Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252287/2/Gf/Mu

Linz, 27.11.2009

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des Finanzamtes x gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 1. Oktober 2009, GZ 33670/2009 (mitbeteiligte Partei: x, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

I.     Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe mit 1.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 154 Stunden festgesetzt werden; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, als in dessen Spruch das Wort zumindest“ zu entfallen hat.

II.   Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde erhöht sich auf 100 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 1. Oktober 2009, GZ 33670/2009, wurde über die mitbeteiligte Partei eine Geldstrafe in
Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 112 Stunden) verhängt, weil sie es als Arbeitgeber zu verantworten habe, dass sie „zumindest am 03.07.2009“ vier Personen als Sicherheitskräfte geringfügig beschäftigt habe, ohne dass diese zuvor
beim zuständigen Sozialversicherungsträger zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung angemeldet worden seien. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 33 i.V.m. § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955,  zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 83/2009 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb sie  gemäß § 111 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die der mitbeteiligten Partei angelastete Tat auf Grund entsprechender Feststellungen eines Organs des Finanzamtes x als erwiesen anzusehen und ihr insoweit zumindest fahrlässiges Verhalten anzulasten sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe hervorgekommen; ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 19. Oktober 2009 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, offenbar noch am selben Tag zur Post gegebene Berufung.

Begründend bringt der Beschwerdeführer der Sache nach vor, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 26. November 2008, Zl. 2005/08/0144, und vom 23. April 2003, Zl. 98/08/0270, jeweils ausgesprochen habe, dass dann, wenn auf einer Arbeitsstelle mehrere versicherungspflichtige, nicht zur Sozialversicherung gemeldete Dienstnehmer betreten werden, über den Dienstgeber nicht bloß eine Gesamtstrafe verhängt werden dürfe, sondern vielmehr hinsichtlich jedes einzelnen Arbeitnehmers ein entsprechender Strafausspruch zu erfolgen habe.

Daher wird beantragt, hinsichtlich jedes Dienstnehmers eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro auszusprechen.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates Linz zu GZ 33670/2009; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 1 und 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber Meldungen oder Anzeigen entgegen den Bestimmungen des ASVG entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden bzw. binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

3.2. Im gegenständlichen Fall ist allein die Rechtsfrage strittig, ob im Lichte des Kumulationsprinzips des § 22 Abs. 1 VStG dann, wenn der Dienstgeber mehrere Personen, hinsichtlich derer er seiner gesetzlichen Meldepflicht nach dem ASVG nicht entsprochen hat, lediglich eine Gesamtstrafe oder vielmehr in Bezug auf jeden Dienstnehmer eine gesonderte Einzelstrafe zu verhängen ist.

3.2.1. Die vom Rechtsmittelwerber verfochtene Ansicht, dass der Verwaltungsgerichtshof insoweit die letztere Auffassung vertrete, ist jedoch weder in dieser Allgemeinheit noch auch im Detail erweislich.

Denn in der in der Beschwerde angeführten Entscheidung vom 26. November 2008, Zl. 2005/08/0144, verweist der VwGH gerade hinsichtlich der Strafbemessung lediglich auf sein Vorerkenntnis vom 6. November 2006, Zl. 2005/09/0121 (und umgekehrt), wobei in beiden Entscheidungen gerade hinsichtlich der Frage „Einfach- oder Mehrfachbestrafung ?“ nichts ausgesagt wird; Gleiches gilt auch für das in der Beschwerde weiters angeführte Erkenntnis des VwGH vom 23. April 2003, Zl. 98/08/0270, wobei es in den beiden erstgenannten Entscheidungen zudem noch um (insgesamt sieben) Dienstnehmer geht, denen offenbar unterschiedliche Tatzeiträume angelastet wurden. Die Zulässigkeit einer Mehrfachbestrafung wurde daher im Ergebnis vom VwGH – wenn überhaupt – bloß obiter dictum akzeptiert.

