Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-164572/16/Zo/Ps

Linz, 02.02.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X, vom 2. November 2009 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 14. Oktober 2009, Zl. VerkR96-6571-2009-Wid, wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 14. Jänner 2010, zu Recht erkannt:

 

 

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z1 und Z2 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er sich am 18. Juli 2009 um 22.45 Uhr in Braunau am Inn, Franz-Amberger-Straße 41, nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass er am 18. Juli 2009 um 22.05 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen X in Braunau am Inn auf der Franz-Amberger-Straße 38 in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Er habe dadurch eine Verwaltungs­übertretung nach § 5 Abs.2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 1.700 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Tage) gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 170 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass er sich zum Zeitpunkt des Unfalles und der nachfolgenden Amtshandlung in einem Zustand der Zurechnungs­unfähigkeit befunden habe, da er einen epileptischen Anfall erlitten hätte. Das Unfallgeschehen sowie die weitere Amtshandlung sei ihm überhaupt nicht in Erinnerung. Der Amtsarzt habe ebenfalls nur feststellen können, dass "fast sicher" kein Grand-mal-Anfall vorgelegen habe, auch er habe diesen aber  nicht ausschließen können. Er habe tatsächlich einen Zungenbiss gehabt, diesen habe am nächsten Tag der behandelnde Arzt Dr. X festgestellt.

 

Auch aus der Krankengeschichte ergebe sich, dass er einen Zustand nach einem wiederholten Krampfanfall gehabt habe, was seine Darstellung decke. Die Erstinstanz hätte dazu entsprechend seinen Anträgen den Facharzt Dr. X sowie den erstbehandelnden Arzt Dr. X einvernehmen müssen.

 

Das Gutachten des Amtsarztes befasse sich nur teilweise mit der maßgeblichen medizinischen Frage seiner Zurechungsfähigkeit. Zum überwiegenden Teil enthalte das Gutachten Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung des vom Amtsarzt unterstellten Sachverhaltes.

 

Auch aus den Angaben der Zeugin BI X, welche wechselhafte Angaben schildere, würde sich ergeben, dass er sich zu diesem Zeitpunkt in einem Zustand einer Bewusstseinstrübung im Sinn einer Zurechungsunfähigkeit befunden habe.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 14. Jänner 2010. An dieser haben der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der Erstinstanz teilgenommen. Weiters wurden die erhebenden Polizeibeamtinnen, zwei Unfallzeugen sowie der Facharzt Dr. X als Zeugen befragt und vom Amtsarzt DDr. X ein abschließendes Gutachten erstellt.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber verursachte am 18. Juli 2009 um ca. 22.05 Uhr einen Verkehrsunfall, bei dem er mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen X aus unbekannter Ursache von der Fahrbahn abkam und mit dem vor dem Haus abgestellten Pkw mit dem Kennzeichen X kollidierte. In weiterer Folge kam er auf die linke Fahrbahnseite und auf einer Verkehrsinsel zum Stillstand.

 

Im Zuge der Unfallerhebungen wurde er zu einem Alkovortest aufgefordert, welchen er insofern verweigerte, als er bei vier Blasversuchen kein gültiges Ergebnis zustande brachte. Er wurde um ca. 22.45 Uhr zum Alkotest aufgefordert, wobei er diesen verweigerte.

 

Fraglich ist, ob bzw. in welcher Schwere der Berufungswerber einen epileptischen Anfall erlitten hatte und wie stark seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit zum Zeitpunkt der Verweigerung des Alkotests dadurch beeinträchtigt war.

 

Der Berufungswerber selbst führte dazu an, dass er sich an den Unfall nicht mehr erinnern könne. Auch den weiteren Ablauf sowie die Amtshandlung mit den Polizeibeamten wisse er nicht mehr. Er habe bereits im Mai 2007 einen epileptischen Anfall gehabt und sei damals vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht worden. Da er sich an den gegenständlichen Unfall und die weitere Amtshandlung überhaupt nicht erinnern könne, vermutete er auch in diesem Fall einen epileptischen Anfall, weshalb er am nächsten Tag den diensthabenden Arzt aufsuchte, welcher ihn ins Krankenhaus einwies. Im Krankenhaus sei dann ein epileptischer Anfall diagnostiziert worden.

 

Der Zeuge X, welcher offenbar als Erster zur Unfallstelle kam, führte an, dass er den Berufungswerber auf dem Fahrersitz sitzen gesehen habe, er habe ans Fenster geklopft und der Lenker habe auch in seine Richtung geschaut. Er habe aber den Eindruck gehabt, dass der Lenker nicht registriert habe, was passiert ist. Er sei nicht ausgestiegen, habe den Gang eingelegt und offenbar wegfahren wollen. Der Zeuge habe gesehen, dass der Lenker keine offensichtlichen Verletzungen habe, weshalb er dann wieder ins Haus gegangen sei und die Polizei verständigt habe.

 

Die weitere Unfallzeugin Frau X gab zum Sachverhalt an, dass sie den roten Pkw gesehen habe. Nach einer "Schockminute" sei sie zur Fahrertür gegangen, habe diese geöffnet und gesehen, dass der Lenker mit dem Oberkörper rechts auf dem Lenkrad bzw. auf dem Armaturenbrett gelegen sei. Sie habe den Lenker angesprochen, dieser habe aber nicht reagiert, sie habe ihn richtiggehend aus dem Tiefschlaf aufwecken müssen. Sie habe einige Zeit gebraucht, um ihn wach zu bekommen. Er habe dann einen verwirrten Eindruck gemacht und nicht gewusst, was passiert sei. Der Fahrzeuglenker habe weiterfahren wollen, weshalb sie den Fahrzeugschlüssel abgezogen habe. Es sei ihnen dann gelungen, den Fahrzeuglenker zum Aussteigen zu überreden und sie hätten ihn in ihr Haus gebracht. Sie habe keine augenscheinlichen Verletzungen festgestellt. In weiterer Folge sei die Polizei gekommen und habe die Amtshandlung durchgeführt. Sie habe auch in dieser Zeit das Gefühl gehabt, dass der Fahrzeuglenker die Situation überhaupt nicht einschätzen könne.

 

Die Zeugin BI X führte zum Sachverhalt an, dass sie den Berufungswerber vorerst nach Verletzungen befragt habe, dies habe er aber verneint. Sie habe in weiterer Folge die Fahrzeugdokumente verlangt, welcher er ihr vorerst nicht gegeben habe. Die weitere Amtshandlung hätten sie dann im Haus von Frau X durchgeführt, beim Gehen ins Haus habe der Berufungswerber offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten gehabt.

 

Bei den Erhebungen zum Unfallhergang habe der Berufungswerber vorerst angegeben, dass er von einem Unfall überhaupt nichts wisse und er habe in weiterer Folge unterschiedlichste Versionen erzählt. Er habe einmal behauptet, dass ihm Frau X ins Fahrzeug gefahren sei, einmal auch, dass ihm das Polizeiauto hineingefahren wäre.

 

Er sei in weiterer Folge zu einem Alkovortest aufgefordert worden, diesen habe er aber nicht ordentlich durchgeführt bzw. das Gerät nicht richtig beatmet. Das Verhalten des Berufungswerbers habe während der Amtshandlung häufig gewechselt, teilweise sei er durchaus höflich und nett gewesen, zwischendurch sei er aber auch lauter geworden, habe sich dann aber wieder beruhigt. Die Zeugin habe ihn zum Alkotest aufgefordert und ihm gesagt, dass er dazu zur Polizeiinspektion mitfahren müsse. Dies habe er verweigert, weil er ohnedies schon geblasen habe. Sie habe ihn über die Rechtslage belehrt und wollte ihm auch den Führerschein abnehmen, woraufhin er wieder lauter geworden sei. Letztlich haben sie den Berufungswerber nach Hause gebracht, wobei er auf dieser Fahrt nach Hause wieder höflich und nett gewesen sei. Sie habe keine Bedenken gehabt, ihn allein im Haus zu lassen, weil keine Verletzungen feststellbar gewesen seien. Die gesamte Amtshandlung habe länger als eine Stunde gedauert, auch nach der Verweigerung des Alkotests sei die Amtshandlung nicht sofort beendet gewesen, sondern sie habe noch weitere Daten aufgenommen. Der Berufungswerber habe sie als Polizistin erkannt.

 

Diese Angaben wurden im Wesentlichen von der zweiten Polizistin, Frau Insp. X, bestätigt. Diese Zeugin hat vorerst die Erhebungen an der Unfallstelle durchgeführt und ist in weiterer Folge ins Haus gegangen. In dieser Zeit sei das Verhalten des Berufungswerbers die ganze Zeit über schwankend gewesen, er habe teilweise "ganz normal" reagiert, teilweise habe er einen verwirrten Eindruck gemacht. Er habe auch zum Unfallhergang sehr widersprüchliche Angaben gemacht. Den Alkotest habe er mit der Begründung verweigert, dass er ohnedies bereits in das Vortestgerät geblasen habe. Sie hätten letztlich den Berufungswerber nach Hause gebracht und dort gesehen, dass er die Haustüre aufsperre und ins Haus gehe. Die gesamte Amtshandlung habe zwischen einer und eineinhalb Stunden gedauert.

 

Der sachverständige Zeuge Dr. X erläuterte seinen Befund vom 13. August 2009 dahingehend, dass er Herrn X am 20. Juli 2009 untersucht habe. Bei der Untersuchung habe er keine körperlichen Befunde bzw. Auffälligkeiten festgestellt. Aufgrund der Angaben des Herrn X sowie der Krankengeschichte hätten sich jedoch starke Hinweise auf einen epileptischen Anfall ergeben. Herr X habe von einer Bewusstlosigkeit und einem verzögerten Aufwachen berichtet, weiters habe der überweisende Arzt am Vortag einen Zungenbiss festgestellt. Es sei ihm auch aus der Krankengeschichte bekannt gewesen, dass der Patient bereits vor ca. zwei Jahren einen Grand-mal-Anfall gehabt habe. Er sah daher eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Patient auch bei diesem Vorfall einen derartigen Anfall gehabt habe. Das durchgeführte EEG sei unauffällig verlaufen, dies schließe jedoch einen epileptischen Anfall zwei Tage vorher nicht aus.

 

Weder ein fehlender Zungenbiss noch ein fehlender Stuhlabgang würden einen Grand-mal-Anfall ausschließen. Ein solcher könne unter anderem auch durch eine äußere "mechanische" Einwirkung ausgelöst werden, entsprechende Verletzungen seien aber nicht feststellbar gewesen. Ein derartiger Anfall würde in der Regel einige Minuten dauern, auch nach dem Abklingen des Anfalles befinde sich der Patient in einer Art "Dämmerzustand", in welchem er nur verzögert reagiert und komplexe Fragestellungen nicht versteht. Dieser Dämmerzustand könne einige Stunden andauern und in diesem Zustand sei aus seiner Sicht eine solche Person nicht voll diskretionsfähig.

 

Der Zeuge ergänzte weiters, dass die Schilderungen der Unfallzeugin X klassisch auf einen epileptischen Anfall schließen lassen. Die Polizeibeamtin selbst sei etwas später zur Unfallstelle gekommen und das verwirrte Verhalten des Berufungswerbers sei durchaus auch mit einem epileptischen Anfall erklärbar. Andererseits könne dies Verwirrung natürlich auch durch eine starke Alkoholisierung bedingt gewesen sein.

 

Der Dämmerzustand bzw. die Dauer und Intensität der Verwirrtheit sei von der Schwere des Anfalles abhängig. Die Schilderung des Verhaltens des Berufungswerbers zu jenem Zeitpunkt, als er von den Polizeibeamtinnen nach Hause gebracht worden war, spreche dafür, dass zu diesem Zeitpunkt die Wirkungen des Anfalles weitgehend abgeklungen waren. Die Intensität der Bewusstseinsstörung sei zum unmittelbaren Anfallszeitpunkt sehr hoch und nehme in weiterer Folge exponentiell ab.

 

Der Sachverständige DDr. X führte zusammengefasst aus, dass ein Grand-mal-Anfall mit hoher Wahrscheinlich ausgeschlossen werden könne, weil ein solcher mit einer längeren Bewusstlosigkeit einhergehen würde. Ein sogenannter "fokaler" Anfall sei jedoch durchaus möglich. Dieser könne auch den Unfall ausgelöst haben. Es sei durchaus wahrscheinlich, dass der Berufungswerber aufgrund des "Unfallschocks" nach dem Unfall kollabiert und kurz bewusstlos gewesen sei. Dies würde die Schilderung der Zeugin X erklären.

 

In weiterer Folge sei der Berufungswerber über längere Zeiträume ansprechbar gewesen, wobei es jedoch Stimmungsschwankungen gegeben habe. Seine unterschiedlichen Angaben zum Unfallhergang und sein schwankendes Verhalten können sowohl eine Folge des fokalen Anfalles, allenfalls auch des Unfallschocks oder einer möglichen Alkoholisierung gewesen sein. Das könne nicht mit Sicherheit geklärt werden.

 

Konkret gab der Amtsachverständige zur Frage der Diskretions- und Dispositions­fähigkeit an, dass der Berufungswerber sicher nicht voll diskretions- und dispositionsfähig gewesen sei, allerdings sei diese auch nicht ausgeschlossen gewesen. Es handle sich um einen "Graubereich".

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 45 Abs.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.     die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.     der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.     Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Gemäß § 3 Abs.1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

 

War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert, so ist das gemäß § 3 Abs.2 VStG als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewusstseins­störungen, die auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruhen.

 

§ 5 Abs.1 VStG lautet:

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

5.2. Bei der Verweigerung des Alkotests handelt es sich um ein Ungehorsams­delikt iSd § 5 Abs.1 VStG. Es muss daher der Beschuldigte glaubhaft machen, dass ihn kein Verschulden trifft. Nach der Rechtsprechung des Verfassungs­gerichtshofes (Entscheidung vom 20.06.1994, Zl. B1908/93) hat die Behörde aber bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die am Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Im konkreten Fall ist das von den Zeugen bestätigte Vorbringen des Berufungswerbers jedenfalls glaubhaft, weshalb es Aufgabe der Behörde ist, das Verschulden des Berufungswerbers zu beweisen. Es ist daher von Amts wegen zu klären, ob der Berufungswerber die Aufforderung zum Alkotest verstanden hat und die Strafbarkeit der Verweigerung für ihn erkennbar war.

 

Der Berufungswerber hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit einen fokalen epileptischen Anfall erlitten und war auch zumindest kürzere Zeit bewusstlos. Er machte auf alle Zeugen einen verwirrten Eindruck und sein Verhalten war die gesamte Amtshandlung über von starken Schwankungen geprägt. Die Aufforderung zum Alkotest erfolgte ca. 40 Minuten nach dem Verkehrsunfall. Nach den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. X ist die Dauer der Verwirrtheit nach einem epileptischen Anfall von der Schwere dieses Anfalles abhängig und kann auch mehrere Stunden andauern. Unmittelbar nach dem Anfall ist die Bewusstseinsstörung jedenfalls sehr stark, sie nimmt dann aber exponentiell ab.

 

Der Amtsarzt führte zusammengefasst aus, dass die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit jedenfalls eingeschränkt, nicht aber zur Gänze ausgeschlossen war. Den Grad dieser Einschränkung konnte er nicht näher konkretisieren, nach seinen wörtlichen Angaben handle es sich hier um einen "Graubereich".

 

Für die Entscheidung ist wesentlich, ob die Bewusstseinsstörung des Berufungswerbers ca. 40 Minuten nach dem Verkehrsunfall noch so stark war, dass ihm die Verweigerung nicht zugerechnet werden kann oder ob die Bewussteinsstörung zwar noch vorhanden, aber bereits so weit abgeklungen war, dass die Zurechnungsfähigkeit zwar eingeschränkt, aber doch für eine Bestrafung ausreichend gegeben war. In diesem Fall würde gemäß § 3 Abs.2 VStG lediglich ein erheblicher Strafmilderungsgrund vorliegen.

 

Unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstände dieses Falles und der sachverständigen Äußerungen kann nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit bewiesen werden, ob der Berufungswerber die Aufforderung zum Alkotest verstanden und die Strafbarkeit der Verweigerung für ihn erkennbar war oder ob sein Bewusstsein noch so stark beeinträchtigt war, dass er die Verweigerung und deren Strafbarkeit nicht erkennen konnte. Es ist daher im Zweifel nach dem im Verwaltungsstraf­verfahren geltenden Grundsatz "in dubio pro reo" zugunsten des Berufungswerbers davon auszugehen, dass ihm die Verweigerung des Alkotests subjektiv nicht zugerechnet werden kann. Es war daher seiner Berufung stattzugeben.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

Beschlagwortung:

Verweigerung des Alkotests; epileptischer Anfall; Verschulden; Beweispflicht der Behörde

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum