben über den zum Tatzeitpunkt eingesetzten Lenker insoferne nicht möglich, als diese Firma nicht im Firmenbuch aufscheint.

In Abwägung dieser Beweisergebnisse verbleiben Zweifel bzw. konnte der Nachweis nicht geführt werden, ob der Tatbestand  der gegenständlichen Verwaltungsübertretung erfüllt ist.  

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahren abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

5.2. Wie bereits unter 5.1. dargestellt, kann im gegenständlichen Verfahren nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit bewiesen werden, ob die Bw die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen hat oder nicht.

Vorgeworfen wurde der Bw, dass zu den Tatzeitpunkten von der gegenständlichen Betriebsanlage mehr als 2 Lkw abgefahren sind. Im Straferkenntnis wurden konkret jene Firmen genannt, denen die Lkw zuzurechnen sind.

Im Beweisverfahren konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, dass tatsächlich diese Firmen-Lkw von der Betriebsanlage nach 24.00 Uhr abgefahren sind.

 

6. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier