Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222282/3/Kl/Pe

Linz, 14.01.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die V. Kammer (Vorsitzende: Mag. Michaela Bismaier, Berichterin: Dr. Ilse Klempt, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung des Herrn x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 30.6.2009, Ge96-12/5-2009, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit mündlich verkündetem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 30.6.2009, Ge96-12/5-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 2.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 360 Abs.1 und 3 GewO 1994 verhängt. Folgende Tat wurde ihm zur Last gelegt:

 

„Der Beschuldigte hat

am                                     um (von - bis)                             in

von Frühjahr 2008 bis        laufend Uhr Zeitraum der           x,

heute, 30. Juni 2009          Amtshandlung am                     x

                                         30.6.2009 von 9.00 bis

                                         11.30 Uhr

eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet und betrieben (Kfz-Reparaturwerkstätte und Kfz-Abstellplatz für verkehrstaugliche und für nicht mehr verkehrstaugliche (Autowracks) Kraftfahrzeuge) sowie das reglementierte Gewerbe des Kraftfahrzeugtechnikers, Karosseriebauer einschließlich Karosseriespengler und Karosserielackierer (verbundenes Handwerk) gemäß § 94 Z 43 GewO 1994, ohne im Besitz der erforderlichen Gewerbeberechtigung zu sein, betrieben.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht mündlich Berufung eingebracht und bestritten, eine illegale Betriebsanlage betrieben zu haben. Der Bw habe lediglich einen Kfz-Handel betrieben. Auch werde das Straferkenntnis der Höhe nach angefochten.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und mitgeteilt, dass eine Berufungsvorentscheidung nicht erlassen wurde. In der Stellungnahme wurde auf die Verfahrenshandlungen hingewiesen.

 

4. Weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war der OÖ. Verwaltungssenat durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zur Entscheidung zuständig (§ 51c VStG).

Eine mündliche Verhandlung entfällt, weil der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer

1.     ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben;

2.     eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

 

Gemäß § 22 Abs.1 VStG sind Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 und 3) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

5.2. Sowohl ein unter Strafe gestelltes Verhalten gemäß § 366 Abs.1 Z1 als auch nach § 366 Abs.1 Z2 GewO 1994 stellt eine selbständige Verwaltungsübertretung dar, welche jeweils mit einer Strafe zu ahnden ist. Es verstößt daher gegen das in § 22 VStG normierte Kumulationsprinzip, wenn über selbständige Verwaltungsübertretungen, die gesonderte Delikte bilden, nur eine Gesamtstrafe verhängt wird. Da eine Berichtigung durch den Oö. Verwaltungssenat nicht möglich ist, ohne gegen das in § 51 Abs.6 VStG geregelte Verschlechterungsverbot zu verstoßen, ist schon aus diesem Grunde das Straferkenntnis rechtswidrig und aufzuheben. Ebensolches gilt auch für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe, die jedenfalls auch für jedes Delikt gesondert festzusetzen ist.

 

5.3. Darüber hinaus ist aber auch darauf hinzuweisen, dass mit der einzigen im Strafverfahren gesetzten Verfolgungshandlung, nämlich mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 9.4.2009 dem Bw Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z3 und gemäß § 367 Z16 iVm § 46 Abs.1 GewO 1994 vorgeworfen wurden. Verfolgungshandlungen betreffend der im Straferkenntnis angelasteten Tatvorwürfe wurden erstmalig im Straferkenntnis gesetzt. Es hat daher ein Strafverfahren hinsichtlich der angelasteten Verwaltungsdelikte bislang noch nicht stattgefunden. Zu den Tatvorwürfen im angefochtenen Straferkenntnis selbst ist jedoch auszuführen:

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen genügt der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nicht, im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO zielende Tatanlastung das eine gewerbliche Tätigkeit umschreibende Täterverhalten anzulasten, sondern es hat vielmehr auch aus der Tatanlastung hervorzugehen, dass diese Tätigkeit die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit gemäß § 1 GewO erfüllt. Nur dann ist eine Gewerbeberechtigung erforderlich. Auch ist das konkrete Tatverhalten, das einer gewerblichen Tätigkeit nach der GewO zugeordnet wird, konkret zu umschreiben.

 

Hinsichtlich einer Tatanlastung gemäß § 366 Abs.1 Z2 GewO 1994 ist es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich, sowohl die Betriebsanlage konkret zu umschreiben wie auch die Umstände konkret darzulegen, die die Genehmigungspflicht ausmachen. Hiezu ist auf die Bestimmung des § 74 Abs.2 GewO 1994 näher einzugehen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss nämlich bei der Tatumschreibung dem Beschuldigten auch vorgeworfen werden, welche konkrete in § 74 Abs.2 GewO 1994 genannten Umstände geeignet sind, die Genehmigungspflicht auszulösen.

 

Darüber hinaus ist auch noch drauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes es sich bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z2 1. Alternative („errichtet“) und § 366 Abs.1 Z2 2. Alternative („betreibt“) um gesondert zu verfolgende und zu strafende Delikte handelt. Es ist daher ein Tatvorwurf, der unter einem das Errichten und Betreiben vorwirft, jedenfalls rechtswidrig und verstößt gegen das in § 22 VStG geregelte Kumulationsgebot.

Schließlich wird die belangte Behörde noch darauf hingewiesen, dass die Tathandlung „errichtet“ oder „betreibt“ auch einer näheren Tatkonkretisierung bedarf, wodurch errichtet bzw. betrieben wurde.

Jedenfalls ist aber die Betriebsanlage selbst nach den Kriterien. des § 74 Abs.1 GewO 1994 näher zu umschreiben.

 

Da sämtlichen angeführten Anforderungen nicht entsprochen wurde, war auch aus diesem Grunde das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

Beschlagwortung: Kumulationsprinzip, Tatkonkretisierung

 

 

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