Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281141/26/Py/Hu

Linz, 25.01.2010

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21.11.2008, GZ: 115472/2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 20. November 2009 zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des  Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21. November 2008, GZ: 115472/2007, wurde über den Berufungswerber wegen Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs.1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) iVm § 45 Abs.1 und 2 Arbeitsmittel-Verordnung (AM-VO) eine  Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 100 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Der Beschuldigte, Herr x, geboren am x, wohnhaft: x, hat folgende Verwaltungsübertretung als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit dem Sitz in x, zu vertreten:

Am 28.6.2007 wurde in der Arbeitsstätte der x in x, das Arbeitsmittel 'Richtpresse 2 mit Hubtisch' von Arbeitnehmern der o.a. Gesellschaft verwendet, ohne dass die Gefahrenstelle des Stempels und des Hubtisches  (bewegte Teile des Arbeitsmittels) gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert war. Die bewegten Teile des Arbeitsmittels waren weder durch Verdeckungen, Verkleidung oder Umwehrung noch durch sonstige Schutzeinrichtungen gesichert, die ein Gefahr bringendes Ingangsetzen oder Berühren der bewegten Teile verhindern oder deren Stillsetzen bewirken. (Es waren keine Sicherungen mit Annäherungsreaktion wie Lichtschranken, abweisende Einrichtungen, Schalteinrichtung ohne Selbsthaltung oder ortsbindende Einrichtungen wie Zweihandschaltungen vorhanden)."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen werde. Der Beschuldigte habe nicht bestritten, dass die Gefahrenstelle des Stempels und des Hubtisches (bewegte Teile des Arbeitsmittels) nur mit einer Zweihandschaltung, wobei eine der Schaltung an einem ca. 1 m langen Kabel montiert war, gesichert war. Die bei der Richtpresse vorhandene Zweihandschaltung stelle keine den gesetzlichen Bestimmungen des § 45 Abs.2 AM-VO entsprechende Sicherung gegen Gefahr bringendes Berühren dar, da ein Teil der Schaltung an einem ca. 1 m langen Kabel montiert war. Die Zweihandschaltung war daher nicht ortsbindend, der Arbeitnehmer konnte die Schaltung daher bedienen und in den Gefahrenbereich der Richtpresse gelangen.

 

Zur Strafhöhe wird ausgeführt, dass als strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten gewertet werde, straferschwerende Umstände seien nicht vorhanden.

 

2. Dagegen wurde rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung Berufung erhoben und vorgebracht, dass das Arbeitsmittel gesetzmäßig abgesichert gewesen sei. Die vom Arbeitsinspektorat geforderte Zweihandschaltung in der vorgeschlagenen Form (beide Schalter ortsgebunden) würden das Arbeiten an der Richtpresse 2 mit Hubtisch unmöglich machen. Aus diesem Grund sei die gegenständliche Richtpresse dem Gesetz entsprechend mit einer Zweihandschaltung ausgestattet, die auch ortsgebunden ist, jedoch sei einer der beiden Schalter an einem 1 m langen Kabel gebunden, sodass sich der Arbeitnehmer zur Einrichtung des Werkstückes und zur ordnungsgemäßen Bedienung des Stempels wenigstens etwas bewegen könne. Mittlerweile sei die Maschine nochmals sicherheitstechnisch überprüft und als in Ordnung befunden worden. Laut dem Gutachten des gerichtlich beeideten und zertifizierten Sachverständigen sei die Presse gemäß dem Stand der Technik umgebaut worden und entspreche den Sicherheitsanforderungen. Gegenständlicher Unfall sei nicht auf diese Zweihandschaltung zurück zu führen, sondern lediglich darauf, dass der Arbeitnehmer die gegenständliche Richtpresse mit einer Hand bedient habe, währenddessen er sich mit der anderen Hand auf den Hubtisch aufgestützt habe.

 

Gegenständliche Richtpresse wurde im Jahr 2005 mit einem neuen Sicherheitssystem ausgestattet und könne mit bis zu drei Personen bedient werden. Ein Betrieb der Presse könne nur erfolgen, wenn die angeführten Personen jeweils alle ihre beiden Hände auf die ortsgebundene Zweihandschaltung legen. Der Presssteuermann sei ebenfalls ortsgebunden, zumal alle Bewegungen der Presse als Einzelbewegung mittels Schalteinrichtung ohne Selbsthaltung ausgelöst werden. Zudem seien die Bewegungen der Presse extrem langsam und bestehe volle Einsicht durch den Pressensteuermann auf den Gefahrenbereich. Die zweite Hand des Pressensteuermannes ist ebenfalls durch den Gefahrenbereich, nämlich durch die Bedienung des kabelgebundenen Zustimmschalters, ortsgebunden. Die Presse wird erst dann in Bewegung gesetzt, wenn sämtliche beteiligten Arbeitnehmer gleichzeitig die Hände auf den Schalter gepresst halten. Die Ausführung des Bestätigungstippschalters mit einem Kabel ist zur Ausführung des Arbeitsganges erforderlich und könne sich ein Unfall bei ordnungsgemäßer Bedienung der Richtpresse nicht ereignen, weshalb eine Verletzung der Vorschrift des § 45 AM-VO objektiv nicht vorliege.

