Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-164634/2/Bi/Th

Linz, 17.12.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA Mag. X, vom 20. November 2009 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 11. November 2009, S-30675/09 VP, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

I.             Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als der Schuld­spruch mit der Maßgabe bestätigt wird, dass der Bw im Sinne des § 8 VStG eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 14 Abs.2 lit.d iVm 99 Abs.3 lit.a und Abs.5 StVO 1960 insofern begangen hat, als er am 18. Juli 2009 gegen 15.35 Uhr in Linz, aus Richtung Franckstraße kommend auf Höhe des Hauses Lastenstraße 30 durch Einordnen zur Fahrbahnmitte unter Linksblinken und Verlang­samung seiner Fahrgeschwindigkeit versucht hat, auf einer Vorrangstraße im Ortsgebiet außerhalb einer geregelten Kreuzung umzukehren; die Geldstrafe wird jedoch auf 80 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 40 Stunden herabgesetzt.

 

II.  Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 8 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 14 Abs.2 lit.d iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 100 Euro (50 Stunden EFS) verhängt, weil er am 18. Juli 2009, 15.35 Uhr, in Linz, Lastenstraße 30 in nördlicher Richtung mit dem Pkw (Kleinbus) X auf einer Vorrangstraße im Ortsgebiet außerhalb einer geregelten Kreuzung umgekehrt ist.  

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe auf der Lastenstraße ca auf Höhe der Waschanlage bei einer Einbuchtung am linken Fahrbahnrand umkehren wollen, dazu sein Fahrzeug verlangsamt, zur Fahrbahnmitte gelenkt und links geblinkt. Als er noch mit einer geringen Geschwindigkeit gefahren sei, sei es völlig unerwartet zu einer heftigen Kollision gekommen, bei der er vermutlich auf die Bremse gestiegen sei. Sein Fahrzeug habe sich gedreht und sei auf dem Fahrstreifen des Gegenverkehrs zum Stillstand gekommen. Diesen unbestritt­enen Sachverhalt habe die Erstinstanz unter den Tatbestand des § 14 Abs.2 lit.d StVO  subsumiert, jedoch übersehen, dass laut OGH-Judikatur unter "Umkehren" die Gewinnung einer entgegengesetzten Fahrtrichtung ohne Wechsel der Fahr­bahn zu verstehen sei. Außerdem sei ein Versuch iSd § 8 VStG nur strafbar, wenn er ausdrücklich durch eine Verwaltungsvorschrift für strafbar erklärt werde. § 24 Abs.2 lit.d StVO (gemeint wohl: § 14 Abs.2 lit.d StVO) stelle den Versuch nicht unter Strafe und er habe den Tatbestand auch nicht erfüllt. Er habe zwar ein Umkehrmanöver eingeleitet, dieses aber nicht vollenden können und die Fahrt­richtungsänderung sei nicht von seinem Willen getragen gewesen. Aus den im Akt enthaltenen Zeugenaussagen ergebe sich, dass er lediglich schräg zur Fahr­bahnmitte bzw nach links gelenkt habe. Er habe daher weder den Tatbe­stand des "Umdrehens" erfüllt noch sei eine Strafbarkeit eines "versuchten Umdrehens" gegeben. Abgesehen davon habe der Unfallgegner das Alleinver­schulden am Unfall anerkannt und der Sach- und Personenschaden sei zu 100 % liquidiert worden. Sein Verhalten sei für das Unfallgeschehen nicht einmal mit­kausal. Beantragt wird daher die Abänderung des Straferkenntnisses inso­fern, als festgestellt werde, dass kein strafbares Verhalten seinerseits vor­liege, in eventu eine wesentliche Strafherabsetzung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

 

Aus der Anzeige geht hervor, das der Bw als Lenker des Pkw Toyota Hiace, X, am 18. Juli 2009 gegen 15.35 Uhr in Linz auf Höhe der Waschanlage Lastenstraße 30 insofern an einem Verkehrsunfall beteiligt war, als er nach eigenen Angaben sein Firmenfahrzeug in Richtung Hamerlingstraße lenkte und bei einer linksseitigen Einbuchtung umkehren wollte. Er habe bei einer Geschwindigkeit von 40 bis 45 km/h bremsend zur Fahrbahnmitte hingelenkt und links geblinkt. Als er noch mit geringer Geschwindigkeit gefahren sei, sei es völlig unerwartet zu einer heftigen Kollision gegen sein Fahrzeugheck gekommen. Da er vermutlich auf die Bremse gestiegen sei, habe sich das Fahrzeug gedreht und sei auf dem Fahr­streifen des Gegenverkehrs zum Stehen gekommen. Er habe gesehen, dass der Lenker des auffahrenden Fahrzeuges aus dem Fahrzeug gesprungen sei, während dieses Fahrzeug führerlos weiter- und auf den Gehsteig gefahren und gegen eine Ampel gestoßen sei, wo es dann zum Stillstand kam. Der andere Lenker sei auf der Fahrbahn gelegen und habe offenbar Schmerzen im Rippen­bereich gehabt. Er selbst habe sich den Kopf angeschlagen und leichte Kopf­schmer­zen gehabt.

 

Der Unfallgegner X bestätigte inhaltlich die Ausführungen des Bw aus seiner Sicht, wonach er mit ca 55 km/h auf der Lastenstraße gefahren sei und bereits 100 m vor sich den Kastenwagen des Bw gesehen habe, der aber plötzlich schräg vor ihm gewesen sei, als ob er stark abgebremst und nach links gelenkt hätte. Er habe noch gebremst, aber keine Chance mehr zum Ausweichen gehabt. Er sei frontal gegen die linke Ecke des Hecks gestoßen und in seinem Fahrzeuginnenraum habe es zu rauchen begonnen. Weil er fürchtete, dass etwas explodieren könnte, habe er die Lenkertür geöffnet und sich aus dem rollenden Fahrzeug auf die Fahrbahn fallen lassen. Er habe zahlreiche Prellungen und Rippenquetschungen erlitten.

 

Der unbeteiligte Zeuge X bestätigte anlässlich der Unfallsaufnahme, er sei hinter dem Pkw des Zeugen X in die Lastenstraße eingebogen, wobei sich der Lenker so schnell von ihm entfernt habe, dass er ihn nach der Unterführung nicht mehr gesehen habe. Er habe aber einen weißen Kleinbus gesehen, der in Höhe der Waschanlage langsam schräg zur Fahrbahnmitte fuhr, als ob er umdrehen oder links zufahren wollte. Der Pkw des X sei gebremst worden und frontal auf den Kleinbus aufgefahren, der sich gedreht habe und auf der Gegenfahrbahn zum Stillstand gekommen sei. Der Pkw des X sei weitergerollt, X sei auf die Fahrbahn gesprungen und der Pkw sei auf dem Gehsteig von der Ampel gebremst worden. Der Lenker sei offenbar sehr erschrocken gewesen und habe sich den Brustkorb gehalten.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zur Auffassung, dass der Bw nie ein Hehl daraus gemacht hat, dass er umkehren wollte. Nach den Unfallfotos befindet sich dort in Fahrtrichtung des Bw gesehen links eine durch Plakatwände abgesperrte Zufahrt in der Länge einer Gehsteig­breite. Die Lastenstraße ist in diesem Bereich übersichtlich, nach dieser Zufahrt befindet sich links eine Bushaltestelle; rechts ist die Zufahrt zur Waschanlage, in der ein gefahrloses Umkehren sicher möglich gewesen wäre. Ein Stück weiter in Fahrtrich­tung des Bw liegt die Kreuzung mit der Friedhofstraße.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Laut Benachrichtigung der StA Linz vom 11. September 2009, 43 BAZ 912/09z -2, gemäß Verkehrsrecht-Anpassungsgesetz 1971 wurde das gegen den Bw und den Unfallgegner eingeleitete Verfahren wegen § 88 StGB gemäß § 190 Z1 StPO mangels Straftatbestand eingestellt. Damit war gemäß § 99 Abs. 6 lit.c StVO 1960 der Sachverhalt einer verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung zugäng­lich, wobei die Verfolgungsver­jährungs­frist mit dem Einlangen dieser Benach­richti­gung, die im Akt keinen Eingangs­stempel aufweist, bei der Erstinstanz beginnt. 

Da bei ggst Verkehrsunfall der Unfallgegner X verletzt wurde, ist § 99 Abs.6 lit.a StVO 1960 nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 14 Abs.2 lit.d StVO 1960 ist das Umkehren auf Vorrangstraßen im Ortsgebiet, ausgenommen auf geregelten Kreuzungen, verboten.

Laut Urteil des OGH 27.4.1977, 8 Ob 56/77, ist unter "Umkehren" die Gewinnung einer entgegengesetzten Fahrtrichtung ohne Wechsel der Fahrbahn zu verstehen. Die Bestimmungen über das Umkehren gelten sowohl für das Reversieren (mit Rückwärtsfahren) als auch das Wenden (in einem Zug), bei dem nur durch Vorwärtsfahren die entgegengesetzte Fahrtrichtung gewonnen wird.

 

Dass der Bw sein nie bestrittenes Vorhaben nicht vollenden konnte, weil sich bereits beim "Zur-Fahrbahnmitte-Lenken" die Kollision ereignete, steht außer Zweifel.

Gemäß § 99 Abs.5 StVO 1960 ist der Versuch strafbar. Wer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versucht, ein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen, wird jedoch nicht bestraft, wenn er aus freien Stücken oder von wem auch immer auf seinen Zustand aufmerksam gemacht, die Ausführung aufgibt.

"Der Versuch einer Verwaltungsübertretung, also eine vorsätzliche, zu ihrer wirklichen Ausübung führende Handlung (§8 Abs.1 VStG) ist auch nach der StVO grundsätzlich strafbar. Der einzige Fall, in dem ein Versuch nicht strafbar ist, wurde bereits zu § 5 erläutert." (AB 60) (siehe Pürstl-Sommereder, StVO, 11. Auflage 2003, S.1013).

 

Damit ist das Argument des Bw, § 14 Abs.2 lit.d StVO sehe keine Strafbarkeit eines Versuchs vor, insofern nicht zutreffend, als die StVO in den "Straf- und Schluss­bestimmungen" des § 99 eine solche Strafbarkeit des Versuchs vorsieht, sodass in den einzelnen Bestimmungen darauf nicht mehr ausdrücklich hinzu­weisen ist.

Die Absicht des Bw, in der dortigen Ausbuchtung unter Benützung des Fahr­streifens für den Gegen­verkehr umzukehren, ist unbestritten, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieses Umkehren in einem Zug möglich gewesen wäre oder er reversieren hätte müssen. Die Lastenstraße ist eine an sich stark befahrene und auch baulich dazu geeignete "Durchzugsstraße", die zwei Stadtteile, nämlich das Franckviertel und das Gebiet östlich des ehemaligen Frachtenbahnhofs, verbindet und daraus erklärt sich auch die Gefährlichkeit des vom Bw beab­sichtigten aber auf der Vorrangstraße an dieser Stelle verbotenen Umkehr­manövers, das der Bw mit seinem Einordnen zur Fahrbahnmitte hin zweifellos bereits eingeleitet hatte. Einen anderen Anlass für ein solches Einordnen unter Verlangsamung der Fahrgeschwindigkeit und Linksblinken vermag der Unab­hängige Verwaltungssenat nicht zu erblicken und war ein solcher auch für die nachkommenden Lenker nicht zu ersehen, zumal die Einfahrt links durch die Plakat­wände leicht erkennbar abgesperrt war. Der Unfall ereignete sich im Zuge dieser zweifellos vorsätzlichen Vorbereitungs­handlung, wobei der Bw unbestritten die Gegenfahrbahn nicht freiwillig befuhr, wie auch in der Berufung ausgeführt, was aber letztendlich nichts daran ändert, dass sein Fahrverhalten als Versuch des Umkehrens zu qualifizieren ist.

Der Unabhängige Verwaltungssenat geht daher davon aus, dass der Bw den nunmehr in diesem Sinne gemäß § 44a Z1 und 2 VStG geänderten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.  

  

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Bw ist bisher unbescholten, was seitens der Erstinstanz als Milderungsgrund berück­sichtigt wurde. Zu werten ist jedoch auch die (Mit)Verursachung eines Verkehrsunfalls mit Personenschaden. Die von der Erstinstanz in Ermangelung einer entsprechenden Mitteilung geschätzten finanziellen Verhältnisse hat der Bw nicht bestritten, sodass sie auch im Rechtsmittelverfahren zugrundezulegen waren (1100 Euro netto monatlich, kein Vermögen, keine Sorgepflichten).

Unter Bedachtnahme auf den zweifellos geringeren Unrechtsgehalt des Versuchs gegenüber der vollendeten Tat war die Strafe herabzusetzen, wobei die nunmehr verhängte Strafe gemäß den Bestimmungen des § 19 VStG für angemessen erachtet wird, generalpräventiven Überlegungen standhält und den Bw von derartigen Fahr­manövern in Zukunft abhalten soll.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Versuch eines Umlenkens auf Vorrangstraße im Ortsgebiet außerhalb einer geregelten Kreuzung – Spruchänderung + Strafhöhe

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum