Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252078/2/Sr/Mu/La

Linz, 04.01.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landes­hauptstadt Linz vom 17. Februar 2009, GZ 0060616/2008, wegen vier Übertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkennt­nis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.     Die Berufungswerberin hat weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009, i.V.m. §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl.Nr.52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

 

 

 




Entscheidungsgründe:

 

1.1 Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landes­hauptstadt Linz vom 17. Februar 2009, GZ 0060616/2008, wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"I. Tatbeschreibung:

 

Sie haben als Gewerbeinhaberin und Betreiberin der Firma X, X, X, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass von dieser Firma als Dienstgeber die unten angeführten Personen als Dienstnehmer, im Lokal "X", X, X – in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt – beschäftigt wurden, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden waren.

 

1.   Herr X, geb. X, beschäftigt zumindest am 07.11.2008 als Sicherheitsdienst, an der Eingangstür zum Lokal postiert (Personenkontrolle);

2.   Frau X, geb. X, beschäftigt zumindest am 07.11.2008 als Kellnerin;

3.   Herr X, geb. X, beschäftigt seit 14.09.2008 bis zumindest am 07.11.2008 als Sicherheitsdienst, an der Eingangstüre (Personenkontrolle)

4.   Frau X. geb. X, beschäftigt zumindest am 07.11.2008 als Kellnerin.

 

II. Verletzte Verwaltungsvorschriften in der jeweils gültigen Fassung:

ad 1 bis 4) jeweils § 33/1 und 1a iVm § 111 ASVG

..."

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte
Behörde über die Bwin jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 292 Euro (10% der Geld­strafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass die der Bwin angelastete Tat von einem Organ des Finanzamtes Linz bei einer Kontrolle am 7. November 2008 festgestellt worden sei.

 

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. Dezember 2008, welche ordnungsgemäß am 3. Jänner 2009 durch Hinterlegung zugestellt worden sei, sei gegen die Bwin das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. Da die Bwin binnen der gesetzten Frist darauf nicht reagiert habe, sei das Strafverfahren ohne ihre Anhörung durchgeführt worden.

 

 

Für die erkennende Behörde sei daher der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Beweis­verfahrens erwiesen.

 

Nach Darstellung der verletzten Verwaltungsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, dass der gegenständliche Tatbestand der angelasteten Verwal­tungsübertretung somit in objektiver Hinsicht erfüllt sei.

 

Zum Verschulden führte die belangte Behörde aus, dass für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge und es sich im vorliegenden Fall um ein Ungehorsamkeitsdelikt gehandelt habe. Nachdem sich die Bwin zum Tatvorwurf nicht geäußert habe, habe ihr Verschulden nicht entkräftet werden können, weshalb die gegenständliche Verwaltungsübertretung auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit erwiesen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Erschwerungsgründe hervorgekommen, während die bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd zu werten gewesen sei. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.3. Gegen dieses der Bwin am 18. März 2009 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende am 20. März 2009 – und damit rechtzeitig – per E-Mail eingebrachte Berufung.

 

Darin wird nur vorgebracht, dass die Einleitung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens beantragt werde.

2.1. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Bezirksverwaltungsamt, hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 23. März 2009 die Berufung unter Anschluss eines vollständigen Ausdruckes ihres elektronischen Aktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz zu GZ 0060616/2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungs­relevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.3. Nach § 51c VStG hat der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis je angenommenen Delikt eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der
Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz – ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

 

1.  Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

 

2.  Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

 

3.  Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

 

4.  gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeich­nungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

 

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

 

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

 

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestim­mungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erst­maligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs. 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeber­kontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG gilt Abs. 1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z. 3 lit a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

"Zuständiger Krankenversicherungsträger" iSd § 33 Abs. 1 ASVG ist für sämtliche im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangene Verwaltungsübertretun­gen die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse mit Sitz in Linz. Somit ist der Bürgermeister der Stadt Linz grundsätzlich die für die Erledigung sämtlicher aus Anlass einer im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangenen Über­tretungen des § 33 Abs. 1 ASVG durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren örtlich zuständige Behörde iSd § 27 Abs. 1 VStG.

 

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgeber beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer iSd ASVG gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäf­tigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merk­malen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungscheckgesetz entlohnt werden oder wenn sie nach § 47 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 des Einkommensteuer­gesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

Nach § 35 Abs. 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs. 2 ASVG Besonderes für jene nach § 4 Abs. 1 Z. 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs. 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die in § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 ASVG vorliegt.

Von der Vollversicherung nach § 4 ASVG und damit von der Krankenversicherungspflicht sind jedoch geringfügig beschäftigte Personen nach § 5 Abs. 2 ASVG in der Regel ausgenommen. Nach der letztgenannten Bestimmung galt zum Tatzeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis dann als geringfügig, wenn es für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart war und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 26,80 Euro, insgesamt jedoch von höchstens 349,01 Euro gebührte oder für min­destens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart war und pro Kalendermonat kein höheres Entgelt als 349,01 Euro vereinbart war.

 

3.2. Aus der Zusammenschau der mit § 111 Abs. 1 ASVG beginnenden Verweisungskette ergibt sich somit, dass sich das Tatbild dieses (bloß kursorisch als "Nichtmeldung beim Sozialversicherungsträger" bezeichenbaren) Deliktes aus mehreren Einzelelementen zusammensetzt, die jeweils gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses – neben den nicht deliktsspezifischen und in diesem Sinne allgemeinen Erfordernissen (wie z.B. Zeit und Ort der Begehung) – kumulativ oder alternativ einer entsprechenden Konkretisierung bedürfen würden, nämlich, dass

 

          1. ein Dienstgeber, der für die Erfüllung der Meldepflicht keinen Bevoll-

              mächtigten bestellt hat (vgl. § 35 Abs. 1 und 3 ASVG),

          2. einen Dienstnehmer

          3. in einem Verhältnis persönlicher und

              wirtschaftlicher Abhängigkeit               vgl. § 4 Abs. 2 (und 4) ASVG

          4. gegen Entgelt (vgl. § 49 ASVG)

          5. beschäftigt hat,

          6. der in der Krankenversicherung pflichtversichert, nämlich entwe-

              der

              a) vollversichert (vgl. § 4 Abs. 1 ASVG) oder

              b) (insbesondere infolge des Nichterreichens der Geringfügigkeits-

                  grenze des § 5 Abs. 2 ASVG) zumindest teilversichert (vgl. § 7

                  Z 1 und § 8 Abs. 1 Z. 1 ASVG) und

              c) nicht gemäß § 5 ASVG ausgenommen ist und

          7. hierüber entweder eine Meldung oder eine Anzeigeentweder

              in einem oder in zwei Schritten (vgl. § 33 Abs. 1a ASVG) – entweder

              a) nicht erstattet oder

              b) falsch erstattet oder

              c) nicht rechtzeitig erstattet hat (vgl. § 33 Abs. 1 ASVG).

 

3.3. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z. 1 VStG entwickelten Judikatur ist die der Bwin angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestands­merkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitum­schreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. z.B. VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

Wenn nun § 44a Z. 1 und Z. 2 VStG als einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsstrafverfahrens festlegen, dass der Spruch eines Straferkenntnisses den genauen Tatvorwurf sowie die Verwaltungsvorschrift(en) zu bezeichnen hat, die durch die Tat verletzt wurde(n), so wird der Spruch des hier angefochtenen Bescheides diesem Erfordernis – und zwar auch nicht in Verbindung mit der zu dessen Auslegung allenfalls heranziehbaren Begründung - schon deshalb nicht gerecht, weil insgesamt insbesondere keinerlei Bezugnahme auf die oder eine nähere Konkretisierung der in § 4 Abs. 1 und 2 ASVG, § 33 Abs. 1 ASVG, § 33a Abs. 1 ASVG sowie in § 35 Abs. 1 und 3 ASVG positivierten essentiellen Tatbestandselemente enthalten ist.

Allerdings ist festzuhalten, dass zwar wesentliche Tatbestandselemente vom Wortlaut des im vorliegenden Fall gewählten Spruchtextes, der sich lediglich an §  33 Abs. 1 und § 111 ASVG orientiert, implizit umfasst sind; die obgenannten weiterführenden Gesetzesbestimmungen stellen teils eine Vertiefung der in § 33 Abs. 1 und § 111 ASVG angeführten Tatbestandselemente dar. Im Sinne einer konkreten Tatbeschreibung nach § 44a Z. 1 VStG kann die Anführung dieser – je nach dem zu beurteilenden Sachverhalt - deskriptiven Tatbestandselemente dann – und nur dann – in der im gegenständlichen Fall gewählten impliziteren Form erfolgen, wenn die oa. Tatbestandselemente hinreichend in der Begründung korrespondierend zum Spruch erschöpfend erläutert und gerechtfertigt werden.

Dies gilt aber wohl nicht für die u.a. in § 5 Abs. 2 ASVG normierten Ausnahmebestimmungen von der Versicherungspflicht. Denn dieses Tatbestandselement (vgl. Punkt 6 in der obigen Darstellung) ist aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 ASVG nur mittels eines Umkehrschlusses abzuleiten; es ist aber auf diesem Wege fraglos ein konstitutives Tatbestandselement und deshalb stets im Spruch anzuführen. Das gänzliche Fehlen eines derartigen Tatbestandselementes im Spruch kann nicht durch bloße analoge Feststellungen in der Begründung "geheilt" werden.

 

3.4. Im gegenständlichen Fall wurde der Bwin als Gewerbeinhaberin und Betreiberin ihrer Firma nur pauschal angelastet, dass sie zu verantworten habe, dass von dieser drei namentlich genannte Personen zumindest am 7. November 2008 und eine namentlich genannte Person seit 14. September 2008 bis zumindest am 7. November 2008 in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt als Sicherheitsdienst bzw. Kellnerin beschäftigt worden seien, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden seien.

 

Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht jedoch hervor, inwieweit der Bwin eine Dienstgeber­eigenschaft zukam; ob bzw. inwieweit tatsächlich eine Beschäftigung als "Sicherheitsdienst bzw. Kellnerin" in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorlag; ob die Meldung an den Sozialversicherungsträger überhaupt nicht oder bloß unvollständig oder bloß verspätet erfolgte; etc.

 

3.5. Insbesondere fehlt aber jedenfalls eine Konkretisierung dahin, ob bzw. dass die Höhe des Entgelts über der sog. "Geringfügigkeitsgrenze" des § 5 Abs. 2 ASVG lag. Diese Feststellung ist jedoch deshalb unverzichtbar, weil die Tätigkeit andernfalls nach dieser Bestimmung grundsätzlich von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ausgenommen wäre, es sei denn, es würde sich um eine der in den §§ 7 und 8 ASVG genannten Beschäftigungsverhältnisse handeln; doch selbst in diesem Fall wäre noch gesondert zu prüfen, ob die Tätigkeit konkret eine Teilpflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet, weil nach § 33 Abs. 1 ASVG ja nur die Nichtmeldung zu diesem Versicherungszweig als strafbar erklärt ist.

3.6. Da die Anlastung einer Übertretung des § 111 Abs. 1 ASVG nur dann als rechtmäßig angesehen werden kann, wenn sämtliche der zuvor unter 3.2. angeführten Tatbestandsmerkmale im Spruch des Straferkenntnisses enthalten und dort in einer der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Form hinreichend konkretisiert sind (wobei hiezu gegebenenfalls insbesondere auch eine dezidierte Anführung, dass Ausnahmen, die ex lege zu einer Nichterfüllung des Tatbildes führen würden, in concreto nicht vorliegen, erforderlich ist), der Spruch des hier bekämpften Straferkenntnisses jedoch im Grunde lediglich den Gesetzestext (teilweise) wiedergibt, wurde somit der Rechtsmittelwerberin im Ergebnis ein Verhalten zur Last gelegt, dass jedenfalls in dieser Form (noch) keine strafbare Handlung bildet.

3.7. Bei diesem Ergebnis war der Berufung sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer tauglichen Tatanlastung innerhalb der Verfolgungs­verjährungsfrist gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrenergebnis war der Bwin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

Rechtssatz:

VwSen-252078/2/Sr/Mu/La vom 4. Jänner 2010

wie VwSen-252281/2/Gf/Mu vom 11. November 2009

 

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