Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-522462/2/Kof/Th

Linz, 11.01.2010

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des X gegen den Bescheid
der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. November 2009, VerkR21-465-2009 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und

der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 7 Abs.4 und 24 Abs.3 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid
dem/den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) gemäß näherer bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG

-             die Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrzuverlässigkeit auf die Dauer von 18 Monaten – gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides – entzogen   und

-             verpflichtet, vor Wiedererteilung der Lenkberechtigung ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen.

 

 

 

 

Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 17. November 2009 – hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 30. November 2009 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Am 25. August 2008 fuhren der Bw und dessen Freund, Herr R. E. mit dem PKW des Bw, amtliches Kennzeichen: VB-....., von Oberösterreich nach Amsterdam
und kauften dort 1,996 kg (netto) Haschisch mit einem Gehalt von THC von mindestens 5,41 % (= 107,894 g) zu einem Gesamtpreis 2.500 Euro.

Am 29. August 2008 traten sie mit dem von ihnen unter der Rücksitzbank des
PKW versteckten Haschisch und 8,15 g (netto) Marihuana, welches sie ebenfalls
in Amsterdam erworben hatten, den Weg in die Heimat an.

 

In Deutschland wurden sie jedoch an einem näher bezeichneten Parkplatz der Bundesautobahn 61 einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, bei welcher dieses Suchtgift sicher gestellt werden konnte.

 

Der Bw wurde mit Urteil des Landgerichtes Mannheim vom 11. Dezember 2008 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmittel in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmittel zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

 

Dieses Urteil ist – durch Rechtsmittelverzicht des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft – in Rechtskraft erwachsen.

 

Der UVS als Behörde II. Instanz in Angelegenheiten der Entziehung der Lenkberechtigung ist an dieses rechtskräftige Gerichtsurteil gebunden;

VwGH v. 6.4.2006, 2005/11/0214;  v. 6.7.2004, 2002/11/0163;  v. 20.2.2001, 98/11/0317;  v. 14.11.1995, 95/11/0215;  v. 27.6.1995, 95/11/0004;

vgl. auch VwGH vom 24.1.2008, 2007/03/0247 mit Vorjudikatur   sowie  

OGH – verstärkter Senat vom 17.10.1995, 1 Ob 612/95.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs. 3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.  Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 leg.cit. angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z11 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 zu gelten,
wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß den §§ 28 Abs.2 bis 5 oder
31 Abs.2 Suchtmittelgesetz begangen hat. –

Strafbare Handlungen, welche im Ausland begangen wurden, sind gemäß
§ 7 Abs.2 FSG nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

 

Gemäß § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Die jahrzehntelange Rechtssprechung des VwGH, wonach Haftzeiten in die Entziehungsdauer nicht einzurechnen sind, ist mittlerweile überholt.

In den letzten Jahren hat der VwGH wiederholt im Ergebnis ausgesprochen, dass Haftzeiten in die Entziehungsdauer miteinzubeziehen sind;

Erkenntnisse vom 29.4.2003, 2002/11/0161; vom 21.2.2006, 2003/11/0025;

vom 21.2.2006, 2004/11/0129; vom 21.11.2006, 2005/11/0168;

vom 21.3.2006, 2005/11/0196;  vom 18.12.2006, 2006/11/0076.

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen;

VwGH vom 17.10.2006, 2006/11/0120;  vom 21.3.2006, 2005/11/0196; vom 22.2.2007, 2005/11/0190; vom 21.11.2006, 2005/11/0168; vom 21.3.2006, 2005/11/0153; vom 27.3.2007, 2005/11/0115; vom 18.12.2007, 2007/11/0194.

 

 

 

 

 

 

Seit der Tathandlung (Ende August 2008) ist ein Zeitraum von etwas mehr als
16 Monaten vergangen.

 

Eine Entziehung der Lenkberechtigung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Bw zum gegenwärtigen Zeitpunkt und noch für mindestens drei weitere Monate
(§ 25 Abs.3 FSG) als verkehrsunzuverlässig anzusehen wäre;

VwGH vom 22.02.2007, 2005/11/0190; vom 27.03.2007, 2006/11/0273 ua.

 

Im vorliegenden Fall wäre eine Entziehung der Lenkberechtigung nur dann zulässig, wenn beim Bw die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit (mehr als)
19 Monate – gerechnet ab Tat – betragen würde.

 

Diesbezüglich wird auf das Erkenntnis des VwGH vom 6.07.2004, 2002/11/0163 verwiesen:

Der dortige Beschwerdeführer (Bf) hat Suchtmittel in einer ähnlich großen Menge an THC-Gehalt hergestellt wie der Bw in Verkehr gesetzt hätte.

 

Der VwGH hat eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von ca. 18 Monate
als rechtwidrig erachtet und ausgeführt,

"die belangte Behörde hätte zum Ergebnis gelangen müssen, dass eine wesentlich kürzere Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf anzunehmen ist."

 

Im gegenständlichen Fall ist bzw. wäre daher eine Dauer der Verkehrs-unzuverlässigkeit des Bw in der Dauer von 19 Monaten – gerechnet ab Tat – zu lange.

 

Aufgrund der "verstrichenen Zeit" im Sinne des § 7 Abs.4 FSG ist daher eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht (mehr) möglich.

 

Gemäß § 24 Abs. 3 FSG kann die Behörde bei der Entziehung der Lenkberechtigung die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens anordnen.

 

Da die Entziehung der Lenkberechtigung – wie dargelegt – rechtlich nicht
(mehr) möglich ist, kann auch die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens nicht (mehr) angeordnet werden.

 

Es war daher

-             der Berufung stattzugeben,

-             der erstinstanzliche Bescheid aufzuheben  und

-             spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;   diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

 

 

Beschlagwortung:

§ 7 Abs.4 FSG – "seither verstrichene Zeit"

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum