Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590225/2/WEI/Sta

Linz, 04.02.2010

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Berufung des Herrn X, Inhaber der Bestattungsanstalt "X" X, X, vertreten durch X, X, X, vom 6. August 2009 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Braunau vom 23. Juli 2009, Zl. SanRL01-8-2009, betreffend Bewilligung des Antrags der Stadtgemeinde Braunau nach dem Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 zur Nutzung der Bürgerspitalkirche als Leichenhalle beschlossen:

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

B e g r ü n d u n g :

 

1.1. Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juli 2007, Zl. SanRL01-8-2009, wurde über das Ansuchen der Stadtgemeinde Braunau am Inn um Bewilligung zur Nutzung der Bürgerspitalkirche als Leichenhalle wie folgt abgesprochen:

 

"Spruch

 

I. Bewilligung

 

Der Stadtgemeinde Braunau am Inn wird die sanitätspolizeiliche Bewilligung für die Nutzung der Bürgerspitalkirche als Leichenhalle bei Einhaltung nachstehender Auflagen erteilt:

 

  1. Im Aufbahrungsbereich sind die brennbaren Teppiche zu entfernen.
  2. Die Sitzbänke sind bis zu einem Bereich zu entfernen, in dem auch umstürzende Beleuchtungskörper (Kerzen) keine Brandgefährdung verursachen können.
  3. Im Gewölbebereich dürfen weiterhin keine brennbaren Materialien angebracht werden.
  4. Während des Aufbahrungszeitraumes dürfen nur geschlossene Särge oder Särge mit Glasfenstern verwendet werden.

 

Rechtgrundlage:

 

§ 32 OÖ. Leichenbestattungsgesetz, LGBl. Nr. 40/1985 i.d.g.F.

 

II. Verfahrenskosten

 

Die Stadtgemeinde Braunau am Inn hat binnen 2 Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides an Kommissionsgebühren einen Betrag von € 60,- (für drei Amtsorgane, 2 angefangene halbe Stunden á € 10,-) mit beiliegendem Erlagschein zu entrichten.

 

Rechtsgrundlage

 

§ 77 Abs. 1 AVG 1991 i.V.m. § 3 Abs. 1 lit b der Landes-Kommissionsgebührenverordnung 2001 i.d.g.F."

 

1.2. In der Begründung verweist die belangte Behörde darauf, dass die im Eigentum des Herrn X stehende Leichenhalle am Friedhof X von diesem auch betrieben werde. Die Behörde habe ihm den Betrieb dieser Leichenhalle mit Bescheid vom 23. Juli 2009, Zl. SanRL01-6-2008, untersagt, weil Privaten nach dem Oö. Leichenbestattungsgesetz ein solcher Betrieb nicht gestattet sei.

 

Die Stadtgemeinde Braunau am Inn wolle die Bürgerspitalkirche als provisorische Leichenhalle nutzen und habe mit Antrag vom 24. Juni 2009 um sanitätsrechtliche Bewilligung für diese Nutzung angesucht. Beim Lokalaugenschein am 16. Juli 2009 habe festgestellt werden können, dass die provisorische Leichenhalle den Erfordernissen der Pietät und Würde entspreche. Durch Entfernung der Sitzbänke im westlichen Kirchenschiff könne für die gewöhnliche Sterblichkeit eine ausreichende Anzahl an Aufbahrungsmöglichkeiten geschaffen werden.

 

Der Amtsarzt habe vom sanitätspolizeilichen Standpunkt bei befundgemäßem Betrieb der Leichenhalle keine Bedenken geäußert, wenn die im Spruch angeführten Auflagen eingehalten werden. Damit habe die sanitätsbehördliche Bewilligung für die Nutzung der Bürgerspitalkirche als Leichenhalle erteilt werden können.

 

2. Der Bewilligungsbescheid wurde der Stadtgemeinde Braunau ebenso wie Herrn X am 24. Juli 2009 zugestellt. Gegen diesen Bescheid brachte Herr X durch seine Rechtsvertreter rechtzeitig per Telefax vom 7. August 2009 die Berufung vom 6. August 2009 ein, mit der er die Nichterteilung der Bewilligung oder die ersatzlose Aufhebung des Bescheides, in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde beantragt. Die Berufung rügt unvollständige Tatsachenfeststellung, unrichtige rechtliche Beurteilung und Verfahrensmängel.

 

Zum Sachverhalt bringt der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) vor, dass das gegenständliche Verfahren SanRL01-8-2009 im engen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit dem Verfahren SanRL01-6-2008 stehe. Der Bw bzw sein Rechtsvorgänger betreibe seit 1963 eine Leichenhalle in der X, X. Mit Eingabe vom 19. Jänner 2009  habe X beantragt, den privaten Betrieb der Leichenhalle durch den Bw mit Bescheid zu untersagen. Mit Bescheid vom 23. Juli 2009, SanRL01-6-2008, habe die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn dem Bw den Betrieb seiner Leichenhalle im Wesentlichen mit der Begründung untersagt, dass eine Privatperson keine Leichenhalle betreiben dürfe und dieser Eingriff in die Erwerbsfreiheit durch öffentliche Interessen gerechtfertigt sei.

 

Die Stadtgemeinde Braunau am Inn habe nunmehr mit Eingabe vom 24. Juni 2009 um Nutzung der Bürgerspitalkirche in Braunau am Inn als provisorische Leichenhalle ersucht. Die Bürgerspitalkirche zum Heiligen Geist samt angeschlossenem Spitalstrakt sei zwischen 1417 und 1430 erbaut worden. Es handle sich um den besterhaltenen mittelalterlichen Spitalskomplex im bayrisch-österreichischen Raum, der im Rahmen von Stadtführungen von Besuchergruppen oder von Einzelpersonen aufgesucht werde.

 

Zur Parteistellung wird ausgeführt, dass der Bw kraft seines rechtlichen Interesses gemäß § 8 AVG Partei des Verfahrens SanRL01-8-2009 sei. Nach der unrichtigen Ansicht der belangten Behörde im Verfahren zu SanRL01-6-2008 sei eine Leichenhalle unter Bestattungsanlage im Sinne des § 30 Abs 1 Oö. Leichenbestattungsgesetz zu subsumieren. Von dieser unrichtigen Ansicht ausgehend wäre gemäß § 31 Abs 2  leg.cit. die Bewilligung zur Errichtung oder Erweiterung der nun geplanten Leichenhalle nur dann zu erteilen, wenn ein Bedarf besteht. Der Bw wäre daher als Besitzer einer nahe gelegenen Leichenhalle, die er rechtmäßig am Friedhof in Braunau am Inn betreibe, einzubeziehen gewesen. Gegen die Untersagung des Betriebs habe er rechtzeitig Berufung eingelegt.

 

Die Rechtswidrigkeit wird zunächst mit der unterlassenen Bedarfsprüfung nach dem § 31 Abs 2 Oö. Leichenbestattungsgesetz begründet. Auch entspräche es nicht der Pietät und Würde von Angehörigen anderer als römisch katholischer Glaubensgemeinschaften, wenn Leichen in einer römisch katholischen Kirche aufgebahrt werden. So wäre es beispielsweise für Trauernde islamischen Glaubens pietät- und würdelos, sich in eine katholische Kirche begeben zu müssen. Darüber hinaus entspreche es nicht der Würde und Pietät, wenn neben aufgebahrten Särgen Hochzeiten, Taufen und andere Feierlichkeiten stattfinden. Aus sanitätspolizeilicher Sicht sei einzuwenden, dass in der Kirche keine Kühlungsmöglichkeit bestehe, weshalb gesundheitliche Gefahren für Besucher gegeben seien. Schließlich verstoße der Bescheid auch gegen das Denkmalschutzgesetz.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der Sachverhalt im Wesentlichen feststeht und nur strittige Rechtsfragen zu beurteilen waren.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 30 Abs 1 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 (WV LGBl Nr. 40/1985, zuletzt geändert mit LGBl Nr. 63/2002) können Bestattungsanlagen von Gemeinden oder einem Gemeindeverband oder von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften oder von einer ihrer Einrichtungen errichtet und betrieben werden. Nach § 32 leg.cit muss für jeden Friedhof und jede Feuerbestattungsanlage eine den Erfordernissen der Pietät und Würde entsprechende Leichenhalle (Leichenkammer) vorhanden sein.

 

Die Materialien zur Stammfassung des Oö. Leichenbestattungsgesetzes LGBl Nr. 6/1961 (vgl RV Beilage 358/1960 und AB Beilage 378/1961 je zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. LT, 18. GP, Seite 5) führen unter Bestattungsanlagen nach § 30 zunächst aus, dass das Gesetz zwischen kommunalen und konfessionellen unterscheide. Danach heißt es:

 

"Den Gemeinden kommt auf Grund der Bestimmungen des § 3 Reichssanitätsgesetzes, RGBl. Nr.68/1870, die Errichtung, Instandhaltung und Überwachung der Leichenkammern und Begräbnisplätze zu. Diese Aufgaben sollen den Gemeinden auch weiterhin zukommen.

 

Den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ist das Recht auf Errichtung konfessioneller Bestattungsanlagen verfassungsrechtlich gewährleistet, und zwar durch Art. 15 des Staatsgrundgesetzes, RGBl. Nr. 142/1867, das gemäß Art 129 Abs. 1 B-VG. 1929 als Verfassungsgesetz gilt. ... Der Verwaltungsgerichthof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Beschlussfassung darüber, ob ein konfessioneller Friedhof errichtet, erweitert, ganz oder teilweise aufgelassen werden soll und die Durchführung solcher Beschlüsse eine innere Angelegenheit ist, zu deren Ordnung und Verwaltung jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft das Recht hat (Vergleiche Klecatsky-Weiler, Österreichisches Staatskirchenrecht, S. 31; Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei 1958)."

