Linz, 25.01.2010
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 21. Oktober 2009, Zl. S 31898/09-VS, nach der am 21.12.2009 und 25.1.2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – VStG.
II.: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung. Er räumt ein an diesem Tag und zu dieser Uhrzeit seinen PKW gelenkt zu haben. In der Khevenhüllerstr. 12 habe ihn der zweite PKW-Lenker irgendwie in die Enge gebracht. Dieser habe probiert ihn zu touchieren. Dabei habe er abweichen (gemeint wohl ausweichen) und einen Unfall vermeiden können. Dieser PKW-Lenker sei ihm trotzdem gefolgt und habe ihn dessen Lenker zur Rede gestellt. Er habe ihn angeschuldigt seinen PKW touchiert und nicht angehalten zu haben. In dieser Zeit sei er in seinem PKW allein gewesen. Er habe natürlich diese Anschuldigung zurückgewiesen, weil kein Unfall passiert war. Der Lenker habe ihm die Unfallsspuren gezeigt, welche er aber nicht verursacht habe. Die Unfallspuren seien hellblau gewesen. Bei seinem Auto seien keine Spuren zu sehen gewesen. Er habe einige kleine Schäden, aber dies wären alte Kratzer. Das könne man mit bloßen Augen feststellen. Seine Spiegel beständen aus schwarzem Kunststoff. Beim Spiegel des anderen Autos habe man hellblaue Spuren gesehen. Die Kotflügelhöhen passten nicht zusammen.
Der Lenker des anderen PKW´s behaupte, es gebe auch eine Zeugenaussage, wonach noch ein Zeuge zur Unfallzeit im Auto gesessen wäre. Diese Person sei gut gebaut und wiege sicher nicht unter 100 Kilo. Ohne Beifahrer würden aber die Höhen nicht passen (gemeint wohl die Beschädigungsspuren).
Wenn ein Beifahrer auch im Auto gewesen wäre, hätten die Höhenunterschiede zwischen den beiden Autos noch größer werden müssen. Die hellblauen Unfallspuren wären daher nicht von seinem Auto verursacht worden. Sein Auto habe eine Spur am linken Spiegel, aber diese sei sehr alt. Diese Spur wäre während meines Urlaubes von einem Steinschlag, den das Nachbarkind geworfen habe, verursacht.
In diesem Zusammenhang sei ihm ein durch ihn verursachter Verkehrsunfall nicht bekannt, sodass eine Meldepflicht eines Unfalls bestanden habe.
Er bitte um Kenntnisnahme und Zurücknahme der Strafe.
3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).
4. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war angesichts der strittigen Faktenlage nach § 51e Abs.1Z1 VStG erforderlich.
Beweis erhoben wurde eingangs durch eine Rückfrage beim Haftpflichtversicherung über den Erledigungsstand des Versicherungsfalles (AV v. 26.11.2009). Ferner durch Verlesung des Akteninhaltes anlässlich der am 21.12.2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter und X als Zeuge einvernommen. Über Beschluss wurde am 25.1.2010 im Beisein des Verkehrstechnikers Ing. X eine Stellprobe der beteiligten Fahrzeug durchgeführt.
5. Faktenlage:
Der Berufungswerber und der Anzeiger fuhren im Bereich Gruberstraße nächst der Raiffeisenladesbank mit ihren Fahrzeugen nebeneinander, wobei es im Zuge dieser Fahrt zu einer Streifung gekommen sein soll. Dies behauptete der Anzeiger Goldmann, welcher den Berufungswerber nach dessen Rechtsabbiegen in die Khevenhüllerstraße durch Schneiden anhielt.
Der Berufungswerber stellte dabei einen Unfallszusammenhang in Abrede und setzte seine Fahrt fort. Der Zeuge Goldmann erstattete folglich die Anzeige.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung bestritt der Berufungswerber den Streifkontakt und wies diesbezüglich auf die sich seiner Ansicht aus der Bildbeilage ergebenden Widersprüche hin. Inbesondere wurde auf den blauen Farbabrieb am Spiegel des generischen Fahrzeuges hingewiesen, wobei jedoch der Korpus seines Aussenspiegels aus schwarzem Plastik besteht. Ebenfalls verweist der Berufungswerber auf das ihm bedenklich erscheinende Fahrmanöver des Zweitbeteiligten und die nachfolgende Interakation, anlässlich der er bereits einen Streifkontakt in Abrede stellte.
Der Zeuge konnte im Rahmen der Berufungsverhandlung einige zu Gunsten des Berufungswerbers sprechenden Ungereimtheiten nicht aufklären, sodass letztlich der Beschluss zu einer Stellprobe im Beisein des Verkehrstechnikers am Sitz Goethestraße 86 gefasst wurde.
Der Berufungswerber hingegen erklärte im Ergebnis recht glaubwürdig kein Motiv für die Bestreitung eines von ihm verursachten Schadens gehabt zu haben, weil er eine malusfreie Versicherungsversion habe.
Die Zurich-Versicherung bezahlte jedoch 799 Euro auf Grund des Reparaturgutachtens einer Werkstätte ohne Verschuldenspräjudiz seitens des Versicherungsnehmers.
Die Stellprobe beider Fahrzeuge erfolgte schließlich nach vorheriger Übermittlung der entscheidenden Aktenteile am 25.01.2010 um 14:00 Uhr im Beisen beider Unfallbeteiligter.
Dabei erklärte der bereits im erstinstanzlichen Verfahren gutachtende Techniker nach Besichtigung des Fahrzeuges des Berufungswerbers, dass er von einem Streifschaden auch am Kotflügenbogen des Fahrzeuges des Berufungswerbers ausgegangen sei.
Da es sich jedoch bei der insbesondere auf dem Bild Nr.2 als Streifschaden beurteilten Darstellung um eine offenkundige Spiegelung des Fotoblitzes handelt, gelangte der Gutachter zum Ergebnis, dass hier aus technischer Sicht ein Streifkontakt jedenfalls nicht erweislich scheint.
Die Überdeckung der Spiegel ergaben im besetzten Zustand des Fahrzeuges des Zeugen nur eine geringfügige Überdeckung (etwa ein bis zwei Zentimeter), wobei sich die Spiegeloberseite des Fahrzeuges des Zeugen nur knapp mit der Unterseite des Spiegel des Angezeigtenfahrzeuges überdeckte. Die festgestellten Schäden am Fahrzeug des Zeugen und des Berufungswerbers können demnach mit dem kleinen Schaden an dessen inneren Unterseite und der unteren Aussenseite am Zeugenfahrzeug nicht in Übereinstimmung gebracht werden. Ebenfalls wäre im Fall eines Streifkontaktes laut Sachverständigen wohl ein anderes und vor allem erheblicheres Schadensbild entstanden.
Demnach dürfte ein Fahrzeugkonakt, so wie er vom Anzeiger dargestellt wurde, mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers tatsächlich nicht stattgefunden haben.
Der an sich schon glaubwürdig vorgetragenen Verantwortung des Berufungswerbers war demnach vollinhaltlich zu folgen gewesen.
Welche Umstände zur gegensätzlichen Annahme des Zeugen geführt haben mögen muss auf sich bewenden bleiben.
5.1. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Die Anhalte- und Meldepflicht setzt einerseits einen Vorfall (Verkehrsunfall) und andererseits ein Wissen (müssen) eines solchen voraus. Dabei ist aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich, sondern es genügt – da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 VStG) – wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (siehe Pürstl - Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 69 Rn 34, sowie – unter vielen – VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 13.2.1991, 90/03/0114 mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 u. VwGH 31.1.1986, 85/18/0367).
Da hier letztlich weder von einem Sachschaden an sich und auch von keiner gegenseitigen Streifung der beteiligten Pkw´s ausgegangen werden kann, war mangels Tatbestand das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r