Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310379/3/Kü/Hue

Linz, 22.12.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von Herrn x, x, vom 18. Juni 2009 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. vom 15. Juni 2009, Zl. UR96-1-2009, wegen einer Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das gegenständliche    Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren        eingestellt.

 

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. vom 15. Juni 2009, Zl. UR96-1-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.2 Z21 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) iVm dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. vom 31. Oktober 2008, Zl. UR01-30-2008, eine Geldstrafe von 360 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 17 Stunden, verhängt.

 

Ferner wurde gem. § 64 VStG ein Kostenbeitrag in der Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis lag folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 31.10.2008, UR01-30-2008, wurde Ihnen vorgeschrieben das auf dem Grst. Nr. x, KG und Gemeinde x, gelagerte Autowrack der Marke x und einen PKW-Anhängeraufbau bis längstens 15.11.2008 einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen und dies der Behörde bis zu diesem Zeitpunkt unter Vorlage eines entsprechenden Entsorgungsnachweises schriftlich zu melden.

Nunmehr konnte festgestellt werden, dass Sie den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 31.10.2008, Zl. UR01-30-2008, zumindest vom 16.11.2008 bis zum 07.01.2009 nicht befolgt haben, zumal der Behörde bis zum 07.01.2009 die ordnungsgemäße Entsorgung nicht schriftlich gemeldet worden ist."

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw eingebrachte Berufung vom 18. Juni 2009. Der Bw bringt vor, dass die Entsorgung am 10. September 2008 bei der Gemeinde x – noch vor Erteilung des behördlichen Entfernungsauftrages – beantragt worden sei. Diese habe den Bw an den Abfallentsorgungsverband verwiesen, an welchem der Auftrag zur Entsorgung sofort weiter gegeben worden sei. Da bis Dezember nichts geschehen sei, sei Anfang Dezember beim Abfallentsorgungsverband urgiert worden. Auf Anfrage, ob die Entsorgungsfirma zwecks Abholung vom Bw selbst kontaktiert werden dürfe, sei dem Bw gesagt worden, dass der Auftrag bereits erteilt worden sei und sich die Entsorgungsfirma beim Bw melden werde. Dies könne die Zeugin Frau x bestätigen. Diese habe auch die Entsorgung über den Bezirksabfallverband Braunau organisiert.

Aus diesem Grund sei es für den Bw unverständlich, weshalb er aus nicht objektivierbarem und nicht nachvollziehbarem Sachverhalt bestraft werden solle. Die Entsorgung sei der Erstbehörde im Schreiben vom 31. Jänner 2009 nachgewiesen worden, obwohl die belangte Behörde im Schreiben vom 12. Februar 2009 Gegenteiliges behaupte.

 

Beantragt wird die Aufhebung der Strafe.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. hat mit Schreiben vom 24. Juni 2009 die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Dem Bw wurde mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. vom 31. Oktober 2008, Zl. UR01-30-2008, gem. § 73 Abs.1 iVm § 2 Abs.1 Z2 und § 15 Abs.3 Z1 und Z2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 aufgetragen, die auf einer näher bezeichneten Grundfläche gelagerten Abfälle (Autowrack und PKW-Anhängeraufbau) bis längstens 15. November 2008 einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen und diese Entsorgung bis spätestens vorgenannten Zeitpunkt unter Vorlage entsprechender Entsorgungsnachweise der Behörde schriftlich zu melden.  

 

Einem Schreiben der belangten Behörde an den Bw vom 28. November 2008, Zl. UR01-30-2008, ist zu entnehmen, dass im Zuge einer Überprüfung durch die Polizeiinspektion x vom 16. November 2008 festgestellt wurde, dass der Bw dem Behandlungsauftrag vom 31. Oktober 2008 nicht nachgekommen ist.

 

Daraufhin wurde der Bw mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. vom 15. Juni 2009, Zl. UR96-67-2008, wegen dieser Nichterfüllung des Behandlungsauftrages gem. § 79 Abs.2 Z21 AWG 2002 iVm mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. vom 31. Oktober 2008, Zl. UR01-30-2008, bestraft. In diesem Strafbescheid wurde als Tatzeit angegeben, dass der Bw zumindest vom 16. November bis 1. Dezember 2008 dem behördlichen Auftrag nicht nachgekommen ist.

 

4.2. Einem weiteren Schreiben der Erstbehörde an den Bw vom 2. Jänner 2009, Zl. UR01-30-2008, ist zu entnehmen, dass diese neuerlich festgestellt hat, dass der Bw dem behördlichen Auftrag vom 31. Oktober 2008 noch immer nicht nachgekommen ist.

 

Daraufhin wurde das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und der Bw wegen der Nichterfüllung des Behandlungsauftrages vom 31. Oktober 2008 mit Straferkenntnis vom 15. Juni 2009, Zl. UR96-1-2009, wiederum bestraft, wobei als Tatzeit die Zeit vom 16. November 2008 bis zum 7. Jänner 2009 benannt wurde.

 

Dieser Sachverhalt ist unstrittig.

 

4.3. § 73 Abs.1 AWG 2002 besagt, dass, wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs.3) geboten ist,

die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen hat.

 

Gem. § 79 Abs.2 Z21 AWG 2002 begeht, wer Aufträge oder Anordnungen gem. § 73, § 74, § 82 Abs.4 oder § 83 Abs.3 nicht befolgt, – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 360 bis 7.270 Euro zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 1.800 Euro bedroht.

 

4.4. Im Hinblick auf das Kumulationsprinzip (§ 22 VStG) ist ein Täter für jedes Delikt gesondert zu bestrafen. Strafen sind somit nebeneinander zu verhängen. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob ein Täter durch verschiedene Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder durch ein und dieselbe Tat mehrere verschiedene Delikte verwirklicht hat.

 

Eine Ausnahme von diesem Prinzip besteht bei einem fortgesetzten Delikt. Ein fortgesetztes Delikt ist dann gegeben, wenn eine Mehrheit von an sich selbständigen, nacheinander gesetzten Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Delikts erfüllt, durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit verbunden ist. Die Einzelhandlungen müssen in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, wobei sie nicht durch einen großen Zeitraum unterbrochen werden dürfen (vgl. VwGH 2003/05/0201 v. 18.3.2004). Dabei scheiden fahrlässige Begehungen für die Annahme eines fortgesetzten Delikts aus. Nur dann, wenn der Täter von vornherein – wenn auch nur mit bedingtem Vorsatz – einen Gesamterfolg mit seinen wesentlichen Merkmalen ins Auge gefasst hat (Gesamtvorsatz) ist es gerechtfertigt, ihm nur eine einzige Straftat anzulasten (vgl. u.a. VwGH 99/09/0219 v. 15.3.2000).

Ein Dauerdelikt wird in ähnlicher Weise wie beim fortgesetzten Delikt nicht etwa in jedem Augenblick neu begangen, es handelt sich dabei vielmehr um ein Delikt, weshalb tatbestandsgemäße Einzelhandlungen bis zur Erlassung eines Straferkenntnisses nur als eine Verwaltungsübertretung anzusehen und dementsprechend auch nur mit einer Strafe zu bedenken sind, solange der Täter nicht nach außen hin erkennbar seine deliktische Tätigkeit aufgegeben hat (vgl. neben vielen VwGH 95/02/0537 v. 25.4.1997).

 

Dergestalt präsentiert sich aber der gegenständliche Fall in der Konsumtion zweier Deliktstatbestände in Form eines fortgesetzten Delikts [Nichterfüllung des behördlichen Behandlungsauftrages für die Zeit vom 16. November bis 1. Dezember 2008 im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. vom 15. Juni 2009, Zl. UR96-97-2008 (zugestellt am 17. Juni 2009), und für die Zeit vom 16. November 2008 bis 7. Jänner 2009 im gegenständlichen Straferkenntnis vom selben Tag, Zl. UR96-1-2009], da eine wertende Beurteilung ergibt, dass der Unwert des einen Delikts von der Strafdrohung gegen das andere Delikt miterfasst wird (vgl. VwGH 99/07/0086 v. 12.6.1990). Da dem Bw durch den rechtskräftigen Behandlungsauftrag der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I. vom 31. Oktober 2008, Zl. UR01-30-2008, bekannt war, dass er den rechtswidrigen Zustand der Lagerung von Abfällen (Autowrack und PKW-Anhängeraufbau) bis längstens 15. November 2008 zu beseitigen hat und er – unbestritten – bis zu diesem Zeitpunkt diese Anordnung nicht erfüllt hat, ist hinsichtlich der Schuld des Bw von zumindest bedingtem Vorsatz auszugehen.

 

Im Falle eines fortgesetzten Delikts sind durch die Bescheiderlassung (=Zustellung) alle bis dahin erfolgten Einzelakte abgegolten, mögen sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein. Setzt der Täter nach diesem Zeitpunkt die verpönte Tätigkeit fort, so darf die neuerliche Bestrafung nur die nach der letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen umfassen. Eine neuerliche Bestrafung wegen Tathandlungen, die in den von der ersten Bestrafung umfassten Tatzeitraum fallen, verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung (vgl. u.a. VwGH 99/09/0219 v. 15.3.2000).

 

Im Hinblick auf die vorgenannte Judikatur ist die gesamte Zeit der Nichterfüllung des Behandlungsauftrages der Bezirkshauptmannschaft Braunau/I., Zl. UR01-30-2008, bis zum Zeitpunkt der Zustellung des (ersten) Straferkenntnisses der belangten Behörde, Zl. UR96-97-2008, am 17. Juni 2009 abgegolten. Somit erweist sich das gegenständliche neuerliche Straferkenntnis vom 15. Juni 2009, Zl. UR96-1-2009, für die Tatzeit vom 16. November 2008 bis zum 7. Jänner 2009 als Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot und deshalb als rechtswidrig.

 

Da dies die Erstbehörde verkannt hat, war spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen gemäß § 66 Abs.1 VStG jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger