Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401040/6/Gf/Mu

Linz, 11.01.2010

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des x, vertreten durch RA x, wegen seiner Festnahme und Anhaltung durch den Polizeidirektor von Linz am 29. und 30. November 2009 zu Recht erkannt:

 

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die Festnahme des Beschwerdeführers am 29. November 2009 und dessen nachfolgende Anhaltung von 18.35 bis 20.15 Uhr als rechtswidrig festgestellt werden; im Übrigen wird diese hingegen als unbegründet abgewiesen.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) hat dem Beschwerdeführer binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Aufwandsersatz in Höhe von 737,60 Euro zu leisten.

III. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Aufwandsersatz in Höhe von 271,80 Euro zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schriftsatz vom 25. Dezember 2009 hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ein zwar ausdrücklich als "Schubhaftbeschwerde" bezeichnetes,  offensichtlich aber auf § 82 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, i.d.F. BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: FPG), gestütztes Rechtsmittel erhoben.

Darin wird vorgebracht, dass er am 29. November 2009 von Organen der BPD Linz festgenommen und in das PAZ Linz verbracht worden sei. Über ihn sei die Schubhaft verhängt und ihm gleichzeitig mitgeteilt worden, dass er am 30. November 2009 auf dem Luftweg in die Türkei abgeschoben werde, obwohl er zuvor einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht und der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in seinem Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW2009/21/0149, die Auffassung vertreten habe, dass der Ausgang eines derartigen Verfahrens selbst im Falle einer aufrechten Ausweisung im Inland abgewartet werden dürfe. Daher sei er gezwungen gewesen, einen Asylantrag zu stellen, woraufhin er "am 30.11.2009 enthaftet" worden sei.

Deshalb wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung und Anhaltung beantragt.

1.2. Die belangte Behörde hat am 8. Jänner 2010 den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

In dieser wird insbesondere darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber lediglich auf Grund eines Festnahmeantrages angehalten worden sei, sich jedoch nicht in Schubhaft befunden habe.

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung bzw. Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Linz zu GZ 1028360/FRB; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 82 Abs. 1 Z. 1 und 2 FPG hat ein Fremder u.a. das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung anzurufen, wenn er nach dem FPG festgenommen und angehalten wurde. Den Gegenstand einer derartigen Beschwerde kann somit nicht bloß die auf Grund eines Schubhaftbescheides angeordnete Schubhaft, sondern auch die im Zuge eines behördlichen Festnahmeauftrages verfügte Festnahme und nachfolgende Anhaltung bilden.

Gemäß § 74 Abs. 2 Z. 3 FPG kann gegen einen Fremden u.a. dann ein Festnahmeauftrag erlassen werden, wenn gegen ihn ein Auftrag zur Abschiebung erlassen werden soll.

Nach § 46 Abs. 1 FPG können Fremde, gegen die eine Ausweisung durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden (sog. Abschiebeauftrag), wenn die Überwachung ihrer Ausreise  aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig erscheint (Z. 1), sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind (Z. 2), auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen (Z. 3) oder sie einem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind (Z. 4).

4021 Linz, Fabrikstraße 32

 
3.2.1. Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 1. Juli 2008, GZ 1028360/FRB, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 66 FPG ausgewiesen; dieser ihm am 3. Juli 2008 zu Handen seiner damaligen Rechtsvertreter zugestellte Bescheid blieb unbekämpft und ist daher ab dem 18. Juli 2008 in Rechtskraft erwachsen.

Am 15. Juli 2008 hat der Rechtsmittelwerber einen Asylantrag gestellt; dieser wurde abgewiesen, wobei der dementsprechende Bescheid des Bundesasylamtes und die damit verbundene (neuerliche) Ausweisung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat am 19. November 2008 in Rechtskraft erwachsen sind.

Mit diesem Tag hatte der Rechtsmittelwerber daher nach § 67 Abs. 1 FPG unverzüglich auszureisen. Er hielt sich jedoch dessen ungeachtet bis zum 30. November 2009, also über 1 Jahr lang, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dies wurde erstmals am 12. Februar 2009 festgestellt (vgl. die Anzeige der BPD Linz vom selben Tag, GZ 1028360). Daraufhin wurde in der Folge mehrfach, zuletzt mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 17. September 2009, GZ 1028360/FRB, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 77 FPG zur Sicherung der Abschiebung das (im Verhältnis zur Verhängung der Schubhaft) gelindere Mittel der periodischen Meldung bei einer Polizeiinspektion angeordnet, wobei jeweils ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass er dadurch an einer freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht gehindert ist.

Am 25. August 2009 hat der Beschwerdeführer beim Magistrat Linz einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt.

Mit Schriftsatz vom 26. November 2009, GZ 1-1028360/FRB/09, hat der Polizeidirektor von Linz gemäß § 74 Abs. 2 Z. 3 FPG einen Festnahmeauftrag zur Durchführung der Abschiebung des Rechtsmittelwerbers erlassen. In Vollziehung dieses Auftrages sowie des (offensichtlich) auf § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG gestützten Abschiebeauftrages des Polizeidirektors von Linz vom 26. November 2009, GZ 1028360/FRB, wurde der Beschwerdeführer am 29. November 2009 um 18.35 Uhr in den Räumlichkeiten der PI x festgenommen und in das PAZ Linz verbracht. Knapp 11/2 Stunden später, nämlich um 20.15 Uhr desselben Tages, wurde die Anhaltung wieder beendet, weil er einen Asylantrag gestellt hatte (vgl. den "Entlassungsschein/Haftbestätigung" des PAZ Linz vom 29. November 2009).

3.2.2. Aus all dem ergibt sich zunächst, dass im gegenständlichen Fall die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers, der seiner Ausreiseverpflichtung seit dem 19. November 2008 nicht nachgekommen ist, grundsätzlich durch § 74 Abs. 2 Z. 3 i.V.m. § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG gedeckt war.

In seinem Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149, hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch festgehalten, dass einem Fremden im Falle einer Antragstellung nach § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.F. BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: NAG), sowohl die Befugnis zur Inlandsantragstellung als auch das Recht, die Entscheidung im Inland abzuwarten zukommt, weil nach dieser Bestimmung das Verlassen des Bundesgebietes stets zwingend die Abweisung dieses Antrages zur Folge hätte (es sei denn, dass ein derartiger Antrag zurückzuweisen ist); in diesem Fall besteht also trotz vollstreckbarer Ausweisung weder eine Ausreiseverpflichtung noch die Möglichkeit der Abschiebung des Fremden.

Gegenständlich hat der Rechtsmittelwerber einen Antrag gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellt. Da diese Bestimmung aber in gleicher Weise wie § 44 Abs. 4 NAG darauf abstellt, dass sich der Fremde tatsächlich im Bundesgebiet aufhält, hat somit auch eine derartige Antragstellung zur Folge, dass er während dieses Verfahrens nach dem zuvor zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes selbst dann weder zur Ausreise verpflichtet ist noch zwangsweise abgeschoben werden darf, wenn ein vollstreckbares Aufenthaltsverbot besteht.

Wie sich aus dem e-mail der BPD Linz vom 22. Oktober 2009 (an die Sicherheitsdirektion Oberösterreich) ergibt, hatte die belangte Behörde sowohl tatsächlich Kenntnis von der Antragstellung des Beschwerdeführers gemäß § 43 Abs. 2 NAG als auch – wie dem im Akt befindlichen Schreiben der x an den Beschwerdeführer vom 23. Oktober 2009 zu entnehmen ist – von der zuvor dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Angesichts dieser konkreten Umstände hätte daher im gegenständlichen Fall weder ein Festnahme- noch ein Abschiebeauftrag erlassen werden dürfen, sodass die belangte Behörde die Rechtswidrigkeit der Festnahme und nachfolgenden Anhaltung des Beschwerdeführers zu vertreten hat; Anderes könnte hingegen nur dann gelten, wenn der Behörde der Umstand der Antragstellung nach § 43 Abs. 2 NAG nicht bekannt gewesen wäre, indem der Beschwerdeführer insoweit jegliche Information unterlassen und damit im Ergebnis der ihn treffenden Mitwirkungsverpflichtung nicht entsprochen hätte.

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers am 29. November 2009 von 18.35 bis 20.15 Uhr als rechtswidrig festzustellen; im Übrigen – nämlich insoweit, als in dieser ohne weitere Belege geltend gemacht wird, dass der Rechtsmittelwerber erst "am 30.11.2009 enthaftet" worden wäre – war die vorliegende Beschwerde hingegen als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

4.1. Hinsichtlich des stattgebenden Teiles dieser Entscheidung war der Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1, 2 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. 456/2008, Kosten in Höhe von 737,60 Euro (Schriftsatzaufwand) zu ersetzen.

4.2. Hinsichtlich des abweisenden Teiles dieser Entscheidung war der Beschwerdeführer dazu zu verpflichten, dem Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) nach § 79a Abs. 1, 3 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. 456/2008, Kosten in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zu ersetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 


 

Rechtssatz:

 

VwSen-401040/6/Gf/Mu vom 11. Jänner 2010

 

§ 74 Abs. 2 Z. 3 FPG; § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG; § 83 Abs. 4 FPG; § 43 Abs. 2 NAG

 

Festnahmeauftrag gemäß § 74 Abs. 2 Z. 3 FPG und/oder Abschiebeauftrag gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG unzulässig, wenn der Fremde einen Antrag auf Erlassung einer Niederlassungsbewilligung nach § 43 Abs. 2 NAG gestellt hat, weil er in diesem Fall nach dem Beschluss des VwGH v. 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149, sowohl dazu berechtigt ist, einen derartigen Antrag im Inland zu stellen als auch den Ausgang des Verfahrens hier abzuwarten; trotz einer vollstreckbaren Ausweisung besteht für diesen Zeitraum weder eine Ausreiseverpflichtung noch die Möglichkeit einer zwangsweisen Abschiebung des Fremden.

 

Beachte:


vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 29.02.2012, Zl. 2010/21/0062-11

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