Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222352/2/Kl/Pe

Linz, 02.02.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des x, vertreten durch Rechtsanwälte x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10.11.2009, Ge96-28-2009/DJ, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 2, 9, 27, 44a, 45 Abs.1 Z1 und Z3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10.11.2009, Ge96-28-2009/DJ, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1 iVm § 1 Abs.4 iVm § 94 Z41 iVm § 98 Abs.2 GewO 1994 verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit strafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der x, Geschäftsanschrift x, folgende Übertretung der Gewerbeordnung (wie von der belangten Behörde festgestellt wurde) zu verantworten hat:

„Auf der Homepage der x GmbH wurden zumindest am 10.03.2009 Kontaktlinsen zum Bestellen angeboten. auf dieser Seite wurden verschiedene Kontaktlinsenhersteller, Linsenarten (Tageslinse, Monatslinse, Farblinse) je nach Wunsch als Sehhilfe oder ohne Dioptrien angeboten; beispielsweise werden nachstehend einige Produkte angeführt:

·               weiche Monatslinse, kurzsichtig und weitsichtig, ‚SoftLens 59’ -0,50 dpt. BC 8,6 und DIA 14,2; 6 Stück Packung; Preis: 24,99 Euro

       guter Tragekomfort durch hohe Sauerstoffdurchlässigkeit.

·               weiche Monatslinse, kurzsichtig ‚Air Optix’, -0,50 dpt 6,25, BC 8,6; 6 Stück Packung;

       Die Revolution: Diese Kontaktlinse gehört zur neuen Kontaktlinsengeneration. Durch neu entwickelte Materialien ermöglicht sie besonders guten Tragekomfort und schützt das Auge vor dem Austrocknen.

·               weiche 1-Tageslinse, kurzsichtig, ‚Biomedics 1day’ -0,75 dpt bis -4,50 dpt, BC 8,7; 30 Stück Packung;

       ‚Die neuen Biomedics 1day bieten den Trägern genau die Vorzüge, die Sie von zeitgemäßem Kontaktlinsentragen erwarten: höchste Bequemlichkeit, immer saubere und hygienisch frische Linsen – auch ohne Pflegemittel – und gleichzeitig die Garantie für gesunde Augen.’

·               weiche Monatslinse, kurzsichtig und weitsichtig, ‚Focus Visitint’ -0,25 dpt bis -8,50 dpt, BC 8.9; 6 Stück Packung;

       Guter Tragekomfort durch hohe Sauerstoffdurchlässigkeit.

·               weiche Tageslinsen, kurzsichtig und weitsichtig, ‚CYou Dailes lensens’, ‑0,50 dpt, BC 8,7 und DIA 14,2; 90 Stück Packung:

  Ideal geeignet für das gelegentliche Tragen wie zum Beispiel beim Sport, am Wochenende, im Urlaub

·               weiche Monatskontaktlinse, kurzsichtig, ‚Kiara’, -6 dpt, Krümmung 8,9, 2er Packung;

       Monatslinse, mit UV-Schutz, Wassergehalt 55 %, Krümmung 8,6 und 8,9

·               weiche Monatsfarblinse, ‚CYou’ in den Farben grün, blau, braun, zwei Stück pro Packung;

       Entscheiden Sie sich noch heute für eine Verstärkung Ihrer eigenen Augenfarbe oder verwenden Sie die neuen Color Lenses als Accessoire zum entsprechenden Outfit

·               weiche Monatsfarblinse ‚Freshlook’ in den Farben Honey, Grün, Saphire Blue, 2 Stück pro Packung;

       Hoher Tragekomfort, Veränderung der Augenfarbe

 

Es bestand die Möglichkeit, die Kontaktlinsen direkt per Internet zu bestellen (siehe -> in den Warenkorb).

Gem. § 1 Abs.4 Gewerbeordnung 1994 wird das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten.

 

Weiters wurden zumindest in den folgend angeführten Betriebsstätten

·               am 20.01.2009 in x,

·               am 23.01.2009 in x,

·               am 04.02.2009 in x,

·               am 13.02.2009 in x,

·               am 13.02.2009 in x,

·               am 20.02.2009 in x,

·               am 20.02.2009 in x,

·               am 25.02.2009 in x,

·               am 25.02.2009 in x,

diese Kontaktlinsen zum Verkauf angeboten, indem Bestellmagazine mit entsprechenden Bestellscheinen im Kassenbereich der einzelnen Filialen aufgelegt werden. Die Kontaktlinsen konnten mittels Bestellschein angefordert werden und nach Erhalt der Ware konnte die Bezahlung per Direktzahlung an der Marktkasse erfolgen.

 

In den weiteren Betriebsstätten in x, konnte außerdem festgestellt, dass folgende Farbkontaktlinsen ohne Sehhilfe direkt den Geschäftsräumen zum Verkauf angeboten wurden:

·               x Colour Lenses – Kosmetik für Augen – ‚CYou monthly COLOUR contact lenses’ 2 Stück Packung mit 0.00 dpt, BC. 8,6 in den Farben braun, blau und grün, zum Preis von € 9,99 pro Packung.

 

Gem. § 98 Abs.2 GewO 1994 i.d.g.F. bedarf es für den Kleinhandel mit Kontaktlinsen einer Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe Kontaktlinsenoptik.

 

Die x GmbH hat somit –wie vorstehend angeführt – das Gewerbe des Kontaktlinsenoptikers aufgeübt, ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben. Als Hauptstandort der Gewerbeausübung ist der Firmensitz in x, anzusehen.

Die Ausdrucke von der Internetseite x vom 10.03.2009 bilden einen Bestandteil dieses Straferkenntnisses.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis dem gesamten Umfang nach angefochten. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu die Herabsetzung, in eventu das Absehen von der Strafe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Kleinhandel mit kosmetischen Kontaktlinsen, das heißt Kontaktlinsen, welche nicht der Korrektur von Sehfehlern dienen, sondern ausschließlich der Verstärkung und/oder Änderung der eigenen Augenfarbe, ausschließlich aus optischen Gründen getragen werden, nicht in den Vorbehalt des reglementierten Gewerbes des Kontaktlinsenoptikers nach § 94 Z41 GewO fällt, sondern in jedem Fall vom Handelsgewerbe umfasst ist. Sonstige Tätigkeiten neben dem Kleinhandel mit kosmetischen Kontaktlinsen, nämlich insbesondere Dienstleistungen wie das Anpassen von Kontaktlinsen, welche tatsächlich in den Vorbehaltsbereich der Kontaktlinsenoptiker fallen, werden nicht erbracht. Dass der Vertrieb von kosmetischen Kontaktlinsen zulässig sei, ergäbe sich bereits aus dem Umstand, dass nach ständiger Rechtsprechung das in § 94 Z2 leg.cit. normierte reglementierte Gewerbe der Augenoptik (Handwerk), welches im § 98 Abs.1 leg.cit. derart umschrieben wird, dass es als Anpassen und die Abgabe, welcher Begriff in jedem Fall auch den Kleinhandel beinhalte, von Korrektionsbrillen einschließlich der Brillenglasbestimmung umfasst, Augenoptiker die genannten Arbeiten durch hiefür ausgebildete Fachkräfte ausführen zu lassen haben, nicht für alle Korrektionsbrillen gilt. Gemäß Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21.5.1997 fallen so genannte Fertig-Lesebrillen zwar unter den Begriff „Korrektionsbrillen“ im Sinn des § 98 Abs.1 GewO, wobei nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut „Abgabe von Korrektionsbrillen“ (= Verkauf) ein Vorbehalt zu Gunsten der Augenoptiker besteht, jedoch fällt der Verkauf von Fertig-Lesebrillen, soweit er ohne begleitende Anpassung der Brille bzw. Brillenglasbestimmung erfolgt (auch) in den Berechtigungsumfang des Handelsgewerbes, und ist daher nicht dem Handwerk Augenoptiker vorbehalten. Dieser Bescheid wurde mit der Entscheidung des VwGH vom 28.10.1997, 97/04/0120, bestätigt. Seit dem wird in ständiger Rechtsprechung durch die Höchstgerichte des öffentlichen Rechts aber auch durch den OGH judiziert, dass bei vorgefertigten Korrektionsbrillen zu Gunsten der Augenoptiker kein Vorbehalt des Verkaufes besteht, soweit der Verkauf ohne begleitende Anpassung der Brille bzw. Brillenglasbestimmung erfolgt. Mit Beschluss des LG Steyr im Verfahren zu 4 ZG 43/08 vom 6.5.2008 wurde eine einstweilige Verfügung zur Sicherung des Anspruches auf Unterlassung unlauterer Geschäftspraktiken, erlassen, mit welcher verboten wurde, dass Kontaktlinsenoptikergewerbe und/oder Tätigkeiten, die diesem Gewerbe unterliegen, insbesondere den Detailhandel mit Kontaktlinsen, in Betriebsstätten auszuüben, anzubieten und/oder anzukündigen, für welche nicht über die erforderliche gewerberechtliche Betriebsstättengenehmigung verfügt wird, abgewiesen. Sowohl das OLG Linz als auch der OGH habe diese Entscheidung bestätigt.

Auch liege kein vorwerfbares Verschulden vor, da der Beschuldigte aufgrund der zitierten Judkatur davon berechtigter Weise ausgehen konnte, dass der Kleinhandel mit Kontaktlinsen per se, insbesondere mit kosmetischen Kontaktlinsen, zulässig sei. Schließlich wurde ein Verstoß gegen Art.28 EGV geltend gemacht und die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH angeregt.

Schließlich wurde noch eingewendet, dass seit vielen Jahren Herr x gewerberechtlicher Geschäftsführer der x GmbH sei und daher dieser für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften insbesondere der Verkauf der Kontaktlinsen im untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit der sonstigen Verkaufstätigkeit der x GmbH verantwortlich sei. Schließlich werde eingewendet, dass am 2.11.2006 Herr x zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei, der für die Einhaltung der nicht von der GewO umfassten relevanten Normen beim Vertrieb zuständig sei.

Weiters wurde vorgebracht, dass die Anforderungen gemäß § 44a VStG vom Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht erfüllt werden. Die xGmbH vertreibe keine Produkte, insbesondere keine kosmetischen Kontaktlinsen und der Marke „x Colour Lenses“. Die x GmbH in Österreich vertreibe in stationärem Bereich im Wege des Kommissionsverkaufs Kontaktlinsen, welche unter der Bezeichnung „CYou Colour Lenses“ vertrieben werden. Es handle sich dabei um von der x GmbH in x gelieferte Produkte, keinesfalls um solche, die als Eigenmarke oder sonst auf eigene Rechnung oder mit der Marke „x“ vertrieben werden. Weiters sei dem Spruch des bekämpften Bescheides nicht zu entnehmen, dass eine gewerbsmäßige Tätigkeit im Sinne des § 1 GewO vorliege. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VwGH umfasse die Strafnorm als solche nicht auch schon das Anbieten von Waren. Weiters fehlen bei den weiters im Spruch angeführten Tatvorwürfen jeweils die Tatzeiten, was einen unbehebbaren Mangel darstelle. Auch sei die Feststellung des Tatortes mit dem Sitz der Gesellschaft in x nicht richtig.

Schließlich wurde dargelegt, dass die Homepage x nicht der x GmbH in Österreich zuzuordnen sei, sondern sich die x dieser Homepage bediene, wobei dieses Unternehmen Teil des Unternehmens prot. Einzelkaumann x in x, Bundesrepublik Deutschland, ist. Dies ist dem Impressum zu entnehmen. Es könne daher der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH nicht für Handlungen einer anderen Person zur Verantwortung gezogen werden. Auch die im Bescheid genannten Bestellmagazine werden von dem protokollierten Einzelkaufmann x herausgegeben. Auch sei der angeführte Tatort nicht richtig, weil Handlungspflichten nach der GewO immer am unmittelbaren Ort der Tat, somit an den im Spruch bezeichneten zwölf Filialen in x zu setzen gewesen wären. Es sei daher die Erstbehörde unzuständig. Schließlich sei der Ausdruck der Internetseite x vom 10.3.2009 nicht zugestellt worden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

Aufgrund der Aktenlage steht fest, dass gemäß der Eintragung im Firmenbuch die x GmbH mit Sitz in x eingetragen ist. Handelsrechtlicher Geschäftsführer ist der Bw. Aus dem vorliegenden Bestellschein ist ersichtlich, dass es sich um einen Bestellschein der x handelt, deren Verantwortlicher x, x, Amtsgericht-Registergericht x, ist. Im Bestellmagazin wurden die im Spruch näher angeführten Kontaktlinsen zum Kauf angeboten. Im Impressum für x und x scheint als Dienstanbieter x, x, auf.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 VStG sind nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtliche zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

5.2. Wie aus der Homepage x und dem Bestellheft der x ersichtlich ist, ist verantwortlich nicht die x GmbH mit Sitz in x, sondern das Einzelunternehmen bzw. der Einzelkaufmann x mit Sitz in x in Deutschland. Wie die belangte Behörde zu Recht anführt, wird gemäß § 1 Abs.4 GewO 1994 das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten. Indem auf der Homepage gegen Entgelt Waren angeboten werden, und über die Homepage die Waren bestellt werden können, wird das Handelsgewerbe über diese Homepage ausgeübt. Tatort ist der Standort, von wo aus die Homepage betreut wird, also der Sitz des Einzelunternehmens x in x. Da sich dieser Tatort in Deutschland befindet, ist mangels einer gesonderten Bestimmung der GewO 1994 die allgemeine Bestimmung des § 2 VStG anzuwenden, wonach nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar sind. Es ist daher mangels eines Tatortes im Inland die Verwaltungsübertretung nicht strafbar und war daher das Straferkenntnis hinsichtlich dieses Tatvorwurfes aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

Gleiches gilt wohl auch für die im Spruch des Straferkenntnisses näher angeführten Filialen, in denen Kontaktlinsen zum Kauf angeboten werden, indem Bestellmagazine mit entsprechenden Bestellscheinen aufgelegt waren und mittels dieser Bestellscheine die Kontaktlinsen angefordert werden konnten. Wenngleich auch die Bestellmagazine bzw. Bestellscheine in den einzelnen angeführten Filialen auflagen, so ist dennoch die Urheberschaft bzw. die Verantwortung dem Urheber der Bestellmagazine bzw. Bestellscheine zuzurechnen, also ebenfalls der Einzelfirma X in Ehingen. Es gilt daher auch hinsichtlich dieses Teiles des Tatvorwurfes die mangelnde Strafbarkeit in Folge eines Tatortes im Auslandes. Dass die Bestellmagazine bzw. Bestellscheine in Filialen der x GmbH aufgelegen sind, könnte allerdings eine Strafbarkeit der x GmbH bzw. dessen handelsrechtlichen Geschäftsführers gemäß der Bestimmung des § 7 VStG, nämlich als Beihilfe, bzw. der Spezialbestimmung des § 367 Z54 GewO 1994 allenfalls unter Strafe gestellt werden. Ein diesbezüglicher Tatvorwurf ist aber dem Straferkenntnis und dem gesamten Verwaltungsstrafverfahren nicht zu entnehmen.

 

Hinsichtlich des weiteren Tatvorwurfes des Anbietens von x Colour Lenses in den Filialen x ist allerdings auszuführen, dass diesem Teil des Tatvorwurfes eine Tatzeitangabe zur Gänze fehlt. Es wird daher schon aus diesem Grund den Anforderungen an die Tatkonkretisierung gemäß § 44a Z1 VStG nicht entsprochen. Es war daher mangels eines ausreichenden Tatvorwurfes und der bereits eingetretenen Verfolgungsverjährung, das Straferkenntnis hinsichtlich dieses Spruchteiles aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

Darüber hinaus hat die belangte Behörde außer Acht gelassen, dass die unbefugte Gewerbeausübung dort begangen wird, wo die Einzelhandlungen gesetzt werden, also am Ort der Ausübung bzw. konkret in den näher genannten Betriebsstätten. Dort ist der Tatort anzunehmen und ist daher die Zuständigkeit der Behörde danach zu beurteilen. Da das Feilbieten direkt in den näheren Betriebsstätten in x erfolgte, war daher der Tatort in x anzunehmen und die belangte Behörde für diesen Spruchteil unzuständige Behörde gemäß § 27 VStG. Da jedoch die dort angebotenen Waren direkt in der Filiale der x GmbH zum Verkauf angeboten wurden und auch direkt dort käuflich erwerbbar waren, ist die Tathandlung der x GmbH und somit dessen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen handelsrechtlichen Geschäftsführer, nämlich dem Bw, zuzurechnen.

Aber auch der Einwand des Bw, dass der Verkauf der Colour Lenses in unmittelbarem Zusammenhang mit der berechtigten Gewerbeausübung der x GmbH erfolgt sei und daher die Tat dem bestellten gewerberechtlichen Geschäftsführer zuzurechnen sei, führt zur Rechtswidrigkeit dieses Tatvorwurfes, weil sohin mit dieser Auslegung die Tat nicht durch den Bw begangen worden wäre, sondern durch den gewerberechtlichen Geschäftsführer. Auch diesfalls wäre das Straferkenntnis gegen den Bw aufzuheben und das Strafverfahren gegen den Beschuldigten einzustellen.

 

5.3. Schließlich wird auf die Bestimmung des § 22 VStG hingewiesen, dass wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat, die Strafen nebeneinander zu verhängen sind. Der Annahme eines fortgesetzten Deliktes, welches eine einheitliche Tatbegehung voraussetzt, steht nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates der Umstand entgegen, dass die Tatbegehung nach dem Tatvorwurf einerseits durch Anbieten des Verkaufs an einen größeren Kreis von Personen (durch Homepage und Bestellmagazine) und andererseits durch tatsächlichen Verkauf an den einzelnen Betriebsstätten erfolgt.  Nach ständiger Judikatur und Lehre wird unter einem fortgesetzten Delikt eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen verstanden, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Gerade durch die geschilderte Tatbegehung ist aber eine Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände nicht gegeben. Es ist daher im Sinne des gesetzlich vorgesehenen Kumulationsprinzips mit gesonderten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen vorzugehen. Die Verhängung einer einheitlichen Gesamtstrafe ist daher rechtswidrig. Eine Korrektur im Berufungsverfahren ist nicht möglich, weil durch die Teilung der verhängten Geldstrafe ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nicht ausgeschlossen werden kann.

 

5.4. Im Hinblick auf die Anregung der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH wird auf das Urteil des Gerichtshofes vom 25.5.1993, C-271/92, hingewiesen, wonach Art.36 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, dass nationale Vorschriften, die den Verkauf von Kontaktlinsen und damit zusammenhängenden Erzeugnissen in Handelsbetrieben verbieten, die nicht von Personen geleitet oder geführt werden, die die für die Ausübung des Berufs des Augenoptikers erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sind. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass der Verkauf von Kontaktlinsen nicht als eine Handelstätigkeit wie jede andere angesehen werden kann, da der Verkäufer in der Lage sein muss, den Benutzern Informationen zum Gebrauch der Kontaktlinsen und zu deren Pflege zu geben.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Tatort, Tatzeit, Begehungsdelikt, Tathandlung, Kumulationsprinzip

 

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