Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-163460/20/Ki/Jo

Linz, 08.02.2010

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des X, vertreten durch X, vom 20. August 2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 4. August 2008, GZ VerkR96-6549-2007, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 18. November 2008 und zur Folge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 2009, B 62/09-6, zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: § 64 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.  Mit Straferkenntnis vom 4. August 2008, GZ: VerkR96-6549-2007, hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 07.06.2007, 10:52 Uhr in der Gemeinde Vorchdorf, Autobahn Freiland, Nr. 1 bei km 210.400, zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Es sei mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,34 sec festgestellt worden (Fahrzeug: "Kennzeichen X, Personenkraftwagen M1, Volvo, dunkel"). Er habe dadurch § 18 Abs.1 StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs.2c Z4 StVO 1960 wurde eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 20. August 2008 Berufung erhoben und die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses bzw. Einstellung des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

Unter anderem argumentiert der Rechtsmittelwerber, das gegenständliche Straferkenntnis verletze ihn in mehrerlei Hinsicht in seinen verfassungsgesetzlich geschützten Rechten. Die behauptete Übertretung sei auf Video gespeichert. Durch diese Vorgehensweise sei, mangels entsprechender Verordnungsgrundlage, das Grundrecht des Einschreiters auf Datenschutz verletzt worden. Es verhalte sich wie bei der Aufhebung eines Bescheides betreffend die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen einer mittels Section Control festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Verfassungsgerichtshof.

 

Die Strafverfügung verletze auch das verfassungsgesetzlich geschützte Recht des Einschreiters auf Freiheit des Eigentums wegen fehlender Rechtsgrundlage mangels ordnungsgemäßer Festlegung der Messstrecke durch Verordnung.

 

Schließlich widerspreche die gegenständliche Strafverfügung (gemeint Straferkenntnis) dem Legalitätsprinzip. Jedes staatliche Handeln bedürfe entsprechender Grundlagen, die mittels Gesetz oder Verordnung zu schaffen wären. Für das Aufstellen des gegenständlichen Messsystems fehle diese Grundlage. Es gebe dafür weder eine gesetzliche Grundlage noch sei eine durch Verordnung geschaffen worden. Es sie somit nicht im Sinne des Legalitätsprinzips geregelt, wie dieses Messsystem am gegenständlichen Ort einzusetzen sei.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 22. August 2008 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat zunächst Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 18. November 2008.

 

2.5. Der Entscheidung liegt nachstehender Sachverhalt zugrunde:

 

Der dem Berufungswerber zur Last gelegte Sachverhalt wurde der Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit Anzeige vom 11. Juni 2007 zur Kenntnis gebracht. Danach erfolgte die Messung durch das geeichte Messsystem VKS3.0.-VIDIT-A11 (Verkehrskontrollsystem – eingebaut im Dienst-KFZ mit dem Kennzeichen X) gemäß den eichamtlichen Verwendungsbestimmungen unter Beachtung der Bedienungsanleitung. Bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 108 km/h habe die Einhaltung eines Abstandes von 10 m (unter Einhaltung der Messtoleranz) festgestellt werden können.

 

Diese Abstandsmessung wurde sowohl im erstbehördlichen Verfahren als auch im ursprünglichen Berufungsverfahren als taugliches Beweismittel der Entscheidung zugrunde gelegt und es wurde der zur Last gelegte Tatvorwurf dem Grunde nach als erwiesen angenommen, weshalb mit dem nunmehr vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 20. November 2008, VwSen-163460/11/Ki/Jo, die Berufung hinsichtlich der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen wurde.

 

Mit Erkenntnis vom 1. Dezember 2009. B 62/09-6, hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden ist und es wurde der Bescheid aufgehoben.

 

In der Begründung wurde im aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Wesentlichen festgestellt, dass, da die Abstandsmessung, die die Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers bildete, ohne gesetzliche Grundlage iSd § 1 Abs.2 DSG 2000 durchgeführt worden sei und der angefochtene Bescheid insofern der Rechtsgrundlage entbehre. Der angefochtene Bescheid sei daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums aufzuheben gewesen. Mit weiteren Beschwerdevorbringen hat sich der Verfassungsgerichtshof nicht auseinandergesetzt.

 

2.6. In Anbetracht der Feststellungen des Verfassungsgerichtshofes kann somit die gegenständliche Abstandsmessung nicht als taugliches Beweismittel zum Nachweis der Verwaltungsübertretung herangezogen werden. Nachdem weitere Beweise nicht zur Verfügung stehen, kann die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden.

 

3. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Da, wie bereits oben dargelegt wurde, dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann, zumal das zur Verfügung stehende Beweismittel aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden kann und keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen, war – in dubio pro reo – der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum