Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281188/2/Kl/Pe

Linz, 02.02.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12.11.2009, Ge96-25-2009 und Ge96-25-1-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnisse wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 9, 27 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12.11.2009, Ge96-25-2009 und Ge96-25-1-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 47 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm § 7 Abs.1 und Abs.2 Z4 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x und der Zweigniederlassung x, und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG 1991, als zur Vertretung nach außen berufenes Organ, für die Einhaltung der Bestimmungen des ASchG und der darauf basierenden Verordnungen strafrechtlich verantwortlich ist. Als derart Verantwortlicher wird folgende Übertretung zur Last gelegt:

Am 7.10.2008 führte ein Organ des Arbeitsinspektorates Linz auf der Baustelle: Kaminsanierung, x, eine Baustellenkontrolle durch. Dabei wurde festgestellt, dass ein Arbeitnehmer der ARGE x, Herr x, geb. x, auf einer, auf dem ca. 25° geneigten Dach aufgebauten, waagrechten Arbeitsplattform mit der Sanierung eines Kamins im Firstbereich beschäftigt war. An diesem Arbeitsplatz waren trotz Absturzgefahr bei einer möglichen Absturzhöhe von ca. 12 bis 15 m über die Traufe, keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht.

Dies stellt eine Übertretung des § 7 Abs.1 BauV in Verbindung mit § 7 Abs.2 Z4 BauV dar, wonach an sonstigen Arbeitsplätzen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen sind. Der Arbeitnehmer war auch nicht entsprechend § 30 BauV sicher angeseilt, wobei im gegenständlichen Fall § 7 Abs.4 BauV nicht heranzuziehen ist.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Es wurde darauf hingewiesen, dass für die Zeigniederlassung x mit Datum 6.3.2008 als verantwortlicher Beauftragter Herr x, bestellt sei. Es sei daher das Straferkenntnis dem verantwortlichen Beauftragten Herrn x zuzustellen. In der Beilage wurde eine Kopie der Bestellung, gerichtet an das Arbeitsinspektorat Wels angeschlossen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und in einer Stellungnahme ausgeführt, dass bis zur Berufung vom 30.11.2009 die Verantwortlichkeit des zur Vertretung nach außen berufenen Organs nicht bestritten worden sei.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

Aufgrund des im Akt befindlichen Firmenbuchauszuges hat die x ihren Sitz in x. Zum handelsrechtlichen Geschäftsführer ist x bestellt. Die Firma verfügt über eine Zweigniederlassung in x, genannt x Niederlassung x – ARGE x. Zum Prokuristen ist unter anderem Herrn x bestellt, und zwar beschränkt auf die Zweigniederlassung in x. Gemäß der der Berufung angeschlossenen Bestellungsurkunde, nach Postzustellschein adressiert an das Arbeitsinspektorat Wels und zur Post gegeben am 12.3.2008, ist als Arbeitgeber die x in x angeführt, welche Herrn x, x, für den räumlichen Zustellbereich „BVH Filiale x“ zum verantwortlichen Beauftragten bestellt. Die Zustimmungserklärung wurde vom Beauftragten am 6.3.2008 unterzeichnet.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 und 2 VStG sind nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtliche zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs.1 VStG maßgebenden Begriffes des „Ortes der Begehung“ muss die Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen.

 

Für den Bereich des VStG kommt es auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen – und dies wird auch für in Filialen gegliederte Unternehmen angenommen –, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird (also auch nicht auf den Ort des Filialbetriebes). Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht und zur LMKV 1993 sowie auch zum Öffnungszeitengesetz der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat. Im Hinblick auf § 2 Abs.2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Verwaltungsmaterien (z.B. ASchG, AuslBG, AZG, LMKV 1993, Öffnungszeitengesetz) zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liege, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein. Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugtes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen, so ist im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes der Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen gewesen wären. Der Umstand, dass eine Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen ist und die ihr im Rahmen des Gesamtunternehmens übertragenen Geschäfte selbständig besorgt, ändert an der örtlichen Zuständigkeit der Behörde am Sitz des Unternehmens (nicht der Filiale/Zweigniederlassung) zur Untersuchung und Bestrafung von Überschreitungen nach dem AZG im Sinn des § 27 Abs.1 VStG nichts (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1423ff mit Judikaturnachweisen).

 

Im Sinne dieser Judikatur ist daher der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher als nach außen vertretungsbefugtes Organ der x mit Sitz in Salzburg in x strafbar geworden, weil am Unternehmenssitz jene Vorsorgehandlungen hätten getroffen werden müssen, die zur Hintanhaltung der Verwaltungsübertretung erforderlich gewesen wären. Es hat daher der Beschuldigte die gesetzlich geforderten Vorsorgehandlungen am Unternehmenssitz in x unterlassen. Es ist daher gemäß § 27 VStG Salzburg als Tatort anzusehen. Die das angefochtene Straferkenntnis erlassende belangte Behörde ist hingegen nicht zuständig. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis mangels Zuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben.

 

5.2. Was jedoch die anlässlich der Berufung vorgelegte Bestellungsurkunde betreffend Herrn x für die Filiale in x anlangt, so ist auf die Bestimmung des § 9 Abs.1 und 2 VStG hinzuweisen, nämlich dass bei gültiger bzw. rechtswirksamer Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit vom zur Vertretung nach außen berufenen Organ auf den verantwortlichen Beauftragten übergeht. Diesfalls wäre der verantwortliche Beauftragte verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Bestimmung des § 32 Abs.3 VStG hinzuweisen. Im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, dass, wenn für einen Filialbetrieb ein verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 Abs.2 zweiter Satz VStG bestellt ist, der Tatort einer von diesem zu verantwortenden Übertretung nicht am Sitz der (zentralen) Unternehmensleitung liegt. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Dies ist aber bei einem verantwortlichen beauftragten Filialleiter der Standort dieser Filiale (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 1427, Anmerkung 12 mit Judikaturnachweisen).

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Tatort, Unternehmenssitz, Zweigniederlassung, verantwortlicher Beauftragter einer Filiale

 

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