Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522396/9/Kof/Th

Linz, 26.01.2010

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des X, vertreten durch X gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 18. September 2009, VerkR21-245-2009, betreffend Lenkberechtigung für die Klassen A und B – Befristung und Auflagen, zu Recht erkannt:

 

Betreffend die

-         Befristung bis 17. September 2014  und

-         Auflage: Verwendung einer Brille

wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

Betreffend die Auflagen:

-         Nachuntersuchung mit Stellungnahme der Fachärzte für Neurologie und Augenheilkunde   und

-         Kontrolluntersuchung:

ein Mal jährlich Vorlage eines Befundberichtes über neurologisch  fachärztliche Kontrolluntersuchung zur Dokumentation des Krankheitsverlaufes

wird der Berufung stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 5 Abs.5 iVm. § 8 Abs.3 Z2 FSG,

   BGBl. I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der nunmehrige Berufungswerber (Bw) war seit dem Jahr 1974 im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen A und B, zuletzt befristet bis 2. Oktober 2009.

 

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem Bw
die Lenkberechtigung für die Klassen A und B wie folgt erteilt:

-         befristet bis 17.09.2014

-         Verwendung einer Brille

-         Nachuntersuchung mit Stellungnahme der Fachärzte für Neurologie und Augenheilkunde

-         Kontrolluntersuchung: ein Mal jährlich Vorlage eines Befundberichtes über neurologisch fachärztliche Kontrolluntersuchung zur Dokumentation des Krankheitsverlaufes

 

Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 21.09.2009 – hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 5. Oktober 2009 erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Mit Schreiben (E-Mail) vom 15. Dezember 2009 hat der Bw mitgeteilt, dass sich die Berufung nicht gegen die Auflage zum Tragen einer Brille richtet.

 

Betreffend die gesundheitliche Eignung des Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 (Klassen A und B) hat die amtsärztliche Sachverständige, X das Gutachten vom 25. November 2009, San-236362/2-2009 wie folgt erstellt:

 

"Aus ho. Sicht ist zusammenfassend festzustellen, dass – wie auch bereits im Aktengutachten vom 24.04.2007 festgestellt wurde – es sich beim Bw laut beiliegender fachärztlicher neurologischer Befunde um eine chronisch-progrediente (= chronisch-fortschreitende) Multiple Sklerose handelt sowie um eine fokale Epilepsie mit fokal-komplexen und seltenen generalisierten Anfällen. Da aus fachärztlicher Sicht von einer chronisch-fortschreitenden Erkrankung des Nervensystems ausgegangen wird, nämlich einer chronisch-fortschreitenden Multiplen Sklerose, ist grundsätzlich von der Gefahr der Verschlechterung
des Gesundheitszustandes auszugehen, sodass die Lenkerberechtigung nur
unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen erteilt werden kann.

Auch aus der Diagnosestellung der fokalen Epilepsie mit fokalen und seltenen generalisierten Anfällen sowie der Dauermedikation von Antiepileptika ist davon auszugehen, dass regelmäßige Kontrolluntersuchungen und Bestätigungen über Anfallsfreiheit erforderlich sind.

Es ist derzeit eine ständige antiepileptische Therapie erforderlich.

Sollte diese einmal abgesetzt werden, ist selbst für die Dauer der Reduzierung und des Absetzens des letzten Medikaments sowie für die ersten drei Monate danach wegen des erhöhten Anfallsrisikos eine vorübergehende Nichteignung
der Lenkerberechtigung auszusprechen und dann noch 24 Monate nach erfolgreichem Absetzen der antiepileptischen Medikation der Nachweis zu erbringen, dass keinerlei Anfälle mehr bekannt seien.

Wie aus den vorliegenden fachärztlichen Stellungnahmen und dem Befundbericht der Landesnervenklinik Wagner Jauregg hervorgeht ist beim Bw eine ständige Dauermedikation in Form einer antiepileptischen Therapie erforderlich und deshalb auch fachärztliche Kontrolluntersuchungen und amtsärztliche Nachuntersuchungen.

Allein im Rahmen einer eventuellen Umstellung der antiepileptischen Therapie ist aus fachärztlicher Sicht auch die Verträglichkeit der Medikation sowie deren Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit zu prüfen.

Weiters handelt es sich bei Multipler Sklerose beim Bw um ein chronisch-progredientes Krankheitsbild, welches auch fachärztlich so diagnostiziert wurde, sodass ebenso regelmäßige fachärztlich-neurologische Kontrolluntersuchungen und amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind.

Weiters ist zusätzlich noch ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 2002 mit residualer rechtsbetonter Tetraparese und Zustand nach Kontusionsblutung links temporal 2003 bekannt sowie ein organisches Psychosyndrom.

Es war deshalb beim Bw primär die Durchführung einer Beobachtungsfahrt an der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf zum Nachweis der ausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen erforderlich.

 

Bei einer Multiplen Sklerose handelt es sich um eine chronische entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark), wobei einerseits die schubförmige Multiple Sklerose bekannt ist, wobei in unterschiedlichen Abständen Schübe der Erkrankung auftreten, die sich in der Folge wieder ganz zurückbilden oder auch Schübe, die sich teilweise zurückbilden und zu zunehmender Behinderung führen können.

Als weitere Erkrankungsvariante ist eine primär chronisch-progrediente Multiple Sklerose zu erwähnen, welche eine kontinuierliche primäre Progredienz (Fortschreiten der Erkrankung) darstellt und der Verlauf vom Beginn der Erkrankung der ersten Symptome an stetig fortschreitend ist.

Andererseits gibt es auch eine unregelmäßige primäre Progredienz, wobei der Verlauf von Beginn an fortschreitend ist, aber zwischenzeitlich Phasen von vorübergehender Stabilisierung oder sogar leichter Besserung auftreten.

 

Auch ist der Verlauf einer sekundär progredienten Multiplen Sklerose bekannt, wobei der Verlauf zuerst als schubförmig bezeichnet wird, aber später in einen fortschreitenden Verlauf übergeht, auf den sich zeitweise auch zusätzliche schubförmige Verschlechterungen aufsetzen, weiters ist eine sekundäre Progredienz ohne Schübe bekannt.

 

Bei MS können viele unterschiedliche Symptome als Erkrankungsbild auftreten, häufiges Symptom ist eine Sehnervenentzündung mit verschwommenem Sehen an einem Auge, auch Doppelbilder oder ruckartige Augenbewegungen (Nystagmus) können auftreten.

Weiters Schwäche, Gefühls- und Koordinationsstörungen im Bereich der Arme und Beine sind möglich, der Gang kann im Sinne einer Schwäche der Beine oder durch Unsicherheit beim Gehen beeinträchtigt sein, auch vegetative Störungen können auftreten, welche sich auf das Lenken eines Kraftfahrzeuges negativ auswirken können.

 

Aufgrund der oben beschriebenen Diagnosen und der möglichen Symptome,
der Ungewissheit des Krankheitsverlaufes mit der ständigen Gefahr der Verschlechterung ist auch die ständige Gefahr der plötzlichen "Nicht-Eignung" zum Lenken eines Kraftfahrzeuges gegeben, sodass einerseits die beschriebenen fachärztlichen Kontrolluntersuchungen als auch die amtsärztliche Nachuntersuchung weiterhin erforderlich sind."

 

Anmerkung:   Der Name des Bw wurde durch die Wendung "Bw" ersetzt.

 

Der Bw hat zu diesem Gutachten die Stellungnahme vom 15. Jänner 2010 abgegeben und ausgeführt, in diesem Gutachten wurde auf mögliche Symptome und die Ungewissheit des Krankheitsverlaufes verwiesen;

dies reiche jedoch nicht aus, um von vorneherein eine Befristung mit jährlichen Untersuchungen zu rechtfertigen.

 

Der Bw hat jedoch in dieser Stellungnahme nicht bestritten, dass der an einer chronisch-fortschreitenden Multiplen Sklerose leitet.

 

Voraussetzung für die Befristung einer Lenkberechtigung ist, dass beim Bewerber um eine/ Besitzer einer Lenkberechtigung eine "Krankheit" festgestellt wurde,
bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken vom Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss;   VwGH vom 18.3.2003, 2002/11/0143 mwH.

 

Einer Befristung der  Lenkberechtigung liegt die Annahme zugrunde, dass der Bewerber um eine/Besitzer einer Lenkberechtigung zwar zum Lenken von Kraftfahrzeugen der betreffenden Klasse(n) geeignet ist, diese Eignung jedoch
nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann.

Dies ist dann gegeben, wenn eine Krankheit festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss.

Dazu bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss;

VwGH vom 16.9.2008, 2008/11/0091; vom 18.3.2003, 2002/11/0254;

          vom 29.9.2005, 2005/11/0120 mwH

 

Da der Bw an chronisch-fortschreitender Multipler Sklerose leidet, wurde im erstinstanzlichen Bescheid die Lenkberechtigung zu Recht bis einschließlich
17. September 2014 befristet;    VwGH v. 09.08.1994, 94/11/0197.

 

Die Nachuntersuchung dient ausschließlich der Vorbereitung der künftigen Entscheidung über die Erteilung der Lenkberechtigung für die Zeit nach dem
17. September 2014.   

Für eine derartige "Auflage" bietet das Gesetz keine Grundlage;

VwGH vom 20.04.2004, 2003/11/0315.

 

Gemäß § 2 Abs.1 FSG-GV können ärztliche Kontrolluntersuchungen im Zusammenhang mit einer Befristung als Voraussetzung für die amtsärztliche Nachuntersuchung vorgeschrieben werden;

Vgl. VwGH  vom 20.05.2008, 2005/11/0091

 

Aufgrund der zitierten Judikatur des VwGH sowie der angeführten Rechtsgrundlage ist die Vorschreibung der Nachuntersuchung  und – damit verbunden – der Kontrolluntersuchungen rechtlich nicht möglich.

 

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 


 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

 

 

  

Beschlagwortung:

Lenkberechtigung – Befristung; Nachuntersuchung; Kontrolluntersuchungen;

 

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