Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252300/2/Gf/Mu

Linz, 15.12.2009

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 4. November 2009, GZ 9553/2008 (mitbeteiligte Partei: x), wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 4. November 2009, GZ 9553/2009, wurde das gegen die mitbeteiligte Partei zunächst deshalb nach § 33 Abs. 1 und Abs. 1a i.V.m. § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 83/2009 (im Folgenden: ASVG), weil sie es als handelsrechtliche Geschäftsführerin ihrer GmbH zu verantworten habe, dass diese zumindest am 25. Jänner 2008 drei Personen als Hilfskräfte (Türsteher, Kassiererin, Garderobenbetreuung) beschäftigt habe, ohne dass diese zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung angemeldet worden seien, geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der mitbeteiligten Partei die im Spruch angelastete Tat mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. Februar 2008 vorgeworfen worden sei, diese Tatbeschreibung jedoch nicht dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z. 1 VStG genügt habe, weil sich der Tatvorwurf auf sämtliche Tatbestandselemente beziehen hätte müssen. Da seit der Einleitung des ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens aber während des gesamten Ermittlungsverfahrens keine weitere Konkretisierung der Verfolgungshandlung vorgenommen worden und im gegenständlichen Fall mittlerweile (Verfolgungs-)Verjährung eingetreten sei, habe der Tatvorwurf somit nicht mehr ausgedehnt werden können, weshalb das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 VStG und i.V.m. § 111 Abs. 3 ASVG einzustellen sei.

1.2. Gegen diesen dem Rechtsmittelwerber am 6. November 2009 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, (vermutlich) am 16. November 2009 – und damit recht­zeitig – zur Post gegebene Berufung.

Begründend bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, dass gemäß § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigte gerichtete Amtshandlung als Verfolgungshandlung zu qualifizieren sei. In der Folge wird zum gegenständlichen Fall weiters ausgeführt, dass die der mitbeteiligten Partei vorgeworfene Tat in der Aufforderung zur Rechtfertigung ohnehin derart konkretisiert worden sei, dass ihr alle maßgeblichen Tatbestandsmerkmale vorgehalten worden und somit keine Gefahr für eine Doppelbestrafung gegeben gewesen sei. Wegen eines bloß rechtlich unrichtigen Tatvorwurfes könne hingegen nicht von einer unzureichenden Verfolgungshandlung ausgegangen werden, wobei der Rechtsmittelwerber insoweit auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH vom 29. Jänner 2009, Zl. 2006/10/0199) verweist.

Daher wird beantragt, hinsichtlich dieser Beschäftigungen gemäß § 33 i.V.m. § 111 ASVG eine Strafe auszusprechen.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates Linz zu GZ 9553/2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 1 und 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber Meldungen oder Anzeigen entgegen den Bestimmungen des ASVG entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden bzw. binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden; diese Meldepflicht gilt gemäß § 33 Abs. 2 ASVG auch teilversicherte, nämlich bloß in der Unfallversicherung oder in der Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversicherte Dienstnehmer.

Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügungen u. dgl.) eine Verfolgungshandlung, und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlang hat.

Nach § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 und Abs. 3 vorgenommen worden ist; im vorliegenden Zusammenhang beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 111 Abs. 3 ASVG ein Jahr.

Nach § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG ist die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens – in einem Mehrparteienverfahren durch Bescheid – u.a. dann zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

3.2. Im gegenständlichen Fall steht allseits unbestritten fest, dass seitens der belangten Behörde gegenüber der mitbeteiligten Partei innerhalb der in § 31 Abs. 1 VStG i.V.m. § 111 Abs. 3 ASVG festgelegten Verjährungsfrist von einem Jahr eine Verfolgungshandlung, nämlich die "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 28. Februar 2008, GZ 9553/2008-BzVA-Verwaltungsstrafen, gesetzt wurde.

Diese hat jedoch nicht den Anforderungen des § 44 a Z. 1 VStG entsprochen:

3.2.1. Aus der mit § 111 Abs. 1 ASVG beginnenden Verweisungskette ergibt sich (vgl. schon VwSen-252165 vom 3. Februar 2009 und zuletzt VwSen-252281 vom 11. November 2009), dass sich das Tatbild dieses (bloß kursorisch als „Nichtmeldung beim Sozialversicherungsträger“ bezeichenbaren) Deliktes aus mehreren Einzelelementen zusammensetzt, die jeweils gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch – neben den nicht deliktsspezifischen und in diesem Sinne allgemeinen Erfordernissen (wie z.B. Zeit und Ort der Begehung) – kumulativ oder alternativ einer entsprechenden Konkretisierung bedürfen, nämlich, dass

 

         1. ein Dienstgeber, der für die Erfüllung der Meldepflicht keinen Bevoll-

             mächtigten bestellt hat (vgl. § 35 Abs. 1 und 3 ASVG),

         2. einen Dienstnehmer

         3. in einem Verhältnis persönlicher und

             wirtschaftlicher Abhängigkeit               vgl. § 4 Abs. 2 (und 4) ASVG

         4. gegen Entgelt (vgl. § 49 ASVG)

         5. beschäftigt hat,

         6. der in der Krankenversicherung pflichtversichert, nämlich entwe-

             der

                   a) vollversichert (vgl. § 4 Abs. 1 ASVG) oder

                   b) (insbesondere infolge des Nichterreichens der Geringfügigkeits-

                       grenze des § 5 Abs. 2 ASVG) zumindest teilversichert (vgl. § 7

                       Z. 1 und § 8 Abs. 1 Z. 1 ASVG) und

                   c) nicht gemäß § 5 ASVG ausgenommen ist und

         7. hierüber entweder eine Meldung oder eine Anzeigeentweder

             in einem oder in zwei Schritten (vgl. § 33 Abs. 1a ASVG) – entweder

                   a) nicht erstattet oder

                   b) falsch erstattet oder

                   c) nicht rechtzeitig erstattet hat (vgl. § 33 Abs 1 ASVG).

3.2.2. In der eingangs angeführten Aufforderung zur Rechtfertigung wurde der mitbeteiligten Partei jedoch nur pauschal angelastet, dass sie es als handelsrechtliche Geschäftsführerin ihrer GmbH zu verantworten habe, dass diese zumindest am 25. Jänner 2008 drei Personen als Hilfskräfte (Türsteher, Kassiererin, Garderobenbetreuung) beschäftigt habe, ohne dass diese zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung angemeldet worden seien.

Hingegen findet sich in dieser kein Hinweis darauf, dass diese Beschäftigung auch entgeltlich – und bejahendenfalls, ob diese Entlohnung über oder unter der Geringfügigkeitsgrenze lag – sowie in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erfolgte; hierbei handelt es sich jeweils um essentielle Tatbestandsmerkmale des der mitbeteiligten Partei angelasteten Deliktes.

Da die Anlastung einer Übertretung des § 111 Abs. 1 ASVG (gänzlich unabhängig davon, ob auch deren rechtliche Qualifikation zutrifft) jedoch nur dann als rechtmäßig angesehen werden kann, wenn sämtliche der zuvor unter angeführten Tatbestandsmerkmale im Spruch des Straferkenntnisses – und damit auch in der Verfolgungshandlung – enthalten und dort in einer der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Form hinreichend konkretisiert sind (wobei hiezu gegebenenfalls insbesondere auch eine dezidierte Anführung, dass Ausnahmen, die ex lege zu einer Nichterfüllung des Tatbildes führen würden, in concreto nicht vorliegen, erforderlich ist), die Verfolgungshandlung hier jedoch im Grunde lediglich den Gesetzestext (teilweise) wiedergibt, wurde somit der mitbeteiligten Partei im Ergebnis ein Verhalten zur Last gelegt, dass jedenfalls in dieser Form (noch) keine strafbare Handlung bildet.

Die gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG verfügte Einstellung des gegen die mitbeteiligte Partei geführten Strafverfahrens erfolgte daher zu Recht.

3.3. Die vorliegende Berufung war sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-252300/2/Gf/Mu vom 15. Dezember 2009

 

§ 33 ASVG; 111 ASVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 und 3 VStG

 

Mangelhafte Spruchkonkretisierung – wie VwSen-252165 v. 3.2.2009