 

Der historische Gesetzgeber sah die Leichenhalle (Leichenkammer) als Teil des Friedhofs. Die für Gemeinden ausgesprochene Verpflichtung zur Errichtung eines Friedhofs gemäß § 30 Abs 2 Oö. Leichenbestattungsgesetz umfasste demnach auch die Errichtung einer Leichenhalle nach § 32 leg.cit. Erst mit der Oö. Leichenbestattungsgesetznovelle 1983 wurde der § 32 geändert und eingefügt, dass die Leichenhalle nach Tunlichkeit auf dem Friedhof bzw im Rahmen der Feuerbestattungsanlage zu errichten sei und einer sanitätspolizeilichen Bewilligung bedarf. Damit sollte die Möglichkeit der Errichtung einer Leichenhalle auch außerhalb eines Friedhofs geschaffen und klargestellt werden, dass die Errichtung der Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde bedarf (vgl AB zur Oö. Leichenbestattungsgesetznovelle 1983, Beilage 254/1983 zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. LT, 22 GP, Seite 2).

 

4.2. Nach dieser im Wesentlichen bis dato noch geltenden Rechtslage wollte der Gesetzgeber die Errichtung und den Betrieb von Bestattungsanlagen samt den dazu gehörigen Leichenhallen den Gemeinden, Gemeindeverbänden und den anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften vorbehalten. Diese erlangen durch die Anerkennung eine öffentlich-rechtliche Stellung und sind als Körperschaften öffentlichen Rechts sui generis anzusehen (vgl näher Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht [2003], 71 ff, 72). Sie sind demnach ähnlich wie Gemeinden oder Gemeindeverbände öffentliche Rechtsträger, denen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht nach Art 15 StGG nicht genommen werden konnte. Wie sich auch aus einer nunmehr vorliegenden neuen Regierungsvorlage in Oberösterreich ergibt, waren private Rechtsträger zum Betrieb von Bestattungsanlagen und dazugehörigen Leichenhallen bisher gesetzlich nicht zugelassen.

 

Im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. Nr. L 376 vom 27.12.2006, S. 36) hat die Oö. Landesregierung jüngst eine Gesetzesvorlage zur Änderung von novellierungsbedürftigen Landesgesetzen eingebracht (vgl RV eines Oö. Dienstleistungsrichtlinie-Anpassungsgesetzes 2010, Blg 45/2009 zu den Wortprotokollen des Oö. LT, 17. GP). In diesem Sammelgesetz ist auch eine weitreichende Änderung des Oö. Leichenbestattungsgesetzes 1985 vorgesehen (vgl näher RV Blg 45/2009 17. GP, zu Art IV auf Seiten 12 ff). Schwerpunkt der Vorlage ist der Entfall der Beschränkung der Errichtung und des Betriebs von Bestattungsanlagen auf Gemeinden und Gemeindeverbände sowie anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften sowie der Entfall der Bedarfsprüfung für Bestattungsanlagen.

 

Der nach der Regierungsvorlage neu gefasste § 30 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 stellt im Abs 1 Z 4 klar, dass auch Leichenhallen zu den Bestattungsanlagen gehören, und lässt im Abs 2 Z 3 nunmehr auch private Bestattungsanlagen zu, die von selbständig wirtschaftlich Tätigen betrieben werden können.

 

Den Betrieb umschreibt § 30 Abs 3 der Regierungsvorlage wie folgt:

 

"Der Betrieb einer privaten Bestattungsanlage umfasst alle mit dieser Anlage verbundenen Tätigkeiten, die nicht in die Zuständigkeit des Bundes fallen; dies gilt insbesondere für Tätigkeiten, die einer Gewerbeberechtigung für das Bestattungsgewerbe gemäß § 101 Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994, in der Fassung BGBl. Nr. 131/2004, bedürfen."

 

5. Im Ergebnis ist auf Grundlage der dargelegten Rechtslage festzuhalten, dass dem Bw im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung gemäß § 8 AVG zukommt, weil er nach den geltenden Bestimmungen des Oö. Leichenbestattungsgesetzes 1985 als Privatrechtsträger keine Bestattungsanlage samt Leichenhalle betreiben darf und deshalb auch kein rechtlich geschütztes Interesse an einer Bedarfprüfung haben kann. Nach dem durch die zitierte Regierungsvorlage neugefassten § 31 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 wird es in Hinkunft voraussichtlich auch keine Bedarfsprüfung mehr geben.

 

Die Berufung war daher mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren für die Berufung von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 03.05.2011, Zl.: B 421/10-7

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde eingestellt.

VwGH vom 15.07.2011, Zl.: 2011/11/0111-3

 

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