3.2.2. Deshalb steht der Oö. Verwaltungssenat nach wie vor (vgl. z.B. schon VwSen-252107 vom 14. Juli 2009) auf dem Standpunkt, dass jedenfalls in jenen Konstellationen, in denen die pflichtwidrige Nichtmeldung der Dienstnehmer objektiv besehen insofern eine Einheit darstellt, als zu einem bestimmten Kontrollzeitpunkt (oder während ein und desselben Tatzeitraumes) mehrere Dienstnehmer, die eine gleichartige (oder notwendig aufeinander abgestimmte) Tätigkeit verrichtet haben, bei demselben Dienstgeber beschäftigt waren, ohne von diesem zuvor beim Sozialversicherungsträger angemeldet worden zu sein, lediglich eine Gesamtstrafe verhängt werden kann. Es ist sohin aus dogmatischer Sicht nicht davon auszugehen, dass in einem derartigen Fall ein und derselbe Tatbestand mehrmals verwirklicht wurde; vielmehr ist das gesetzlich verpönte Unterlassen der Anmeldung lediglich einmal, wenngleich auch in Bezug auf mehrere Dienstnehmer, begangen worden. Letzterer Aspekt stellt allerdings einen im Zuge der Strafbemessung gemäß § 19 VStG zu berücksichtigenden Erschwerungsgrund dar.

Dagegen kann eine gesonderte mehrfache Bestrafung nur dann erfolgen, wenn die zuvor genannten Kriterien (selber Kontrollzeitpunkt/Tatzeitraum, gleichartige bzw. notwendig aufeinander abgestimmte Tätigkeit, selber Dienstgeber) nicht kumulativ erfüllt sind.

Diese Auslegung lässt sich auch mit dem aus Art. 4 des 7.ZPMRK resultierenden Verbot der Doppelbestrafung, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und vom Verfassungsgerichtshof dahin interpretiert wird, dass mehrfache Verfolgungen bzw. Bestrafungen nur dann und insoweit zulässig sind, als sich diese jeweils in den „wesentlichen Elementen“ („essential elements“) deutlich voneinander unterscheiden (vgl. jüngst VfGH v. 2. Juli 2009, B 559/08), besser harmonisieren.

3.3.1. Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen ist, dass sie lediglich eine Gesamtstrafe verhängen durfte, weil die mitbeteiligte Partei als Dienstgeber zu ein und demselben Kontrollzeitpunkt (3. Juli 2009) alle vier Personen jeweils als Sicherheitskraft beschäftigt hatte, ohne diese zuvor beim Sozialversicherungsträger angemeldet zu haben.

3.3.2. Der gegenständlichen Beschwerde kommt jedoch insofern Berechtigung zu, als die Erstbehörde in Bezug auf die Strafbemessung explizit festgestellt hat, dass „kein Umstand (als) straferschwerend (zu werten) war“. Dies trifft jedoch nach den vorstehenden Ausführungen deshalb nicht zu, weil sich die Unterlassung der gesetzlichen Meldepflicht auf mehrere Dienstnehmer bezogen hat.

Dem steht zwar als Milderungsgrund gegenüber, dass die mitbeteiligte Partei nach dem Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Aktes bislang verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist; im Ergebnis kann jedoch unter solchen Umständen sowie unter general- und spezialpräventiven Zwecken bloß mit der Verhängung der Mindeststrafe dennoch nicht das Auslangen gefunden werden.

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als die verhängte Geldstrafe mit 1.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation mit 154 Stunden festzusetzen war; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass in dessen Spruch das Wort zumindest“ zu entfallen hat, und zwar deshalb, weil sich ansonsten der Schluss auf einen längeren Tatzeitraum geradezu aufdrängt, der jedoch deshalb absolut unzulässig ist, weil dieser durch keinerlei konkrete Ermittlungsergebnisse gestützt wird.

4.1. Bei diesem Verfahrensergebnis war der mitbeteiligten Partei gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde in Höhe von 10% der verhängten Geldstrafe, d.s. 100 Euro, vorzuschreiben.

4.2. Für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war hingegen kein Kostenbeitrag festzusetzen.

Dies deshalb, weil die Kostentragungsregelungen der §§ 64 bis 66 VStG erkennbar von dem Prinzip ausgehen, dass der Beschuldigte (nur) dann (auch) die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen haben soll, wenn dieses einerseits auf seine Initiative hin eingeleitet wurde und das Rechtsmittel andererseits in vollem Umfang erfolglos geblieben ist. Da die Beschwerde im gegenständlichen Fall jedoch nicht vom Beschuldigten (d.h.: der mitbeteiligten Partei) erhoben worden und somit schon die erstere der beiden eben angeführten Bedingungen nicht erfüllt ist, ist sohin hier schon aus diesem Grund die Voraussetzung für die Vorschreibung eines Kostenbeitrages nicht gegeben.

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 


 

Rechtssatz:

 

VwSen-252287/2/Gf/Mu vom 27. November 2009

 

Art. 4 7.ZPMRK; § 111 ASVG; § 19 VStG; § 22 Abs. 1 VStG; § 64 ff VStG

- In jenen Konstellationen, in denen die pflichtwidrige Nichtmeldung der Dienstnehmer objektiv besehen insofern eine Einheit darstellt, als zu einem bestimmten Kontrollzeitpunkt (oder während ein und desselben Tatzeitraumes) mehrere Dienstnehmer, die eine gleichartige (oder notwendig aufeinander abgestimmte) Tätigkeit verrichtet haben, bei demselben Dienstgeber beschäftigt waren, ohne von diesem zuvor beim Sozialversicherungsträger angemeldet worden zu sein, kann lediglich eine Gesamtstrafe verhängt werden; dogmatisch besehen ist sohin nicht davon auszugehen, dass in einem derartigen Fall ein und derselbe Tatbestand mehrmals verwirklicht wurde; vielmehr ist das gesetzlich verpönte Unterlassen der Anmeldung lediglich einmal, wenngleich auch in Bezug auf mehrere Dienstnehmer, begangen worden; letzterer Aspekt stellt allerdings einen im Zuge der Strafbemessung gemäß § 19 VStG zu berücksichtigenden Erschwerungsgrund dar;

- Eine gesonderte mehrfache Bestrafung kann daher nur dann erfolgen, wenn die zuvor genannten Kriterien (selber Kontrollzeitpunkt/Tatzeitraum, gleichartige bzw. notwendig aufeinander abgestimmte Tätigkeit, selber Dienstgeber) nicht kumulativ erfüllt sind; diese Auslegung lässt sich auch mit dem aus Art. 4 des 7.ZPMRK resultierenden Verbot der Doppelbestrafung, das vom EGMR und vom VfGH dahin interpretiert wird, dass mehrfache Verfolgungen bzw. Bestrafungen nur dann und insoweit zulässig sind, als sich diese jeweils in den „wesentlichen Elementen“ („essential elements“) deutlich voneinander unterscheiden (vgl. jüngst VfGH v. 2. Juli 2009, B 559/08), besser harmonisieren;

 

- Die Kostentragungsregelungen der §§ 64 bis 66 VStG gehen erkennbar von dem Prinzip aus, dass der Beschuldigte (nur) dann (auch) die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen haben soll, wenn dieses einerseits auf seine Initiative hin eingeleitet wurde und das Rechtsmittel andererseits in vollem Umfang erfolglos geblieben ist; da die Beschwerde im gegenständlichen Fall jedoch nicht vom Beschuldigten (d.h.: der mitbeteiligten Partei) erhoben worden und somit schon die erstere der beiden eben angeführten Bedingungen nicht erfüllt ist, ist sohin schon aus diesem Grund die Voraussetzung für die Vorschreibung eines Kostenbeitrages nicht gegeben.

 

 

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