 

Auch wird die subjektive Tatseite des Bw bestritten, da die Arbeitnehmer sämtliche Sicherheitsunterweisungen erhalten haben und auch ein Kontrollsystem im Unternehmen vorliege.

 

 3. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20. November 2009, die gemäß § 51 Abs.7 VStG aufgrund des den Verfahren zugrunde liegenden sachlichen Zusammenhanges gemeinsam mit der im Berufungsverfahren zu VwSen-281142 betreffend den weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführer x anberaumten mündlichen Verhandlung durchgeführt wurde. An dieser haben der Rechtsvertreter des Bw, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz als Parteien teilgenommen. Als Zeugen wurden der Arbeitsinspektor x sowie Herr x, Herr x, Herr x und Herr x einvernommen. Weiters wurde in die vom Rechtsvertreter des Bw in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und Fotoaufnahmen Einsicht genommen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 28. Juni 2007 war der Leasingarbeitnehmer der x, Herr x, geb. am x, in der Arbeitsstätte x in x, am Arbeitsmittel "Richtpresse Simpelkamp II" mit dem Einrichten von Blechen beschäftigt. Für den Pressvorgang werden Bleche unterschiedlichen Ausmaßes  mittels Kran auf ein Hubbalkentransportsystem aufgelegt und mit einem Transportsystem unter den Pressstempel verfahren um allfällige Verformungen der Bleche auszurichten und sie in einen feinebenen Zustand zu bringen. Dies erfolgt einerseits durch Einlegen von Blechstreifen unter das Blech, andererseits durch die Absenkung des Stempels von oben. Der Pressvorgang muss visuell vom Steuermann überwacht werden. Zur Bedienung steht dem Presssteuermann ein seitlich neben der Richtpresse befestigter Schaltkasten zur Verfügung. Die auslösende Schalteinrichtung ist als sogenannte "Totmannschaltung" also als Schalteinrichtungen ohne Selbsthaltung, ausgeführt. Der Pressbereich entlang des 3.700 mm breiten Arbeitsmittels ist mit einem Lichtschranken gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert. Der Pressstempel selbst ist schwingend gehalten, drehbar und kann in der Breite verfahren werden.

 

Durch die beim Pressvorgang erforderliche visuelle Überwachung des Durchbiegens des Bleches durch den Steuermann ist dieser teilweise gezwungen, sich zu bücken, um in das Arbeitsmittel einzusehen. Zudem werden Bleche unterschiedlichster Breite bearbeitet, wodurch sich die durch den Presssteuermann zu beobachtenden Stellen örtlich verändern. Um dem Presssteuermann diese Bewegungen zu ermöglichen, wurde der Bestätigungsschalter der Schalteinrichtung mit einem ca. 1 m langen Kabel versehen.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, den in der Berufungsverhandlung vorgelegten Unterlagen mit den darin befindlichen Lichtbildern sowie den schlüssigen und glaubwürdigen Aussagen der in der Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen und ist in dieser Form auch unbestritten.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 147/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtung betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO), BGBl. II Nr. 164/2000 idgF müssen bewegte Teile von Arbeitsmitteln, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder Zuführung von Stoffen oder Werkstoffen dienen, wie Werkzeuge, sowie bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden, müssen durch Verdeckungen, Verkleidungen oder Umwehrungen gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert sein, soweit dies der jeweilige Arbeitsvorgang zulässt. Dies gilt auch bei Einstell- und Nachstellarbeiten, die an in Gang befindlichen Betriebseinrichtungen durchgeführt werden müssen.

 

Gemäß § 45 Abs.2 AM-VO müssen, sofern Gefahrenstellen nach Abs.1 nicht durch Verdeckung, Verkleidung und Umwehrung gesichert sind, sonstige Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die ein Gefahr bringendes Ingangsetzen oder Berühren bewegter Teile verhindern oder deren Stillsetzen bewirken. Dazu gehören insbesondere Sicherungen mit Annäherungsreaktion wie Lichtschranken, abweisende Einrichtungen, Schalteinrichtungen ohne Selbsthaltung oder ortsbindende Einrichtungen wie Zweihandschaltungen.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

  1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und
  2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

 

Im Spruch des Straferkenntnisses ist dem Beschuldigten die Tat daher in so konkreter Umschreibung vorzuwerfen, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist zudem dann entsprochen, wenn der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen des selben Verhaltens noch mal zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährung vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsverfahrens nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,            6. Auflage, S. 1520 ff).

 

Diesen Konkretisierungsanforderungen entspricht weder die auf die Anzeige des Arbeitsinspektorates gestützte Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom 29. November 2007 noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses. Dem Bw wird darin das Fehlen von Sicherungseinrichtungen (und nicht alleine die Ausführung der Zweihandschaltung) zur Last gelegt, die jedoch aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens beim gegenständlichen Arbeitsmittel tatsächlich vorhanden waren. So zeigte sich im Beweisverfahren, dass etwa der Stempel der gegenständlichen Richtpresse durch Lichtschranken gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert war und die vom Presssteuermann zu bedienende Schalteinrichtung als sogenannte "Totmannschaltung" ausgeführt wurde. Es hat daher der Berufungswerber das ihm im Spruch des angefochtenen Bescheides als Verwaltungsübertretung angelastete Verhalten nicht gesetzt.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen gemäß § 66 Abs.1 VStG jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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